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Kartell der Ratingagenturen perfekt

Von Dr. Oliver Everling | 6.Juni 2008

In der fast hundertjährigen Geschichte der Ratingagenturen haben die drei Marktführer, die bereits heute zusammen mehr als 80 % des gesamten Ratingmarktes und in etwa gleichem Verhältnis die globalen Kapitalströme kontrollieren, am Donnerstag, den 5. Juni 2008 ein für die Ratingbranche historisches Preis- und Konditionenkartell erreichen können. Die Ratingagenturen Fitch Ratings, Moody’s und Standard & Poor’s (S&P’s), ohne deren Ratings weltweit Verbriefungen zwecks Emission vermögensgedeckter Wertpapiere praktisch unmöglich sind, verständigten sich auf die Gebührenstaffel, nach denen künftig Emittenten Gebühren an diese Agenturen zahlen müssen. Darüber hinaus verabredeten die Anbieter die Konditionen, unter denen sie für Emittenten tätig werden.

Die Börse honorierte die gute Nachricht mit einem Kursprung für die Aktien der Ratingagenturen. Immerhin erreichte z. B. die Notierung von Moody’s Corp. am Tag der Verkündung gut 41 US$, nachdem die Aktie noch zwei Wochen zuvor mit nur 34 US$ gehandelt worden war. Dies entspricht einem Kursgewinn von ca. 20 %, der insbesondere Moody’s Hauptinvestor Warren Buffet zugute kommt. Die Marktkapitalisierung von Moody’s beträgt rund 10 Mrd. US$. Da Exekutive und Gesetzgeber in Europa nicht eingeschaltet sind und es keine europäische Alternative zu den US-Agenturen gibt, kommen die jüngsten Abstimmungen auch mit Blick auf die europäischen Geld-, Kredit- und Kapitalmärkte voll den drei führenden Agenturen zugute.

Das Kartell sichert US-amerikanische Interessen und wurde daher in Abstimmung mit der Wertpapieraufsichtsbehörde U.S. Securities and Exchange Commission (SEC) durch den Generalstaatsanwalt in New York, Andrew M. Cuomo, arrangiert. Die Vereinbarung über die Reform des Ratingmarktes ist nach den Worten von Cuomo ein Markstein. Der Generalstaatsanwalt trat mit den Spitzenvertretern von Fitch Ratings, Moody’s und S&P’s vor die Presse. Als wichtigstes Ergebnis der Kartellvereinbarung sieht Cuomo die Festlegung der Preisberechnung, nach der künftig Investmentbanken die Leistungen von Ratingagenturen vergüten müssen. Darüber hinaus wurde eine Reihe weiterer Belastungen verabredet, die von Emittenten zu tragen sind.

Cuomo spricht von einer „geschichtlichen Landmarke“ für die Ratingagenturen. Durch eine Reihe von Elementen der Grundsatzentscheidung werde die Unabhängigkeit der Ratingagenturen gestärkt. Tatsächlich dürften die Maßnahmen dazu beitragen, die Ertragskraft und Ertragsstabilität der führenden US-amerikanischen Agenturen entscheidend zu verbessern. Durch die Subprime-Kreditkrise war die langjährige Umsatzrentabilität der Ratingagenturen auf unter 50 % gesunken.

Durch das Kartell stimmen sich die führenden Ratingagenturen über ihr Parallelverhalten in folgenden Punkten ab: Preise, Offenlegung, Überwachung, Due Diligence, Unabhängigkeit und Garantien. Anders als früher werden künftig Ratinggebühren nicht erst fällig, wenn der Emittent für ein Wertpapier auch tatsächlich das Rating einer Agentur nutzt, sondern schon für jede Dienstleistung, die die Ratingagentur im Vorfeld erbringt. Die Agenturen stellen für ihre Dienste den Emittenten künftig auch dann bereits Rechnungen, wenn sie gar kein Rating veröffentlichen. Dies eröffnet den Ratingagenturen neue Ertragspotentiale, da nun auch Emittenten zur Kasse gebeten werden können, die sich für das Rating durch einen alternativen Anbieter entscheiden.

