Inflation wird bei Industrieimmobilien schlagend, Marktstimmung schlechter
Von Dr. Oliver Everling | 25.Juli 2023
Der IWIP-Index, der Industrie- und Logistikimmobilienindex vom IW Köln und IndustrialPort, zeigt eine weiterhin positive Entwicklung der Mieten von Lager-, Logistik- und Produktionsimmobilien in Deutschland für 2023 um 2,6%. Dies belegt die erste, von IndustrialPort durchgeführte, unterjährige Prognose des IWIP.
Besonders bemerkenswert ist die starke Entwicklung im Bereich der Logistik (+ 7,2%), während sich die Produktionsimmobilienmieten mit – prognostiziert – plus 1,8% am schwächsten entwickeln wird. Diese Entwicklung verdeutlicht die anhaltende Volatilität der Mietentwicklung bei Produktionsflächen. Hier lassen sich – sozusagen – schon die ersten Auswirkungen der von Presse, Politik und Interessenverbänden immer wieder genannten Auswirkungen der Deindustrialisierung erkennen. Unter Beachtung des, seitens des ifo-Institutes für das Jahr 2023 prognostizierten Anstieges des Verbraucherpreisindexes in Höhe von 5,8%, ergibt sich eine positive Mietsteigerung somit nur noch für das Segment der Logistikimmobilien.
Die Ergebnisse des halbjährlichen IndustrialObservers bestätigen diesen Trend (Link). Die Umfrage wurde von 67% Bewertern, 24% Eigentümern, 6% Maklern und 3% Assetmanagern von Industrieimmobilien beantwortet. Dabei gehen 42% der Teilnehmer von weiter steigenden Mieten aus, während 49% der Meinung sind, dass die Mieten stagnieren, und nur 9% einen Rückgang erwarten. Allerdings hat sich dieser Wert im Vergleich zum vierten Quartal 2022 verschlechtert (Rückgang: 5%, Anstieg: 63%, Stagnation: 32%). Zu beachten ist bei diesen und den folgenden Zahlen, dass sich die Aussagen auf den Gesamtmarkt und nicht die Top-Standorte beziehen.
Trotz des immer noch vorhandenen Trends zur Halle trübt sich die Markstimmung zusehends ein. Im Vergleich zu Q4 2022 (16% gut, 74% befriedigend, 10% schlecht) sehen heute – nur 6 Monate später – die Teilnehmer die Situation am Hallenmarkt deutlich differenzierter (18% gut, 58% befriedigend, 24% schlecht). Damit geht die Meinung der Immobilienprofis einher mit dem Kippen der Stimmung bei den Logistikern, wie etwa der ifo-Geschäftsklimaindex für diesen Sektor – aber auch für den am Beginn jeder Wertschöpfungskette stehenden Chemiesektor zeigt.
Hintergründe hierfür dürften vor allem die zweistelligen Umsatzeinbußen im Online-Handel sein – der nun das zweite Jahr in Folge erhebliche Umsatzeinbußen erleidet, das Auftragsminus der deutschen Industrie, Produktionsverlagerungen ins Ausland, Verkleinerungen der Sortimentsbreite in der Lebensmittelindustrie, Kaufzurückhaltung aufgrund inflationsbedingter Reallohnverluste, aber auch die zunehmende Deindustrialisierung, wie sie sich etwa in den Rekord-Kapitalabflüssen aus Deutschland abzeichnet. Dies alles spiegelt sich im geringeren Cargo-Aufkommen am Frankfurter Flughafen, dem immerhin umschlagstärksten europäischen Hub, oder etwa dem geringeren Containerumschlag im Antwerpener Hafen – dem zweitgrößten Hafen Europas wieder. Im Hamburger Hafen, dem drittgrößten Hafen Europas, ist aus dem gleichen Grund sogar rückwirkend zum 1. Mai Kurzarbeit angemeldet worden. Dennoch ist rund die Hälfte der Marktteilnehmer (52%) der Meinung, dass Incentives für Mietflächen nicht verstärkt gewährt werden, was auf eine weiterhin hohe Nachfrage hinweist.
