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Ironie des Schicksals: FDP-Ausscheiden sichert die Schuldenbremse

Von Dr. Oliver Everling | 24.Februar 2025

Die gestrige Bundestagswahl hat ein klares Ergebnis hervorgebracht und scheint ein ebenso klares Echo bei den Finanzanalysten und Fonds Managern hervorzurufen: Die CDU geht als stärkste Kraft hervor und steht nun im Mittelpunkt der Regierungsbildung. Mit Blick auf die politischen und wirtschaftlichen Implikationen analysieren die Experten von abrdn, welche Entwicklungen sich für die Finanzmärkte abzeichnen könnten.

Ben Ritchie, Head of Developed Market Equities bei abrdn, kommentiert, dass Anleger den Wahlausgang begrüßen werden, da dieser relativ marktfreundlich sei. Friedrich Merz werde die nächste Regierung aus der konservativen Mitte führen, und da die SPD und die CDU/CSU zusammen über 50 % der Sitze im Parlament haben, sollte eine Regierungskoalition aus zwei Parteien möglich sein. Dies würde die Koalitionsverhandlungen erleichtern und höchstwahrscheinlich zu einer marktfreundlicheren Regierung ohne die Grünen führen. Zudem würden einige unwahrscheinliche, aber folgenschwere Negativszenarien ausgeschlossen, etwa ein stärkeres Abschneiden der AfD oder die Unfähigkeit der etablierten Parteien, eine Mehrheitsregierung zu bilden. Das Ergebnis mache jedoch eine Reform der Schuldenbremse unwahrscheinlich, da die etablierten Parteien nicht in der Lage seien, die erforderliche Zweidrittelmehrheit zu erreichen, auch wenn dies durch eine Zusammenarbeit mit der Linken möglich wäre. Viel hänge von den Koalitionsverhandlungen ab und letztlich davon, ob Friedrich Merz in der Lage sei, eine innovative Politik zu gestalten, die wirtschaftsfreundliche Reformen vorantreibe und gleichzeitig die Finanzierung der künftigen Verteidigungsausgaben, die Unterstützung der Ukraine und die Energiepolitik sicherstelle. Insgesamt sei dies ein positiver Schritt, der eine günstigere Bewertung europäischer Aktien für internationale Anleger unterstütze.

Alex Everett, Investment Manager, Nominal Rates Team bei abrdn, hebt hervor, dass sich die Märkte für festverzinsliche Wertpapiere auf zwei Fragen konzentrieren werden: Kann Deutschland Geld ausgeben und ist Friedrich Merz eine europäische Führungspersönlichkeit? Forderungen vor der Wahl deuteten darauf hin, dass Friedrich Merz der Herausforderung der Führung gewachsen sei, trotz mangelnder Erfahrung. Doch die Frage der Ausgaben bleibe offen. Merz habe versprochen, schnell zu handeln, um die Wachstumsschwäche Deutschlands zu bekämpfen. Die Ankündigung von Investitionen in die deutsche Industrie werde eine hohe Priorität haben, könnte jedoch durch Kürzungen bei den Leistungen für Migranten finanziert werden, um die finanzkonservativen Kräfte in der CDU/CSU zu besänftigen und auf das starke Abschneiden der AfD zu reagieren. Mehr Ausgaben seien für die Verteidigung zu erwarten, insbesondere nach den überraschend offenen Äußerungen von Friedrich Merz zur Unterstützung der europäischen Sicherheit in Abwesenheit der USA. Allerdings werde die parlamentarische Zusammensetzung die Auswirkungen auf die deutschen Ausgaben begrenzen, da die Sperrminorität von AfD und Linken Vorschläge zur Änderung der Schuldenbremse zu Fall bringen könnte. Stattdessen seien höhere Verteidigungsausgaben über außerbilanzielle Instrumente denkbar, und es könnte weitere Haushaltsunterstützung für gemeinsame EU-Investitionen geben. Die pro-europäische und wirtschaftsfreundliche Haltung von Friedrich Merz dürfte sich zunehmend positiv auf die Wachstumsaussichten auswirken. Deutschland sei zwar angeschlagen, aber immer noch die wichtigste europäische Volkswirtschaft, sodass selbst eine bescheidene Stimmungsverbesserung weitere Auswirkungen haben könnte. Erwartet werde eine weitere Aufwärtsbewegung der Zinskurve und ein weitgehend günstiges Umfeld für die Spreads der europäischen Länder, sofern es nicht zu weiteren geopolitischen Schocks komme.

Lizzy Galbraith, politische Ökonomin bei abrdn, ergänzt, dass Friedrich Merz ein angeschlagenes Wirtschaftsmodell und eine Reihe geopolitischer Herausforderungen übernehmen werde. Sein politisches Programm werde sich wahrscheinlich auf Steuersenkungen und Deregulierung, Energiekosten und Versorgungssicherheit sowie die europäische Verteidigungsposition konzentrieren. In seiner Siegesrede versprach er, Europa so schnell wie möglich zu stärken, um die Unabhängigkeit von den Vereinigten Staaten zu erreichen. Nach dem ersten Wahlergebnis kündigte der EU-Ratspräsident António Costa ein Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs am 6. März in Brüssel an, bei dem die Themen Ukraine und Verteidigung im Mittelpunkt stehen sollen. Eine verfassungsrechtliche Reform der Schuldenbremse werde allerdings durch eine mögliche Sperrminorität von einem Drittel im Bundestag erschwert, da die Alternative für Deutschland (AfD) und Die Linke zusammen 215 Sitze haben. Während die AfD eine Reform der Schuldenbremse ablehne, sei Die Linke offen für eine Reform zur Erhöhung der Investitionsausgaben, lehne aber höhere Verteidigungsausgaben ab. Es sei zu erwarten, dass die neue deutsche Regierung wirtschaftsfreundlicher sein und einige der zahlreichen strukturellen Probleme der Wirtschaft angehen werde. Während eine Reform der Schuldenbremse zur Erhöhung der Investitionsausgaben weiterhin möglich sei, könnte die Zusammensetzung des Bundestages eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben erschweren.

Kurioserweise könnte das Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag eine ihrer zentralen Forderungen indirekt verwirklichen: die strikte Einhaltung der Schuldenbremse. Während die FDP stets eine Lockerung dieser Regelung abgelehnt hatte, könnte ihr Fehlen in der neuen Legislaturperiode eine Reform paradoxerweise erschweren, denn es verschieben sich die Mehrheitsverhältnisse so, dass die Oppositionsparteien AfD und Die Linke mit ihrer Sperrminorität jegliche Änderungen der Schuldenbremse blockieren könnten. Damit bleibt Deutschlands finanzpolitischer Kurs auf Stabilität ausgerichtet – auch ohne die FDP im Parlament.

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