In der Absprache der Preisbemessung gegenüber den Betroffenen sieht der Generalstaatsanwalt die entscheidende Verbesserung. Weitere Vorteile dürften sich für Fitch Ratings, Moody’s und S&P’s auch daraus ergeben, dass in die Beratungen des Generalstaatsanwalts konkurrierende, kleinere Ratingagenturen nicht einbezogen wurden. Regelungsdetails bleiben so der Einsicht der Kartellmitglieder vorbehalten.

Konsens erreichten die drei führenden Ratinganbieter auch über die Offenlegungspolitik. So werden die Ratingagenturen alle Anfragen zu Verbriefungen künftig veröffentlichen und es dadurch den Emittenten erschweren, sich diejenige Agentur zu suchen, von der sie sich die günstigste Beurteilung erwarten. Investoren erhalten so Gelegenheit nachzuvollziehen, ob der Emittent möglicherweise durch ein „Rating Shopping“ eine bessere Klassifizierung erreichte.

Da „Rating Shopping“ von Investoren negativ beurteilt wird, werden Emittenten künftig sorgfältig abzuwägen haben, ob sie Ratingagenturen außerhalb des Kreises der „großen drei“ beauftragen. Wenn ein Emittent mit dem Rating eines Wettbewerbers aufwartet, nachdem er bereits einmal zu den führenden Agenturen Kontakt hatte, dürfte ihm unterstellt werden, nur wegen des günstigeren Urteils auf einen kleineren Wettbewerber „ausgewichen“ zu sein. Da sich das Gegenteil in diesen Fällen nicht beweisen lässt, dürfte das durch den New Yorker Generalstaatsanwalt geschaffene Kartell dazu beitragen, die Markteintrittsbarrieren gegen kleinere und insbesondere ausländische Wettbewerber noch weiter zu erhöhen und das Oligopol aus Fitch Ratings, Moody’s und S&P’s gegen internationale Konkurrenz abzusichern.

Hypothekenfinanzierer werden sich künftig auf einen umfassenderen Kontrollprozess der Ratingagenturen einstellen müssen. Die Originatoren von Hypothekendarlehen müssen ihre Kreditprozesse detaillierter als bisher dokumentieren. Die Ratingagenturen verständigten sich darauf, für die Überwachung der Hypothekarfinanzierer weitreichende Kriterien zu entwickeln. Fitch Ratings, Moody’s und S&P’s koordinierten sich auch bezüglich einer Reform der Due Diligence. Demnach werden Kriterien aufgestellt, nach denen relevante Informationen von Investmentbanken eingesammelt werden. Darüber hinaus müssen Investmentbanken künftig den Ratingagenturen eine Reihe von Garantien und Zusicherungen in Bezug auf Darlehen machen, die als Grunddeckungen für mit Hypotheken aus privaten Wohnungsbaudarlehen unterlegte Verbriefungstransaktionen (Residential Mortgage-Backed Security, RMBS) herangezogen werden.

Die durch den New Yorker Generalstaatsanwalt arrangierte Kollusion wird von den Kartellmitgliedern einhellig begrüßt. Deven Sharma, Präsident von S&P’s kommentierte: „S&P’s freut sich darüber, mit dem New Yorker Generalstaatsanwalt Andrew M. Cuomo in diesen wichtigen Maßnahmen zusammenzuarbeiten. S&P’s bleibt unerschütterlich, wenn es um Transparenz, Offenlegung und die Stärkung der Führung des Ratingprozesses geht, und wir sind erfreut darüber, dass diese Prinzipien im Kern der heute erreichten Vereinbarung liegen.“ Diesem Urteil schließt sich Michel Madelain, Chief Operating Officer von Moody’s Investors Service, an und bringt seine Freude darüber zum Ausdruck, dass nun strenge Maßstäbe noch breiter über die gesamte Branche bewilligt sind. Stephen Joynt, Präsident und CEO von Fitch Ratings, fügt hinzu, dass die verfügten Maßnahmen zur Wiederherstellung des Investorenvertrauens und zur Stabilisierung der Hypothekenmärkte beitragen.

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