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Kapitalflüsse in Europa bleiben unter US-Kontrolle
Von Dr. Oliver Everling | 15.Dezember 2022
Ratingagenturen nehmen wichtige Schleusenfunktionen an den Finanzmärkten wahr. Eines der Ziele der im Zuge der globalen Finanzkrise in Kraft gesetzten EU-Verordnung über Ratingagenturen bzw. Credit Rating Agencies (CRA-Verordnung) besteht deshalb darin, den Wettbewerb auf den Märkten für Ratings zu erhöhen, indem Emittenten oder verbundene Dritte ermutigt werden, kleinere Ratingagenturen zu beauftragen.
In diesem Zusammenhang verpflichtet Artikel 8d der CRA-Verordnung Emittenten oder verbundene Dritte, die beabsichtigen, zwei oder mehr Ratingagenturen mit der Bewertung einer Emission oder eines Unternehmens zu beauftragen, in Erwägung zu ziehen, mindestens eine Ratingagentur mit nicht mehr als 10 % des Gesamtmarktanteils in der EU zu beauftragen. Entscheidet sich ein Emittent oder verbundener Dritter in solchen Fällen nicht dafür, eine CRA mit einem Gesamtmarktanteil von weniger als 10 % zu benennen, verlangt die CRA-Verordnung (Artikel 8d), dass diese Entscheidung dokumentiert wird. Die Verpflichtungen aus Artikel 8d werden auf nationaler Ebene von den jeweiligen sektoralen zuständigen Behörden überwacht und durchgesetzt.
Um Emittenten oder verbundenen Dritten bei dieser Bewertung zu helfen, muss die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) gemäß Artikel 8d der CRA-Verordnung jährlich eine Liste der registrierten Ratingagenturen und der von ihnen abgegebenen Arten von Ratings zusammen mit einer Berechnung der Einnahmen der Ratingagenturen aus Ratingtätigkeiten und Nebendienstleistungen auf Gruppenebene veröffentlichen.
Gemäß Artikel 8d Absatz 3 der CRA-Verordnung wird der Gesamtmarktanteil für jede registrierte Ratingagentur unter Bezugnahme auf den Jahresumsatz berechnet, der aus Ratingtätigkeiten und Nebendienstleistungen auf Gruppenebene in der EU für diese Ratingagentur oder Gruppe von Ratingagenturen generiert wird. So betrachtet gibt es derzeit eine Reihe von Gruppen von Ratingagenturen, die in der EU tätig sind. Der Gesamtmarktanteil wurde nun von der ESMA jeweils auf der Grundlage der geprüften Jahresabschlüsse der Ratingagenturen unter Bezugnahme auf den Jahresumsatz aus Ratingtätigkeiten und Nebendienstleistungen für das Jahr 2021 berechnet.
Das Ergebnis der Berechnungen bleibt eindeutig wie in allen Jahren zuvor: Die drei führenden US-Ratingagenturen dominieren den Markt in der EU mit einem Anteil von zusammen 92,97 %. Als ob 91,59 % Marktanteil im Vorjahr nicht schon genug gewesen wären, konnten die US-Agenturen ihren Marktanteil also noch weiter ausbauen.
S&P Global Ratings wird im Bericht 2022 mit einem Marktanteil von 50.13% (51.17% im Vorjahr), Moody’s Investor Service mit 32.79% (30.12% im Vorjahr) und Fitch Ratings 10.05% (10.30% im Vorjahr) angegeben.
Alle 17 weiteren Ratingagenturen teilen sich mithin einen Marktanteil von knapp über 7 % – zusammen genommen. Die „führende europäische“ Ratingagentur bringt es auf 1,31 % und steht damit auch noch in Konkurrenz mit einer anderen Agentur mit kanadischem Ursprung, die ebenfalls mit 1,31 % am Ratingmarkt in der EU teilnimmt.
Da es von erteilten Ratings abhängt, zu welchen Konditionen sich Staaten, Gebietskörperschaften, öffentliche und private Unternehmen aus allen Sektoren der Wirtschaft, insbesondere der Finanzwirtschaft und der Industrie, Finanzmittel beschaffen können, bleibt angesichts dieser Marktanteile die Kontrolle über Kapitalzu- und -abflüsse in der EU fest in US-amerikanischer Hand.
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