Scope Ratings lernt „die harte Tour“ die Regeln des Ratinggeschäfts
Von Dr. Oliver Everling | 22.März 2024
Die jüngste Geldbuße von über 2 Millionen Euro, die von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) gegen Scope Ratings GmbH (Scope) verhängt wurde, ist ein deutliches Signal an die Branche: Die Regeln des Ratinggeschäfts sind nicht verhandelbar. Die Strafe für Verstöße gegen die Interessenkonflikt-Regelungen unter der Verordnung für Ratingagenturen (CRA Regulation) zeigt, dass Scope eine teure Lektion über die Bedeutung der Einhaltung regulatorischer Anforderungen lernt – und das auf die harte Art und Weise.
Scope fiel durch bei der Einhaltung der Anforderungen der CRA-Verordnung, insbesondere bei der Handhabung von Interessenkonflikten. Die ESMA identifizierte strukturelle Mängel sowie spezifische Verstöße gegen die Verpflichtungen zur Vermeidung von Konflikten. Diese Feststellungen basierten auf strukturellen Versäumnissen und spezifischen Brüchen der Interessenkonflikt-Verpflichtungen im Rahmen der CRA-Verordnung. Verena Ross, die Vorsitzende der ESMA, betonte, dass das Scheitern von Scope, potenzielle Interessenkonflikte zu vermeiden, nicht nur das ordnungsgemäße Funktionieren der Märkte gefährdet, sondern auch Schaden für Investoren verursachen kann.
Der Fall Scope wirft ein Schlaglicht auf eine wichtige Frage: Warum lernen manche Unternehmen die Regeln des Geschäfts auf die harte Art und Weise, anstatt sich proaktiv beraten zu lassen und die bestehenden Vorschriften einzuhalten? Eine mögliche Antwort liegt in der Unternehmenskultur und dem Risikomanagement. Die Einhaltung von Vorschriften sollte als integraler Bestandteil der Unternehmensführung und nicht als nachträgliche Maßnahme angesehen werden. Die präventive Einbindung von Compliance und ethischen Grundsätzen in die Geschäftsprozesse kann Unternehmen davor bewahren, teure Strafen zu riskieren und ihren Ruf zu schädigen.
Die spezifischen Verstöße von Scope, einschließlich struktureller Mängel in den Richtlinien, Verfahren, internen Kontrollmechanismen sowie organisatorischen und administrativen Anordnungen, zeigen, dass es an einem tiefgreifenden Verständnis für die Wichtigkeit von Transparenz und der Vermeidung von Interessenkonflikten fehlte. Besonders bedenklich sind die Verstöße im Zusammenhang mit einem potenziellen Interessenkonflikt bezüglich einer bestimmten Person und dem Versäumnis, die Bereitstellung von Nebendienstleistungen an ein bewertetes Unternehmen im endgültigen Bewertungsbericht offenzulegen.
Dieser Fall verdeutlicht, dass Unternehmen, die im Ratinggeschäft tätig sind, sich nicht leisten können, Compliance und ethische Überlegungen zu ignorieren. Die Konsequenzen für die Missachtung der Regeln sind nicht nur finanzieller Natur, sondern können auch langfristige Auswirkungen auf das Vertrauen der Investoren und die Marktstellung des Unternehmens haben.
Scope Ratings‘ Erfahrung dient als mahnendes Beispiel für die gesamte Branche: Die Einhaltung von Vorschriften und die Beratung durch Experten sind keine optionalen Extras, sondern essentielle Bestandteile des Geschäftserfolgs. Die „harte Tour“ ist sicherlich eine Lernmethode, doch ist es eine, die Unternehmen bestenfalls vermeiden sollten. Stattdessen ist es klug, sich von Anfang an gut beraten zu lassen und ein robustes Compliance-System zu etablieren, das die Einhaltung aller regulatorischen Anforderungen sicherstellt.
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UniCredit Bank auf der Handelsblatt Jahrestagung: ESG-Risikomanagement in der Praxis
Von Dr. Oliver Everling | 19.März 2024
Mireille Khazaka, Chief Sustainable Finance Officer CRO der HypoVereinsbank, Member of UniCredit Bank AG, UniCredit Bank GmbH, gab auf der Handelsblatt Jahrestagung Bankenaufsicht 2024 tiefgehende Einblicke in die praktische Umsetzung von ESG im Risikomanagement. Ihre Präsentation, „ESG im Risiko Management – Erfahrungen aus der Praxis“, beleuchtete die Herausforderungen und Lösungsansätze in der Integration von Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG) in das Risikomanagement von Banken.
