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Haftung für fehlerhafte Ratings

Von Dr. Oliver Everling | 23.Januar 2011

„Auch wenn der erste, unreflektierte Eindruck der einschlägigen Literatur ein anderes Bild vermitteln mag, erweist sich die rechtliche Qualifizierung des Ratings als ein wesentliches – wenn nicht sogar als das entscheidende Problem“, schreibt Dr. Thomas Mühl in seiner Arbeit „Haftung für fehlerhafte Ratings – Grundlagen, Beweisführung, Prozesstaktik“, erschienen 2010 im Erich Schmidt Verlag (www.ESV.info, ISBN 978 3 503 12626 2). „Das Rating als gemischt objektiv-subjektives, retrospektiv-prospektives Beurteilungsverfahre befindt sich in der ‚Grauzone‘ zwischen Tatsachenbehauptung und grundrechtlich geschützter Meinungsäußerung.“

Gerade aus dieser vielleicht einzigartigen Aggregation zahlreicher Einflussgrößen gewinne das „Phänomen“ Rating nicht nur seinen wissenschaftlichen Reiz, schreibt Mühl, sondern resultieren auch alle wirtschaftlichen und rechtlichen Fragestellungen und Problemkomplexe.

Für Ratingsymbole und Ratingskalen gibt es keine Norm – selbst die Projektgruppe „Rating Services“ der International Organisation for Standardization, ISO, scheiterte am Widerstand der führenden US-Agenturen, einen einheitlichen und verständlichen Standard zur Bedeutung der von den US-Agenturen in mehr als 100 Ländern der Welt verbreiteten Ratingsymbole zu schaffen. Mühl stellt daher mit Recht fest: „So ermöglichen die inhaltlichen Erläuterungen der Symbole keine klare Bestimmung, sondern tragen zusätzlich zur bereits bestehenden Unsicherheit bei.“ Mühl liefert in seinem Buch dafür konkrete Praxisbeispiele.

Mühl findet zum Rating bereits eine umfassenderen Gesetzesrahmen vor als frühere Autoren, die sich bereits mit der Haftung von Ratingagenturen befassten, jedoch vor der EU-Verordnung über Ratingagenturen von 2009 und anderen, zwischenzeitlich in Kraft getretenen Verordnungen und Gesetzen. „Allerdings“, schreibt Mühl, „setzen diese Regelungen ausschließlich Verfahrens- und Verhaltensstandards für die Erstellung externer und interner Ratings, ohne dabei die Haftungsfrage explizit zu regeln.“

Mühl spricht von einem „zweigeteilten Rechtsrahmen“: Während im öffentlichen Recht bereits erste Regelungen für das interne und externe Rating zur Schaffung und Erhaltung stabiler und verlässlicher Kapitalmärkte und Bankensysteme geschaffen wurden, … ist der zivilrechtliche (Haftungs-) Bereich zwischen Ratingagentur und Unternehmen, Ratingagentur und Anleger sowie Bank und Unternehmen (bislang) spezialgesetzlich ungeregelt geblieben.“

In den heute üblich verwendeten Ratingverträgen fehlen zumeist positiv beschriebene Anforderungen an das Rating, stellt Mühl nach seinen Recherchen fest. „Im Gegenteil enthalten die Ratingverträge regelmäßig eine Regelung, wonach die Agentur keine Garantie für die Richtigkeit der Notation und des Ratingberichts übernimmt.“

Solche negative Vertragsbestimmungen in Form von Richtigkeitsausschlüssen in AGB-Klauseln der Ratingagenturen gefährden als vertragliche Nebenabrede das Erreichen des Vertragszwecks, so dass sie nicht wirksamer Vertragsbestandteil werden können (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Nach §§ 634 Nr. 1, 635 BGB kann das Unternehmen im Falle eines mangelhaften Ratings auf Kosten der Agentur eine Korrektur des Fehlers sowie bei bereits erfolgter Publikation eine Berichtigung oder einen Neuabdruck verlangen.

Während auf Ratingagenturen daher bereits heute, auch ohne spezialgesetzliche Regelungen, ein erheblicher Druck lastet, für „richtige“ Ratings zu sorgen, vermögen sich Banken ihrer Verantwortung noch weitgehend zu entziehen: „Solange die Bank das interne Rating für sich behält, haftet sie nicht für Fehleinschätzungen“, stellt Mühl fest.

In Deutschland sind Hunderttausende Unternehmen von bankinternen Ratings betroffen. Ohne dass es diesen bewusst wäre, leiden diese unter zu hohen Zinsbelastungen und Kosten schon deshalb, da die Bank das Rating zu schlecht einstuft. Rund ein Drittel bankinterner Ratings sind fehlerhaft, das sie das Risiko entweder zu niedrig oder – in den meisten Fällen – zum Nachteil des Kunden zu hoch klassifizieren. „Teilt die Bank allerdings das zu pessimistische interne Rating dem Kreditantragsteller mit, unabhängig aus welchen Motiven, haftet sie ihm gegenüber auf Ersatz des Vertrauensschadens“, zeigt Mühl auf.

Der Hauptteil des Buches von Mühl – nach zwei einführenden Teilen zu den wirtschaftlichen Grundlagen und der Problemidentifikation – befasst sich mit der Haftung von Ratingagenturen und von Banken. Nützlich ist schließlich auch der vierte Teil, „Rating als Gegenstand des anwaltlichen Mandats“. Hier zeigt Mühl auf, wie Anwälte schon bei der Vertragsgestaltung und dann auch bei der Beweisführung helfen können. Das Buch schließt mit Hinweisen zur Prozesstaktik ab und liefert damit einen praxisnahen Leitfaden zum Umgang mit Banken und Ratingagenturen.

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