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Kein Verlass auf Scope Ratings

Von Dr. Oliver Everling | 5.Juni 2020

Kaum erstritt Anfang Juni 2020 eine geschädigte Anlegerin vor dem Landgericht Berlin Schadensersatz für ein fehlerhaftes Unternehmensrating der Berliner Ratingagentur Scope, muss die Agentur nun auch auf europäischer Ebene büßen – denn die in Paris ansässige, Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA verhängt Bußgelder in Höhe von 640.000 € für Fehler bei Ratings für gedeckte Schuldverschreibungen. Nach Zählung der Behörde wurden allein für diesen Bereich 559 von insgesamt 622 Ratings ohne Analyse gemäß der öffentlich bekannt gegebenen Methode abgegeben. Fast 90 % der Ratings folgten bei Scope somit nicht der hierzu angegebenen strengen Methodik.

Konkret hat die Behörde gegen die Scope Ratings GmbH (Scope) eine Geldbuße in Höhe von 640.000 € verhängt und eine öffentliche Bekanntmachung wegen Verstößen gegen die Verordnung über Ratingagenturen (CRAR) im Zusammenhang mit der systematischen Anwendung der von Scope vorgeblich verwendeten 2015 Covered Bonds Methodology (CBM) und ihrer Überarbeitung veröffentlicht.

In beiden Fällen hat Scope die Verstöße nach Feststellung der Behörde fahrlässig begangen und die von einer Ratingagentur (CRA) als professionelles Unternehmen im Finanzdienstleistungssektor erwartete besondere Sorgfalt nicht eingehalten. Es handelt sich um Verstöße von Scope gegen die Credit Rating Agencies Regulation (CRAR). Eines der Ziele der Regulierung war es, nach der Finanzkrise 2008 wieder Vertrauen in die Arbeit der Ratingagenturen herzustellen.

Für Scope werden nun 550.000 € fällig für die „nicht systematische Anwendung der Methodik“, so das Urteil der europäischen Aufsicht. Im Jahr 2015 hatte Scope eine CBM verabschiedet, das neben einer Analyse der Kreditstärke des Emittenten eine Analyse umfasste, die aus zwei weiteren Schritten bestand, wobei der erste eine Analyse des rechtlichen Rahmens und des Abwicklungsregimes war, während der zweite eine Analyse des Deckungspools der zugrunde liegenden Kredite (Deckungspool) umfasste. Die CBM spezifizierte auch, dass eine gründliche Analyse des Deckungspools für alle bewerteten gedeckten Schuldverschreibungen durchgeführt werden musste.

ESMA stellte jedoch fest, dass Scope seine CBM nicht systematisch anwandte, da die im September und November 2015 abgegebenen Ratings nicht die von der CBM vorgesehene Art der Analyse des Deckungspools umfassten. Dies hatte zur Folge, dass 559 Ratings ohne Analyse gemäß dem öffentlich bekannt gegebenen CBM von insgesamt 622 im Rahmen des CBM 2015 erteilten Ratings abgegebenen wurden. Anleger, die auf die konsequente Anwendung der von Scope veröffentlichten Methodik vertrauten, wurden getäuscht.

Darüber hinaus stellt die europäische Aufsichtsbehörde Fehler bei der Überarbeitung der Methodik fest. Dafür setzt die Behörde eine weitere Geldbuße in Höhe von 90.000 € fest. ESMA musste außerdem beobachten, dass Scope vor einer wesentlichen Änderung seiner CBM im Jahr 2016 die ESMA nicht informiert und die Interessengruppen nicht öffentlich zu den vorgeschlagenen Änderungen konsultiert hatte, die später umgesetzt wurden. Nach der EU Verordnung über Ratingagenturen hätte die europäische Aufsichtsbehörde von der Ratingagentur Scope ordnungsgemäß informiert werden müssen.