Khazaka eröffnete ihre Ausführungen mit der Betonung, dass die Berücksichtigung von Klimarisiken im Risikomanagement unausweichlich ist, um die Belastbarkeit der Banken zu stärken. Sie führte aus, wie UniCredit ESG-Faktoren in das Risikomanagement integriert, von der Messung und Steuerung von Klimarisiken bis hin zur Anpassung an die regulatorischen Anforderungen. Dabei wies sie auf die Kluft zwischen den regulatorischen Vorgaben und der praktischen Umsetzung hin und betonte die Notwendigkeit einer Balance.
Besondere Aufmerksamkeit widmete Khazaka den Herausforderungen, die sich aus der Langfristigkeit von Klimarisiken ergeben, und den daraus resultierenden Interessenkonflikten. Sie argumentierte, dass der sogenannte „Kodak-Effekt“ – der Wandel durch technologische Innovation und das Scheitern von Unternehmen, sich anzupassen – ein Beleg dafür sei, dass Veränderung eine Konstante darstellt, deren Management jedoch in der Realität schwierig sein kann.
Ein zentrales Thema ihres Vortrags war die Bedeutung des Humanfaktors im Prozess des organisatorischen Wandels. Khazaka zog Parallelen zwischen natürlichen Prozessen und der organisatorischen Transformation: So wie Bäume im Herbst ihre Blätter abwerfen, um Energie zu sparen und im Frühling erneut auszutreiben, müssen Organisationen lernen, sich den wechselnden Bedingungen anzupassen und dabei ihre Wurzeln – Kultur, Bildung und Bindung – zu stärken. Sie betonte, dass Bildung in Zeiten kontinuierlichen Wandels essenziell ist und eine Kultur des Lernens aus Fehlern („Fehlerkultur“) und klare Führung („Tone from the top“) unabdingbar sind.
Khazaka skizzierte die mangelnde Harmonisierung der ESG-Standards in Europa. Es gebe in Europa noch keine Harmonisierung, was die ESG bedeute, G bedeutet in Deutschland was anderes als in Österreich oder in Italien.
Sie beschrieb die praktische Anwendung von Fragebögen, Scoring und Gewichtungen zur Erstellung einer ESG-Scorekarte. Bei einer Einstufung des Transition Risk Scores als gelb oder rot erfolgt ein „Deep-dive“, eine tiefgehende Analyse zur Festlegung der Engagement-Strategie.
Abschließend rief Khazaka zu einer umfassenden Anerkennung der Notwendigkeit von Anpassung und Entwicklung auf, um durch schwierige Zeiten zu navigieren. Die Betonung lag auf der Wichtigkeit einer stabilen Unternehmenskultur, die durch Bildung und Bindung gestärkt wird, um den Herausforderungen der ESG-Integration erfolgreich zu begegnen. Ihre Ausführungen auf der Handelsblatt Jahrestagung Bankenaufsicht 2024 boten wertvolle Einblicke in die komplexe, aber unabdingbare Integration von ESG-Faktoren in das Risikomanagement der Finanzindustrie.
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Commerzbank sieht in grüner Transformation zentrale Rolle für Banken
Von Dr. Oliver Everling | 19.März 2024
Auf der diesjährigen Handelsblatt Jahrestagung Bankenaufsicht in Frankfurt hat Bernd Spalt, Chief Risk Officer (CRO) der Commerzbank, eine wegweisende Rede gehalten, die die entscheidende Rolle der Banken im Kampf gegen den Klimawandel unterstreicht. In seinem Vortrag betonte Spalt die Notwendigkeit, dass Banken aktiv an der grünen Transformation teilnehmen, indem sie die Berücksichtigung von Klimarisiken in ihre Kapitalflüsse und Risikomanagementstrategien integrieren.
Die Klimakrise zwinge uns, die Kapitalströme neu auszurichten und verstärkt in nachhaltige Investitionen zu leiten. Dies sei nicht nur eine Frage der ökologischen Verantwortung, sondern auch des ökonomischen Risikomanagements, erklärte Spalt. Er hob hervor, dass die Einbindung von Nachhaltigkeitsaspekten in das Risikomanagement entscheidend ist, um erhöhte Kreditrisiken zu vermeiden und gleichzeitig Transparenz und Verantwortung zu fördern.
