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Genobanken – Gewinner der Finanzkrise

Von Dr. Oliver Everling | 10.Januar 2011

Die Finanzkrise geht ins vierte Jahr. Der Weg von der US-Subprime Krise zur globalen Finanzkrise ging über die Stufen der US-Subprime-Krise, den Verfall der Marktkurse für alle Wertpapierklassen, Wertkorrekturen, krisenhafte Verschärfung durch die Insolvenz des Bankhauses Lehman Brothers, negative Vertrauens- und Vermögenseffekte und Rettungsaktionen zur Vermeidung systemischer Risiken. Wolfgang Köhler, Vorstandsmitglied der DZ BANK AG, fragte beim Neujahrsempfang des eff European Finance Forum vor über 100 Gästen in Frankfurt am Main: Genossenschaftliche FinanzGruppe – Gewinner der Finanzkrise?

Über Jahrzehnte hinweg wurde die akademische Frage nach dem Universalbanksystem diskutiert. Genau jetzt in der Krise werde aber nicht mehr nach Investmentbanken und kommerziellen Banken und Bankengruppen feiner differenziert, warnt Köhler. „Was ist im genossenschaftlichen Bankensektor anders“, fragt Köhler und bemüht sich um Antworten im Kontext der drei Säulen des deutschen Bankensystems. Köhler hebt hervor, dass sich in Deutschland das Bankwesen auf eine Vielzahl von Instituten verteilt – im Gegensatz zum Ausland, wo oft sich nur wenige Banken den gesamten Markt unter sich aufteilen.

Köhler zeigt auf, dass die Bankengruppen staatliche Hilfen in unterschiedlicher Form in Anspruch nehmen. Die Privatbanken beanspruchen mehr als 250 Mrd. €, die öffentlich-rechtlichen Banken mehr als 175 Mrd. €, die genossenschaftlichen Banken dagegen 0 €. Nun werde man mit Strukturen im Markt konfrontiert, die wettbewerbspolitisch mehr als fraglich erscheinen.

Die Genossenschaftsidee sei aktueller denn je. Das genossenschaftliche Wertesystem wirke stabilisierend, sagt Köhler: Genossenschaftlicher Förderauftrag, Selbsthilfe, Selbstverantwortung, Selbstverwaltung, Dezentralität und Subsidiarität. Die Prinzipien der Selbsthilfe usw. würden es verbieten, schnell auf staatliche Hilfe zu setzen. Es wäre ein Widerspruch zu den Ideen der Gründer wie Schultze-Delitzsch und Raiffeisen im 19. Jahrhundert, nun auf Stützung durch den Staat angewiesen zu sein.

„Solche Schocks kommen natürlich auch an uns nicht spurlos vorbei“, räumt Köhler mit Blick auf die Auswirkungen der Finanzkrise ein. Aber selbst in Brüssel habe man inzwischen den Begriff der Subsidiarität entdeckt, der das Genossenschaftswesen schon lange präge. Die DZ BANK wird zur risikoabsorbierenden Gruppe, so dass die DZ BANK über die größten Portfolien verfüge. Beziehungen zu 30 Millionen Kunden, darunter 16,4 Millionen Anteilseigne, ruhen auf 1.156 Genossenschaftsbanken mit 13.600 Filialen und anderen Vertriebswegen auf den Möglichkeiten der DZ BANK Gruppe im Retail Banking, Transaction Banking sowie Corporate und Investment Banking.

„In Deutschland gibt es 3,4 Millionen Aktionäre, wir haben 16,4 Millionen Anteilseigner“, zeigt Köhler auf. Ceteris paribus ist uns der Zugang zur Börse verwehrt, macht Köhler mit Blick auf die Herausforderungen der Eigenkapitalbeschaffung für die Genossenschaftsbanken klar. „Wir genießen eine derivative Existenz“, sagt Köhler, „wir gehören den Instituten, die uns gegründet haben, und nicht irgendwem in Dubai“.

„Nicht nur im Kreditgeschäft legen Volks- und Raiffeisenbanken deutlich zu, auch im Einlagengeschäft gewinnen sie Marktanteile“, zitiert Köhler die Zeitung „Handelsblatt“ vom 5. Januar 2011. Gerade in den Schwellenländern sei das kooperative System der Genossenschaften aus vielen Projekten bekannt, daher erfahre das Genossenschaftswesen auch über die Grenzen hinweg immer mehr Anerkennung.

„Verzerrter Wettbewerb“, kritisiert Köhler mit Blick auf Lockvogelangebote von staatlich gestützten Banken, die keine seriös arbeitende Genossenschaftsbank anbieten würde. „Wir fühlen uns als Organisation in Sippenhaft genommen.“ Exemplarisch führt Köhler auf, wo es um weitere, nicht gerechtfertigte „Bestrafungen“ komme. „Wir haben in 150 Jahren unserer Existenz nie einen Cent von außen benötigt, noch nie hat ein Sparer einen Cent verloren.“ Die Einzahlungen in gemeinsame Töpfe mit anderen Banken komme daher den anderen Bankengruppen zugute.

„Subsidiarität wird hier umgedreht, man geht von hohen Standards auf weniger anspruchsvolle Standards herunter“, erläutert Köhler anhand der neuen Kapital- und Liquiditätsanforderungen gemäß Basel III. „Da wird zwanghaft reguliert in einem Sinne, dass man undifferenziert über die Lande hinwegfegt.“ Die Quintessenz: Die sehr guten Ratings für die Institute des Genossenschaftssektors bewährten sich durch die Finanzkrise hindurch. Genobanken konnten im Bankenmarkt Boden gewinnen, müssen künftig aber mit zusätzlichen Belastungen aufgrund der Stützung von Instituten des privaten und öffentlich-rechtlichen Sektors sowie mit der Aufgabe von Privilegien rechnen.

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