Chinas Wirtschaft im Wandel: Herausforderungen und Investmentchancen

Von Dr. Oliver Everling | 13.September 2023

Die chinesische Wirtschaft sieht sich derzeit mit erheblichen Turbulenzen konfrontiert, wobei die Probleme in der Immobilienbranche eine zentrale Rolle spielen und die Anleger in Unruhe versetzen. James Donald, Leiter der Emerging Markets-Plattform von Lazard Asset Management, analysiert die Ursachen für diese wirtschaftlichen Herausforderungen und bietet Einblicke, wie Anleger damit umgehen können.

Die jüngsten Entwicklungen in China haben die Besorgnis der Marktteilnehmer hinsichtlich einer sich verschärfenden Immobilienkrise verstärkt. So hat der einst größte Immobilienentwickler Chinas, Country Garden, eine Kuponzahlung versäumt, bevor sie im letzten Moment nachgeholt wurde. Gleichzeitig meldete das hoch verschuldete Unternehmen Evergrande in den USA Konkurs an. Diese Ereignisse haben die ohnehin schon gedämpfte Stimmung der Anleger weiter verschlechtert.

Doch die Probleme in China gehen weit über den Immobilienmarkt hinaus. In den letzten Jahren hat die chinesische Regierung verstärkt das Konzept des „gemeinsamen Wohlstands“ verfolgt und dabei nationale Champions gestört. Dies führte zu bedeutenden Veränderungen in verschiedenen Sektoren, darunter E-Commerce und Online-Bildung. Unternehmen wurden dazu gedrängt, staatliche Kontrolle höher zu gewichten als schnelles Umsatzwachstum.

Zusätzlich zu den innenpolitischen Herausforderungen belasten internationale Faktoren die chinesische Wirtschaft. Der Westen hat aus Sicherheitsgründen Maßnahmen ergriffen, um seine Märkte vor chinesischen Technologieprodukten zu schützen. Darüber hinaus hat Chinas Allianz mit Russland im Ukraine-Konflikt die Beziehungen zum Westen beeinträchtigt und zu einem Rückgang ausländischer Investitionen geführt.

Die chinesische Regierung hat bisher keine wirksamen Maßnahmen ergriffen, um den Binnenkonsum anzukurbeln und Investitionen in Wachstumsbranchen zu lenken. Die Lockerung der restriktiven Maßnahmen zur Eindämmung von Immobilienspekulationen hatte begrenzte Auswirkungen auf die öffentlichen Ausgaben. Eine anhaltende Wirtschaftsschwäche könnte das Risiko einer Deflation erhöhen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert zwar ein Wachstum von 5,2 Prozent für China im Jahr 2023, doch die wirtschaftlichen Aussichten des Landes hängen von einer möglichen Trendwende ab.

Trotz der Herausforderungen bieten sich nach wie vor Investmentmöglichkeiten in China. Die chinesischen Unternehmen im MSCI China Index sind derzeit so günstig bewertet wie nie zuvor. Es ist jedoch entscheidend, Unternehmen zu identifizieren, die im Einklang mit den Regulierungsreformen stehen und finanziell stabil sind.

Neben der Immobilienkrise stellt der Konflikt zwischen Taiwan und China ein weiteres Risiko dar. China strebt wahrscheinlich eine friedliche Lösung für die Wiedervereinigung mit Taiwan an, um Sanktionen zu vermeiden. Dennoch bleibt die politische Umsetzbarkeit fraglich.

Abschließend ist festzuhalten, dass China im Kontext von Emerging Markets-Investments zu bedeutend ist, um ignoriert zu werden. Mit seiner riesigen Bevölkerung und der wachsenden Mittelschicht ist China ein wichtiger Markt. Anleger sollten jedoch vorsichtig vorgehen und die Entwicklungen in China genau im Auge behalten. Die Zukunft der chinesischen Wirtschaft hängt von der Entwicklung des Immobilienmarktes und der politischen Maßnahmen ab. Anleger sollten daher die Daten zum chinesischen Immobilienmarkt und politische Veränderungen genau verfolgen, um die Aussichten für den Binnenkonsum und die Industrietätigkeit des Landes besser einschätzen zu können.

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Energiewende als Triebkraft

Von Dr. Oliver Everling | 7.September 2023

Eine überwiegende Mehrheit institutioneller und professioneller Anleger weltweit (71%) plant in den nächsten drei Jahren eine Erhöhung ihrer Allokation in Impact-Investing-Lösungen. Das ist das Ergebnis einer neuen Vontobel-Studie. Während europäische Anleger Spitzenreiter bei der Nachfrage nach Lösungen bleiben, dürften asiatische Anleger bald aufholen. Dabei investiert mehr als die Hälfte der Befragten (58%) erst seit weniger als drei Jahren in diese Kategorie.

Bei Umfrage-Teilnehmern, die bereits in Impact investieren oder entsprechende Investments planen, sind börsengehandelte Aktien mit 67% die beliebteste Anlageklasse. Darüber hinaus haben 56% der Befragten vor, Allokationen in börsengehandelte Aktien in den nächsten drei Jahren zu erhöhen. Die Anleger planen ebenfalls, ihre aktuelle Allokation über die Anlageklassen in den nächsten drei Jahren breiter aufzufächern, wobei 51% sich für Infrastruktur entscheiden (bislang investiert: 39%), 38% für Immobilien (26%) und 23% für Rohstoffe (7%). Mehr als die Hälfte der Befragten (57%) gibt an, vollständig oder hauptsächlich in aktive Impact-Strategien zu investieren.