Spalt warnte vor den Gefahren einer passiven Haltung gegenüber dem Klimawandel: Wenn Unternehmen eine geringe Bereitschaft oder Fähigkeit zur Transformation zeigen und gleichzeitig hohe Risiken in ihren Geschäftsmodellen aufweisen, müsse die Bank die Fortführung solcher Kundenbeziehungen kritisch hinterfragen. Er betonte, dass Kunden, die aktiv an der Transformation teilnehmen, geringe Risiken aufweisen und keinen direkten negativen Einfluss auf die Umwelt haben, als ideal angesehen werden.
Der Commerzbank-CRO wies auf die ungewisse Zukunft hin, die der Klimawandel mit sich bringt, betonte jedoch, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit von Klimarisiken nicht infrage steht. „Die wissenschaftliche Unterstützung hilft uns, die physischen Risiken, wie beispielsweise Hitzewellen, die der Klimawandel mit sich bringt, besser zu verstehen und entsprechend zu handeln“, fügte er hinzu.
Spalt machte deutlich, dass Banken sich in eine proaktive Steuerungsposition begeben müssen, um den Herausforderungen des Klimawandels und der Umweltveränderungen wirksam zu begegnen. Angesichts der hohen Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung, sei es eine geordnete Transformation oder eine starke Klimaerwärmung, müssen die Risiken aktiv gemanagt werden. Ziel sei eine geordnete Transformation zu ‚Net Zero‘, wobei die Bank ihren Kunden auf diesem Weg begleiten und überwachen werde.
Die Rede von Bernd Spalt auf der Handelsblatt Jahrestagung Bankenaufsicht 2024 setzt ein starkes Zeichen für die Rolle der Finanzindustrie in der Bekämpfung des Klimawandels und unterstreicht die Notwendigkeit eines umfassenden Umdenkens in der Risikobewertung und Kapitalverteilung zur Unterstützung einer nachhaltigen Zukunft.
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IRB-Ansatz für LSI – Erfahrungen mit IRB 2.0 und CRR III
Von Dr. Oliver Everling | 18.März 2024
Im Rahmen der Handelsblatt Jahrestagung Bankenaufsicht 2024 hat Martin Neisen, Partner bei PwC und Global Basel IV Leader, tiefgreifende Einblicke in den „IRB-Ansatz für weniger bedeutende Institute (LSI) – Erfahrungen und Herausforderungen mit dem IRB 2.0 gemäß CRR III“ gegeben. Ein Thema, das vor einigen Jahren noch als wenig relevant für die meisten Banken galt, steht nun im Fokus der Finanzwelt, insbesondere im Kontext der neuesten regulatorischen Entwicklungen in der Europäischen Union.
Der Internal Ratings-Based Approach (IRBA) ermöglicht es Banken, eigene Risikomodelle zur Ermittlung der Kapitalanforderungen für Kreditrisiken zu nutzen. Die wesentlichen Komponenten des IRB-Ansatzes – die Wahrscheinlichkeit des Ausfalls (PD), der Verlust bei Ausfall (LGD), der Betrag der Forderung bei Ausfall (EAD) und die Schwankung der Verluste (M) – bilden das „Schlagzeug des IRB-Ansatzes“. Die neuen Regelungen der CRR III eröffnen, laut Neisen, neue Potenziale für LSIs zur Kapital- und Kostenoptimierung im Vergleich zur vorherigen Regulierung.
Neisen hebt hervor, dass der IRBA nicht nur für die „Schmuddelkinder“ unter den Banken von Bedeutung sei, sondern insbesondere auch für gut aufgestellte Institute eine Chance biete, ihre Kapitalausstattung zu optimieren. Die Möglichkeit, den IRB-Ansatz nur auf ausgewählte Portfolios anzuwenden, bietet den Banken eine signifikante Kostenreduzierung, da nicht alle Portfolios entwickelt und integriert werden müssen. Zudem können Banken den IRB-Ansatz schrittweise einführen.
Ein praktisches Beispiel demonstriert, wie Banken von niedrigeren Risikogewichten durch den IRB-Ansatz profitieren können. „Wir haben bereits mehrere Banken beim Wechsel zum IRB-Ansatz begleitet und bei keiner hat sich der Wechsel nicht gelohnt,“ so Neisen. Allerdings skizziert er auch Herausforderungen, insbesondere in den Bereichen Ausfalldefinition, PD-Modellierung sowie LGD- und CCF-Modellierung. Die Qualität der Daten spielt dabei eine entscheidende Rolle, sowohl bei der Anwendung als auch bei der Entwicklung der Modelle, welche von der Bankenaufsicht streng kontrolliert wird.
