Verpuffte Sanktionen – Boom bei Chinas Halbleiterbranche
Von Dr. Oliver Everling | 21.November 2023
„Seit 2019 übt die US-Regierung Druck auf weltweit führende Halbleiterunternehmen aus, um zu verhindern, dass China hochmoderne Halbleitertechnologie und -ausrüstung erwirbt“, schreibt Yanxiu Gu, Produktspezialistin für chinesische Aktien bei ODDO BHF Asset Management in einem aktuellen Marktkommentar. Für Huawei sei das jedoch der Anstoß die Chip-Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen. Das niederländische Unternehmen ASML könne seine EUV-Lithographiesysteme nicht mehr nach China verkaufen. So kann China, Experten zufolge, keine High-End-Chips mit 7nm oder kleiner mehr herstellen. In dem neuen 5G-Smartphone des chinesischen Technologiekonzerns (Mate 60 Serie) ist der in China hergestellte High-End-Chip Kirin 9000S verbaut. Experten der Beratungsfirme TechInsights zufolge wurde dafür die 7nm-Prozessortechnologie des modernsten chinesischen Herstellers SMIC eingesetzt.
In China hat das die Begeisterung für und das Vertrauen in die heimische Innovationskraft gestärkt. Huawei kann so seinem Hauptkonkurrenten Apple in China immer mehr Marktanteile abnehmen. Huawei war bis zu den Sanktionen der USA die Nummer 1 in China und der zweitgrößte Smartphone-Hersteller der Welt. Die Markteinführung der neuesten Smartphones dürfte Huawei wieder zum größten Smartphone-Hersteller Chinas machen. Die Produktspezialistin für chinesische Aktien von ODDO BHF fasst zusammen: „In der ersten Oktoberwoche überholte Huawei gemessen an Smartphone-Verkäufen Apple, Honor und Xiaomi und wurde zur gefragtesten Marke.“
Mit 1000 bis 3000 verbauten Chips ähneln Elektroautos riesigen PCs und Smartphones. „Als Huawei Anfang des Jahres in den Markt eingestiegen ist, war nicht klar, inwiefern Huawei einen Wettbewerbsvorteil Huaweis gegenüber etablierten Marken wie BYD, Tesla oder Li Auto haben würde“, erinnert sich Yanxiu Gu. „Der Durchbruch Huaweis mit dem Kirin 9000S hat jedoch das Vertrauen der Verbraucher in die Produkte des Unternehmens deutlich gestärkt.“ Beispielsweise sei Huaweis neuer Elektro-Geländewagen M7 direkt zu einem ernsthaften Konkurrenten für andere chinesische Marken geworden. In 25 Tagen gingen bei Huawei mehr als 50.000 Bestellungen für Elektroautos ein. Das übertraf selbst die eigenen Erwartungen von 8.000 Bestellungen pro Monat vor.
Der Expertin von ODDO BHF AM zufolge verzeichneten seit der Markteinführung der Mate 60-Serie auch inländische Zulieferer Kursgewinne. Es wird erwartet, dass sie vom Nachfrageschub im Markt für Smartphones und Elektroautos profitieren werden. Ein Beispiel ist das Unternehmen OFIUM, das Huawei Kameramodule liefert und früher für Apple fertigte. Der Aktienkurs verdoppelte sich innerhalb von 6 Tagen nach der Markteinführung des Huawei Mate 60. Auch die Seres Group, die am Bau von Huaweis Elektroautos beteiligt sind, und der Chip-Hersteller SMIC verzeichneten seit Markteinführung des Smartphones bis Anfang November einen höheren Anstieg ihrer Aktienkurse als der chinesische Halbleitermarkt insgesamt.
Die chinesische Regierung ist bereit unbegrenzt viel in die Forschung der Halbleiterindustrie zu investieren seit die US-Sanktionen die modernsten Lithographieanlagen beinhalten. Davor war die Bereitschaft in Innovation zu investieren bei chinesischen Unternehmen gering, waren sie doch vergleichsweise günstig zu kaufen. Das wird heute kritisch gesehen, die Haltung sei naiv gewesen. Yanxiu Gu von ODDO BHF Asset Management fügt hinzu: „Chinesische Unternehmen schrecken geringere Gewinnmargen oder sogar Gewinneinbußen nicht ab, solange sie weiterhin auf die finanzielle und regulatorische Unterstützung der chinesischen Regierung zählen können.“ Laut Reuters plant diese einen zusätzlichen Fonds mit einem Volumen von 300 Milliarden Yuan (41 Milliarden US-Dollar), um der Halbleiterindustrie neues Leben einzuhauchen.
Der 7nm-Chip Kirin 9000S ist ein Meilenstein im Kampf Chinas gegen die US-Sanktionen so Yianxiu Gu. Die Kapitalstärke Chinas, die vorhandenen Fachkräfte und die enorme Binnennachfrage böten eine gute Grundlage, anstehende Herausforderungen zu meistern. Schließlich sei China der größte Halbleitermarkt der Welt und die riesige Binnennachfrage ermögliche etwa bei Elektroautos und Photovoltaik, von Skalenvorteilen zu profitieren. Derweil ist mit weiteren Sanktionen der USA zu rechnen. Aufgrund der Sanktionen erlangen einheimische Unternehmen mehr Marktanteile. Das zeigt sich auch bei Unternehmen wie Huawei, Alibaba und Baidu, die sich gezwungen sehen, auf inländische Anbieter zurückzugreifen. Bei fast der Hälfte aller Ausschreibungen chinesischer Foundries für Maschinenausrüstungen bekamen inländische Anbieter den Zuschlag.
