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Open Finance: Fluch oder Segen für die Finanzbranche?

Von Dr. Oliver Everling | 4.September 2024

Dirk Elsner, Teamleiter des Innovation Labs der DZ BANK AG (SKIL), äußerte sich im Rahmen des Handelsblatt Banken-Gipfels 2024 zur FIDA-Verordnung (Financial Data Access) und den damit verbundenen Herausforderungen und Chancen für die Finanzbranche. Die Verordnung könnte die Finanzindustrie in den kommenden Jahren zu einer noch stärkeren Öffnung in Richtung eines datengetriebenen Ökosystems zwingen. Doch ob dies ein Fluch oder Segen wird, bleibt abzuwarten.

Laut Elsner wird die Finanzindustrie innerhalb der nächsten Jahre eine schrittweise Öffnung hin zu einem umfassenden Daten-Ökosystem erleben. „Die Entwicklung lässt sich entlang zweier Achsen betrachten: Grad der Kundenzentrierung und Grad der Kollaboration“, erklärt Elsner. Daraus ergeben sich drei Entwicklungsfelder:

1. Open Banking (ab 2015): Die erste Stufe, in der Banken begannen, Schnittstellen für Drittanbieter zu öffnen und damit die Grundlage für Open Finance schufen. 2. Open Finance (ab 2024): Die bevorstehende zweite Phase, die eine erweiterte Öffnung von Finanzdaten aller Art über Bankkonten hinaus vorsieht. 3. Open Data Economy (ab 2040): Eine langfristige Vision, in der nicht nur Finanz- und Bankendaten, sondern Daten aus verschiedensten Industrien wie eCommerce und Offline-Handel in ein offenes Datenökosystem integriert werden.

„Die FIDA-Verordnung wird weitreichende Auswirkungen auf die Finanzdienstleister haben“, betont Elsner. Die technischen Implikationen dieser neuen Verordnung liegen vor allem in der Schaffung offener Datenstrukturen und Geschäftsmodelle. Beispiele für Datenkategorien, die betroffen sein werden, umfassen Darlehen, Sparguthaben, Anlageprodukte und Daten zur Bewertung der Eignung im Anlagebereich. Sowohl B2B- als auch B2C-Kundendaten, darunter Transaktionsdaten, personenbezogene und nicht-personenbezogene Daten, werden künftig in einem offenen Datenumfeld zugänglich gemacht.

Nicht betroffen von FIDA sind jedoch Zahlungsverkehrskonten, was als „Out of Scope“ bezeichnet wird. Dies bedeutet, dass zumindest in einem Bereich der Finanzdaten keine zusätzliche Öffnung erforderlich ist. Dennoch treibt der Entwurf der FIDA-Direktive die Öffnung der Finanzindustrie weiter voran, indem er alle anderen Produkte und Kundensegmente umfasst.

Die FIDA-Verordnung wurde erstmals am 28. Juni 2023 veröffentlicht, und ein Update folgte im April 2024. Im ersten Quartal 2025 könnte die FIDA offiziell beschlossen werden. Mit dem Inkrafttreten von Daten-Schemata und Genehmigungsanforderungen sei ab 2026/2027 zu rechnen – also 18 bis 30 Monate nach der Verabschiedung von FIDA. Ab 2027 ist dann mit der vollständigen Anwendung der Verordnung zu rechnen.

Elsner beschreibt vier zentrale Themenbereiche, die Anforderungen an die Financial Data Access Schemas (FDAS) definieren:

1. Mitgliederstruktur und Mitgliedschaft: Wer darf an diesem neuen Datenökosystem teilnehmen? 2. Inhaltliche Ausgestaltung: Welche Daten werden erfasst und wie werden sie genutzt? 3. Change Management, Transparenz und Konfliktlösung: Wie werden Veränderungen in den Datenrichtlinien gehandhabt und wie wird Transparenz gewährleistet? 4. Compliance mit FIDA und anderen Regulierungen: Wie stellen Finanzdienstleister sicher, dass sie sowohl mit FIDA als auch mit anderen relevanten Regulierungen wie EBA oder EIOPA konform bleiben?

Elsner sieht Open Finance nicht als „Big Bang“, sondern als eine schrittweise Transformation, die jedoch die Gefahr birgt, die traditionellen Kundenkontaktpunkte der Banken zu erodieren. Dennoch bietet Open Finance zahlreiche Möglichkeiten, die Kundenbedürfnisse besser zu erfüllen und gleichzeitig die Kundenzufriedenheit zu erhöhen.

„Open Finance ermöglicht vielfältige Anwendungsfälle, die höhere Nutzerzentrierung in den Fokus rücken und Convenience für Kunden fördern“, so Elsner. Beispiele hierfür sind:

Integration in Abschlussstrecken: Verkürzte und automatisierte Informationsabfragen für schnellere Vertragsabschlüsse. Financial Home: Ein Dashboard, das dem Kunden die volle Kontrolle über seine Finanzdaten ermöglicht.Open Wealth: Erleichterter Zugang und Verwaltung von Vermögenswerten. Vereinfachter und genauerer Produktvergleich: Mehr Transparenz bei der Auswahl von Finanzprodukten. Ganzheitliche Kundenbedarfanalysen: Besseres Verständnis und Erfüllung der individuellen Bedürfnisse.

Elsner sieht in Open Finance eine große Chance für die Finanzbranche, sich stärker an den Bedürfnissen der Kunden zu orientieren und gleichzeitig neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen. „Der Kunde braucht künftig ein Dashboard, in dem er seine Daten kontrollieren kann“, betont Elsner. Ob Open Finance jedoch letztlich ein Fluch oder ein Segen für die Branche wird, hängt davon ab, wie gut die Finanzdienstleister die Herausforderungen der FIDA-Verordnung meistern und welche innovativen Lösungen sie entwickeln, um die Vorteile der neuen Datenökonomie zu nutzen.

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