Interessanterweise könne Künstliche Intelligenz (KI) dabei helfen, die Performance der Modelle zu verbessern. Neisen berichtet von einem AI-Modell, das eine höhere Trennschärfe und einen gesteigerten Gini-Koeffizienten erbracht hat, was die Effizienz und Genauigkeit der Risikobewertung erheblich steigert.
Die Ausführungen von Martin Neisen auf der Jahrestagung Bankenaufsicht 2024 werfen ein neues Licht auf die Möglichkeiten und Herausforderungen des IRB-Ansatzes im Kontext der neuesten EU-Bankenregulierung. Sie zeigen, dass eine sorgfältige Implementierung und Nutzung des IRB-Ansatzes den Banken signifikante Vorteile bieten kann, wobei allerdings die Komplexität der Anforderungen und die Notwendigkeit einer präzisen Datenanalyse nicht unterschätzt werden dürfen.
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Finalisierung des CRR3/CRD6-Bankenpakets: Ein neuer Regulierungsrahmen für Europas Banken
Von Dr. Oliver Everling | 18.März 2024
Auf der Handelsblatt Jahrestagung Bankenaufsicht 2024 stand Michael Engelhard, Leiter der Abteilung Bankaufsicht/Politik beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband e.V., im Mittelpunkt einer wichtigen Diskussion über die Zukunft der Bankenregulierung in Europa. Sein Vortrag „Bankenpaket CRR3/CRD6 final – was nun?“ bot tiefe Einblicke in die nächsten Schritte zur Finalisierung und Implementierung des umfassenden regulatorischen Rahmens, der darauf abzielt, die Stabilität und Widerstandsfähigkeit des Bankensektors weiter zu stärken.
Engelhard skizzierte den Fahrplan zur finalen Verabschiedung des Bankenpakets auf EU-Ebene, mit einer formellen finalen Verabschiedung, die für April 2024 geplant ist. Er erläuterte die bedeutende Rolle der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA), die mit 140 Mandaten betraut wird, um die detaillierte Ausgestaltung und Umsetzung der Regulierung zu leiten. Ein ambitionierter Zeitplan sieht die nationale Umsetzung eventuell bis Juli 2024 vor.
Besonders bemerkenswert ist die Unterteilung der Mandate in verschiedene Phasen: In der ersten Phase werden 32 Mandate mit einem Zeithorizont von einem Jahr angegangen, die sich auf Schlüsselbereiche wie Kredit-, Markt- und operationelles Risiko, sowie ESG (Environmental, Social, Governance), Reporting und Disclosure konzentrieren. Die weiteren 43 Mandate folgen binnen zwei Jahren, 21 Mandate sind für die nächsten drei Jahre angesetzt und in einer vierten Phase werden noch 36 Mandate bearbeitet.
Engelhard betonte die Bedeutung dieser umfassenden Regulierungsinitiative für die Sicherheit und Integrität des europäischen Bankensektors. Er wies jedoch auch auf die Herausforderungen hin, die mit der Implementierung eines so weitreichenden Regelwerks verbunden sind, insbesondere in Bezug auf die Anpassungsfähigkeit der Banken und die Notwendigkeit, die Proportionalität der Maßnahmen zu wahren.
Die Diskussionen und Fragen im Anschluss an den Vortrag verdeutlichten das hohe Interesse und die Besorgnis der Banken und anderer Stakeholder hinsichtlich der praktischen Umsetzung des CRR3/CRD6-Bankenpakets. Themen wie die angemessene Berücksichtigung von ESG-Risiken, die Effizienz des Reporting und die Transparenz der Disclosure-Praktiken standen dabei im Mittelpunkt.
Engelhards Beitrag auf der Jahrestagung war eine klare Aufforderung an die Branche, sich aktiv an der Gestaltung eines robusten, zukunftsfähigen Finanzsystems zu beteiligen. Die Finalisierung des CRR3/CRD6-Bankenpakets stellt einen bedeutenden Meilenstein in der europäischen Bankenregulierung dar, dessen erfolgreiche Umsetzung entscheidend für die langfristige Gesundheit und Stabilität des Bankensektors in Europa sein wird.