Ähnlich wie Taiwan seit 50 Jahren den Chiphersteller TSMC fördert, wird auch China lokale Unternehmen massiv unterstützen, heißt es aus ODDO BHF Asset Management. Durch die US-Beschränkungen für Technologieexporte müssen nachgelagerte Technologieunternehmen wie Huawei kostenintensive Innovationssprünge unternehmen. Vorgelagerte Branchen und Ausrüster aus China werdenn jedoch eindeutig als Profiteure gesehen. Der Kurs des Herstellers von Ätzanlagen für integrierte Schaltkreise AMEC ist seit Jahresbeginn um 63% gestiegen (Stand: 18. Oktober 2023. Die Produkte werden weltweit anführende Unternehmen verkauft. „Der Technologiewettlauf zwischen China und den USA wird so schnell nicht enden. Anleger jedoch könnten sich gute Chancen entgehen lassen, wenn sie sich von diesen Aktien abwenden“, resümiert die Spezialistin für chinesische Aktien.
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Rezession eingepreist – Europäische Qualitätsunternehmen bevorzugt
Von Dr. Oliver Everling | 20.November 2023
Der spektakuläre Zinsanstieg der letzten beiden Jahre hat laut Laurent Denize, CIO ODDO BHF Asset Management, zu einigen Kollateralschäden geführt. „In diesem Zusammenhang zeichnen sich die Aktienmärkte nach wie vor durch eine Polarisierung aus. Besonders augenfällig ist dies zweifellos in den USA, wo die Aktienmarkthausse fast ausschließlich den Kurszuwächsen der als wachstumsstark geltenden „glorreichen Sieben“ zuzurechnen ist“, so Denize, der auch Co-CIO der ODDO BHF ist, in einem aktuellen Marktkommentar.
Auch der MSCI USA Growth Index habe seit Jahresbeginn um 36% zugelegt. Der MSCI USA Value Index sei hingegen – belastet durch das Rezessionsrisiko – um 2% gefallen. Diese Polarisierung zeige sich auch in Europa. „Für das Plus des Stoxx Europe 50 Index seit Jahresbeginn waren die steigenden Aktienkurse von Novo Nordisk und ASML zu 45% die treibenden Faktoren“, so Denize. Er weist darauf hin, dass durch die Outperformance der US-Märkte seit Jahresbeginn der Bewertungsabschlag gegenüber Europa auf ein Rekordniveau von 35% gestiegen ist.
Das Szenario einer schweren Rezession ist ODDO BHF AM zufolge in den Bewertungen zyklischer europäischer Unternehmen bereits eingepreist. „Noch nie wurde eine Rezession so breit vorhergesagt (ohne bislang einzutreten)“, merkt Denize an. Zwar habe sich die europäische Wirtschaft als sehr widerstandsfähig erwiesen. Bei den zyklischeren Werten ist der Abschwung jedoch bereits seit mehreren Quartalen spürbar. Unternehmen aus den Sektoren Chemie, Stahl, Papier/Pappe und Bergbau, die zu den zyklischsten Branchen gehören, haben in den letzten Quartalen aufgrund des Lagerabbaus bei ihren Kunden deutliche Volumen- und Rentabilitätseinbußen hinnehmen müssen.
„Wir gehen aber davon aus, dass der absatzbelastende Lagerabbau nun weitgehend abgeschlossen ist. So haben die jüngsten Quartalsberichte bei vielen dieser Unternehmen eine Stabilisierung erkennen lassen. Hinzu kommt, dass viele zyklische Unternehmen inzwischen Bewertungsniveaus aufweisen, die bereits das Szenario einer schwerwiegenden Rezession einpreisen, ähnlich wie es in den letzten Phasen eines konjunkturellen Abschwungs der Fall ist“, analysiert der Chefanlagestratege. „Zwar waren es diese Unternehmen, die als erstes die Konjunkturabkühlung zu spüren bekamen. Sie werden jedoch – das sollten wir nicht vergessen – auch als erstes profitieren, wenn die Konjunkturindikatoren wieder anziehen.“ Anlagen in zyklische Unternehmen in dieser Zyklusphase erforderten jedoch eine genaue Prüfung der Bilanzqualität, um sicherzustellen, dass die Unternehmen in der Lage sind, eine Abschwungphase unbeschadet zu überstehen.
Vor diesem Hintergrund baut ODDO BHF die Aktienallokation in der Eurozone leicht aus, und zwar sowohl bei bestimmten unterbewerteten Titeln als auch bei profitablen Wachstumswerten. Letztere dürften durch die Stabilisierung der Zinsen gestützt werden, wenngleich ein Großteil der Neubewertung bereits erfolgt ist. In den kommenden Monaten werde daher die Gewinnentwicklung das Zünglein an der Waage für eine Out- oder Underperformance sein.
Denize zufolge tun sich hier für langfristig orientierte Anleger zahlreiche Chancen auf: „Es ist an der Zeit, Wachstums- und Value-Aktien nicht länger als ein Gegensatzpaar zu betrachten. Qualitätsunternehmen sind in beiden Segmenten zu finden.“ Die relativen Renditen, die für 2023 in Europa sehr ähnlich ausfielen, seien ein Beleg dafür. Vor diesem Hintergrund ist ODDO BHF davon überzeugt, dass es 2024 wie bereits in diesem Jahr auf die gezielte Auswahl der überzeugendsten Titel ankommen wird, um Performance zu generieren.
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Die Tücken des Fondsratings: Warum ein gutes Scope Rating keine sichere Anlage bedeutet
Von Dr. Oliver Everling | 16.November 2023
Ein gutes Rating für Investmentfonds wird oft als Qualitätsmerkmal betrachtet, das Anlegern Sicherheit und Erfolg verspricht. Doch die Realität zeigt, dass dies nicht immer der Fall ist. Das jüngste Fondsrating-Update von Scope Fund Analysis im November 2023 verdeutlicht, dass selbst Fonds mit Top-Ratings herbe Verluste verzeichnen können. Das belegen Zahlen des Unternehmens des Berliner „Scope Group“, der Scope Fund Analysis GmbH.
