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Kunstgebilde der Commerzdrebank
Von Karl-Heinz Goedeckemeyer | 14.Januar 2009
Mit der Fusion von Commerzbank und Dresdner wird mit Hilfe des Steuerzahlers eine künstliche Großbank gezimmert: Die Übernahme der Dresdner Bank sollte als Meilenstein für die Neuordnung der deutschen Bankenlandschaft gelten. Der neue Commerzbank-Chef Martin Blessing wollte nach den gescheiterten Anläufen in der Vergangenheit die Gunst der Stunde nutzen und sich mit dem Kauf der „Beraterbank�?? ein Denkmal setzen.
Schon als junger McKinsey-Partner 1989 bis 1996 hatte Blessing die Dresdner Bank maßgeblich beraten dürfen und die Weichen auf die nachhaltig gescheiterte Strategie der Dresdner Bank gestellt. Als Geschäftsbereichsleiter für Privatkunden/Vermögensberatungskunden 1997 bis 2000 veranwortete er dann in der Dresdner Bank auch operativ die zunehmend roten Zahlen, bis der Vorstand die Geduld verlor und ihn von seinen Funktionen als Geschäftsbereichsleiter freistellte. Seine letzte Station im Dresdner-Bank-Konzern, als Vorstandsvorsitzender der gescheiterten Advance Bank, war seine letzte Schieflage 2001 – aber dem Sohn eines ex-Vorstands der Deutschen Bank, Enkel eines ex-Bundesbankpräsidenten, Schwiegersohn eines ex-Bankvorstandsvorsitzenden, Schwager des CEO der Hypo Real Estate und Ehemann einer Partnerin von Goldman Sachs verzeiht man Fehler. Nun will er es mit der „Beraterbank“ – den prätentiösen Begriff beansprucht er gerne als seine Idee – noch einmal versuchen. Da er nicht nur im Marketing „das grüne Band der Sympathie“ zerschnitten hatte, sondern ihn auch bei der Dresdner Bank viele nicht mehr wollten, ist es kaum erstaunlich, dass Blessing bei der alten Dresdner – angefangen beim Vorstand – die Köpfe rollen sehen will.
Doch statt Ruhm erntete Blessing bislang Spott. Denn für die Übernahme des angeschlagenen Konkurrenten benötigt die Commerzbank nunmehr den Steuerzahler. Ungeachtet der Garantien wurden inzwischen rund 18 Mrd. Euro in die Commerzbank gepumpt. Als Ausgleich dafür bekam der Bund einem Anteil von 25 Prozent plus eine Aktie. Abzuwarten bleibt, wie der Bund mit der Macht der Sperrminorität umgeht, wie sich der Staatsinterventionismus auf den gesamten deutschen Bankensektor auswirken wird und wie die künftige Regulierung, wenn sie dann überhaupt kommt, vonstatten gehen wird. Denn neben der Commerzbank stehen auch Beteiligungen an der Hypo Real Estate und Deutschen Bank im Raum. Eines jedoch dürfte klar sein, durch den Rettungsschirm und die Teilverstaatlichung der Commerzbank wird sich der Einfluss des Staates auf das Finanzsystem erhöhen und – damit einhergehend – das Kräfteverhältnis zugunsten des Staates verschieben.
Der Einstieg des Bundes wurde vielerorts damit begründet, dass ohne die Teilverstaatlichung die Fusion zwischen der Commerzbank und Dresdner Bank gescheitert sei. Zudem hätte der Finanzplatz Deutschland darunter gelitten. Doch ist das eigentlich der Fall? Keine Frage, beide Banken wurden von der Finanzkrise schwer getroffen und müssen nun wegen ihrer riskanten Geschäfte auf dem US-Hypothekenmarkt hohe Wertberichtigungen vornehmen. Darunter leidet die Profitabilität.
Auch die Aussage von Commerzbank-Chef Martin Blessing, dass die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers die Lage im September dramatisch verändert habe und dadurch die Bank genötigt war, Staatshilfe zu beantragen, greift zu kurz. Denn der konjunkturelle Abschwung in Deutschland deutete sich bereits im Frühjahr an. Zu dieser Zeit hatte die Krise auf dem US-Hypothekenmarkt schon zu großen Verwerfungen in der Bankenbrache geführt.