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Dr. Eva Maria Wimmer erörtert auf der Handelsblatt Jahrestagung Bankenaufsicht 2024 die Umsetzung von Basel III in der EU
Von Dr. Oliver Everling | 18.März 2024
Auf der Handelsblatt Jahrestagung Bankenaufsicht 2024 stand Dr. Eva Maria Wimmer, Abteilungsleiterin VII im Bundesministerium der Finanzen, im Rampenlicht, um das EU-Bankenpaket und die Umsetzung der Basel III-Finalisierung zu diskutieren. Mit ihrem fundierten Hintergrund in Finanzmarktregulierung gab Dr. Wimmer Einblick in die Herausforderungen und Ziele, die mit der endgültigen Implementierung der Basel III-Normen in der EU verbunden sind.
Noch in der laufenden deutschen Legislaturperiode soll das Gesetzeswerk endgültig verabschiedet werden. Die Bundesregierung habe es sich auf die Fahnen geschrieben, die Bürokratie so weit wie möglich zu reduzieren. Im Bereich der Finanzmarktregulierung sei zwar viel erreicht. Sie wirbt für Verständnis, dass es nicht einfach sei, im europäischen Kontext ein „Level Playing Field“ zu schaffen, wenn Beispielsweise die größte maltesische Bank eine Bilanzsumme von rund 4 Mrd. € aufweise und als größte Bank in Malta wie die BNP Paribas in Frankreich reguliert würde.
Basel III, ursprünglich als Antwort auf die Finanzkrise von 2008 entwickelt, zielt darauf ab, die Widerstandsfähigkeit der Banken gegenüber finanziellen Schocks zu stärken. Dr. Wimmer betonte die Bedeutung dieser regulatorischen Standards für die Stabilität des Finanzsystems und erläuterte, wie das EU-Bankenpaket als entscheidender Schritt in Richtung einer vollständigen Umsetzung betrachtet werden kann.
Ein zentraler Aspekt von Dr. Wimmers Vortrag war die Notwendigkeit einer ausgewogenen Herangehensweise bei der Implementierung dieser Vorschriften, um sicherzustellen, dass Banken nicht übermäßig belastet werden, während gleichzeitig die Sicherheit und Solidität des Bankensektors gewährleistet wird. Das EU-Bankenpaket zielt darauf ab, die Regulierungslücken zu schließen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Banken zu erhalten.
Die Diskussion umfasste auch die Auswirkungen dieser Regulierungen auf kleine und mittlere Banken in der EU, ein Bereich, der besondere Aufmerksamkeit erfordert, um Proportionalität und Fairness zu gewährleisten. Dr. Wimmer unterstrich die Bedeutung von Dialog und Zusammenarbeit zwischen den Banken, Regulierungsbehörden und politischen Entscheidungsträgern, um eine effektive und effiziente Umsetzung der Basel III-Normen zu erreichen.
Dr. Wimmer trägt eine lange Liste von Erfolgen vor, die in den Verhandlungen um Basel III zu verzeichnen seien.
Zusammenfassend bot Dr. Eva Maria Wimmers Vortrag auf der Handelsblatt Jahrestagung Bankenaufsicht 2024 wertvolle Einblicke in die Komplexität der Bankenregulierung im Kontext der Basel III-Finalisierung in der EU. Ihre Betonung auf Ausgewogenheit, Proportionalität und Zukunftsorientierung in der Regulierungspolitik spiegelt die Notwendigkeit wider, ein stabiles, wettbewerbsfähiges und nachhaltiges Finanzsystem für kommende Generationen zu schaffen.
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Jens Tolckmitt warnt: Immobilienmarkt und Zinswende als Prüfsteine
Von Dr. Oliver Everling | 18.März 2024
Auf der Handelsblatt Jahrestagung Bankenaufsicht 2024 hat Jens Tolckmitt, Hauptgeschäftsführer des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (VdK), deutliche Worte gefunden. Die Bankenregulierung sei administrativ kaum noch zu beherrschen, ein Problem, das auch seine Vorrednerinnen und Vorredner auf der Tagung thematisierten. Doch Tolckmitt lenkte die Aufmerksamkeit insbesondere auf die Entwicklungen am Immobilienmarkt, die für die Bankenbranche von entscheidender Bedeutung sind.