BlueBay Investment Grade Bond: Mehr Rendite, aber auch mehr Risiko: Ein Beispiel für diese Diskrepanz ist der BlueBay Investment Grade Bond, der sein (A)-Rating zurückerobert hat. Die positive Entwicklung in Bezug auf die Performance im Vergleich zur Peergroup Renten EURO Corp. Inv. Grade führte zu dieser Aufwertung. Der Fonds, der hauptsächlich in europäische Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating investiert, zeigt über fünf Jahre eine Rendite von -0,56% und -3,61% p.a. im Vergleich zur Peergroup. Doch die höheren Risikokennzahlen, insbesondere die Volatilität und der maximale Verlust über fünf Jahre, liegen über dem Durchschnitt der Peergroup. Diese Zahlen (6,92% und -13,80%) sollten Anleger dazu veranlassen, genauer auf die Risikofaktoren zu achten, selbst wenn ein Fonds ein gutes Rating vorweisen kann.
BGF World Gold: Glanz trotz niedriger Rendite: Ein weiteres Beispiel ist der BGF World Gold, der nach fast sechs Jahren wieder ein Top-Rating erreicht hat. Der Fonds, der in Unternehmen des Edelmetall-Bergbaus investiert, zeigt zwar eine beeindruckende Risikostabilität, jedoch liegt die Rendite über fünf Jahre mit 7,81% unter dem Peergroup-Durchschnitt. Auch hier verdeutlicht sich, dass ein gutes Rating nicht zwangsläufig eine überdurchschnittliche Rendite bedeutet.
Flossbach von Storch-Multiple Opportunities II: Von (A) zu (A)-Rating: Ein drittes Beispiel ist der Flossbach von Storch-Multiple Opportunities II, der nach vier Monaten mit (A)-Rating eine Stufe nach unten rutscht. Die leichte Verschlechterung auf der Performance- und Risikoseite im Vergleich zur Peergroup führte zu diesem Downgrade. Auch hier zeigt sich, dass ein Fonds, der über fünf Jahre besser als der Durchschnitt abschneidet, über drei Jahre leicht zurückliegen kann. Die höheren Risikokennzahlen des flexiblen Ansatzes verdeutlichen, dass auch hier Vorsicht geboten ist.
Fazit: Die aktuellen Entwicklungen im Fondsrating verdeutlichen, dass Anleger nicht blind auf Ratings der Scope Fund Analysis GmbH vertrauen sollten. Ein gutes Rating ist kein Garant für langfristigen Anlageerfolg. Es ist entscheidend, nicht nur auf die Rendite, sondern auch auf die Risikokennzahlen zu achten. Die Vergleiche mit Peergroups bieten dabei eine wichtige Orientierung. Anleger sollten sich bewusst sein, dass höhere Renditen oft mit höheren Risiken einhergehen und dass ein ausgewogenes Verhältnis entscheidend für eine erfolgreiche langfristige Anlagestrategie ist.
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Wandelanleihen: Risikoabbau plus Rendite
Von Dr. Oliver Everling | 16.November 2023
Mit dem Ende des Zinserhöhungszyklus dürfte eine überdurchschnittliche Performance kleiner und mittlerer Unternehmen einhergehen, also den wesentlichen Emittenten von Wandelanleihen. Dieser Ansicht ist Arnaud Brillois, Portfoliomanager und Analyst bei Lazard Asset Management und Leiter des Global Convertible-Teams. „Wir sind der Meinung, dass die Bewertungen vieler Wachstumswerte das höhere Zinsumfeld bereits einpreisen“, lautet die Prognose des Experten.
Mit Blick auf die Zukunft führt er weiter aus: „Wir gehen davon aus, dass das in den Quartalsergebnissen berichtete höhere Umsatzwachstum der weit wichtigere Treiber für die Bewertungen darstellt als der Gegenwind aus den potenziellen Zinserhöhungen.“ Zumal die Daten des dritten Quartals eine deutliche Verlangsamung der weltweiten Inflation gezeigt hätten. In den USA zum Beispiel habe der Preisdruck deutlich nachgelassen. Deshalb habe die US-Notenbank Fed in ihrer jüngsten Prognose erklärt, dass sie sich dem Ende des Zinserhöhungszyklus nähere – wobei ihr jüngster „Dot Plot“ noch eine weitere Zinserhöhung prognostiziere.
Brillois ordnet die Erklärung der Notenbanker ein: „Die Fed bleibt bei ihrer Siegeserklärung vorsichtig und stellt längerfristig höhere Zinssätze in Aussicht. Dies führte in den letzten Monaten zu einer hohen Zinsvolatilität, da der Markt versucht hatte, die zukünftige Entwicklung einzupreisen (einschließlich der Frage, wie lange es bis zur ersten Zinssenkung dauert). Mittelfristig gehen wir davon aus, dass die Auswirkungen der Zinssätze auf die Aktienperformance abnehmen werden.“
Davon dürften vor allem die zinssensiblen Wachstumssektoren kleiner und mittlerer Unternehmen profitieren, die in den Jahren 2021 und 2022 unter den steigenden Zinsen gelitten hätten. „Mid-Cap-Wachstumswerte schnitten bereits 2023 besser ab, blieben aber noch hinter den großen Technologiewerten zurück, die den größten Teil der NASDAQ-Performance verantworten“, so der Experte.
