« | Home

Investment trotz nachlassender Dynamik

Von Dr. Oliver Everling | 16.Oktober 2024

Eine nachlassende Wachstumsdynamik in den USA, weltweit sinkende Inflationsraten und eine uneinheitliche Entwicklung der Staaten der Europäischen Union ergeben zusammen ein sehr gemischtes Bild auf die Zukunft. Dieser Ansicht ist Desiree Sauer, Investmentstrategin bei Lazard Asset Management. Sie setzt auf aktives Rentenmanagement und erwartet ein Comeback zuletzt verschmähter Aktiensegmente.

In Bezug auf das Wirtschaftswachstum hätten die USA erneut überrascht, so die Expertin. Hohe Konsumausgaben, unterstützt durch hohe Ersparnisse und fiskalpolitische Maßnahmen, würden sich positiv auf das US-Wachstum auswirken. Doch auch die USA blieben nicht ganz ohne Blessuren durch die restriktive Geldpolitik: „Wir sehen, wie die wirtschaftliche Dynamik an Schwung verliert – das zeigen die nachlassenden vorausschauenden Einkaufsmanagerindizes insbesondere im verarbeitenden Gewerbe“, sagt Sauer.

Dennoch könne von einer echten Rezessionsgefahr in den USA nicht die Rede sein. Zwar dürfte sich die Wirtschaft im Laufe dieses Jahres als verzögerter Effekt der restriktiven Geldpolitik noch etwas weiter abkühlen, doch die bereits vorgenommenen und die wahrscheinlich noch kommenden Zinssenkungen sollten der US-Wirtschaft 2025 neuen Schwung verleihen.

Allen Befürchtungen zum Trotz habe die Wirtschaft der Eurozone die erste Jahreshälfte besser überstanden als zu Jahresbeginn erwartet. Die Rezession sei ausgeblieben, und die Region verzeichne ein leicht positives Wachstum. Desiree Sauer sieht jedoch genauer hin: „Innerhalb der Eurozone zeigen sich unterschiedliche Entwicklungen. Das positive Wachstum wurde hauptsächlich von den südlichen Mitgliedstaaten getragen, was teilweise auf Reformen und höhere Staatsausgaben zurückzuführen ist.“

In Deutschland zeige sich ein anderes Bild: „Als Exportnation leidet Deutschland unter der anhaltenden globalen Nachfrageschwäche, und bestimmte Kernsektoren der Wirtschaft stehen unter Druck – darunter auch die Automobilindustrie. So erwägt beispielsweise der Autoriese VW die Schließung zweier Werke in Deutschland“, erklärt Sauer. Die restriktive Fiskalpolitik und die politische Unsicherheit in Deutschland, ausgelöst durch das Zerwürfnis der Ampelkoalition und die deutlichen Zugewinne der AfD bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland, hätten den Gegenwind für Europas größte Volkswirtschaft noch verstärkt. „Es ist also kein Wunder, dass die Stimmung in Deutschland auf ein Tief gerutscht ist, was sich auch im ifo-Geschäftsklimaindex niederschlägt“, sagt Sauer.

Betrachte man die Eurozone insgesamt, sei die Entwicklung dennoch positiv: Das Verbrauchervertrauen verbessere sich stetig, das BIP-Wachstum sei im zweiten Quartal positiv gewesen und die Arbeitslosigkeit auf den niedrigsten Stand aller Zeiten gesunken. „Auch wenn eine Rezession in der Eurozone nicht völlig ausgeschlossen werden kann, sehen wir keine Anzeichen dafür, dass sie unmittelbar bevorsteht“, sagt Sauer. „Das ist unter anderem auf die Stärke der Verbraucher zurückzuführen. Die Kombination aus niedriger Inflation und steigenden Reallöhnen dürfte das Verbrauchervertrauen zusätzlich stärken. Der Internationale Währungsfonds schätzt, dass die Wirtschaft der Eurozone im Jahr 2024 um 0,9 Prozent und im Jahr 2025 um 1,5 Prozent wachsen wird, für die USA liegen die Werte bei 2,6 Prozent in 2024 und 1,9 Prozent für 2025.“