Des Weiteren erwartet die überwiegende Mehrheit der Marktteilnehmer (58%) einen Anstieg des Leerstands. Dies deckt sich auch mit der aktuellen Entwicklung der Untermietflächen, die bereits zur Jahresmitte die Anzahl des gesamten Vorjahres erreicht haben, wie eine Sonderauswertung von IndustrialPort ergab. Auch hier dürfte wohl die die oben genannte Entwicklung mit ursächlich sein – ebenso wie die aufgrund der hohen und hartnäckigen Inflation bedingten Umsatzrückgänge im Einzelhandel.
Das in der Presse von Seiten der Makler genannte geringere Vermietungsvolumen spiegelt sich auch im Stopp der Expansionstätigkeiten vieler Logistiker wider. Somit korreliert der ifo-Index mit dieser Reaktion. Aus Sicht der Maklerhäuser ziehen die Nutzer wegen erwartbar höherer Mieten nicht um. Gleichzeitig belegt eine aktuelle Sparkassenstudie die zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten von rund 60% der Bevölkerung, was eine direkte Auswirkung auf die Binnennachfrage hat. Bedenkt man nun, dass die Auftraggeber der Logistiker in nicht geringem Umfang Deutschland verlassen – Stichwort Deindustrialisierung – oder mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpfen (und auch zukünftig kämpfen werden – Stichwort Mauerhöhung), so stellt sich die Frage, ob die Logistiker, die oftmals kontraktgetrieben anmieten, nicht aufgrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ihrer Auftraggeber untervermieten bzw. nicht neu anmieten. Die Antwort hierauf beantwortet auch gleichzeitig die Frage, wann sich die Situation grundlegend ändern wird – genau wie die Frage, ob eine heute vollvermietete Halle auch morgen noch unbedingt dauerhaft vollvermietet sein wird.
Steigende Leerstände, aber auch unsichere wirtschaftliche Aussichten, sind immer ein Grund, weshalb Banken Projektentwicklungen restriktiver begleiten. Dies zeigt auch, dass obwohl die Leerstandsraten laut Maklerangaben sehr gering sind und kaum spekulative Projektentwicklungen angestoßen werden. Werden aber weniger spekulative Neubauten errichtet, steigt die Miete. Die Aussage, dass „gute Logistikimmobilien am richtigen Ort alle vollvermietet“ sind, beinhaltet eben, dass mäßige Logistikimmobilien an mäßigen Standorten eben nicht vollvermietet sind. Aber auch, dass an mäßigen Standorten Hallen stehen – eben, weil an geeigneteren Standorten keine Grundstücke mehr verfügbar waren zu Preisen, die aus wirtschaftlicher Sicht für den Nutzer einen Sinn ergaben. Sollte sich diese Situation noch verschärfen, so wandert der Nutzer ins Ausland ab. Die momentan noch im Bau befindlichen Projektentwicklungen beruhen auf einer besseren wirtschaftlichen Aussicht der zukünftigen Mieter – auch hier korreliert der ifo-Index mit dem Projektvolumen.
Bezüglich der Entwicklung der Renditen sieht die Mehrheit der Teilnehmer ein Ende des Steigens noch nicht gekommen. So gehen aktuell 42% von weiter steigenden Renditen aus gegenüber 26% vor noch 6 Monaten. Fallende Renditen erwarten nun 36% der Befragten, vor 6 Monaten waren dies noch 21%. Der Anteil derer, die stagnierende Renditen erwartet, sank von vormals 53% auf nun 21%. Hier zeigt sich also noch große Unsicherheit im Markt, die wohl auch in der Unsicherheit der Erwartung der Entwicklung der Anleihezinsen, aber auch der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung oder ESG-Risiken zu sehen ist.
Besonders interessant ist, dass die Mehrheit der Marktteilnehmer davon ausgeht, dass langjährige Zeitreihen an Bedeutung gewinnen werden. Diese sind bereits seit ca. einem Jahr in der Beleihungswertermittlung verpflichtend anzusetzen. Eine zunehmende Bedeutung von Zeitreihen deutet auf eine gewisse Unsicherheit im Markt hin.