In einigen Teilsektoren seien die starken Unternehmensergebnisse bereits mit einer robusten Aktienperformance belohnt worden. Brillois und sein Team hätten daraufhin bereits gehandelt: „Kreuzfahrtunternehmen beispielsweise haben im Jahr 2023 bislang starke Gewinne verzeichnet. Das hat uns dazu veranlasst, Gewinne mitzunehmen und die Position zu reduzieren. In anderen Teilsektoren, darunter Fluggesellschaften, Online-Reisebuchungen und Live-Unterhaltung, bleiben wir engagiert. Unsere These lautet: Bei diesen Unternehmen wird sich die Rückkehr zur vollen Auslastung in den kommenden Quartalen als wichtiger für die Quartalsergebnisse erweisen als die Befürchtungen hinsichtlich einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums.“
Die Strukturen von Wandelanleihen sind für Anleger nach wie vor günstig, betont Brillois. Dies sei besonders in volatilen Zeiten relevant. „Viele Wandelanleihen bieten attraktive Renditen wie beispielweise im Technologiesektor: Hier werfen rund die Hälfte der Convertibles über 5 Prozent pro Jahr ab“, so der Experte. Darüber hinaus böten diese Anleihen mit der Wandeloption ein gewisses Aktienengagement, das bei einer Börsenrallye eine zusätzliche potenzielle Renditequelle darstelle. „Diese Konstellation bedeutet auch, dass Wandelanleihen im Durchschnitt relativ nahe an ihrem Bond-Floor liegen. Das bietet in Zeiten des Risikoabbaus oder höherer Volatilität einen wichtigen Schutz nach unten“, so der Experte.
Ganz genau beobachten die Portfolio Manager von Lazard aktuell die Preisbildung für Unternehmensanleihen. „Der Markt ist angesichts des wirtschaftlichen Hintergrunds leicht angespannt. Wir gehen aber davon aus, dass das hohe absolute Niveau des Carrys höhere Bewegungen begrenzen kann“, so der Experte. Leicht gestiegen seien auch die Ausfallquoten von Unternehmen. „Angesichts der Folgen höherer Zinssätze, strengerer Kreditvergabestandards der Banken und des sich verlangsamenden Wirtschaftswachstums in den USA und Europa fallen sie jedoch noch recht niedrig aus“, urteilt Brillois.
Insgesamt glaubt er, dass Wandelanleihen diesen Risiken weniger ausgesetzt sind als andere Anlageklassen. Denn mit einer günstigen Branchenzusammensetzung mit Fokus auf Wachstumsunternehmen sowie durchschnittlich weniger komplexen Bilanzen könnten Wandelanleihen vergleichsweise weniger stark exponiert gegenüber Kreditrisiken sein. Arnauld Brillois verweist außerdem auf die Historie: „Im Vergleich zu ähnlich bewerteten traditionellen Nominalanleihen weisen Wandelanleihen aus historischer Sicht bereits einen beträchtlichen Kreditabschlag auf, was die Anlageklasse in Zeiten des Kreditausverkaufs vor weiteren Abschlägen schützt bzw. bei einer Marktnormalisierung eine zusätzliche Renditequelle darstellt.“
Bei den Experten von Lazard überwiegt im derzeitigen Marktumfeld der Optimismus. „Aktuell bieten viele Wandelanleihen sowohl interessante Renditen als auch eine hohe Aktiensensitivität“, fasst Brillois zusammen. „Zudem können Wandelanleihen eine potenziell günstige Sektormischung mit einer Tendenz zu mittelgroßen und wachstumsstarken Titeln gewährleisten. Und schließlich sehen wir ein defensiveres Kreditrisikoprofil der Anlageklasse, das die Performance in Zeiten der Kreditunsicherheit schützen könnte.“
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Hohe Unsicherheit im Rating: Wie verhalten sich die USA?
Von Dr. Oliver Everling | 16.November 2023
Die zunehmenden Spannungen um Taiwan verschärfen gegenwärtig den Hegemonialkonflikt zwischen den USA und China, immer mehr Signale deuten auf eine mögliche Eskalation schon in naher Zukunft. Dahinter steht Chinas offensive Strategie für eine „Neue Weltordnung – Made in China“. „Die jüngsten Drohgebärden aus Peking verheißen nichts Gutes. Im Fall eines Angriffs auf Taiwan droht ein sehr gefährliches Szenario mit gravierenden Folgen für die ganze Welt“, sagt Dr. Heinz-Werner Rapp, Gründer und Leiter des FERI Cognitive Finance Institute, in einer aktuellen Analyse potentieller Eskalationsrisiken im Taiwan-Konflikt. Die Sorge vor einer weiteren Verschärfung des Taiwan-Konflikts war offensichtlich auch ein wichtiger Anlass für das jüngste Spitzengespräch zwischen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping in San Francisco.
China habe seinen Druck auf Taiwan durch verstärkte Militärmanöver in der Region und eine zunehmend aggressive Rhetorik zuletzt systematisch erhöht. Die Eskalationsstrategie Chinas sähe neben einer vollständigen Seeblockade des Inselstaates und Attacken gegen Taiwans Datennetze in letzter Konsequenz auch eine gewaltsame Einnahme der Insel vor. Staatschef Xi Jinping habe wiederholt Chinas territorialen Anspruch auf Taiwan betont und die Wiedervereinigung mit der „abtrünnigen Provinz“ explizit gefordert. Die Lage könne sich rund um die im Januar 2024 anstehenden Präsidentschaftswahlen in Taiwan zuspitzen. Sollte ein China-kritischer Kandidat gewinnen, könne Peking seine Pläne zur militärischen Intervention zeitnah aktivieren. „Das Risiko einer Eskalation wird dadurch verstärkt, dass Chinas Präsident Xi Jinping die neue Staatsdoktrin nationaler Wiedergeburt und Stärke als ‚schicksalhaft‘ stilisiert und deren Erfolg direkt mit seiner Person verknüpft hat. Damit setzt sich China in der Taiwan-Frage unmittelbar unter Zugzwang. Im schlimmsten Fall droht eine direkte militärische Konfrontation zwischen China und den USA“, so Rapp.
