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Fragliche Qualität im Zahlenwerk
Von Dr. Oliver Everling | 25.April 2024
Bilanzrating ist ein wichtiges Element des Finanzratings. Prof. Dr. Jörg Baetge von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hatte sich über die Jahre als ein führender Experte im Bereich der Beurteilung der Qualität von Bilanzdaten etabliert. Sein Engagement und sein wissenschaftlicher Ansatz in der Finanzanalyse haben dabei geholfen, die Verlässlichkeit und Transparenz in der Rechnungslegung zu erhöhen. Besonders in einer Zeit, in der nach Ansicht von Experten wie Prof. Dr. Jan Viebig von ODDO BHF die „Kunst der kreativen Buchführung“ zugenommen hat, war Baetges Arbeit von unschätzbarem Wert. Viebig kritisiert, dass „die Qualität der ausgewiesenen Zahlen nachgelassen hat“, ein Trend, der die finanzielle Welt zunehmend beunruhigt.
In einem aktuellen Kommentar der ODDO BHF Polaris Fonds-Familie wird hervorgehoben, dass die letzte Berichtssaison erneut die „Unsitte“ der Finanzabteilungen vieler Unternehmen offenbarte, Bilanzen zu schönen. Viebig merkt an, dass solche Praktiken den wahren Zustand eines Unternehmens verbergen können, was es schwierig macht, die Qualität des Managements und der Rechnungslegung zu beurteilen, welcher er und sein Team einen hohen Stellenwert beimessen. Er betont: „Wir sehen uns als Aktionäre, die ein Unternehmen über einen längeren Zeitraum in seiner Entwicklung begleiten wollen.“ Daher investieren sie nach klar definierten Qualitätskriterien in Unternehmen mit hohen Kapitalrenditen und klaren Wettbewerbsvorteilen.
Die zunehmende Verwendung von „non GAAP earnings“, wie EBITDA, wird besonders kritisch gesehen. Viebig erklärt, dass dadurch oft ein zu positives Bild des Unternehmens vermittelt wird. Problematisch sind auch Praktiken wie der vorgezogene Ausweis von Umsätzen oder die Überbewertung von Vermögensgegenständen. Solche Methoden können dazu führen, dass die tatsächliche finanzielle Lage eines Unternehmens verzerrt wird, was letztlich Investoren in die Irre führen kann.
Die Polaris-Fondsmanager richten ihr Augenmerk daher nicht nur auf die publizierten Zahlen, sondern auch darauf, wie diese zustande kommen. Viebig betont, dass die Fähigkeit eines Unternehmens, hohe operative Cashflows zu erwirtschaften, ein Schlüsselelement für ihre Anlageentscheidungen ist. „Ein hoher Free-Cashflow bedeutet, dass ein Unternehmen genügend Liquidität schafft, um Dividenden auszuschütten, Aktien zurückzukaufen und Schulden zu tilgen“, erklärt Viebig, was letztendlich eine solide Basis für Investoren schafft und zeigt, dass das Unternehmen Werte für seine Aktionäre generieren kann.
Baetges Forschung und Lehre haben eine wichtige Rolle gespielt, um das Bewusstsein für diese Themen zu schärfen und um Frameworks zu entwickeln, die eine präzisere Beurteilung der Bilanzqualität ermöglichen. Seine Arbeit bleibt ein zentraler Ankerpunkt für alle, die sich für die Integrität und Transparenz in der Finanzberichterstattung einsetzen.
Themen: Aktienrating, Bilanzrating, Finanzrating | Kommentare deaktiviert für Fragliche Qualität im Zahlenwerk
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