Aus geographischer Sicht sind Anleger aus Europa mit einem Anteil von 70%, die in Impact-Investment-Lösungen investieren, Spitzenreiter. Dem gegenüber stehen 56% Anleger aus Nordamerika und 57% aus dem asiatisch-pazifischen Raum. Die Umfrageergebnisse lassen jedoch auch auf ein starkes Anlegerinteresse aus der Asien-Pazifik-Region schliessen, die Allokation in Impact-Investments auszubauen. Dort planen 92% die Allokationen über öffentliche Märkte zu erhöhen, und 79% über private Märkte. Ein Treiber bei den öffentlichen Märkten in Asien-Pazifik ist die erweiterte Definition der treuhänderischen Verpflichtung, die auch die künftige Bewertung von Auswirkungen der Investments umfasst. Dieser Punkt wird dort von 54% der Anleger im Vergleich zu 25% in Europa und 20% in Nordamerika genannt. Auch in Europa stehen die Auswirkungen der Investments weiterhin an der Spitze der Überlegungen, wobei künftig 67% der Anleger mehr Allokationen über öffentliche Märkte und 72% über private Märkte planen.

„Die herausfordernden Marktbedingungen der letzten 18 Monate haben sich auf Anlageklassen sowohl der öffentlichen als auch der privaten Märkte ausgewirkt – auch auf die mit einem nachhaltigen Fokus. Die Umfrage zeigt, dass sich Anleger trotz der schwierigeren Zeit weiterhin für Impact Investing engagieren und sogar vorhaben, ihre Allokation in den nächsten paar Jahren zu erhöhen“, so Pascal Dudle, Head of Listed Impact bei Vontobel. „Interessanterweise planen sie dies für eine viel breitere Palette an Anlageklassen über öffentliche und private Märkte hinweg. Das ist ein positiver Indikator dafür, dass das Konzept des Impact Investing keine Nische innerhalb des Thema Nachhaltigkeit mehr ist, sondern mittlerweile als spezifische und eigene Anlageart betrachtet wird.“

Betrachtet man die Treiber hinter den Allokationen in Impact-Investitionen, so steht die Energiewende auch weiterhin an oberster Stelle. So benennen 81% bzw. 77% der Anleger die Dekarbonisierung bzw. den Übergang zu Netto-Null als Hauptziele ihrer Impact-Investitionen, wobei auch die Biodiversität auf der Tagesordnung der Anleger nach oben wandert – mehr als die Hälfte von ihnen (56%) befürwortet Impact-Investitionen mit Zielen, die auf Biodiversität ausgerichtet sind. Bei den ihrer Meinung nach drängendsten Bereichen, die durch Impact Investing angegangen werden sollten, stehen Erneuerbare Energien (68%), Energieeffizienz (58%) und Wasser (43%) ganz oben auf der Tagesordnung.

Trotz der Anlegertendenz zu Umweltzielen streben sie dennoch auch einen Impact im gesamten Nachhaltigkeitsspektrum an. Fast sechs von zehn Umfrageteilnehmern (58%) möchten, dass ihre Impact-Investitionen auf Chancengleichheit und Diversität ausgerichtet sind. Für Anleger im Asien-Pazifik-Raum und in Nordamerika liegt mit 66% bzw. 63% die stärkste Präferenz auf diesen sozialen Anliegen, europäische Anleger folgen mit 53%.

Bei der Implementierung von Impact Investing müssen sich Investoren weiterhin mit Greenwashing auseinandersetzen. Zu ihren wesentlichen Bedenken zählen irreführende oder übertriebene Impact-Behauptungen (60%), das Fehlen eines klaren Branchenstandards / einer Definition für Impact-Manager (49%) sowie die unzureichende Transparenz bei der Berichterstattung (44%). Die Fähigkeit, den Impact des Portfolios nachzuweisen, ist von absolut zentraler Bedeutung und muss ein wesentlicher Bestandteil der Berichtssysteme von Investmentfirmen sein, da 82% der Anleger Transparenz und Messbarkeit von Impact-Ergebnissen als wichtige Faktoren bei der Auswahl von Impact-Investing-Managern benennen.

Von den Anlegern werden mehrere Herausforderungen benannt, die ihnen bei der Bewertung von Impact-Investing-Strategien begegnet sind und die sie wahrscheinlich von der Aufnahme dieser Strategien abhalten würden. Dazu zählen: das Fehlen verlässlicher Daten, die schlechte Transparenz von Benchmarks/Indizes sowie die breite Palette unterschiedlicher Ansätze bei Vermögensverwaltern.

„Auch wir bei den Anlegern ein starkes Engagement für Impact erkennen können, stehen doch viele noch am Anfang ihres Impact-Wegs. Ein wesentliches Hindernis, und eine gemeinsame Herausforderung, die sie unabhängig von ihrem Standort benennen, besteht in der fehlenden Transparenz und damit der Fähigkeit, den Impact ihrer Portfolios zu messen und auszuweisen. Eine erhöhte Transparenz ist der Schlüssel zum Vertrauensaufbau bei den Anlegern“, ergänzt Dudle.

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Investitionsklima steigt, aber nur in Deutschland

Von Dr. Oliver Everling | 1.September 2023

Die Mehrheit der europäischen Immobilien-Investoren (55 Prozent) kalkuliert bei neuen Immobilien-Investments derzeit mit einer jährlichen Rendite von 3 bis 5 Prozent. Das hat eine aktuelle Umfrage von Union Investment unter 134 Immobilienunternehmen und institutionellen Immobilien-Investoren in Deutschland, Frankreich und Großbritannien ergeben. 25 Prozent davon kalkulieren mit einer Zielrendite von 3 bis 4 Prozent, 30 Prozent mit 4 bis 5 Prozent pro Jahr. Ein Fünftel der Befragten (20 Prozent) setzen bei Neu-Investments eine jährliche Rendite von über 6 Prozent an.

„Die Preisfindungsphase auf den europäischen Immobilienmärkten ist nach wie vor in vollem Gange. Ob die kalkulierten Renditen auch so erzielt werden können, bleibt abzuwarten. Wir beobachten, dass die Preisvorstellungen von Verkäufern und Käufern meist noch nicht zueinander finden. Aus dem stark zurückgegangenen, fragmentierten Transaktionsgeschehen lässt sich aktuell keine klare Marktevidenz ableiten“, so Martin Schellein, Leiter Investment Management Europa bei Union Investment. Laut Studie geht die Mehrheit (60 Prozent) der europäischen Immobilien-Investoren derzeit davon aus, dass es noch länger als zwölf Monate dauert, bis sich die Transaktionsmärkte wieder beleben. 37 Prozent rechnen bereits innerhalb der kommenden zwölf Monaten mit einer deutlichen Belebung des Investmentmarkts.