Durch die Insellage unmittelbar vor der chinesischen Küste habe Taiwan sowohl für China als auch für die USA enorme strategische Bedeutung. Für China gehe es primär um sichere Navigation für Energietransporte und Handelsschiffe, aber zunehmend auch für die chinesische Flotte. Aus Sicht der USA biete Taiwan dagegen als ‚unsinkbarer Flugzeugträger‘ einen enormen geostrategischen Vorteil, um eigene Machtinteressen im Westpazifik abzusichern. Hinzu komme noch die hohe Abhängigkeit der USA von modernster Chiptechnologie, die zu einem Großteil in Taiwan produziert werde. „Aus Sicht der USA ist Taiwan für alle zukünftigen Entwicklungen im Bereich Hochtechnologie absolut unverzichtbar. Eine Übernahme durch China hätte für die USA enorme sicherheitsrelevante Konsequenzen. Speziell dieser Punkt macht deutlich, warum Taiwan im Großmachtkonflikt zwischen den USA und China eine so zentrale Rolle spielt“, erklärt Rapp.
Ob die USA im Fall einer chinesischen Invasion Taiwan tatsächlich militärisch beistehen würden, sei derzeit kaum seriös zu beantworten. Hauptrisiko sei, dass schon kleinste Anlässe eine militärische Konfrontation zwischen den USA und China – und damit einen potentiellen Weltkrieg – auslösen könnten. Theoretisch könnten die USA zwar Taiwan auch an China preisgeben, etwa um Zugeständnisse in anderen strategisch relevanten Bereichen zu erreichen. Dies erscheine derzeit aber wenig realistisch, weil damit die Bewegungsfreiheit der USA im Pazifik stark begrenzt werde. „Die weitere Entwicklung rund um Taiwan hängt deshalb auch vom Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA im kommenden Jahr ab“, ergänzt Rapp. Sollte es ab 2024 zu einer Neuauflage der volatilen Trump-Präsidentschaft kommen, könnten auch bislang unverrückbare Parameter der US-Außenpolitik schnell kippen. „Die nächsten beiden Jahre sind deshalb für Taiwan – und alle damit verbundenen Risiken – von entscheidender Bedeutung. Auch für die globalen Kapitalmärkte gewinnt dieses Zeitfenster an Brisanz“, warnt Rapp. Professionelle Investoren sollten vorerst sehr genau beobachten, wie sich die rivalisierenden Großmächte USA und China im Taiwan-Konflikt positionieren, um potentielle Risiken für die Weltwirtschaft besser abschätzen zu können.
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Wachstumschancen und Zukunftsfinanzierung
Von Dr. Oliver Everling | 15.November 2023
Mit dem Wachstumschancen- und dem Zukunftsfinanzierungsgesetz setzen die Freien Demokraten die Wirtschaftspolitik als oberste Priorität im Regierungshandeln. Ihr Ziel ist die Förderung neuer Wirtschaftsleistungen, die Entlastung von Unternehmen durch Steuersenkungen und die Stärkung Deutschlands als Gründungsstandort.
Die Priorisierung der Wirtschaft ist längst überfällig, da Daten belegen, dass die Vernachlässigung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen in den letzten zehn Jahren nachteilige Auswirkungen hat. Um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft wiederherzustellen und dringend benötigte Wachstumsimpulse zu setzen, schaffen sie verbesserte strukturelle Rahmenbedingungen für den Mittelstand und Gründer. Dies ermöglicht echte Spielräume für Innovationen.
Ihre Maßnahmen umfassen die schrittweise Befreiung von bürokratischen Hürden, die Unternehmer lähmen, sowie die Vereinfachung des Steuersystems. Zusätzlich setzen sie gezielte steuerliche Anreize, um private Investitionen zu fördern. In dieser Woche werden im Deutschen Bundestag auf Initiative von Bundesfinanzminister Christian Lindner das Wachstumschancengesetz und das Zukunftsfinanzierungsgesetz beschlossen.
Das Wachstumschancengesetz bringt Unternehmen unter anderem folgende Vorteile: Verbesserter steuerlicher Verlustabzug. Sofortabschreibungen werden erleichtert. Anreize für Investitionen in saubere und klimafreundliche Technologien. Ausbau der steuerlichen Forschungsförderung. Steuervereinfachungen. Praktische Einführung der E-Rechnung. Starke Anreize für den Wohnungsneubau und einen Bau-Booster bei der Sonderabschreibung.
Das Zukunftsfinanzierungsgesetz macht lang ersehnte Wünsche von Start-ups zur Realität: Jobs in deutschen Start-ups werden durch Erleichterungen bei Mitarbeiterkapitalbeteiligungen attraktiver, indem der steuerliche Freibetrag auf 2.000 Euro erhöht wird und Probleme wie die „Dry-Income Besteuerung“ de facto eliminiert werden. Gründerinnen und Gründer erhalten einen verbesserten Zugang zum Kapitalmarkt durch Digitalisierung, Entbürokratisierung und Internationalisierung.
Mit dem Wachstumschancen- und dem Zukunftsfinanzierungsgesetz setzen die Freien Demokraten entscheidende Impulse für mehr Wachstum – genau das, was Deutschland jetzt braucht. Der Kurs für die zweite Hälfte der Legislaturperiode ist klar ausgerichtet auf Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum, Wohlstand und individuelle Aufstiegschancen. Jetzt ist es an der Zeit, Fahrt aufzunehmen, damit die deutsche Wirtschaft zurück auf die Überholspur gelangt und das Rating Deutschlands nicht zu gefährden.