Darüber hinaus wurde in Finanzkreisen auf die existenzbedrohende Situation beider Institute hingewiesen. Allerdings hätten sowohl die Commerzbank als auch die Dresdner durchaus weiterhin am Markt eigenständig agieren können, denn Anzeichen einer Insolvenz hat es nicht gegeben. Statt dessen heißt es von den meisten Auguren, dass es zur Rettung der Dresdner keine Alternative gegeben habe und dass Deutschland neben der Deutschen Bank eine zweite Großbank benötige. Des Weiteren haben Bankvorstände wie Josef Ackermann den Politikern Untergangsszenarien vorgegaukelt, um den Staat stärker in Haftung zu nehmen. Zu guter letzt hat die Mär von der Kreditklemme Berlin dazu verleitet, einen Rettungsschirm aufzuspannen, um das angeschlagene deutsche Bankensystem am Leben zu erhalten.
Allerdings dürfte es den gemeinen Steuerzahler kaum interessieren, ob die Dresdner von der Commerzbank oder einer europäischen Bank übernommen wird. Hinzu kommt, dass Deutschland ohnehin über zu viele Banken mit Staatseinfluss verfügt. Ist da noch eine weitere „Staatsbank in Gelb�?? nötig, wie der Kommentator der „FAZ�?? jüngst schrieb? Darüber hinaus können deutsche Finanzinstitute im Vergleich zu den Konkurrenten aus Spanien und Frankreich nicht unbedingt auf einen Track-record bei Übernahmen verweisen. Warum kann in einem zusehends größer werdenden europäischen Wirtschaftsraum nicht ein unrentables deutsches Finanzinstitut von einem renditestarken europäischen Bankkonzern übernommen werden – auch mit der Folge sicherer Arbeitsplätze und höherer Innovationen infolge einer stärkeren Wettbewerbslandschaft? Statt dessen wird mit großzügiger Unterstützung des Staates zwei Banken zu einem wohlmöglich unbeweglichen Konzern zusammengeschnürt, wo keiner weiß, ob aus diesen „Fußkranken�?? ein profitables Bankhaus für den deutschen Finanzstandort entstehen kann.
Wenngleich die Dresdner bereits in den vergangenen Jahren deutlich downgesizt wurde, ist es dem Vorstand trotz unzähliger Restruktuierungsmaßnahmen zur Verbesserung der Profitabilität offenbar nicht gelungen, das Ruder herumzureißen. Auch die auf Druck der Allianz betriebene Aufspaltung der Bank in die Bereiche Privat- und Firmenkundengeschäft sowie Kapitalmarktgeschäft und Investmentbanking konnte das Siechtum des Instituts nicht aufhalten. Infolge dessen blieb Allianz-Chef Diekmann wohl keine andere Wahl, als das ungeliebte Bankhaus an die Commerzbank zu verhökern.
Auch die Commerzbank hat unter ihrem damaligen Vorsitzenden Klaus-Peter Müller ein zu großes Rad gedreht. Erst der Kauf der Eurohypo, dann der verstärkte Einstieg in den osteuropäischen Bankenmarkt. Das Management hätte wissen müssen, dass kleinere Beteiligungen in Polen und der Ukraine nicht ausreichen, um in dieser Region langfristig profitabel zu arbeiten. Auch die Übernahme des Immobilienfinanzierers Eurohypo war eine strategische Fehleinschätzung. Trotzdem hatten sich Analysten von Müller und seinem Team täuschen lassen. Zum einen hat sich die Hoffnung nicht erfüllt, dass sich aus diesem Erwerb die finanzwirtschaftlichen Kennziffern der Commerzbank – die Eigenkapitalrentabilität und den Gewinn je Aktie – weiter verbessert werden. Zum anderen schienen die Bücher der Eurohypo – anderen Verlautbarungen zum Trotz – schon damals nicht ganz sauber gewesen zu sein. Heute, vier Jahre später sind die Hoffnungen von damals verflogen, der neue Vorstand würde die Eurohypo lieber heute als morgen abstoßen. Denn der Immobilienfinanzierer erweist zusehends als Risikofaktor und Bremsklotz der Bank.
Wird das Verlustrisiko bei der Dresdner Bank unterschätzt? Nach den geplanten Kapitalmaßnahmen wird die Commerzbank eine Kernkapitalquote (Tier 1) von etwa 10 % erreichen. Das sollte zunächst reichen, um die durch die Finanzkrise erheblich gestiegenen Anforderungen an die Kapitalausstattung zu erfüllen. Zudem wird die Allianz das CDO-Portfolio (und das anderer toxischer Wertpapiere) im Nominalwert von 2 Mrd. Euro für einen Kaufpreis von 1,1 Mrd. Euro übernehmen. Auf Basis von Basel II soll sich daraus eine Entlastung risikogewichteter Aktiva von 17,5 Mrd. Euro und damit eine Freisetzung von Eigenkapital in Höhe von 700 Mio. Euro ergeben.