Bei den selbstgesteckten Renditezielen der Immobilien-Portfolios europäischer Immobilien-Investoren zeigt sich kein klarer Trend: 31 Prozent der Befragten haben ihre Ziele nach unten angepasst, 26 Prozent nach oben. 39 Prozent haben ihre selbstgesteckten Renditeziele indes bis dato nicht geändert. Über die Hälfte der Umfrage-Teilnehmer (60 Prozent) geben an, dass sie ihre selbstgesteckten Renditeziele in den kommenden drei Jahren dennoch nicht erreichen werden.

Ein Ausverkauf an den europäischen Immobilienmärkten ist nach wie vor nicht in Sicht. Über die Hälfte der befragten Immobilien-Investoren wollen in den kommenden zwölf Monaten erst einmal abwarten und ihre Immobilien halten oder sogar neu investieren. Im Detail: Bei 25 Prozent der Umfrage-Teilnehmer liegt der strategische Schwerpunkt auf dem Halten ihrer Objekte, bei 27 Prozent auf dem Kauf. Bei 39 Prozent der Befragten liegt der Fokus ihrer Investmentstrategie in den kommenden zwölf Monaten auf dem Verkauf. Immobilien bleiben jedoch ein unverzichtbarer Baustein in der Asset Allokation: Laut Studie gaben 67 Prozent der Befragten die Krisen-Resistenz und Werterhaltungsfunktion als wichtigste Eigenschaft des Betongoldes an.

Je nach Land unterscheiden sich die Investmentstrategien allerdings deutlich. Während in Deutschland (55 Prozent der Befragten) und Frankreich (39 Prozent) in den kommenden zwölf Monaten stärker auf Verkäufe gesetzt wird, liegt in Großbritannien der Schwerpunkt der Investmentstrategie auf Abwarten und Halten (52 Prozent der Befragten). Nur 21 Prozent der befragten britischen Investoren setzen auf Verkäufe.

Die Stimmung an den europäischen Immobilienmärkten bleibt insgesamt gedämpft. Der von Union Investment in Deutschland, Frankreich und Großbritannien ermittelte Immobilien-Investitionsklimaindex zeigt zudem ein recht uneinheitliches Bild: Während das Barometer in Deutschland um 2,4 auf 61,3 Punkte gestiegen ist, ging es in Frankreich und Großbritannien bergab. Am stärksten hat sich die Stimmung in Frankreich verschlechtert: Der Index sank im ersten Halbjahr 2023 um 2 auf 59,3 Punkte. In Großbritannien rutschte das Barometer nur um leichte 0,7 auf 59,6 Punkte.

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Komplizierter Weg in die Zukunft

Von Dr. Oliver Everling | 23.August 2023

Der spektakuläre Erfolg von ChatGPT hat die „KI-Revolution“ in einer Weise beschleunigt, die selbst Experten überrascht. Nachdem das FERI Cognitive Finance Institute in mehreren Studien schon frühzeitig auf die disruptive Dynamik der Künstlichen Intelligenz hingewiesen hat, ist das Thema mit dem Auftreten neuer KI-Systeme jetzt endgültig im Mainstream angekommen. „Durch die enormen Entwicklungssprünge im neuen Bereich der generativen KI rückt die Einführung massentauglicher KI-Systeme um gut 10 Jahre nach vorne. Nun läuft bei KI die nächste Welle, die Wirtschaft und Gesellschaft noch viel schneller und radikaler transformieren wird, als bislang erwartet“, sagt Dr. Heinz-Werner Rapp, Gründer und Leiter des FERI Cognitive Finance Institute, anlässlich eines aktuellen Analyse-Updates zu den rapiden Fortschritten auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz.

Von KI generierte Texte, Bilder, Videos oder Musikkompositionen seien schon heute praktisch nicht mehr von menschlichen Kreationen zu unterscheiden. Künstliche Intelligenz werde so in vielen Bereichen zum entscheidenden „Game Changer“. Ein Großteil der Arbeiten, die mit der Anwendung von gelerntem Wissen zu tun haben, könne künftig durch KI erledigt werden. „Erstmals bekommen jetzt auch hochqualifizierte Wissensarbeiter Konkurrenz durch Maschinen. Das wird die Arbeitswelt grundlegend verändern“, erklärt Rapp. Das historisch beispiellose Tempo und die enorme Wucht der KI-Transformation löse in vielen Fällen berechtigte Befürchtungen aus. Dazu zähle auch die wachsende Sorge vor KI-Missbrauch und „Deep Fakes“, nicht nur in sozialen Medien, sondern zunehmend auch in Politik, Justiz, Medizin oder dem Finanzbereich. Auch dass die Marktmacht großer Technologie-Konzerne, die sich auf massiven Datendurchsatz stütze, durch KI noch verstärkt werden könnte, sei durchaus kritisch einzuschätzen.

Grundsätzlich sei es bei einem hochkomplexen Thema wie KI kaum möglich, die nächsten Entwicklungsschritte genau vorherzusagen. Es müsse jedoch davon ausgegangen werden, dass Künstliche Intelligenz, die alle Lebensbereiche des Menschen umfasst und darin steuernd eingreift, das ökonomische und gesamtgesellschaftliche Umfeld so radikal verändern werde, wie nur wenige Entwicklungen zuvor. Schon jetzt sorge die Dynamik massiv wachsender Datenmengen für einen exponentiellen Verlauf der KI-Entwicklung. Hinzu kämen in naher Zukunft noch technologische Innovationen wie „neuromorphe Chips“ und Quantencomputer, was die KI-Entwicklung dann nochmals massiv beschleunigen werde. Unternehmer und Investoren sollten sich deshalb mit den attraktiven Zukunftspotentialen, aber auch mit den absehbaren Verwerfungen beim Thema KI intensiv vertraut machen.

Die Analyse „KI: The Next Level“ ist beim FERI Cognitive Finance Institute als „Cognitive Comment“ erschienen und steht zum Download unter Content Center | FERI (feri-institut.de) zur Verfügung.

