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Nachhaltigkeit bei Unterhaltungselektronik

Von Jian Ren | 16.Dezember 2011

In ihrer aktuellen Branchenanalyse hat die Nachhaltigkeits-Ratingagentur oekom research 205 Unternehmen der Information Technology (IT) Branche anhand von ökologischen und sozialen Kriterien analysiert. Davon konnten sich 54 Unternehmen aufgrund ihrer Leistungen im Nachhaltigkeitsmanagement für ein umfassendes Rating qualifizieren. Die beste Gesamtwertung auf einer Notenskala von A+ (beste Note) bis D- erzielten mit jeweils der Note B+ der japanische Bürogerätehersteller Ricoh und der US-amerikanische Chiphersteller Intel. Auf dem dritten Platz rangiert mit der Note B der US-amerikanische Handy-Hersteller Motorola Mobility. Insgesamt 33 Unternehmen erhalten von oekom research den Prime Status. Damit werden die Konzerne ausgezeichnet, die in Sachen Nachhaltigkeit zu den führenden Firmen ihrer Branche zählen. Die durchschnittliche Note aller analysierten Unternehmen liegt bei D+.

Auch in diesem Jahr wird das Weihnachtsgeschäft den Konzernen der IT-Branche gute Umsätze bescheren. Um die stete Nachfrage nach immer günstigeren elektronischen Konsumgütern befriedigen zu können, spielt sich hinter den Kulissen des gesamten Wirtschaftszweigs seit einigen Jahren ein massiver Outsourcing-Prozess ab: Immer mehr Hersteller verlagern ihre Produktion in Billiglohnländer oder beauftragen dort ansässige Zulieferunternehmen mit der Fertigung ihrer Computer, Notebooks, Handys, Drucker und Kopierer. Der enorme Wettbewerb und der daraus resultierende Preisdruck fordern ihren Tribut: Zum Teil katastrophale Arbeitsbedingungen wie mangelhafte Gesundheitsvorkehrungen, massive Zwangsüberstunden oder Bezahlungen unterhalb der Mindestlöhne sowie unzureichende Umweltstandards in den Zulieferbetrieben Chinas, Südostasiens oder Mexikos trüben das vermeintlich saubere Image dieser High-Tech-Branche.

Diese Schattenseite der internationalen Arbeitsteilung beleuchtet auch das aktuelle oekom Position Paper zu den Arbeitsbedingungen in den Lieferketten unterschiedlicher Industrien. Demnach reihen sich die Hersteller von Handys und von Computern mit Verletzungen gegen international anerkannte Arbeitsnormen ganz vorne ein. Laut oekom research weisen in diesen beiden Bereichen knapp 43 Prozent der Unternehmen einen Verstoß auf. Damit liegt der Anteil sogar über dem in der traditionell für die Arbeitsbedingungen kritisierten Textilbranche. Schwerwiegende arbeitsrechtliche Kontroversen wie Kinderarbeit, Diskriminierung und inakzeptable Arbeitsbedingungen wurden im Rahmen der Gesamt-Analyse der IT-Branche fast jedem fünften der 54 detailliert untersuchten Unternehmen nachgewiesen.

Immer mehr Konzerne sind sich dieser Tatsache sowie ihrer sozialen Verantwortung aber bewusst. Gezielte Maßnahmen wie beispielsweise Monitoring, Audits vor Ort oder gemeinsame Workshops sollen die Einhaltung von Mindestanforderungen wirksam überprüfen. „Die Schwierigkeiten der großen Markenhersteller, ihre sozialen Mindeststandards in den Zulieferketten einzuhalten, können kaum von heute auf morgen gelöst werden“, erklärt Philipp Rühle, branchenverantwortlicher Analyst bei oekom research. „Es wird also noch einige Zeit dauern, bis interessierte Verbraucher wirklich nachhaltige IT-Produkte erwerben können.“

Fast alle untersuchten Konzerne haben riskante Inhaltsstoffe in ihren Produkten verringert und gehen teilweise freiwillig über die geltenden Richtlinien zur Begrenzung gefährlicher Substanzen in Europa und auch China hinaus. So wurde beispielsweise der Einsatz giftiger Flammschutzmittel stark reduziert sowie der Anteil an PVC und Weichmachern deutlich gesenkt. „Noch ist aber nicht abzusehen, wann die Computer- Industrie vollständig auf die Verwendung gesundheits- und umweltschädlicher Substanzen verzichten wird“, so Rühle.

Auch zur Entsorgungs-Frage sollte es richtungsweisende Vorgaben geben. Zwar hat unter anderem die Europäische Union mit der WEEE-Richtlinie die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Kreislaufwirtschaft in der Elektroindustrie geschaffen. Bei den Unternehmen bestehen aber nach wie vor große Unterschiede bezüglich der kostenlosen Rücknahme, des Recyclings und der Wiederverwertung alter Geräte. Firmen wie Dell und Hewlett-Packard leisten durch eine weltweite Rücknahmegarantie für ihre Produkte einen Beitrag, die drastisch steigenden Mengen an Elektroschrott einzudämmen. Andere Hersteller wie z.B. die japanischen Produzenten NEC oder Ricoh setzen gar ältere, zurückgenommene Geräte wieder in Stand, um sie mit erneuerter Garantie wieder in den Verkauf zu bringen. Auch aufgrund der zunehmenden Rohstoffknappheit und den damit verbundenen Kosten werden zukünftig die Unternehmen im wirtschaftlichen Vorteil sein, die ihren Produktkreislauf so weit wie möglich schließen können. „Ob legal oder illegal: Noch immer werden aus den Industrieländern jährlich tausende Tonnen giftigen Elektroschrotts in Entwicklungs- und Schwellenländer exportiert – mit verheerenden Folgen für Mensch und Umwelt. Die IT-Industrie muss dringend ihre Anstrengungen intensivieren, dieses Problem in den Griff zu bekommen", fasst Rühle zusammen.

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