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Grundlagen der Schiffsfinanzierung
Von Dr. Oliver Everling | 28.Dezember 2007
Wer schon einmal unter Reeder und andere Unternehmer der Schifffahrtswirtschaft und ihre Finanzierer geraten ist, weiß, wie schnell der Laie angesichts einer Fülle von Fachbegriffen den Gesprächsfaden verlieren kann. Für alle, die bei der Schiffsfinanzierung einmal mitreden wollen, ist das Herausgeberwerk von Henning Winter, Christian Hennig und Markus Gerhard „Grundlagen der Schiffsfinanzierung“ ein Gewinn. Der 956 Seiten starke Wälzer ist im Bankakademie-Verlag der Frankfurt School of Finance & Management erschienen (978-3-937519-59-3, www.verlag.bankakademie.de).
Wer das Buch durchgeackert hat, für den sind die Schiffstypen von Stückgutschiffen über Balk Carrier, RoRo Schiffen bis hin zu Schwimmdocks ebenso selbstverständlich wie schiffstechnische Begriffe wie die schwedischen Eisklassen oder die des Germanischen Lloyd. Die Implikationen der Chartertypen wie Zeitcharter, Bareboat Charter oder Tramp-/Reise-Charter und Linienfahrt werden ebenso klar wie die Bedeutung maßgeblicher internationaler Organisationen wie der International Maritime Organization (IMO), International Labour Organization (ILO) oder nationaler Schifffahrtsbehörden und Hafenstaatkontrollen.
Die Beiträge des Buches gehen auch auf geografische Aspekte und statistische Entwicklungstendenzen ein, zum Beispiel bei den Flottenstrukturen. So werden die Größenklassensegmente analysiert wie Handymax-Bulker, Panamax-Bulker oder Capesize-Bulker. Um die Grundlagen des kommerziellen Managements zu vermitteln, werden der Ankauf von Second-Hand-Tonnage und Neubauverträge, Finanzierung und Liquiditätssteuerung aus Sicht des Schiffsmanagers, Vercharterung und Berichtswesen erläutert. Dem Leser wird die Bedeutung technischer und nautischer Inspektionen ebenso klar wie die der Kalkulation eines optimalen Anti-Fouling-Systems oder eines ausgeklügelten Lashing-Systems auf Containerschiffen.
Bei den Beteiligten am Versicherungsvertrag ist die Bonität der Versicherer zu beachten. In einem Beitrag über Schiffsversicherungen (Haftpflichtversicherung, Seekaskoversicherung, Versicherung des Schiffsgläubigerinteresses) wird auf diesen und weitere Aspekte der Beteiligten am Versicherungsvertrag hingewiesen – spezialisierte Makler, Mitversicherungsgemeinschaften, Assekuradeure und der Verein Hanseatischer Transportversicherer.
Während der Entwicklung des Weiterbildungsstudiengangs „Ship Financing“ an der Frankfurt School of Finance & Management entstand frühzeitig die Idee, schreiben die Herausgeber, die Lücke in der Literatur zur Schiffsfinanzierung zu schließen. Das Werk ist offizielles Begleitbuch des Zertifikatsstudiums. Diesem Studium dürfte es ausgezeichnete Dienste leisten, da es vorbildlich durchstrukturiert und in angemessenem Umfang mit Grafiken, Tabellen und Auflistungen versehen ist. Das Lernen wird hier leicht gemacht, da es im richtigen Umfang mit Fettdruck und Hervorhebungen arbeitet, die das Auffinden von Textstellen vereinfachen.
Gemessen daran, dass das Buch in der Lehre Verwendung finden soll, könnte man sich zu jedem Kapitel noch Zusammenfassungen, Merksätze, Übungsfragen und Lösungsskizzen sowie am Ende des Buches ein Glossar (es findet sich nur ein eingestreutes Glossar von wenigen Seiten zu einem einzelnen Beitrag) und ein Stichwortverzeichnis vorstellen, das den schnellen Zugriff auf Textstellen erlauben würde, in denen die in der Schifffahrt zahlreichen Fachbegriffe eingehender erläutert werden. Das Werk wäre dann allerdings noch umfangreicher – und noch schwerer, schon jetzt wiegt es mehr als das Notebook in der Tasche des Studenten.
Wie umfangreich und komplex die Materie der Schiffsfinanzierung geworden ist, lässt sich daran ermessen, dass mit dem mehr als 5 cm dicken Buch lediglich Grundlagen vermittelt werden. So reicht der Platz nicht aus, um auch noch ein generelles Kapitel über das Schiffsrating aufzunehmen, geschweige denn, spezifischer auf das Rating einzelner Beteiligter einzugehen.
Die Relevanz von Ratings tritt jedoch an verschiedenen Stellen deutlich hervor: „Von entscheidender Bedeutung ist ersichtlich auch die Bonität des Charterers, denn nur bei vertragstreuer Beschäftigung des Schiffs und Zahlung der vereinbarten Chartererraten ist die Rückzahlung der Kredite gesichert.“ Der Schiffseigentümer habe gegen den Charterer regelmäßig keinen Anspruch auf Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse, schon gar nicht in dem Umfang, der es einer Bank ermöglicht, eine umfassende Kreditwürdigkeitsprüfung durchzuführen.
„Sowohl der Eigner als auch die finanzierende Bank muss sich zumeist damit zufrieden geben, wenn dem Charterer der Ruf vorausgeht, vertragstreu zu sein. Hierfür kann sich der Reeder oder auch die Bank eine Auskunft einholen, die jedoch noch nicht einmal ansatzweise einen zuverlässigen Einblick (etwa vergleichbar einem Kapitalmarktrating) in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Marktteilnehmers gibt. Häufig beruhen Auskünfte wie beispielsweise die des Anbieters Dynamar auf Selbstauskünften des Charterers und enthalten kaum nachvollziehbare Unternehmensziffern.“
Wer im Beitrag über die Aufgaben und Tätigkeitsfelder von Klassifikationsgesellschaften mehr über die Arbeit von Ratingagenturen erwartet, wird mit einer ganz anderen Art von Klassifizierung als Kreditrating vertraut gemacht: Klassifikationsgesellschaften, die ihre frühesten Wurzeln im 18. Jahrhundert finden, setzen Standards für Sicherheit und Umweltschutz und liefern objektive Informationen über die Wirtschaftlichkeit, Rentabilität und die laufende Rendite von Schiffen.
„Zunächst arbeiteten die Klassifikationsgesellschaften unabhängig voneinander. Jede Gesellschaft entwickelte ihr eigenes Regelwerk und setzte es um. Treffen unter den verschiedenen Klassifikationsgesellschaften fanden, wenn überhaupt, lediglich auf informeller Ebene statt. Erst sehr viel später, im 20. Jahrhundert, setzte sich die Einsicht durch, dass die Koordination ihrer Arbeit und die Verständigung auf ein einheitliches Regelwerk ihren Einfluss auf die technische Sicherheit in der Schifffahrt nur vergrößern würden“ – eine Einsicht, die bei den führenden US-amerikanischen Ratingagenturen noch auf sich warten lässt.
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