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Ein Jahr „gesetzliche Inflationsreduzierung“ in den USA

Von Dr. Oliver Everling | 14.August 2023

Am kommenden Mittwoch, den 16.08.2023, jährt sich die Unterzeichnung des US Inflation Reduction Act (IRA). Aus diesem Anlass zieht Maurice Hewins, Multi-Asset Strategist bei Schroders, eine erste Bilanz und legt dar, welche Bereiche bislang am meisten profitiert haben.

Einer der größten Profiteure ist für ihn die E-Fahrzeugproduktion. Die Verkäufe von Elektrofahrzeugen stiegen in den USA im ersten Quartal um 54 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Bei einem von zwölf Fahrzeugen handelt es sich mittlerweile um ein Elektrofahrzeug.

„Tesla, Hyundai, Kia, Ford, GM und BMW sind nur einige der Automobilhersteller, die mehrere Milliarden Dollar in ihre US-Fertigungskapazitäten für Elektrofahrzeuge investieren, um weiterhin in den Genuss der Verbraucherkredite zu kommen“, so Hewins. Schließlich werden die Qualifikationskriterien im Laufe des nächsten Jahrzehnts immer strenger.

Ebenso profitierte der Batteriesektor. Hewins hierzu: „Seit der Verabschiedung des IRA haben die US-Batterieproduktionskapazitäten höhere Wachstumsraten als in Europa und sogar in China verzeichnet. Die Anreize durch den IRA waren so stark, dass Unternehmen ihre Investitionen von Europa in die USA verlagert haben.“

In der Solarbranche haben Unternehmen mit Produktionsstätten in den USA einen enormen Nachfrageanstieg erlebt, da der IRA einen inländischen Produktionsanteil vorschreibt.

First Solar, einer der Solarmodulhersteller in den USA, profitierte nach Beobachtung von Maurice Hewins besonders. Durch den Einsatz eines First Solar-Moduls in einem Solarpark für Versorgungsunternehmen erhält der Entwickler sofortigen Zugang zu Steuervergünstigungen. Dies hat sich als so starker Nachfragetreiber erwiesen, dass First Solar jetzt bis 2026 vollständig ausgelastet ist und sogar Verträge für 2026-2030 abschließt.

Entwickler ohne Zugang zu First Solar-Modulen stehen hingegen vor Herausforderungen. Die Berechnungen für die Vergünstigungen erfordern von den Lieferanten volle Transparenz darüber, wie viel Prozent ihrer Produkte aus den USA stammen.

„In der Praxis bedeutet dies, dass man als Anbieter von Solarmodulen dem Entwickler mitteilen muss, woher die Materialien für das Produkt bezogen wurden, wie hoch die einzelnen Kosten waren und welchen Aufschlag man dem Entwickler berechnet – eindeutig sehr sensible Informationen“, meint Hewins.

In Bezug auf Wasserstoff wurden äußerst großzügige Subventionen für Wasserstoff eingeführt, insbesondere für grünen Wasserstoff. Das könnte dazu führen, dass die Produktionskosten bis Mitte des Jahrzehnts weniger als 1 US-Dollar pro Kilogramm betragen. „Trotz dieser Subventionen sind die Fortschritte bei Projekten in größerem Maßstab aufgrund der hohen Energiepreise, der überhöhten Arbeitskosten und der Produktionsprobleme sowie des allgemeinen Umfangs und der Komplexität neuartiger Wasserstoffproduktionsprojekte nur langsam“, merkt Hewins an. „Trotz dieses langsamen Starts sind wir optimistisch, dass sich der Fortschritt in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts beschleunigen wird, wenn die Elektrolyseur-Technologie weiterentwickelt und erprobt ist.“

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der IRA nicht alle Probleme für diejenigen löst, die in saubere Technologien investieren wollen. Genehmigungsfragen, Inflationsdruck, Probleme in der Lieferkette und die Warteschlange für den Netzanschluss bleiben hartnäckige Herausforderungen.

„Dennoch gehen wir davon aus, dass die Entwickler erneuerbarer Energien mehr Vertrauen in die USA haben werden, um den Ausbau von Solar- und Windenergiekapazitäten zu unterstützen. Darüber hinaus bieten die steuerlichen Anreize eine finanzielle Unterstützung, die die Rentabilität einiger der im Entstehen begriffenen Unternehmen für saubere Technologien im kommenden Jahrzehnt erheblich verbessern wird“, so Hewis abschließend.

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Performance von Wandelanleihen weiterhin unterstützt

Von Dr. Oliver Everling | 31.Juli 2023

Globale Wandelanleihen schnitten im zweiten Quartal 2023 erneut gut ab. Arnaud Brillois, Portfoliomanager/Analyst bei Lazard Asset Management und Leiter des Global Convertible-Teams, führt dies auf die Sektorexponierung der Assetklasse, ihre Aktiensensitivität und ihre konvexen Anleihestrukturen zurück. Auch mit Blick auf die kommenden Quartale ist er für Wandelanleihen positiv gestimmt: „Wir glauben, dass das derzeitige Umfeld die Performance von Wandelanleihen weiterhin unterstützen wird.“

Für eine positive Performance von Wandelanleihen in den nächsten Quartalen spricht aus Sicht des Experten zum einen der Sektormix, der der Assetklasse zugrunde liegt. „Wandelanleihen werden häufig von kleinen bis mittelgroßen Growth-Unternehmen begeben und die besonders zinssensiblen Growth-Sektoren könnten in den nächsten Quartalen davon profitieren, dass sich der aktuelle Zinserhöhungszyklus wahrscheinlich seinem Ende nähert“, erklärt Brillois. Zum anderen stellt er klar, dass die starke Rallye der globalen Aktienmärkte in diesem Jahr vor allem von einer Handvoll Mega-Cap-Technologieaktien angetrieben worden sei, die nicht im Universum der Wandelanleihen zu finden seien. Wachstumswerte mit kleiner und mittlerer Marktkapitalisierung – die deutlich häufiger Wandelanleihen emittieren würden – hätten hingegen erst gegen Ende des zweiten Quartals begonnen, eine Aufwärtsdynamik zu entwickeln. „Wir glauben, dass viele dieser Unternehmen, die weniger empfindlich auf wirtschaftliche Wachstumsfaktoren reagieren, weiterhin robuste Unternehmensergebnisse vorlegen werden“, so der Experte. „Das macht sie aus unserer Sicht für Anleger attraktiv.“

