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Investment- und Risikomanagement
Von Dr. Oliver Everling | 18.Januar 2009
Das einzig Bedauerliche an dem 1036 Seiten umfassenden Werk von Prof. Dr. Peter Albrecht und Prof. Dr. Raimond Maurer ist, dass es auch bei der 3. Auflage 2008 keinen quantitativ wie auch qualitativ ebenbürtigen zweiten Band gibt, der die Inhalte des vorliegenden Buches um eine entscheidende Dimension des Investment- und Risikomanagements für die Anlage- und Kreditpraxis erweitern würde. Dazu im folgenden mehr, zunächst aber zu dem durchweg empfehlenswerten Buch und ihren beiden Autoren (ISBN 978-3-7910-2827-9, www.schaeffer-poeschel.de).
Prof. Dr. Peter Albrecht, Diplom-Mathematiker und Aktuar DAV (Deutsche Aktuarvereinigung), ist an der Universität Mannheim Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Risikotheorie, Portfolio Management und Versicherungswirtschaft sowie Geschäftsführender Direktor des Instituts für Versicherungswissenschaft. Prof. Dr. Raimond Maurer ist an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Inhaber des Lehrstuhls für Investment, Portfolio Management und Alterssicherung.
Der Aufbau des Buches erinnert an Standardwerke aus dem angelsächsischen Sprachraum und ergänzt sich in der 3. Auflage um Modelle und Ansätze, die wissenschaftlich wie auch in der Praxis international Beachtung fanden. Im ersten Teil geht es um institutionelle und methodische Grundlagen – was sind überhaupt Aktien, Gläubigertitel, Anteile an Investmentfonds, Optionen usw. Mit den grundlegenden Methoden der Investitionsrechnung werden didaktisch geschickt zugleich auch Investments unter Sicherheit, unter Risiko in Ein- und Mehrperiodenmodellen sowie Fragen der Marktbewertung dargestellt.
Der zweite Teil widmet sich dem Investment- und Risikomanagement primärer Finanztitel. Hier werden nach bewährtem Muster Investments in Aktien und in Zinstiteln unterschieden. Dem Leser werden zu beiden Kategorien von Finanztiteln sowohl Grundlagen als auch Vertiefungen präsentiert. Dies erlaubt es, sich je nach Zeitbudget jeweils nur den Grundlagen zu widmen, um sich später den anspruchsvolleren Modellen zuzuwenden.
Der dritte Teil betrifft folgerichtig das Investment- und Risikomanagement mit derivativen Finanztiteln – Forwards und Futures, Optionen, Swaps. Unter „weiterführenden und vertiefenden Fragestellungen“, so ist der vierte Teil betitelt, verstehen die Autoren Fragen zur Asset Allocation und internationale Investments, Immobilien und alternative Investments, aber auch Marktrisiken und Value at Risk, Kreditrisiken und operationelle Risiken.
Jedem Studierenden, der seine berufliche Zukunft ernsthaft im Bereich des Investment- und Risikomanagements sucht, ist das Buch von Albrecht und Maurer dringend zu empfehlen. Wer im Verständnis schon an den in diesem Buch dargestellten Modellen strauchelt, dürfte kaum je die Urteilssicherheit erreichen, die von Managern großer Vermögen erwartet wird. Zu leicht würde er in der Praxis bloß gestellt werden können, wenn ihm die hier vermittelten Modelle, Methoden und Anwendungen nicht vertraut sein sollten.
Das Buch ist allerdings zugleich auch ein trauriges Dokument des Forschungsdefizits nicht nur in Deutschland, sondern gerade auch im angelsächsischen Raum. Fast alle vermittelten Methoden und Modelle kneifen beim Kernproblem der Praxis, realwirtschaftliche Zusammenhänge in künftigen Zahlungsströmen abzubilden. Überall werden diskrete oder stetige Zufallsvariablen oder zumindest zentrale Momente von Wahrscheinlichkeitsverteilungen benötigt. Leider wird in der Praxis zu oft, wie nicht erst die Finanzkrise zeigt, die Mathematisierung als Feigenblatt eingesetzt, um Inkompetenzen zu überdecken – was natürlich den beiden Wissenschaftlern nicht vorzuwerfen ist.
Wer beispielsweise nach Ansätzen hungert, wie denn in der Praxis der unterschiedliche Risikogehalt von Finanztiteln jenseits abstrakter Annahmen und Prämissen über Verteilungsfunktionen klassifiziert werden könnte, findet dazu im Kapitel „16.2.2. Ratingsysteme“ nicht mehr als eine kümmerliche Fischgräte vor. Nicht einmal drei Seiten füllen die Darstellungen zu den Ratingsystemen, drei Seiten von eintausendundsechsunddreißig Seiten. Drei Seiten, auf denen alles vermittelt werden soll von den Ratingskalen, Ratingsymbolen, Ratingagenturen, Migrationsmatrizen bis hin zu den Problemen, die Ratings bergen. Die Darstellungen dazu würden einen weiteren Band füllen. Stattdessen geht es schon auf der nächsten Seite fröhlich weiter mit My und Sigma, als ob irgendjemand wüsste, welches My und welches Sigma die richtige Schätzung z. B. für das Kreditrisiko einer Bank wäre. Dies muss erstaunen, als doch auch den beiden Wissenschaftlern die unter Aspekten des Investment- und Risikomanagements interessante Finanzkrise mit ihrer Offenbarung zum Liquiditätsrisiko und zur zentralen Rolle der Ratingagenturen nicht verborgen geblieben sein dürfte.
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