Er prognostiziert eine mögliche Stabilisierung der Preise auf dem Wohnimmobilienmarkt ab dem Sommer, während er bei den Gewerbeimmobilienpreisen keine Beruhigung vor Ende des Jahres erwartet. Angesichts dieser Situation könnten Banken gezwungen sein, ihre Risikovorsorge weiter zu erhöhen. Die Entwicklung des Immobilienmarktes sei maßgeblich vom Handeln der Europäischen Zentralbank (EZB) abhängig, deren Zinswende laut Tolckmitt viel zu spät erfolgt sei und eine unvermeidlich hohe geldpolitische Dynamik nach sich zog.
Die EZB und politische Akteure scheinen von den Folgen ihrer Zinspolitik auf die Immobilienmärkte überrascht worden zu sein – eine Tatsache, die Tolckmitt mit einiger Verwunderung zur Kenntnis nimmt.“Es überrascht etwas, dass politische Akteure, aber auch Institutionen wie die EZB das offenbar überrascht.“
Er stellt die Frage nach den richtigen Implikationen für die Bankenregulierung, die Regulierungsbehörden und die Politik. „Wir haben die Corona-Krise und andere Krisen bei stabilen Banken bewältigt“, betont Tolckmitt und fordert, dass sich die Bankenregulierung anderen Bereichen des Finanzsystems zuwenden solle, in die das traditionelle Bankgeschäft aufgrund einseitiger Regulierung zunehmend abwandert. Niemand wisse genau, was Schattenbanken sind. „Politik und Regulieren gehen den Weg, einfach weiter zu regulieren.“
Besonders kritisch sieht Tolckmitt die erhöhten Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung und die Einführung makroprudenzieller Kapitalpuffer für Klima- und Umweltrisiken, die er sachlich nicht gerechtfertigt findet. Er hebt hervor, dass seit 1988 insgesamt 5077 Regeln zur Bankenregulierung auf 50077 Seiten veröffentlicht wurden, allein für Basel III 4001 Regeln. Tolckmitt kritisiert, dass es 15 Jahre Dauerregulierung ohne nennenswerte Wirkungsprüfung gegeben hat, und mahnt zu mehr Besonnenheit und Effektivität in der regulatorischen Praxis.
Diese Aussagen werfen ein Schlaglicht auf die Spannungsfelder, in denen sich die Bankenregulierung derzeit bewegt: zwischen dem Bestreben, das Finanzsystem stabil und sicher zu halten, und der Notwendigkeit, Innovation nicht zu behindern und das Wachstum nicht zu gefährden. Die Debatte um die richtige Balance zwischen Regulierung und Freiraum für die Finanzindustrie dürfte in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen.
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Daniel Quinten kritisiert Einheitsregelung: Ein Plädoyer für echte Proportionalität im EU-Bankenregulativ
Von Dr. Oliver Everling | 18.März 2024
Daniel Quinten, Mitglied des Vorstands des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), hat in seiner Auseinandersetzung auf der „Handelsblatt Jahrestagung Bankenaufsicht 2024″ mit dem Thema „Proportionalität vs. Single Rule Book: One size – not fit for all!“ eine kritische Perspektive auf die derzeitigen regulatorischen Rahmenbedingungen im europäischen Bankensektor geäußert. Quintens Kritik richtet sich vor allem gegen die Einheitsregelung des Single Rule Books, die seiner Meinung nach nicht der Vielfalt und den Bedürfnissen des deutschen Marktes gerecht wird.
Er illustriert seine Position mit dem Bild, dass „mit Kanonen auf Spatzen geschossen“ würde, um auf die Unverhältnismäßigkeit der Anwendung einer einheitlichen Regulierung auf die gesamte Bandbreite der europäischen Bankenlandschaft hinzuweisen. Besonders die hohe Frequenz neuer Leitlinien und FAQs von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) – etwa alle 14 Tage eine neue Leitlinie und durchschnittlich 4 FAQs täglich – wird als Beispiel für die Überregulierung angeführt.
Quinten betont, dass die Größenverhältnisse innerhalb der deutschen Wirtschaft, die stark von kleinen und mittleren Unternehmen (SMEs) geprägt ist, eine lokal verankerte Bankenstruktur benötigen. Großbanken seien oft nicht bereit oder in der Lage, die spezifischen Bedürfnisse des Kleingeschäfts auf lokaler Ebene zu erfüllen. Daraus leitet er die Notwendigkeit eines Regulierungsmoratoriums ab, da die aktuelle Menge an Regulierungen schwer zu bewältigen sei.