Allerdings deuten die Milliarden-Abschreibungen der Deutschen Bank auf Risikopositionen im vierten Quartal des abgelaufenen Jahres darauf hin, dass sich die Lage in den letzten Monaten erheblich zugespitzt hat. [Ä]hnlich wie bei der Deutschen dürfte es auch im Interesse der Commerzbank sein, Risikopositionen abzubauen, um die Bilanz allmählich zu bereinigen. Neben dem Abbau dieser Positionen werden Investoren den Wertberichtigungsbedarf bei Krediten kritisch unter die Lupe nehmen. Der größere Kapitalbedarf lässt darauf schließen, dass die Kreditleichen der „Beraterbank�?? größer sind als zunächst angenommen. Denn die Dresdner hatte in den vergangenen zwei Jahren mehrheitlich wegen der riskanten Geschäfte der Investmentbanker auf dem amerikanischen Immobilenmarkt Wertkorrekturen von rund drei Mrd. Euro vornehmen müssen (Stand: 30. Juni 2008). Offensichtlich haben die Risikomanager der Commerzbank die Verlustrisiken der Dresdner grob unterschätzt. Dabei hätte ein Blick auf das umfangreiche ABS-Portfolio gereicht, um den Wertkorrekturbedarf annähernd einzuschätzen. Immerhin belief sich das Nettoexposure der Bank im Handelsportfolio zum Berichtsstichtag auf 6,9 Mrd. Euro, nach 10,5 Mrd. Euro im Jahr 2007 sowie die übrigen Nettorisikopositionen der sonstigen ABS-Papiere in Höhe von 3,2 Mrd. Euro und das Volumen aus den Leveraged Finance-Aktivitäten in Höhe von 4,2 Mrd. Euro – hätten die Commerzbanker dazu verleiten müssen, größeren Kapitalbedarf einzufordern. Hier kommt auch die Verantwortung des Managements ins Spiel. Denn wenn Fehler bei der Prüfung gemacht wurden, müssen die Entscheidungsträger auch dafür haften.
Hinzu kommt die Tatsache, dass die Höhe der Verluste aus den Kreditengagements der beiden Banken erst in den kommenden Quartalen richtig sichtbar werden dürfte. Aus Finanzmarktkreisen ist zu hören, dass die Commerzbank zuletzt im Kreditgeschäft richtig Gas gegeben haben, vor allem in den Branchen Automotive und Maschinenbau, die jetzt enorm unter der Wirtschaftskrise leiden. Das geht einher mit der Aussage von Blessing, wonach das Kreditvolumen im deutschen Mittelstand in den ersten elf Monaten des abgelaufenen Jahres zweistellig auf rund 43 Milliarden Euro gewachsen ist. Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, ob die Kapitalausstattung ausreichen wird oder der Steuerzahler erneut zur Kasse gebeten werden muss. Um dies zu vermeiden, will der Vorstand die gemeinsame Bilanzsumme beider Institute von derzeit 1.100 Mrd. auf 800 Mrd. Euro zurückfahren. Das allerdings dürfte mit einem geringeren Kreditvolumen einhergehen und zugleich die Ankündigung Blessings, dass Kreditvolumen auszuweiten, infrage stellen. Andererseits hat die Commerzbank mit dem Rettungsfonds (SoFFin) vereinbart, ein Kreditprogramm zur Stärkung des deutschen Mittelstands in Höhe von 2,5 Mrd. Euro zusätzlich für Mittelstandskredite zur Verfügung zu stellen. Dies wiederum dürfte die Risikomanager im laufenden Jahr vor einer harten Bewährungsprobe stellen.
Des Weiteren muss skeptisch stimmen, dass die Dresdner und hier vor allem Dresdner Kleinwort selbst in guten Konjunktur- und Börsenphasen unzureichende Ergebnisse vorgelegt haben. Infolge dessen dürfte neben der Eurohypo auch die Investmentbank in den kommenden Jahren mit weiteren Abschreibungen aufwarten.
Vor allem die Eurohypo könnte sich in diesem Marktumfeld als unberechenbare Größe erweisen. Immerhin beläuft sich das Immobilienportfolio auf knapp 78 Mrd. Euro. 50 % der Darlehen seien in Deutschland vergeben worden. Vor allem Spanien, Großbritannien und die Vereinigten Staaten – alles Länder mit stark fallenden Hauspreisen – stellen mit 25 % ein großes Risiko dar. Insofern ist trotz der eingeleiteter Maßnahmen zur Risikoreduzierung mit einem weiteren Ansteigen von Problemkrediten, vor allem im Ausland, zu rechnen. Infolge dessen ist davon auszugehen, dass die Immobiliensparte nach den verlustreichen ersten drei Quartalen 2008 auch 2009 und 2010 Verluste einfahren wird. Ungeachtet dessen drängt sich die Fragen auf, ob das bisherige Geschäftsmodell der Eurohypo (ähnlich wie bei der Hypo Real Estate) noch tragfähig ist. Die Frage ist, wie lange der Bund (auf Kosten der Steuerzahler) die Verluste der HRE durch neue Kapitalspritzen und Garantien weiter auffangen will. Nach jüngsten Meldungen soll der Bund auch Anteile an dem Münchner Immobilienfinanzierer erwerben. Da sich die Lage zunächst eher verschlechtern als verbessern wird, werden Berlin und die Commerzbank Lösungen finden müssen, um diesen Finanzierungsalptraum zu beenden.
