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Indikatorgesteuertes Qualitätsprüfungssystem
Von Dr. Oliver Everling | 14.Oktober 2019
Seit 2011 analysiert Avivre Consult die MDK-Bewertungen der 50 größten privaten Pflegeheimbetreiber und damit die MDK-Noten von nahezu jeder 9. Pflegeeinrichtung in Deutschland. „Schon seit den Anfängen unserer Analysen weisen wir auf die grundsätzlichen Defizite und Kritikpunkte der durchgeführten MDK-Prüfungen und vor allem der Bewertungsmethodik hin“, kommentiert dazu Ines Löwentraut, Geschäftsführerin der Avivre Consult.
Seit der Einführung der Begutachtungen durch den MDK wurden zwar diverse größere und kleinere Reformen bezüglich der Prüfkriterien, der Prüfmethodik sowie auch der Bewertungsdarstellung umgesetzt. Diese betrafen leider nicht die von vielen Experten sowie von Avivre Consult immer wieder angemerkten hauptsächlichen Defizite.
„Die nahezu ausschließliche Bewertung der Strukturqualität statt der Ergebnisqualität führte dazu,“ zeigt Löwentraut auf, „dass sich die Betreiber auf die Prüfungen durch eine gut geführte Dokumentation einstellen konnten und nahezu durchgängig sehr gute Bewertungen erzielten, obwohl eine gut geführte Dokumentation nicht zwingend auch eine gute erbrachte Qualität bedeutet.“
Mit der letzten Überarbeitung der MDK-Prüfkriterien 2017 wurden zwar Kernkriterien eingeführt, d.h. die Prüfkriterien 1-20 wurden als besonders relevant eingestuft. Es wurde aber bis zum heutigen Tag versäumt, kritisieren die Experten von Avivre Consult, gleichzeitig eine systematische Abwertungsregelung einzuführen, wie dies z.B. bei ADAC-Tests üblich ist: Muss ein Kernkriterium mangelhaft bewertet werden, kann die Gesamtnote nicht mehr sehr gut oder gut ausfallen, sondern es führt zu einer generellen Abwertung des Gesamtergebnisses.
Eine weitere Spreizung der Bewertungsskala sei immer wieder dadurch verhindert worden, dass die Einführung der Bewertungsnote „mangelhaft“ nicht umgesetzt wurde.
Aufgrund des Umstandes, dass trotz mehrfacher Reformen die Kritikpunkte nicht angegangen wurden, sei eines der größten Mankos der MDK-Bewertungen seit Beginn der Begutachtungen auch nicht abgestellt worden: Die zu geringe Spreizung der Bewertungen und damit die sehr geringe Aussagekraft der Begutachtungen vor allem für die Nachfrager.
So erreichten etwa bei der letzten von Avivre Consult durchgeführten MDK-Analyse 93% der berücksichtigten Pflegeheime im Prüfungsbereich „Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft, Hygiene“ die bestmögliche Bewertung 1,0. Bei der Gesamtbewertung lagen immerhin nahezu 75% der Pflegeeinrichtungen in einem Bewertungsrahmen zwischen 1,0 und 1,4. Für den Laien – für den ja ursprünglich diese Bewertungen eingeführt wurden, um ihm eine leichtere Auswahl eines Pflegeheimes an die Hand zu geben – ist es aber nicht von Belang, argumentieren die Analysten aus Bad Homburg, ob eine Einrichtung eine Bewertung 1,0 oder 1,4 erreicht hat, denn beide Werte liegen im sehr guten Bereich.
„Somit sind die veröffentlichten MDK-Begutachtungen für den Laien für die Auswahl eines Pflegeheimes nahezu nicht relevant,“ macht Löwentraut klar, „da fast alle Pflegeheime im Bereich sehr gut bis gut platziert sind. Hunderte von Gesprächen mit Einrichtungsleitungen bestätigen diese Einschätzung der relativen Bedeutungslosigkeit der MDK-Begutachtungen bei der Auswahl eines Pflegeheimes durch den Pflegebedürftigen bzw. Angehörigen.“
Nun also soll ab 01. Oktober 2019 eine weitere, diesmal tatsächlich grundlegende Reform der Pflegeheimbegutachtungen zumindest einige der vorgestellten Defizite abstellen: Das neue indikatorengestützte Qualitätsprüfungssystem.
Die größte Änderung werde sich für die Pflegeeinrichtungen dadurch ergeben, erwarten die Experten von Avivre Consult, dass nun endlich die Ergebnisqualität und nicht mehr vorrangig die Strukturqualität als Bewertungsgrundlage herangezogen werden soll. „Diese grundlegende Veränderung der Prüfungsebene wird sicher zunächst einmal viele Pflegeheime vor organisatorische Herausforderungen stellen. Und auch die Prüfbehörden werden sich grundsätzlich umorientieren müssen.“ Löwentraut hoff, dass die Umstellung reibungslos verläuft und vor allem in den Pflegeeinrichtungen nicht dazu führt, dass die ohnehin prekäre Personalsituation weiter dadurch verschärft wird, dass Personal mit der Dokumentation der erbrachten Qualität gebunden wird.
„Vor allem ist aber zu hoffen,“ sagt die Geschäftsführerin von Avivre Consult, „dass Nachfragern nach Pflegeleistungen ein merklich transparenteres und vor allem auch eindeutigeres Entscheidungsinstrument als bisher an die Hand gegeben wird, so Mario Schmitz. Aufgrund der im Vergleich zu den bisherigen Prüfverfahren voraussichtlich merklich steigenden Komplexität der Darstellung der Prüfungsergebnisse werden aber Pflegebedürftige bzw. deren Angehörige merklich mehr Zeit einsetzen müssen, um sich durch die veröffentlichten Prüfgutachten durchzuarbeiten.“ Eine wesentlich deutlichere Kenntlichmachung der „guten“ und der „schlechten“ Pflegeheime als bislang würde diesen Aufwand aber rechtfertigen.
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