Diese Argumentation wirft wichtige Fragen auf bezüglich der Balance zwischen notwendiger Aufsicht und Regulierung zum Schutz des Finanzsystems und der Flexibilität, die lokale Banken benötigen, um effektiv auf die Bedürfnisse ihrer Kunden einzugehen. Die Debatte um Proportionalität und die Anpassung regulatorischer Anforderungen an die Größe und das Geschäftsmodell der Banken ist zentral für die Weiterentwicklung eines gesunden und dienstleistungsorientierten Bankensektors in Europa.
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Europas Kleinbanken und die Zukunft der Regulierung: Eine notwendige Balance zwischen Innovation und Sicherheit
Von Dr. Oliver Everling | 18.März 2024
In Europa, mit einer besonderen Konzentration in Deutschland, formen rund 2000 Kleinbanken das Rückgrat des lokalen Bankwesens. Diese Zahl, darunter 1200 deutsche Institute, unterstreicht die Diversität und Bedeutung des Sektors für die europäische Wirtschaft. Während einer Diskussionsrunde u.a. mit Anne Fröhling, Head of Division, Division Institutional & Sectoral Oversight bei der Europäischen Zentralbank (EZB), wurde die Rolle der Kleinbanken sowie die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen in der Bankenregulierung thematisiert. Darum und um weitere Themen geht es auf der Handelsblatt Jahrestagung Bankenaufsicht 2024.
In den letzten zehn Jahren stellten Funding-Risiken für diese Institute kein großes Problem dar, eine Tatsache, die die relative Stabilität des Sektors unterstreicht. Karolin Schriever, geschäftsführendes Vorstandsmitglied im Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV), plädierte in diesem Kontext für eine Regulierungspause, um die Banken nicht mit weiteren bürokratischen Lasten zu überfrachten.
Die Diskussion hob auch die Stärken des deutschen Bankensektors hervor, insbesondere die Rolle von Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die einen wesentlichen Beitrag zur finanziellen Vielfalt und zur lokalen Wirtschaft leisten. Prof. Dr. Hermann Schulte-Mattler brachte jedoch eine bemerkenswerte Herausforderung zur Sprache: Die schiere Menge an Bankenregulierungen in Deutschland, deren Lektüre bei normaler Lesegeschwindigkeit mindestens 25 Jahre in Anspruch nehmen würde. Dies verdeutlicht die Komplexität und den Umfang der regulatorischen Anforderungen, mit denen Banken konfrontiert sind.
Karolin Schriever betonte die Unentbehrlichkeit Künstlicher Intelligenz (KI) für die Bewältigung dieser regulatorischen Herausforderungen. KI-Technologien bieten die Möglichkeit, große Mengen an regulatorischen Daten effizient zu verarbeiten und Compliance-Prozesse zu optimieren.
Das Thema „Proportionalität“ in der Bankenaufsicht wurde ebenfalls diskutiert. Sabine Curt, Bankdirektorin (Regulatorik) bei der Volksbank Mittelhessen, und Prof. Dr. Schulte-Mattler erörterten, ob eine eigenkapitalstarke Bank wie die Volksbank Mittelhessen tatsächlich von einer derart dichten Regulierung profitiert oder ob diese eher eine unnötige Belastung darstellt.
Diese Gespräche zeigen, dass eine Balance zwischen notwendiger Regulierung zur Sicherstellung der Finanzstabilität und der Vermeidung unnötiger bürokratischer Hürden, die Innovation und Wachstum bremsen könnten, von entscheidender Bedeutung ist. Die zukünftige Gestaltung der Bankenaufsicht in Europa und speziell in Deutschland wird diese Aspekte berücksichtigen müssen, um eine gesunde Entwicklung des Bankensektors zu fördern und gleichzeitig die Sicherheit und Integrität des Finanzsystems zu gewährleisten.
Anne Fröhling hebt hervor, dass die Zugehörigkeit zu Bankengruppen und deren Anschluss an Institutssicherungssysteme wesentliche Vorteile für weniger bedeutende Institute (LSIs) mit sich bringt. Dieses Konzept der Sicherungssysteme, eine wichtige Säule des europäischen Bankenwesens, bietet nicht nur eine finanzielle Rückversicherung für die beteiligten Banken, sondern stärkt auch das Vertrauen der Verbraucher und Anleger in die Stabilität dieser Institute.