Wie ESMA am 4. Juni 2020 darlegt, versäumte es die Berliner Ratingagentur aber, ihren Verpflichtungen nachzukommen. ESMA sei über die beabsichtigten wesentlichen Änderungen der CBM nicht informiert worden, heißt es dazu aus Paris. Mithin konnten sich Anleger kein zutreffendes Bild von den Überlegungen der Agentur machen. Aus gutem Grund ist jede Ratingagentur verpflichtet, Kommentare von Interessengruppen einzuladen, denn so können Fehler in der Methodik eher erkannt und kontrolliert werden. Scope versäumte es aber, öffentlich Gelegenheit zur Kommentierung der Methodik zu geben. Da keine Konsultation erfolgte, wurde ESMA auch über Änderungen aufgrund dieser Konsultation nicht informiert, wie es nach der EU Verordnung über Ratingagenturen vorgeschrieben ist. Scope verstieß daher auch gegen diese Regel.

Bei den versäumten Offenlegungen und Konsultationen handelt es sich nach Ansicht der Behörde nicht um unwesentliche Aspekte. Die 2016 in die CBM eingeführten Änderungen waren gemäß ESMA wesentlich, da sie die Bedingungen veränderten, unter denen eine Bewertung des Deckungspools nach dieser Methodik durchgeführt werden musste.

Scope kam ihren CRAR-Verpflichtungen nicht nach: Die Sicherung der Qualität der Ratingmethoden, ihre systematische Gestaltung und Anwendung sowie ihre Offenlegung sind ein zentrales Ziel der Regulierung der Ratingagenturen. Die Methoden müssen schlüssig gestaltet und systematisch bei der Erstellung von Ratings angewendet werden, damit die Anleger vor willkürlichen Entscheidungen einer Ratingagentur geschützt werden. Ohne objektiven Grund darf eine Ratingagentur von ihrer öffentlichen Methodik nicht abweichen. „Dies ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Bewertungen solide und zuverlässig bleiben“, schreibt ESMA. Ratingagenturen müssen bei der Änderung ihrer Methoden mehrere Schritte befolgen, darunter die Offenlegung der Änderungen, die öffentliche Konsultation, die Offenlegung von Kommentaren von Interessengruppen und die Information der ESMA. Angesichts der Rolle von Ratingagenturen und Ratings auf den Finanzmärkten und ihrer Auswirkungen auf das Vertrauen der Anleger ist es wichtig, dass die Ratings auf soliden, zuverlässigen und transparent gestalteten Methoden basieren.

Die am 24. Mai 2011 als Ratingagentur nach der EU-Verordnung über Ratingagenturen registrierte Scope Ratings GmbH ist eine 100 % Tochter der Scope SE & Co. KGaA in Berlin und hat eine Geschichte formwechselnder Umwandlung. Die Gesellschaft ist eine nach § 267 HGB kleine Kapitalgesellschaft, die wie ihre Muttergesellschaft keine Gewinne erzielt. Die seit mehr als einem Jahrzehnt anhaltenden Verluste werden durch Kapitalerhöhungen an einen Kreis von Investoren, insbesondere nicht veröffentlichten Kommanditaktionären unterschiedlicher Interessen, weitergegeben. Im „Report on CRA Market Share Calculation“ der ESMA wird 2019 der Marktanteil für Scope Ratings mit 0,49 % angegeben.

Die Muttergesellschaft geht auf die durch Gesellschaftsvertrag am 24. April 2002 gebildete und im Januar 2003 mit der Firma Fondscope Analyse GmbH unter Berlin HRB 87486 eingetragene Gesellschaft zurück, die im Mai 2004 in Scope Holding GmbH umbenannt und ebenfalls (wie die Tochter) nach formwechselnden Umwandlungen schließlich im November 2016 in Scope SE &Co. KGaA erneut umbenannt wurde. Der Vorgänger FondScope AG hatte 2002 Insolvenz angemeldet.

Themen: Covered Bond Rating, Pfandbriefrating | Kommentare deaktiviert für Kein Verlass auf Scope Ratings

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