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Handbuch Solvabilität
Von Dr. Oliver Everling | 11.August 2014
Wie angesichts der raschen regulatorischen Änderungen wohl kaum anders zu erwarten, folgt auf die erste Auflage des Buches von Thorsten Gendrisch, Walter Gruber und Ronny Hahn schon jetzt die zweite Auflage: Das „Handbuch Solvabilität“ befasst sich mit den aufsichtlichen Kapitalanforderungen an Kreditinstitute. Im Schäffer Poeschel Verlag verspricht das Buch den gewohnt hohen Ansprüchen an ein Fachbuch dieses Verlags (www.schaeffer-poeschel.de, ISBN 978-3-7910-2910-8) gerecht zu werden.
Im Handbuch Solvabilität geht es vor allem um Eigenmittel und Eigenmittelanforderungen an Banken. Das sind die zweifellos beherrschenden Themen seit der Finanzkrise im Bankenbereich, und zwar nicht, weil diese mit den Ursachen der Finanzkrise viel zu tun hätten, sondern vornehmlich deshalb, da Politiker sich dem Druck ihrer Wähler ausgesetzt sahen, in künftigen Krisen den Steuerzahler besser vor Milliardehilfen für strauchelnde Banken zu schützen. Insbesondere die sogenannten „systemisch wichtigen“ Banken sollten gegenüber der Politik weniger Erpressungspotential mitbringen.
Der Teil des Handbuch Solvabilität über Eigenmittelaforderungen ist daher der wichtigste im Buch. Hier gehen die Autoren ausführlich auf die allgemeinen Anforderungen, Bewertung und Meldung, sowie die jeweiligen Eigenmittelanforderungen für das Kreditrisiko, das operationelle Risiko, das Marktrisiko, das Abwicklungsrisiko und für das Risiko einer Anpassung der Kreditbewertung (CVA-Risiko) ein.
In weiteren Teilen des Buches geht es um Großkredite, Forderungen aus übertragenen Kreditrisiken, Liquidität, Verschuldung, Offenlegung durch Institute, delegierte Rechtsakte und Durchführungsakte bis hin zu Übergangsbestimmungen, Berichten, Prüfungen, Änderungen und Schlussbestimmungen. Während die Herausgeber des Buches geschäftsführende Partner der 1 PLUS i GmbH sind, sind die Autoren überwiegend Praktiker aus den Banken und den Banken- bzw. Sparkassenverbänden.
Für Ratinganalysten ist das Buch in mehrfacher Hinsicht von Nutzen. Einerseits macht es aus Praktikersicht mit den regulatorischen Anorderungen an Kreditinstituten vertraut. In den komplizierten Texten der Gesetzeswortlaute – eine Vielzahl von Rechtsnormen aus unterschiedlichen QUellen sind von Banken gleichzeitig zu beachten – mögen die für die Praxis entscheidenden Änderungen oft verborgen erscheinen, so dass die Sichtung und Ordnung des Materials durch Praktiker von hohem Nutzen ist.
Der Versuch einer Gesamtschau der neuen Regelungen hilft aber auch, die Kriteriologie des Ratings zu überdenken, bisherige Maßstäbe zu modifizieren, neue hinzuzufügen und die Gewichte neu zu setzen. Das Buch liefert in seiner zweiten Auflage mithin erneut Denkanstöße für das Bankenrating, dem künftig auch wegen der gestärkten Eigenverantwortlichkeit der Banken und der Entschlossenheit der Europäischen Gemeinschaft, künftig Bankeninsolvenzen in Form einer geordneten Abwicklung zuzulassen, wieder wachsende Bedeutung zukommt.
Das Buch liefert Analysten Argumentationsgrundlagen sowohl für die Beurteilung von Banken aus Gläubiger-, als auch aus Eigentümer- bzw. Aktionärsperspektive. Unverkennbar werden durch eine Reihe von Regelungen die Gläubigerpositionen besser abgesichert. Zugleich ist aber auch die Komplexität des Bankmanagements in einem Ausmaß gestiegen, dass ernsthaft bezweifelt werden muss, dass Bankmanager an der Spitze ihrer Institute noch in der Lage sind, allen rechtlichen Anforderungen zu entsprechen.
War es schon bis zur Finanzkrise Bankmanagern kaum möglich, in allen Bereichen ihrer Geschäftstätigkeit gleichermaßen über die neuesten gesetzlichen Anforderungen informiert zu sein, so gilt dies nach dem Regulierungstsunami ab 2008 erst recht. Es steht sogar zu befürchten, dass die überbordende Bankenregulierung eine neue Generation von Hasardeuren an die Spitzen ihrer Institute spült: Bankmanager also, denen es bewusst ist, die zahlreichen Anforderungen an das Bankmanagement nicht komplett zu kennen, geschweige denn umsetzen zu können, die es aber trotzdem unternehmen, ihre Banken unter Inkaufnahme hoher Risiken für alle Beteiligte, Aktionäre, Gläubiger, Mitarbeiter usw. zu führen. Insofern ist der „Nettoeffekt“ der Regulierung für das Finanzwesen keineswegs für Gläubiger eindeutig anzugeben. Möglicherweise wurden die Bankrisiken – im Gegenteil – aufgrund der praktischen Unmöglichkeit ihrer kompletten und widerspruchsfreien Umsetzung sogar noch erhöht.
Für Analysten von Bankaktien lässt das Handbuch Solvabilität erahnen, welche zusätzlichen Kostenbelastungen auf die Banken zukommen. Werden ceteris paribus dieselben Geschäfte mit mehr Eigenmittel unterlegt, muss die Rendite auf das eingesetzte Eigenkapital sinken. Aus diesem Effekt alleine kann jedoch noch nicht die mangelnde Attraktivität von Bankaktien gefolgert werden, denn auch die Risikoprofile der Banken ändern sich.
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