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Anleger fliehen aus nachhaltigen Investments
Von Dr. Oliver Everling | 14.November 2023
Der MSCI Global Alternative Energy Index ist in diesem Jahr um rund 42 % eingebrochen, schreibt Arjan Palthe, Fondsmanager bei Triodos Investment Management (IM): „Während traditionelle Ölgiganten wie Shell oder ExxonMobil auf Rekordkurs sind, implodieren die Aktien von Unternehmen aus dem Bereich erneuerbarer Energien. Der S&P Global Clean Energy Index, der die 100 größten Unternehmen aus dem Bereich erneuerbarer Energien umfasst, hat in diesem Jahr einen Kurseinbruch von 36 Prozent hinnehmen müssen – während der MSCI World Index immer noch ein Plus von 5 Prozent vorweisen kann.“
Nicht nur die erneuerbaren Energien underperformen, auch „grüne Aktien“ von Unternehmen, die in den Bereichen Elektromobilität, Energiespeicherung oder Wärmepumpen tätig sind, haben sich deutlich schlechter entwickelt als der breite Markt. „Hierzulande musste der Windturbinenhersteller Siemens Energy Ende Oktober einen Kurseinbruch von 35 Prozent hinnehmen, nachdem berichtet wurde, dass der Konzern die Regierung um Unterstützung bitten müsse, weil er nicht mehr in der Lage sei, seine Vereinbarungen mit den Banken zu erfüllen. Nach einigen Tagen erholte sich der Aktienkurs dann wieder um ein Zehntel, weil der Vorstandsvorsitzende bestritt, dass er staatliche Unterstützung benötige.“
Dem stellt Arjan Palthe entgegen: „Die grünen Unternehmen sind auf einem schnell wachsenden Markt tätig. Nach Angaben des Statistikamtes IRENA flossen im Jahr 2022 mehr als 500 Milliarden Dollar in die Infrastruktur für erneuerbare Energien. Bis 2030 wird sich dieser Betrag auf 1.300 Milliarden Dollar erhöhen. Mit dem Green Deal und dem Inflation Reduction Act lassen sowohl die Europäische Union als auch die USA Hunderte von Milliarden Dollar in Form von Direktinvestitionen, Subventionen, Steuererleichterungen oder Gutschriften in grüne Unternehmen fließen.“
Warum sind die Preise gefallen? „Aktien aus dem Bereich der erneuerbaren Energien werden von höheren Zinsen hart getroffen“, titelte die Financial Times Anfang Oktober, aber es geht um viel mehr als nur um höhere Zinsen. Es stimmt, dass Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien von den steigenden Zinsen betroffen sind, die die Kreditaufnahme verteuern, und gleichzeitig wirken sich die höheren Zinsen auch negativ auf den Nettogegenwartswert der langfristigen Cashflow-Ströme von neuen Projekten aus. Die Projektentwickler zögern daher, meint Arjan Palthe, sich auf neue Projekte einzulassen, wie das Scheitern des jüngsten Angebots für ein Offshore-Windkraftprojekt im Vereinigten Königreich und die Probleme von Orsted bei der Offshore-Windkraft in den USA zeigen. Die Verzögerung oder gar Streichung neuer Projekte wird sich auf die gesamte Wertschöpfungskette auswirken.
„Zusätzlich zu den steigenden Zinssätzen müssen die Unternehmen der Branche für erneuerbare Energien mit der Kosteninflation, der zunehmenden Komplexität der Projekte, dem konjunkturellen Gegenwind und den reduzierten staatlichen Anreizen in mehreren Ländern fertig werden. Auch die in letzter Zeit sinkenden Strompreise trugen dazu bei,“ so Arjan Palthe, „dass die Unternehmen der erneuerbaren Energien besonders zu leiden hatten.“
Aktien von Solaranlagen waren in den letzten Jahren die Gewinner, doch so schnell, wie die Anleger diese Aktien in die Höhe getrieben haben und die Bewertungsmultiplikatoren gestiegen sind, so schnell haben sie sich 2023 auch wieder von ihnen getrennt, argumentiert Arjan Palthe: „Im gegenwärtigen Börsenklima gibt es keine Toleranz für Unternehmen, die ihre Zahlen nicht erreichen. In Kalifornien, wo 35 % der US-amerikanischen Solaranlagen installiert sind, haben neue Vorschriften dazu geführt, dass Solaranlagen für Unternehmen und Hausbesitzer im Vergleich zu anderen Stromarten weniger wettbewerbsfähig sind. Die neue Regelung soll den Einsatz von Speichermedien fördern und die Kombination von Solaranlage und Batteriespeicher billiger machen, aber dieser Übergang braucht Zeit. In Europa hat auch der wirtschaftliche Druck auf den Absatz von Solarmodulen eingewirkt. Dies sei der Hintergrund der jüngsten Warnungen, so der CEO von Enphase. Insbesondere in Europa in Ländern wie Deutschland, Frankreich und den Niederlanden sei die Nachfrage erheblich zurückgegangen. Auch der zunehmende Widerstand gegen grüne Politik und Ambitionen in einigen EU-Mitgliedstaaten ist nicht hilfreich.“
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Dysfunktionale Fiskalpolitik der USA im Rating
Von Dr. Oliver Everling | 13.November 2023
Die US-Ratingagentur Moody’s könnte den Vereinigten Staaten demnächst ihre bisherige Topbewertung entziehen. Der Ausblick für das Land sei von „stabil“ auf „negativ“ gesetzt worden, wie die Ratingagentur am Freitag mitteilte. Angesichts hoher Zinsen und ohne Schritte zur Ausgabenkürzung oder Einnahmeerhöhung würde das US-Haushaltsdefizit wahrscheinlich „sehr hoch bleiben, was die Erschwinglichkeit der Schulden erheblich schwächt“, hieß es. Die Abwärtsrisiken für die fiskalische Stärke der USA hätten zugenommen und könnten möglicherweise nicht mehr vollständig durch die einzigartigen Kreditstärken des Landes ausgeglichen werden.