Wandelanleihen gäben Anlegern zudem Exposure zu Unternehmen, die vom Aufschwung nach der Corona-Pandemie profitieren. Diese Recovery-Titel hätten die Markterwartungen im zweiten Quartal erneut übertroffen. Ein Grund dafür sind nach Ansicht Brillois die anhaltenden Engpässe zwischen Angebot und Nachfrage. Diese hätten der finanziellen Leistung und Rentabilität dieser Unternehmen erneut Rückenwind gegeben. Zudem könnten viele dieser Unternehmen für die kommenden Quartale gut gefüllte Auftragsbücher vorweisen. „Für die Quartalsergebnisse dieser Unternehmen dürfte die Rückkehr zur vollen Kapazität nach der Corona-Pandemie in den kommenden Quartalen wichtiger sein als die Befürchtungen hinsichtlich einer Verlangsamung des globalen Wirtschaftswachstums“, so die Einschätzung Brillois. „Auch die Wiedereröffnung Chinas – wenn sie auch anfänglich hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist – könnte eine Quelle der Unterstützung für globale Recovery-Titel sein, insbesondere in der Luxusgüter- und Reisebranche.“

Hinzu komme, dass Wandelanleihen als Anlageklasse im Vergleich zu breit angelegten Aktien- und Unternehmensanleihenindizes nur minimal in Banken, Gewerbeimmobilien und anderen Finanzwerten engagiert seien. „Sollte der Finanzsektor mittelfristig weiterhin mit erhöhten Risiken zu kämpfen haben, dürfte sich diese Untergewichtung als Vorteil erweisen“, sagt Brillois.

Mit einer Neigung zu zinssensiblen Wachstumswerten und Recovery-Titeln ergibt sich aus Sicht Brillois ein im aktuellen Umfeld günstiger Sektormix. Die nach wie vor vorteilhafte Angebots-Nachfrage-Dynamik könne zu einer Outperformance der dieser Anlageklasse zugrunde liegenden Aktien führen. 

Für Wandelanleihen spricht aus Brillois Sicht zudem deren defensiveres Kreditrisikoprofil.  Dieses dürfte der Assetklasse in Zeiten der Kreditunsicherheit einen zusätzlichen Puffer verschaffen, insbesondere in Verbindung mit niedrigeren Gesamtzinsen. Brillois und sein Team erwarten, dass die Entwicklung der Zinssätze in den kommenden Quartalen weiter aktienfreundlich sein wird. Allerdings könnten die Sorgen um die Kreditvergabe zunehmen, sollte der Bankensektor seine Kreditvergabepraxis verschärfen und sich das Wirtschaftswachstum in den USA und Europa verlangsamen. „Aufgrund der günstigen Branchenzusammensetzung bei Wandelanleihen mit einer Präferenz für Wachstumsunternehmen und im Durchschnitt weniger komplexen Bilanzen sind wir der Ansicht, dass Wandelanleihen wieder ein defensiveres Engagement in Bezug auf Creditrisiken bieten könnten – so wie dies schon in der Vergangenheit in unruhigen Zeiten der Fall war“, sagt der Portfoliomanager. Darüber hinaus würden Wandelanleihen im Vergleich zu ähnlich bewerteten Nominalanleihen bereits mit einem erheblichen Abschlag gehandelt. Auch dies könnte die Assetklasse in Stressphasen ein zusätzliches Polster verschaffen.

Obwohl Wandelanleihen sich im zweiten Quartal gut entwickelt hätten, seien ihre Anleihestrukturen weiterhin günstig. „Viele Growth-Wandelanleihen bieten immer noch attraktive Renditen, wobei fast 50 % der Wandelanleihen aus dem Technologiesektor mehr als 5 % pro Jahr versprechen“, sagt Brillois. In diesen Anleihen sei immer noch ein gewisses Aktienengagement zu finden, das bei einer Aktienrallye als zusätzliche Renditequelle dienen könne. „Diese aus historischer Sicht seltene Konstellation bedeutet auch, dass Wandelanleihen im Durchschnitt relativ nahe an ihrem Bond Floor liegen, was in Zeiten eines Risikoabbaus oder höherer Volatilität einen wichtigen Schutz nach unten bietet“, erklärt Brillois. Abschließend hält er fest: „Wandelanleihen sind und bleiben aus unserer Sicht eine attraktive Möglichkeit, an Aktienerholungen zu partizipieren und gleichzeitig die Abwärtsrisiken in volatilen Zeiten zu reduzieren.“

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Eine starke Marke setzt sich durch

Von Dr. Oliver Everling | 31.Juli 2023

Das Bad Homburger Multi Asset-Investmenthaus FERI treibt die Fokussierung auf die Marke voran und passt infolgedessen seine Organisationsstruktur an: Die FERI Trust GmbH wurde in FERI AG umbenannt. Sie bildet gemeinsam mit den beiden Auslandsgesellschaften in Luxembourg sowie in der Schweiz den Kern der FERI-Gruppe. „Mit diesem Schritt möchten wir unser Unternehmen noch effizienter aufstellen und für die Zukunft positionieren“, sagt Marcel Renné, Vorsitzender des Vorstands der FERI AG. Ziel sei es, die DNA von FERI als Multi Asset-Investmenthaus nach innen und nach außen noch stärker in den Vordergrund zu stellen.

Die Leitung der FERI in der neuen Struktur wird über das Management Committee umgesetzt. Diesem Gremium gehören neben den Vorständen auch die Bereichsvorstände für die einzelnen Kundensegmente und Geschäftsfelder sowie Vertreter der Auslandsgesellschaften an.

