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Grüne Blasen und adverse Selektion durch Nachhaltigkeitskriterien

Von Dr. Oliver Everling | 27.Januar 2021

Warum können ESG-Scores zu nicht nachhaltigen Portfolios und „grünen“ Blasen führen? Dieser Frage geht von Louis Larere nach, Portfolio Manager SRI, Zadig Asset Management.

Nachhaltigkeit ist aktuell der bedeutendste Trend im Asset Management und die Integration von Nachhaltigkeitskriterien in Anlageprozesse gilt vielen bereits als Betriebslizenz. Dabei greifen Vermögensverwalter in erster Linie auf die so genannte ESG-Scores zurück, also Scores, die nach ökologische und sozialen Kriterien sowie solchen zur Angemessenheit und Ordnungsmäßigkeit der Unternehmensführung angelegt werden, die eine Handvoll an Ratingagenturen liefert.

„Doch solch eine ESG-Integration sollte nicht mit nachhaltigem Investieren gleichgesetzt werden“, warnt Louis Larere weist bei den ESG-Ratings auf folgende Schwächen hin:

Anbieter von ESG-Ratings unterscheiden sich sehr stark in ihren Einschätzungen für das gleiche Unternehmen. Die Ratings sind durchschnittlich nur zu 61 Prozent korreliert. Im Kreditwesen sind die die Einschätzungen zur Kreditwürdigkeit von verschiedenen Anbietern zu einem Unternehmen hingegen zu 99 Prozent korreliert.

Der Peer-Group-Ansatz von Ratingagenturen führt zu verzerrten Ergebnissen. Wenn Unternehmen nur mit ihrer Branche oder ihrem Sektor verglichen werden, führt dies beispielsweise dazu, dass der portugiesische Öl-Konzern Galp Energia ein MSCI-ESG-Rating von „AAA“ erhält, während Fresenius nur mit „BBB“ ausgezeichnet wird und damit im Gesundheitssektor zu den unteren 50 Prozent gehört.

Diese Fehler im System machen es theoretisch möglich, ein Portfolio zusammenzustellen, das sich ausschließlich aus Öl-, Gas- und Tabak-Unternehmen zusammensetzt und gleichzeitig ein MSCI-ESG-Rating von „AA“ erhalten würde. Gute ESG-Ratings bedeuten also nicht, dass ein Unternehmen auch ein nachhaltiges Investment ist. Zudem besteht die Gefahr, dass sich durch den Fokus auf ESG-Ratings eine „grüne Blase“ bildet und die immer gleichen Unternehmen von Investoren in die Portfolios aufgenommen werden. Die daraus resultierende Überbewertung mindert die möglichen Erträge solch „nachhaltiger“ Portfolios.

Die Kritik von Louis Larere ist bemerkenswert, da hier die schmale Gratwanderung deutlich wird, die die Ratingagenturen zu gehen haben. Beim Credit Rating wird den Agenturen oft vorgeworfen, ihre Ratings seien zu ähnlich, da – wie Louis Larere korrekt bemerkt – auch bei Anwendung unterschiedicher Methoden, angewandt von verschiedenen Analysten, die Ratingagenturen bei den meisten Schuldnern zu denselben Urteilen kommen.

Die über die Credit Rating Agencies wachenden Aufsichtsbehörden achten peinlichst darauf, dass die Aktivitäten der Wettbewerber im Credit Rating streng getrennt bleiben und möglichst eine größere Anzahl von Agenturen in hartem Wettbewerb zueinander stehen. Die Folge dieser Aufsicht über Credit Ratings war aber bisher nicht, dass die Agenturen zu deutlich unterschiedlichen Urteilen gelangt wären, so dass viele kleinere Konkurrenten der führenden Agenturen redundant sind. Anders verhält es sich bei den ESG-Scores, für die es weder in den USA, noch in Europa eine Aufsicht gibt.

Zadig Asset Management, eine der Partner-Boutiquen von iM Global Partner, löst sich daher von der schematischen Anwendung der ESG-Ratings und fokussiert sich auf Unternehmen, die sich in einer Übergangsphase zu einem nachhaltigeren Geschäftsmodell befinden und in zwei oder drei Jahren radikale Verbesserungen erzielen werden und deren Umsatz mindestens zu 10 Prozent1 dazu beiträgt, die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen zu erreichen. Über das Portfolio hinweg beträgt der Umsatzanteil, der den Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen zugeordnet werden kann, nach Angaben der Gesellschaft aktuell um die 40 Prozent. Durch diesen antizyklischen Blick auf den Markt soll es Zadig gelingen, Portfolios zu erstellen, die sich signifikant von denen der Wettbewerber unterscheiden.

Themen: Fondsrating, Nachhaltigkeitsrating | Kommentare deaktiviert für Grüne Blasen und adverse Selektion durch Nachhaltigkeitskriterien

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