„Die dysfunktionale Fiskalpolitik der USA wird zur Belastung für die Welt“, schreibt Prof. Dr. Jan Viebig, CIO der ODDO BHF SE, in einem aktuellen Marktkommentar. An der Bonität der USA sind zuletzt die Zweifel etwas größer geworden. Nach S&P Global Ratings im Jahr 2011 hatte im August 2023 eine zweite große Ratingagentur, Fitch Ratings, dem Land die höchste Bonitätsnote AAA entzogen und auf AA+ gesenkt. „Das muss die Gläubiger der USA nicht beunruhigen. US-Staatsanleihen zählen weiterhin zu den sichersten Anlagemöglichkeiten der Welt. Dennoch: Die amerikanische Finanzpolitik entwickelt sich aus unserer Sicht eindeutig in die falsche Richtung. Der Vorzug, die Leitwährung für die globale Wirtschaft zu emittieren, entbindet nicht von der Pflicht, verantwortungsvoll mit den Staatsfinanzen umzugehen“, so Viebig. „Der Haushaltsprozess funktioniert in den USA seit Jahrzehnten nicht mehr.“ Der Kongress habe Mühe, die Haushaltsgesetze rechtzeitig vor Beginn des Fiskaljahres zu verabschieden. „Einen regulären Haushalt gibt es nicht mehr, nur Haushaltsentwürfe, Einzelgesetze, befristete Ausgabenermächtigungen oder Pakete sachlich unverbundener Einzelgesetze.“
Vor allem wenn der Kongress gespalten ist, komme es immer wieder zu schwerwiegenden Konflikten. „Es droht ein Shutdown. Wird die Schwelle erreicht, dürfen keine weiteren Finanzierungen am Kapitalmarkt vorgenommen werden, auch nicht zur Deckung der Zinsverpflichtungen.“ Dadurch stünden die USA immer wieder vor einem zumindest „technischen“ Zahlungsausfall. Aktuell ist die Schuldengrenze bis Januar 2025 ausgesetzt, wenn die nächste Wahlperiode oder Amtszeit des nächsten Präsidenten beginnt. Derzeit könne sich die politische Klasse wieder nicht einigen. Wie kontraproduktiv diese Streitkultur geworden ist, zeigt sich Viebig zufolge auch daran, dass die öffentlichen Finanzen aus dem Ruder laufen: Die Defizitquote liegt regelmäßig über 5 Prozent. „Die Defizitquote könnte künftig noch steigen, wenn das Zinsniveau „höher für länger“ bleibt“, befürchtet der Chefanlagestratege. Die Steuersenkungen von Biden-Vorgänger Trump, besonders die individuellen Steuern, werden Ende 2025 auslaufen. Würden sie verlängert oder in dauerhafte Steuersenkungen umgewandelt, könnten die Defizite nochmals höher ausfallen. „Auch die Schulden steigen kontinuierlich. Die Gesamtverschuldung des Bundeshaushalts liegt nach Angaben des US-Finanzministeriums bei rund 33,7 Billionen Dollar oder 123 Prozent des Bruttoinlandsprodukts“, rechnet Viebig vor.
Das Bizarre an diesen Konflikten sei, dass die Politiker um einen kleiner werdenden Spielraum streiten. „Nur rund 1,7 Billionen Dollar der insgesamt 6,4 Billionen Dollar Staatsausgaben sind Verfügungsmasse der Politiker. Der Rest teilt sich auf Zinsen und Ausgaben auf, zu denen der Staat gesetzlich verpflichtet ist, beispielsweise im Rahmen von Rentenzahlungen“, stellt Viebig klar. Vor allem das Gewicht der Zinsen drückt immer mehr: Im Fiskaljahr 2023 zahlte die Bundesregierung 663 Milliarden Dollar Zinsen. In neun Jahren, bis 2032, wird sich dieser Betrag nach CBO-Prognose auf 1,35 Billionen Dollar mehr als verdoppeln. Ein Ausweg aus dieser verfahrenen Situation ist nicht in Sicht. Notwendig wäre eine grundlegende Reform, zu der den USA, angesichts der zunehmenden Polarisierung zwischen den beiden dominierenden Parteien, offenkundig die Kraft fehlt. Darüber könnte die Welt gelassener hinwegsehen, wären die USA nicht die führende Wirtschaftsmacht der Welt und Hüter der Weltleitwährung.
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Auf den Maßstab kommt es an
Von Dr. Oliver Everling | 9.November 2023
Die ausschließliche Fixierung auf das Ziel der Renditemaximierung ist nach Überzeugung von Dominikus Wagner, Firmengründer und Fondsmanager des Wagner & Florack Unternehmerfonds, riskant: „Es ‚lohnt‘ sich, kurzfristig bewusst auf Rendite zu verzichten, um das investierte Kapital langfristig zu erhalten und zu vermehren.“
Die Anlagestrategie des Wagner & Florack Unternehmerfonds ist darauf ausgerichtet, unternehmerische Risiken konsequent zu vermeiden und in Unternehmen zu investieren, die in jeder konjunkturellen Lage – also auch und gerade in Rezessionen – stabile Erträge erzielen und eine hohe Kapitalverzinsung erwirtschaften. Daher bilden wettbewerbsüberlegene Konsumgüterhersteller wie Beiersdorf, Church & Dwight, L’Oréal, Nestlé und Procter & Gamble das Fundament des Unternehmerfonds. Diese – im positiven Sinne – besonders langweiligen robusten Gewinnmaschinen mit geschäftsmodellbedingt geringem Kapitalbedarf, hohen Skaleneffekten, hoher Preissetzungsmacht und starken Marken verdoppeln ihren Unternehmensgewinn höchst zuverlässig etwa alle zehn Jahre.
„Von einer solchen Leistung vermag ein Großteil der am Markt befindlichen Unternehmen nur zu träumen“, ist Wagner überzeugt. „Und dies erreichen unsere „Langweiler” bei minimalem substanziellem Investitionsrisiko.“ Die Risikocharakteristik solcher Firmen zählt nach Ansicht von Wagner zum konservativsten, woran man sich als Investor beteiligen kann.