Erfreulich ist laut Sauer auch die Inflationsentwicklung: „Auf beiden Seiten des Atlantiks gehen sowohl die Headline- als auch die Kerninflationsrate zurück, mit Ausnahme von Großbritannien, wo sich die Kernrate ausgesprochen hartnäckig zeigt. Die Eurozonen-Inflation (Headline) ist im September mit 1,8 Prozent sogar unter das Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank gerutscht. Großbritannien und die USA sind mit 2,2 Prozent ebenfalls nahe am gewünschten Korridor.“

Desiree Sauer geht davon aus, dass die Zentralbanken ihren eingeschlagenen Weg weiter fortsetzen werden. Die Inflation scheine eingedämmt zu sein, was den Zentralbanken Raum für weitere Zinssenkungen gebe. Für die Europäischen Zentralbank (EZB) werde im Oktober der nächste Zinsschritt um 25 Basispunkte erwartet. „Auch in den USA rechnen wir mit weiteren Zinssenkungen in den nächsten Monaten, auch wenn diese wahrscheinlich nicht mehr ganz so hoch ausfallen werden. Zwei weitere Schritte um jeweils 25 Basispunkte bis zum Jahresende erscheinen uns vernünftig“, sagt Sauer.

Zu den aktuellen Risiken gehören die anstehenden Wahlen, insbesondere in den USA. Sorge bereiten Desiree Sauer außerdem der zunehmende Protektionismus, ein möglicher weiterer Rechtsruck und ein potentielles Wiederaufflammen der Inflation. „Dennoch bleibt unser Ausblick für die Anleihemärkte, sowohl für Investment- als auch für Hochzinsanleihen, positiv. Unternehmensanleihen gehören zu den Nutznießern der stabilen und teilweise aufhellenden Wirtschaftsaussichten. Wir sind der Ansicht, dass Euro-Hochzinsanleihen im Durchschnitt immer noch etwas zu teuer gehandelt werden, während ausgewählte Emittenten und Anleihen weiterhin ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten.“

Aktives Management ist aus Sicht der Expertin als Schlüssel zum Erfolg. Sie hält nordische Anleihen für eine interessante Nische, da diese Anleihen auf der Grundlage starker Fundamentaldaten und höherer Spreads ein beträchtliches Performancepotenzial böten. „Insgesamt könnten festverzinsliche Anlagen durch weitere Zinssenkungen Auftrieb erhalten. Es besteht jedoch weiterhin das Risiko, dass die Inflation zurückkehrt, was an den Märkten zu einigen Turbulenzen führen könnte. Das ist jedoch nicht unser Basisszenario“, hält Sauer fest.

Auch für die Aktienmärkte ist Desiree Sauer positiv gestimmt. Sie rechnet jedoch aufgrund der bevorstehenden US-Wahl in den nächsten Monaten mit einer erhöhten Volatilität an den Märkten. Bei den Favoriten unter den Aktientiteln könne es zu einem Wechsel kommen: „Unserer Meinung nach werden Aktiensegmente, die in den letzten Jahren in den Hintergrund geraten sind, wieder mehr Anlegerinteresse wecken. Dazu gehören beispielsweise Small- und Mid-Cap-Aktien, die von der Aussicht auf weitere Zinssenkungen und eine stabile Konjunktur profitieren könnten. Dies würde wiederum die Performance von Wandelanleihen beflügeln, deren Emittenten hauptsächlich aus dem Mid-Cap-Growth-Bereich stammen“, argumentiert die Expertin.

Auch Schwellenländeraktien könnten Nutznießer des derzeitigen Umfelds sein. Diese lägen nach wie vor in ihren Bewertungen weit zurück, obwohl sich das makroökonomische Umfeld verbessert habe. Doch die Zinssenkungen der US-Notenbank Federal Reserve und ein potentiell schwächerer Dollar könnten eine Phase einläuten, in der Schwellenländeraktien wieder outperformen könnten.

Themen: Aktienrating, Anleiherating, Fondsrating | Kommentare deaktiviert für Investment trotz nachlassender Dynamik

Kommentare geschlossen.