Institutssicherungssysteme dienen dazu, die Einlagen der Kunden zu schützen und die Solvenz der Mitgliedsbanken zu sichern, indem sie im Fall von finanziellen Schwierigkeiten eines Mitglieds unterstützend eingreifen. Diese Systeme sind insbesondere für kleinere Banken von Bedeutung, da sie ein Sicherheitsnetz bieten, das die Risiken eines Bankzusammenbruchs minimiert und so zur allgemeinen Finanzstabilität beiträgt.
Durch die Teilnahme an solchen Systemen profitieren LSIs von einem erhöhten Vertrauensbonus bei den Kunden und einer stärkeren Verhandlungsposition auf den Finanzmärkten. Zudem ermöglichen diese Sicherungssysteme kleineren Instituten, von den Erfahrungen und Best Practices innerhalb der Bankengruppe zu profitieren, was wiederum das Risikomanagement und die Geschäftsstrategien der einzelnen Banken verbessern kann.
In diesem Zusammenhang unterstreicht Fröhlings Aussage die Bedeutung der kollektiven Sicherheitsmechanismen und die Rolle, die sie bei der Aufrechterhaltung eines robusten und widerstandsfähigen Bankensektors spielen. Es verdeutlicht auch die Notwendigkeit einer angemessenen Regulierung und Aufsicht dieser Systeme, um ihre Effektivität und ihren Schutzbeitrag zum gesamten Finanzsystem zu gewährleisten.
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Zukunftsfähigkeit der deutschen Banken: Neue Herausforderungen und Aufsichtsstrategien
Von Dr. Oliver Everling | 18.März 2024
Karlheinz Walch, Zentralbereichsleiter der Bankenaufsicht bei der Deutschen Bundesbank, thematisierte in seinem Vortrag auf der Handelsblatt Jahrestagung Bankenaufsicht 2024 entscheidende Fragestellungen rund um die Stabilität und Resilienz des deutschen Bankensektors in turbulenten Zeiten. Sein Fokus lag dabei auf den aktuellen Risiken im Bankensektor und den spezifischen Aufsichtszielen für das Jahr 2024.
Ein zentraler Diskussionspunkt war die Situation der Kredite für Gewerbeimmobilien in den USA, die unter hohen Belastungen stehen. Walch erörterte die Parallelen zur Entwicklung in Deutschland, wo ebenfalls ein Anstieg notleidender Kredite (Non-Performing Loans, NPLs) zu verzeichnen ist. Diese Entwicklung wirft Fragen nach der zukünftigen Belastbarkeit des deutschen Bankensektors auf und ob die Situation in den USA einen Vorgeschmack auf mögliche Entwicklungen in Deutschland gibt.
Die durch die Zinswende entstandenen finanziellen Entlastungen deutscher Banken betrachtete Walch als unerwarteten Gewinn („Windfall Profit“), der nicht für höhere Ausschüttungen verwendet werden sollte. Stattdessen sollten diese Mittel zur Stärkung der internen Reserven und zur Vorbereitung auf mögliche zukünftige Krisen eingesetzt werden.
Für die Deutsche Bundesbank sind Stresstests ein wichtiges Instrument, um die Resilienz der Banken zu bewerten. Walch hob hervor, dass im Jahr 2024 erstmals ein Cyber-Resilienztest bei den weniger bedeutenden Instituten (LSIs) durchgeführt wird, was die Bedeutung der Cybersicherheit unterstreicht.
Die mittelfristige Perspektive der Bankenaufsicht konzentriert sich auf die Herausforderungen der digitalen Transformation, des Klimawandels sowie der ökologischen Transformation und Governance. Diese Themen stellen langfristige Risiken dar, die eine angepasste Aufsichtsstrategie erfordern.
Walch kündigte an, dass die Aufsichtsintensität zukünftig noch stärker institutsspezifisch ausgerichtet sein wird. Eine im Zuge der Kompetenzbündelung durchgeführte Reorganisation der Bundesbank soll für einige Institute neue Ansprechpartner mit sich bringen. Durch die Bildung von Kompetenzzentren werde zudem die Schlagkraft der Aufsicht gestärkt, um den vielfältigen und sich schnell ändernden Herausforderungen effektiv begegnen zu können.
Diese strategische Neuausrichtung unterstreicht die Entschlossenheit der Deutschen Bundesbank, den deutschen Bankensektor resilienter gegenüber zukünftigen Herausforderungen zu machen und gleichzeitig die Aufsichtsarbeit zu modernisieren und zu spezialisieren.
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