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Kartenhaus Weltfinanzsystem
Von Dr. Oliver Everling | 17.Juni 2010
Zur Entwicklung der öffentlichen Diskussion um die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise passt der Titel „Das Kartenhaus Weltfinanzsystem“ von Prof. Dr. Wolfgang Eichhorn und Dr. Dirk Solte. Das Taschenbuch erschien bei Fischer (http://www.fischerverlage.de/, ISBN 978-3-596-18503-0) für 9,95 € (D). Schon die preispolitische Positionierung des Buches macht deutlich, dass es den Autoren nicht in erster Linie um die Bedienung eines Fachpublikums geht, sondern um eine breitere Leserschaft, die in einer leicht verständlichen Sprache und mit vielen Analogien und Metaphern angesprochen werden kann.
Formal gliedert sich das Buch in drei Teile, nämlich Rückblick, Analyse und Ausblick. Der „Rückblick“ wird von den Autoren genutzt, um den Leser an Grundbegriffe der Geldtheorie heranzuführen sowie Bedeutung und Zusammenhänge von Geld, Kredit, Bank, Zins, Inflation und Markt aufzuzeigen. Wie schon viele Autoren vor ihnen führen auch Eichhorn und Sollte den Laien an das immer wieder faszinierende Phänomen der Geldschöpfung heran. Im Unterschied zu früheren Darstellungen bedienen sie sich jedoch des Begriffs des „Schwellgeldes“.
Wer in dieser Wortwahl einen Dysphemismus vermutet, wird im Verlauf der weiteren Lektüre bestätigt: Die Autoren warnen vor den Wirkungen von Leerverkäufen. „Wir halten fest: Im Prinzip ist jeder Leerverkauf ein Kredit und umgekehrt jeder Kredit ein Leerverkauf. … Schwellgeld ist im Prinzip ein Leerverkauf, das heißt ein Vertrag folgenden Inhalts: Ich bekomme etwas und verspreche, dass ich dafür zu einem späteren Zeitpunkt (oder zu späteren Zeitpunkten) genau bestimmte Sachen liefere“ (Seite 126).
„So wichtig auch die bislang politisch eingeschlagenen Schritte sein mögen, besonders hilfreich wäre eine möglichst global zwischen den Staaten abgestimmte Abgabe auf alle Leerverkäufe, also alle Formen von Kredit – eine Schwellengeldsteuer …“ (Seite 165 f.). Die Autoren vermögen zwar aufzuzeigen, wie eine solche Steuer die Geschäftstätigkeiten von Banken zu belasten oder zu ersticken vermag, jedoch bleibt fraglich, wie dadurch z.B. die im Geleitwort von Klaus Wiegandt von der Stiftung Forum für Verantwortung angesprochenen Ziele des nachhaltigen Wirtschaftens beflügelt werden. Wer Kredit braucht, ist oft eher in einer ökonomisch schwächeren Position. Mit jeder Kreditaufnahme sind ohnehin bereits Transaktionskosten verbunden. Es bleibt unklar, warum eine weitere Belastung mit zusätzlichen Steuern zu positiven Effekten führen soll.
Obwohl den Autoren in weiten Teilen ihres Buches eine scharfsinnige Analyse gelingt, sind ihre Schlussfolgerungen teils kurios. So begeistern sie sich beispielsweise für den Gedanken, dass die Schwellgeldsteuer „nach dem Prinzip der Steuergerechtigkeit und Fairness über die Festlegung der Abgabenhöhe entsprechend der ökonomischen Leistungsfähigkeit der Emittenten (gemäß Rating) gestaltbar sein“ würde: „Ein besseres Rating sollte zu höherer Steuerpflicht führen.“
Ein Rating hat aber gar nichts mit der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu tun, denn dieses Gerechtigkeitsprinzip des Steuerrechts bezieht sich auf das für Konsumzwecke zur Verfügung stehende Einkommen. Ein gutes Rating mit einer Besteuerung abzustrafen, würde die volkswirtschaftlichen Marktmechanismen für eine effiziente Allokation der Ressource Kapital glatt ins Gegenteil verkehren: Wer sich um seine gute Bonität bemüht und diese in einem guten Rating dokumentiert bekommt, wird belastet, wer dagegen schonungslos spekuliert, schlechte Noten kassiert und das Geld seiner Gläubiger riskiert, wird durch Steuerersparnis belohnt.
Bei dem von den Autoren erdachten Szenario eines „Weltkonkurses“ (Seite 190) wird nicht ausreichend bedacht, dass jedem Schuldner ein Gläubiger gegenüber steht, es sich also bei der Staatsverschuldung letztlich um eine heikle Verteilungsfrage dreht. Wer eigentlich die „Profiteure der Globalisierung“, die „Spielgewinner“ sind (Seite 196), wird von den Autoren nicht zu Ende verfolgt. Sie erkennen zwar Banken und institutionelle Investoren: Der Leser erfährt aber nicht, dass möglicherweise der Leser selbst „hinter“ diesen Investoren steht, da er mit seinen Pensionsansprüchen, Spareinlagen und Investmentfonds diesen Finanzintermediären den Auftrag gibt, eine sichere Rente und für seine Ersparnisse eine möglichst gute Performance zu erwirtschaften.
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