Mitglied im Vorstand der FERI AG ist seit 1. Juli Marcus Brunner, der bereits seit 2016 als Head of Finance und Geschäftsführer für FERI tätig war. „Wir freuen uns sehr, dass Marcus Brunner das Vorstandsteam als Chief Operating Officer ergänzt und die Verantwortung für die wichtigen Bereiche Finance & Operations übernimmt“, sagt Dr. Uwe Schroeder-Wildberg, Vorsitzender des Aufsichtsrats der FERI AG und des Vorstands des MLP-Konzerns. Bis zu seinem Eintritt bei FERI war Marcus Brunner mehr als zehn Jahre Leiter Konzernrevision bei MLP. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der TH Nürnberg und absolvierte berufsbegleitend einen MBA an der Mannheim Business School und der ESSEC Business School in Paris.

Weitere Vorstandsmitglieder der FERI AG sind Dr. Marcel V. Lähn (CIO) sowie Marcel Renné als CEO. Dr. Heinz-Werner Rapp leitet als Gründer weiterhin das FERI Cognitive Finance Institute.

Vor dem Hintergrund der Nachricht über die Umbenennung der FERI Trust GmbH in FERI AG und der Fokussierung auf die Marke FERI als Multi Asset-Investmenthaus könnte argumentiert werden, dass es ein Fehler der Berliner „Scope Group“ war, beim Erwerb der FERI EuroRating Services nicht auch den Namen „FERI“ zu erwerben. Hier sind einige Gründe dafür:

Die Umbenennung der FERI Trust GmbH in FERI AG deutet darauf hin, dass das Unternehmen seine Markenidentität aus guten Gründen stärken möchte. Der Name „FERI“ wird nun als primäre Marke sowohl intern als auch extern hervorgehoben. Wenn die FERI EuroRating Services ebenfalls den Namen „FERI“ beibehalten oder sogar exklusive Rechte am Namen erworben hätten, wäre die Markenidentität und -konsistenz gestärkt worden, was zu einer besseren Wahrnehmung und Positionierung des Unternehmens am Markt geführt hätte.

Der Name „FERI“ hatte schon damals, bei Erwerb der FERI EuroRating Services, bereits eine internationale Bekanntheit und Reputation in der Branche. Der Erwerb des starken Markennamens hätte dazu beigetragen, die Wiedererkennung und Einprägsamkeit des Unternehmens als Kompetenzträger zu erhöhen.

Die Verwendung des stärkeren Markennamens hätte auch zu einer erhöhten Effizienz führen können, da weniger Aufwand für die Verwaltung und den Schutz des neuen Markennamens „Scope Ratings“ erforderlich gewesen wäre. Noch heute erinnern sich viele Marktteilnehmer an die Klagen von Geschädigten, für die sich der Name „Scope“ mit Fehlentscheidungen und Verlusten verbindet.

Darüber hinaus hätten sich Kosten für Marketing- und Werbemaßnahmen reduziert, da die Markenbekanntheit der FERI bereits etabliert war. Stattdessen blieben durch die Integration in „Scope Ratings“ die Belastungen aus der Vorgschichte der Berliner Ratingagentur in Erinnerung und die Reputation des starken Namens der FERI ging der Ratingagentur in Berlin verloren.

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Aktienmärkte im Aufwind: Ausblick und Anlagestrategie von Eyb & Wallwitz

Von Dr. Oliver Everling | 31.Juli 2023

Nach einem turbulenten Vorjahr haben sich die Kurse an den Finanzmärkten im ersten Halbjahr 2023 teils deutlich erholt, insbesondere im Bereich der Big Tech-Unternehmen. Dr. Johannes Mayr, Chefvolkswirt beim Vermögensverwalter Eyb & Wallwitz, erklärte diese Erholung damit, dass die Erwartungen zum Jahreswechsel 2023 einseitig und negativ waren. Doch trotz dieser positiven Entwicklung mahnt Eyb & Wallwitz zu einem kühlen Kopf und rät Anlegern, ihr Portfolio in Richtung einer „kontrollierten Offensive“ auszurichten.

Die aktuelle Einschätzung des unabhängigen Vermögensverwalters zeigt, dass die konjunkturelle Korrektur noch anhält und der Tiefpunkt voraussichtlich zum Jahreswechsel 2023/24 erreicht wird. Während die US-Wirtschaft ein Soft Landing mit einem moderaten Wachstum von etwa 1% erwartet, prognostiziert Eyb & Wallwitz für Europa ein negatives Wachstum von insgesamt etwa 1% im Jahr 2023.

Vor dem Hintergrund dieser wirtschaftlichen Entwicklung verstärkt Eyb & Wallwitz ihre defensive Ausrichtung und nutzt Konsolidierungsphasen für aktive Investitionen in Unternehmen, die von langfristigen Wachstumstrends profitieren, insbesondere in den Bereichen digitale Welt und demografischer Wandel.

Die Anlagestrategie des Vermögensverwalters fußt auf zwei zentralen Überzeugungen: der säkularen Verlangsamung des Wirtschaftswachstums und der nachlassenden Dynamik des globalen Konjunkturzyklus. In einer Welt mit niedrigem Wachstumspotenzial und geringer Konjunkturzyklus-Amplitude sind laut Eyb & Wallwitz jene Bereiche der Wirtschaft interessant, die sich von diesen Entwicklungen abkoppeln können. Dabei dominieren mittelfristig die säkularen Wachstumstrends die Entwicklung an den Kapitalmärkten, während zyklische Risiken oder Investitionen in die Gesamtwirtschaft an Bedeutung verlieren.

Dr. Ernst Konrad, Geschäftsführender Gesellschafter und Lead Portfoliomanager von Eyb & Wallwitz, betont die Bedeutung der richtigen Aktienselektion. Dabei setzt der Vermögensverwalter auf eine Mischung aus „Monopolisten“ und „Herausforderern“. Beispiele für Monopolisten sind Unternehmen wie Palo Alto, führender Anbieter für IT-Netzwerksicherheit, und Icon, ein Unternehmen für Auftragsforschung im Pharmabereich. Als Herausforderer gilt beispielsweise Mercado Libre, führender Anbieter im E-Commerce und digitalen Zahlungsdiensten in Lateinamerika, der den stationären Handel in der Region herausfordert.

