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Mit Junky-Effekt in der Taylor-Wanne
Von Dr. Oliver Everling | 23.Mai 2008
„Der Kunde ist König“ – zu diesem Satz findet Dr. Helfried Schmidt, Vorstand der Oskar-Patzelt-Stiftung breite Zustimmung auf dem Wirtschaftsforum der Stiftung in Halle (Saale). Den Kundenutzwert maximieren. Ohne Standardisierung keine Zukunft. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Corporate Governance ist wichtig – auch zu allen diesen Aussagen findet sich unter den Teilnehmer aus dem Mittelstand jeweils eine breite Mehrheit.
Sterben mehr Menschen durch Mord oder durch Selbstmord? �?� durch Überschwemmungen oder an Tuberkulose? �?�. Durch Tornados oder an Asthma? �?� durch Haie oder durch Rehe? Weil wir dasjenige für wahrscheinlicher halten, das stärker in unserem Gedächtnis verankert, also verfügbarer ist. Meist sind die Dinge besser verankert, die besonders starke Emotionen hervorrufen und uns deshalb lebhafter in Erinnerung bleiben. Diese Verfügbarkeitsverzerrung ist natürlich, urteilt Schmidt.
„Dramatische Zunahme der Armut?“ Im Vergleich schon zu unserem Nachbarland Polen gibt es in Deutschland keine dramatische Zunahme der Armut, stellt Schmidt fest. Letztlich würden Vorurteile geschürt, die nicht der Realität entsprechen. Generelle Zukunftsangst habe immer schon politische Mehrheiten gebracht.
„Wer hat noch nie einem Kunden einen Wunsch abgeschlagen?“ Kaum ein Unternehmer bekennt sich dazu, sich dazu zu bekennen, dass er seinem Konzept treu geblieben und eben auch mal gegen den expliziten Wunsch eines Kunden gehandelt zu haben. „Markt“ ist die systeminterne Umgebung für Produzenten und Konsumenten als Subsysteme der Wirtschaft. Kunden sind nur das Medium, über das Aktivitäten der Konkurrenten als Marktdruck erlebt werden. Marktdruck sei immer versäumte Innovation, warnt Schmidt.
Wertschöpfung ist die Produktion von Gebrauchswert unter den Bedingungen von Konkurrenz und Knappheit, Beispiele nennt Schmitt beim Luftsauerstoff und Hausbau. Statt von „Kundenorientierung“ sollte von „Marktorientierung“ gesprochen werden, fordert Schmidt. Obwohl Luftsauerstoff jeder brauche, könne man damit kein Geld verdienen, da Luftsauerstoff (noch) nicht knapp sei. Entscheidend sei daher nicht das Bedürfnis des Kunden, sondern der Markt, folgert Schmidt.
Jede Form der Standardisierung meint Vergangenes. Sie schützt niemals vor Neuem, so Schmidt. Aus einer Kantine werde nicht allein deshalb ein Gourmet-Tempel, weil die Rezepte eines 3-Sterne-Kochs nachgekocht werden. Bei komplexen dynamischen Problemen liefert Standardisierung Scheinlösungen. Schmidt verweist auf die Unschärferelation von Heisenberg. Bei hoher Dynamik sie vieles Wichtige nicht trivial. Es entziehe sich der Messerung, der Standardisierung.
In trägen Märkten reiche eine Verhaltenskultur. In dynamischen Märkten sei eine Wertekultur unverzichtbar. Werte statt Verhalten (Tun), Führung statt Steuerung (trivial), so stellt Schmidt den Paradigmenwechsel vor. „Beschleunigungsfalle“ und „Entschleunigung“ seien typische Denkfallen, so Schmidt. Schmidt skizziert die Taylor-Wanne: Die innere Komplexität von Unternehmen muss die äußere Komplexität reflektieren.
Bis 1900 dominierte die Manufaktur. Dann entstanden neue Märkte für Massenprodukte. Die Komplexität der Märkte sank. Der Taylorismus senkte die Komplexität der Wertschöpfung und passte sie dadurch der neuen Situation an. Die Produktivität stieg um das Hundertfache. Die Globalisierung steigert die Komplexität wieder. Unternehmen, die tayloristisch bleiben, kommen unter Marktdruck, den die neuen Dynamik robusten Unternehmen erzeugen.
Bei hoher Dynamik wächst die Kompetenz der Peripherie. Sie kann nur strukturell, über Widerständigkeit, für Führungszwecke genutzt werden. Die Widerständigkeit der Peripherie sei eine der „Wände“, gegen die die Führung spielt. Ist die Wand weich oder löchrig, verliert das Spiel an Qualität, warnt Schmidt. Bleibt die Widerständigkeit aus, hält die Führung alle ihre Entscheidungen für genial und – „verblödet“, sagt Schmidt. Die Zurückhaltung peripherer Kompetenz, d. h. der Verzicht der Geführten auf Kritik an der Führung, bezeichnet Schmidt umgekehrt sogar als „Sabotage“.
Schmidt beschreibt den Junky-Effekt: „Fleiss“, „mehr desselben“, Kampagnen und Aktionismus überschlagen sich, der Aufwand wächst, der Effekt sinkt, die Dosis wird immer mehr erhöht. Gefangenschaft in einer Scheinwelt, Isolation von der Wirklichkeit, dies seien die Symptome des Überlastungseffekt träger Organisationen bei hoher Dynamik.
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