Die Übernahme wird das Ergebnis belasten. Ungeachtet der anfallenden Wertkorrekturen muss die Commerzbank für die Kapitalspritze jedes Jahr 740 Mio. Euro Zinsen an Berlin zahlen. Das heißt, jedes Jahr startet das Institut also mit einem Minusbetrag von 740 Mio. Euro, die erst einmal verdient werden müssen. Mittelfristig wird die Commerzbank auch die stille Einlage an dem Bund zurück überweisen müssen. Unter Berücksichtigung der Zinsbelastung von neun Prozent auf die stille Einlage und der um 34 % höheren Zahl der Aktien dürfte der jährliche Zinsüberschuss der Commerzbank um rund 1,5 Mrd. Euro sinken. Somit wird die Ertragskraft der Bank in den nächsten Jahren deutlich schwächer ausfallen. Aus heutiger Sicht ist ohnehin unklar, ob die Commerzbank in den kommenden Jahren in der Lage sein wird, das Kapital aus den Gewinnen zurückzahlen. Vielmehr ist mit einer weiteren Kapitalerhöhung zu rechnen, die wiederum zulasten der Aktionäre gehen wird.
Im diesem Jahr zumindest ist allein wegen der Integrationskosten der Dresdner Bank in Höhe von 2 Mrd. Euro nicht mit einem Gewinn zu rechnen. Bedenklich stimmt zudem, dass die starke Abhängigkeit beider Banken von den konjunkturellen Bedingungen auf dem Heimatmarkt. So erwirtschaftet die Commerzbank rund 70 % ihrer Erträge im deutschen Privat- und Firmenkundengeschäft. Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden tiefen Rezession dürften vor allem diese, bisher gut laufenden Bereiche, in 2009 und 2010 unter Ergebnisdruck kommen.
Der Staat wird bei der Commerzbank lange im Boot sitzen. Im Gegensatz zu den Aussagen der Bundesregierung plant die Commerzbank für Jahre mit dem deutschen Staat als Grossaktionär. Auf die Frage von Journalisten wie lange der Staat an der Bank beteiligt sein werde, antworte Blessing, dass er das im Moment nicht sagen könne. Er sei aber optimistisch, dass er das noch in seiner beruflichen Laufbahn erleben werde. Der ironische Ton deutet zwar darauf hin, wie gelassen der CoBa-Chef in diesen Zeiten ist. Andererseits zeigen die Stellungnahmen der betroffenen Banker auch, wie die Finanzkrise das Selbstverständnis der Banker gekratzt hat.
Die angestrebte Regulierung wird sich als Strohfeuer erweisen. Mit der Teilverstaatlichung der Commerzbank wird sich der Einfluss des Staates auf das Finanzsystem, dass er ohnehin durch die Landesbanken hat, weiter verstärken. Allerdings sind die Probleme bei den Staatsbanken nicht nur auf die mangelhafte Managerqualität und ihr unzureichendes Risikomanagement zurückzuführen, sondern auch das unzureichende Regulierungsumfeld. Nur dadurch konnten Landespolitiker Personalpolitik und Kreditvergabe mitbestimmen. Mit der Entsendung von zwei Staatssekretären in den Aufsichtsrat wird die Politik auch die strategischen Entscheidungen der Commerzbank Einfluss nehmen, auch wenn sie dies bislang bestreitet. Da die Staatssekretäre samt ihrer Minister bis zuletzt die Deregulierung des Finanzsektors betrieben haben, ist nicht davon auszugehen, dass diese nunmehr eine stärkere Regulierung vorantreiben werden, mit der Folge, dass Banker, Wirtschaftsprüfer und die Aufsicht so weiter wirtschaften können wie in der Vergangenheit. Hinzu kommt, dass der Rettungsschirm Fehlanreize setzt, denn Bankmanager wissen nun, dass der Staat (und nicht die Manager) für das Missmanagement der Vorstände haftet. Der Weg in die nächste Krise ist somit vorgezeichnet.
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