Die Anlagestruktur von Eyb & Wallwitz bleibt weitgehend unverändert, wobei Aktien neutral gewichtet sind. Die Experten betonen die Bedeutung einer „kontrollierten Offensive“, die eine stabile Defensive aus traditionellen Staatsanleihen aus dem Euro-Raum und US-Treasuries beinhaltet. Besonders interessant sind derzeit Euro-Anleihen aufgrund ihrer negativen Korrelation zu Aktien, wobei Eyb & Wallwitz längere Laufzeiten in den USA und kürzere bis mittlere Laufzeiten im Euro-Raum bevorzugt. Der Risikofaktor „Duration“ erlebt nach jahrelanger Bedeutungslosigkeit eine Renaissance, da die favorisierten säkularen Wachstumstrends je nach ihrem Reifegrad durchaus schwankungsanfällig sein können.

Hinsichtlich der Zinspolitik gehen die Experten davon aus, dass die US-Notenbank (FED) trotz des robusten Arbeitsmarkts den Disinflationstrend beibehalten wird, was zu einer Kerninflation von etwa 3% bis 4% zum Jahresende führen dürfte. In Europa hingegen verläuft dieser Prozess zäher, und die Europäische Zentralbank (EZB) wird voraussichtlich bis in den Herbst eine falkenhaftere Rhetorik beibehalten. Der Zinsgipfel in Europa dürfte bei etwa 4% liegen und somit deutlich über dem langfristigen neutralen Niveau.

Abschließend betont Eyb & Wallwitz die Bedeutung einer ausgewogenen Anlagestrategie, die auf langfristige Wachstumstrends setzt und gleichzeitig defensiven Schutz bietet. Die konsequente Ausrichtung auf säkulare Wachstumstrends soll Anlegern helfen, Schwankungen im Konjunkturzyklus erfolgreich zu bewältigen und langfristig von den Chancen der Märkte zu profitieren.

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Spekulation um das EZB-Zinshoch: Steigende Rezessionsgefahr im Euroraum

Von Dr. Oliver Everling | 27.Juli 2023

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat kürzlich den Euro-Leitzins um weitere 0,25 Prozentpunkte auf 4,25 Prozent angehoben, während der Spitzenrefinanzierungszins nun bei 4,50 Prozent und der Einlagenzins bei 3,75 Prozent liegen. Diese Zinserhöhung geht einher mit dem schrittweisen Abbau der Wertpapierbestände, die im Rahmen des „APP“-Aufkaufprogramms von der EZB angehäuft wurden. Gleichzeitig werden die Tilgungszahlungen aus dem „PEPP“-Aufkaufprogramm bis Ende 2024 weiter reinvestiert, wodurch die EZB eine bedeutende Rolle im Euro-Kapitalmarkt mit erheblicher Manipulationskraft für die Euro-Zinsen beibehält.

Eine wichtige Maßnahme, die von der EZB ergriffen wurde, besteht darin, die Verzinsung der Mindestreserven, die die Euro-Banken bei der Zentralbank halten, auf null Prozent zu senken. Dadurch sollen die Banken angeregt werden, ihre Reserven für Kreditvergaben und/oder Wertpapierkäufe einzusetzen, was wiederum die Euro-Geldmenge ausweiten könnte und zur Verringerung der Verluste in der EZB-Bilanz beiträgt.

Trotz der jüngsten Zinserhöhung versucht die EZB, die Möglichkeit weiterer Anhebungen in den Märkten aufrechtzuerhalten. Allerdings hegen Experten wie Prof. Dr. Thorsten Polleit, Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel GmbH, Zweifel an dieser Aussicht. Die EZB selbst stellt keine weitere Zinserhöhung auf dem nächsten Ratstreffen in Aussicht. Es könnte sogar sein, dass das Zinshoch im aktuellen Euro-Zinszyklus bereits erreicht ist, auch wenn die offizielle Jahressteigerung der Konsumgüterpreise im Juni ’23 immer noch bei 5,5 Prozent lag.

Die Sorge vor weiteren Zinserhöhungen liegt darin begründet, dass diese die Euro-Volkswirtschaften erheblich belasten und die bereits im Gange befindliche Verschlechterung der Euro-Konjunkturdaten verstärken könnten. Die volle Wirkung der bisherigen Zinserhöhungen ist noch nicht ersichtlich, da geldpolitische Maßnahmen üblicherweise eine gewisse Zeitverzögerung aufweisen.

Eine entscheidende Rolle bei der Einschätzung der künftigen Inflation spielt das Wachstum der Geldmenge (M3). In diesem Zusammenhang ist zu beobachten, dass das Geldmengenwachstum bereits deutlich abgenommen hat. Im Juni ’23 betrug das Jahreswachstum der Geldmenge M3 nur noch 0,6 Prozent, und seit September ’22 ist die Geldmenge sogar geschrumpft. Dies deutet auf einen starken Abwärtsdruck auf die künftige Inflation hin, der sogar vorübergehend zu einer Preisdeflation führen könnte.

Die Veränderung der Geldmenge M3 ist nicht allein auf zinsbedingte Umschichtungen zurückzuführen, sondern zeigt sich auch in der markanten Abschwächung der Euro-Bankkreditvergabe. Zudem ist die reale Euro-Geldmenge M1 seit geraumer Zeit rückläufig, was auf einen erheblichen Abwärtsdruck auf die Euro-Konjunktur hinweist und die Wahrscheinlichkeit einer Rezession im Euroraum weiter erhöht.

Angesichts dieser Entwicklungen drängt sich die Einschätzung auf, dass die EZB möglicherweise die Zinsschraube bereits überdreht hat und eine übermäßige monetäre Kontraktion verursacht. Dies könnte zu einer starken Inflation und vor allem zu einer erheblichen Konjunkturabschwächung führen, es sei denn, die EZB ändert ihren Kurs bald.