Robuste Gewinnmaschinen verdoppeln Free Cash Flow binnen weniger Jahre, sagt er: Einen weiteren wichtigen Baustein des Unternehmerfonds bilden darüber hinaus Technologiefirmen wie Apple, Microsoft und Visa, deren Dienste aus dem Alltag von Milliarden von Menschen und Millionen von Unternehmen nicht mehr wegzudenken sind, sowie Ausnahmefirmen mit starkem Wachstum und hoher Profitabilität wie Danaher oder Hermès.
„Wir wissen es sehr zu schätzen, uns mit den Unternehmerfonds an solchen robusten Gewinnmaschinen beteiligen zu können: an Firmen, die ihren unternehmerischen Gewinn, also den Free Cash Flow, binnen weniger Jahre verdoppeln“, sagt Wagner. Die Investmentlogik dahinter: Da mittel- bis langfristig die Entwicklung des Unternehmensgewinns den Unternehmenswert determiniert, streben die Aktienkurse solcher Firmen im Laufe der Zeit immer weiter nach Norden, was langfristigen Miteigentümern das Portemonnaie zuverlässig füllt. Darin unterscheiden sich diese Portfoliounternehmen von den zahllosen kapitalintensiven, schwachmargigen und verschuldeten Firmen, deren Kurse über Jahre hinweg nicht vom Fleck kommen oder gen Süden driften – bei hohen unternehmerischen Risiken.
Langfristige, substanzielle Investitionssicherheit steht bei Wagner an erster Stelle. Daher vermeidet der Fondsmanager Risiken konsequent, selbst wenn dadurch mitunter auch Renditeopportunitäten ausgelassen werden. „Renditemaximierung kann unserer Ansicht nach nicht das wichtigste und erst recht nicht das alleinige Ziel sein, auch wenn es in weiten Teilen der Finanzbranche so gesehen werden mag“, betont Dominikus Wagner. „Um die Risiken so gering wie möglich zu halten, setzen wir die Prioritäten anders und verzichten damit bewusst auf Renditepotenzial. Und trotzdem verdienen wir mit unseren Firmen sehr gutes Geld. Gleichzeitig wissen wir, dass wir bei Gegenwind oder gar Sturm gut geschützt hinter einer Mauer sitzen, weil unsere Unternehmen durch eine starke Bilanz geschützt sind.“
Themen: Aktienrating | Kommentare deaktiviert für Auf den Maßstab kommt es an
Buch „The Future of Multilateralism and Globalization in the Age of the U.S.–China Rivalry“
Von Dr. Oliver Everling | 7.November 2023
Das Buch „The Future of Multilateralism and Globalization in the Age of the U.S.–China Rivalry“ von Norbert Gaillard, Fumihito Gotoh und Rick Michalek ist eine beachtenswerte Analyse, die sich mit den geopolitischen und geoökonomischen Auswirkungen der wachsenden Rivalität zwischen den Vereinigten Staaten und China in einer sich verändernden Weltordnung befasst. Besonders in der Zeit nach der Covid-19-Pandemie und dem Konflikt in der Ukraine haben politische Entscheidungsträger und Wissenschaftler diesen neuen Paradigmenwechsel noch nicht ausreichend behandelt, und dieses Buch schließt diese Lücke.
Diese originelle und innovative Arbeit untersucht, wie ein neuer Modus vivendi zwischen China und den Vereinigten Staaten in einer post-globalisierten Welt sowohl wirtschaftliche Unabhängigkeit aufgrund des wachsenden Misstrauens zwischen den G20-Wirtschaften erfordert als auch eine verstärkte internationale Zusammenarbeit, um den Übergang zum Nationalismus und Protektionismus zu verhindern und Finanz- sowie Klimakrisen zu bewältigen.
Das Buch ist in vier Teile unterteilt. Im ersten Teil werden die spezifischen Merkmale des chinesischen und US-amerikanischen Kapitalismus untersucht. Teil II argumentiert, dass verschiedene Mängel, die seit den frühen 2000er Jahren in der multilateralen Architektur beobachtet wurden, zu globalen Ungleichgewichten geführt haben und das Missverständnis und das Misstrauen zwischen den beiden Supermächten verstärkt haben. Teil III analysiert, wie sich die Rivalität zwischen China und den USA in Asien, Lateinamerika und in Bezug auf die globale Entwicklungszusammenarbeit manifestiert hat, und schließlich bietet Teil IV einen Plan für eine erfolgreiche und überarbeitete internationale Ordnung.
Das Buch bietet eine ehrgeizige interdisziplinäre Analyse der Zukunft des Multilateralismus und der Globalisierung und enthält Beiträge von Ökonomen, Juristen und Politikwissenschaftlern.
Durch seinen multidisziplinären Ansatz wird das Buch das Interesse von Wissenschaftlern und Postgraduierten aus verschiedenen Fachrichtungen sowie von Praktikern in internationalen Organisationen, politischen Entscheidungsträgern und allgemein gebildeten Lesern wecken, die sich für das Thema interessieren. Die Autoren sind Norbert Gaillard, ein Wirtschaftswissenschaftler und unabhängiger Berater (www.norbertgaillard.com), Fumihito Gotoh, Dozent für Ostasienstudien an der University of Sheffield, und Rick Michalek, ein in New York ansässiger unabhängiger Rechts- und Finanzberater.
Insgesamt bietet „The Future of Multilateralism and Globalization in the Age of the U.S.–China Rivalry“ eine tiefgreifende und zeitnahe Analyse der Rivalität zwischen den USA und China und deren Auswirkungen auf die Zukunft der internationalen Beziehungen. Der interdisziplinäre Ansatz und die umfassende Abdeckung machen es zu einer wertvollen Ressource für jeden, der die sich entwickelnden Dynamiken der Weltpolitik und Wirtschaft in einer post-globalisierten Welt verstehen möchte.
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