Für Anleger sollten die zunehmenden monetären und realwirtschaftlichen Instabilitäten im Euroraum nicht unbeachtet bleiben, und es könnte ratsam sein, vorausschauend zu handeln. Eine Möglichkeit, auf diese Entwicklungen zu reagieren, besteht im Halten von physischem Gold und Silber. Auch eine verstärkte Diversifizierung des Anlagekapitals und eine Verringerung des Anteils des Vermögens, das in Euro oder im Euroraum gehalten wird, könnten sich als sinnvolle Optionen erweisen.

Vor allem vor dem Hintergrund, dass die EZB voraussichtlich bald wieder die Zinsen senken und zu einem inflationären Politikkurs zurückkehren wird, könnten Investitionen in internationale Unternehmensaktien ebenfalls als attraktiv erscheinen. Es bleibt abzuwarten, wie die Situation im Euroraum weiterhin verlaufen wird, aber eine vorausschauende und ausgewogene Anlagestrategie erscheint in diesen unsicheren Zeiten als vernünftiger Ansatz.

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Technologische Transformation erfordert freien Wettbewerb

Von Dr. Oliver Everling | 27.Juli 2023

Der globale Wandel stellt die Europäische Union vor ernste Herausforderungen. Geopolitische Machtverschiebungen erfordern von Europa klare Strategien, politische Entschlossenheit und Mut zu neuen Ideen. Konkrete Problemstellungen sind die zunehmende Fragmentierung der Weltwirtschaft und hohe Energiekosten, aber auch Rohstoff-Abhängigkeiten sowie der verschärfte Technologie-Wettbewerb. Dies sind die Kernaussagen einer aktuellen Studie zu den Zukunftschancen der EU, die das FERI Cognitive Finance Institute in Kooperation mit dem CEP, Centrum für Europäische Politik, erstellt hat. „Die EU gerät zunehmend in Gefahr, im Systemkonflikt zwischen den USA und China zerrieben zu werden. Gleichzeitig verliert Europas Wirtschaft den Anschluss an wichtige Zukunftsmärkte. Damit ist klar: Europas derzeitiges ‚Betriebssystem‘ benötigt ein Update!“, sagt Dr. Heinz-Werner Rapp, Vorstand der FERI Management AG sowie Leiter des FERI Cognitive Finance Institute.

Die in der Studie analysierten Rahmenbedingungen sowie die daraus abgeleiteten Zukunftsperspektiven und Handlungsoptionen vermitteln ein ernüchterndes Bild: Demnach liegen die größten Herausforderungen für das auf Freihandel ausgerichtete EU-Wirtschaftsmodell in protektionistischen Tendenzen sowie der zunehmenden Fragmentierung des Welthandels. Um auch zukünftig Wohlstand zu sichern, müsse sich die EU für den Abbau von Handelshemmnissen einsetzen und die Wettbewerbsbedingungen für europäische Unternehmen verbessern. Dies sei nur über Kooperationen mit verlässlichen Partnern möglich, die Zugang zu Innovation und Zukunftsressourcen bieten. Dazu müsse die EU in ihren Außenbeziehungen pragmatischer werden und explizit auch strategische Sicherheitsinteressen berücksichtigen: „Statt wohlfeiler Visionen braucht Europa klare Strategien, die nicht nur zukunftsgerichtet und lösungsorientiert sind, sondern auch der Realität standhalten“, fordert FERI-Vorstand Rapp.

Mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 habe die EU eine sehr ambitionierte Agenda ausgerufen. Wie sich die „Green Transition“ auf die Wettbewerbsfähigkeit Europas auswirke, sei derzeit jedoch noch völlig offen. „Die aktuelle Energiepolitik, speziell in Deutschland, zeigt das offensichtliche Strategiedefizit der Europäischen Union. Für Unternehmer und Investoren ist das ein gravierendes Problem. Frühere Standortvorteile verlieren überall in Europa an Strahlkraft“, warnt Rapp. Im Wettlauf um zukünftige Marktführerschaft bei emissionsarmen Energiesystemen habe die EU bislang keine wegweisende Antwort gefunden. Gleiches gelte auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz, wo Europa gegenüber den USA und China bereits klar abgeschlagen sei.

Europas Probleme seien zu einem großen Teil hausgemacht und auf langjährige eigene Versäumnisse zurückzuführen. Um eine effektive Antwort auf die globalen Herausforderungen zu finden, müssten strategische Defizite der EU offen angesprochen und gelöst werden. „Ein erhöhtes Risikobewusstsein nach außen und der Abbau interner Strukturprobleme sind die Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft der EU“, sagt Prof. Dr. Henning Vöpel, Direktor des CEP und Vorstand der Stiftung Ordnungspolitik. Bei Lösungen „Made in Europe“ sei auch künftig ein regelbasierter freier Wettbewerb im Binnenmarkt staatlichen Vorgaben vorzuziehen. Dies beginne beim Aufbau einer neuen Energieinfrastruktur und ende bei Abstimmungen zu KI-Regeln. „Ein Subventionswettlauf zwischen den Mitgliedsstaaten hilft niemandem in der EU weiter. Deutschland trägt als Schlüsselakteur in den industriellen Wertschöpfungsketten hier eine besondere Verantwortung“, so Vöpel. Nur mit einem schrankenlosen Binnenmarkt, der Nachfrage schafft und dezentral Innovation hervorbringe, würden Deutschland und die EU zu attraktiven Partnern für die Lösung der großen globalen Herausforderungen unserer Zeit.

Unternehmer und Investoren sollten sich aber von den offensichtlichen Problemen der EU nicht abschrecken lassen, sondern rational und ohne Naivität mögliche Chancen aufspüren und aktiv nutzen. Erforderlich sei dafür aber mehr Realitätssinn und Gestaltungskraft der politischen Ebene. „Solange die EU den Zukunftsplänen großer Wettbewerber wie USA oder China keine klare Strategie entgegensetzt, steht der Standort Europa unter Druck“, erklärt Rapp. Damit werde die Leitfrage der Studie – „Quo vadis, Europa?“ – letztlich zu einer individuellen Frage, die jeder Unternehmer und Investor für sich selbst beantworten müsse.

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