„Angesichts dieser Entwicklungen wird eins deutlich: Unruhig ist jetzt Dauerzustand!“ So das Fazit von Peter Salostowitz. Eine Transformation ist dringend erforderlich, und der Ruf nach mehr Daten wird deshalb zunehmend lauter. Langfristige und detaillierte Daten sind gewünscht. Die aktuellen Herausforderungen in Organisationen, wie disruptive Technologien und Geschäftsmodelle, Komplexität, operativer Ergebnisdruck und Transformationszwang, erfordern ein Umdenken. Das bisherige „Weiter so“ funktioniert nicht mehr. Der Trend zum Datenaustausch, wie zum Beispiel im hauseigenen Benchmark-Tool von IndustrialPort, nimmt zu und wird sich in Zukunft weiter verstärken. Dabei werden positive und langjährige Erfahrung mit solchen Tools aus anderen Abteilungen im Hause – etwa dem Nutzen von Vergütungsdatenbanken durch die Personalabteilungen – der Entwicklung im Immobilienbereich dienlich sein.
Themen: Immobilienrating | Kommentare deaktiviert für Inflation wird bei Industrieimmobilien schlagend, Marktstimmung schlechter
Marktzyklus in der Marktanalyse
Von Dr. Oliver Everling | 24.Juli 2023
In einer Marktanalyse spricht Michael McEachern, Co-Head of Public Markets bei Muzinich & Co, einer nicht börsennotierten, institutionellen Investmentgesellschaft mit Schwerpunkt auf öffentlich gehandelten und privaten Unternehmensanleihen und -krediten (Corporate Credit), über den aktuellen Stand des Kreditzyklus und die Auswirkungen auf die Rentenmärkte. Er beleuchtet wichtige makroökonomische Themen und gibt Einblick in die Positionierung seiner Multi-Asset-Kreditstrategien in Anbetracht des unsicheren Umfelds.
Im Fokus steht die Inflation, die zwar zurückgegangen ist, aber dennoch Unsicherheit hinsichtlich der Reaktionsfähigkeit der Zentralbanken mit sich bringt. Angesichts dieser Lage positioniert sich Muzinich & Co vorsichtiger, indem sie auf qualitativ hochwertige Kredite wie US-Investment Grade und US-Treasuries setzen, da sie eine Verlangsamung des Makrozyklus erwarten.
Ein Barbell-Ansatz bei der Duration wird verfolgt, um sich auf mögliche Veränderungen der langfristigen Zinssätze vorzubereiten. Die Duration wurde erhöht, indem hochwertige Anleihen mit langen Laufzeiten übergewichtet wurden, aber auch eine Verlagerung in den Bereich der 7- bis 10-jährigen Laufzeiten erfolgte, um der Umkehrung der US-Kurve Rechnung zu tragen. Das Kreditrisiko ist vorwiegend am vorderen Ende der Kurve positioniert.
Hinsichtlich der aktuellen Bewertungen in US-Treasuries, Investment Grade und High Yield bevorzugt das Unternehmen vorerst eine zurückhaltende Haltung und wartet auf attraktivere Bewertungen, bevor weitere Investitionen getätigt werden. Die Strategie konzentriert sich auf den US-Investment Grade-Bereich, während ein gewisses High Yield-Exposure besteht, das jedoch auf qualitativ hochwertige BB-Anleihen fokussiert ist.
Michael McEachern vergleicht die Situation in den USA, Europa und den Emerging Markets und betont, dass jede Region ihre eigenen Herausforderungen hat. Der US-Markt wird als größer und liquidester Markt angesehen und bietet daher einen besseren Abwärtsschutz. In Europa ergeben sich attraktive relative Wertchancen, während in den Emerging Markets ein gewisses Potenzial vorhanden ist, jedoch Staatsanleihen mit fundamentalen Problemen gemieden werden.
In Bezug auf Banken ist Muzinich & Co vorwiegend in Europa engagiert und hält sich vom US-Bankensektor fern, da Bedenken hinsichtlich Gewerbeimmobilien bestehen. Obwohl die Banken für schwierigere Zeiten gut gerüstet sein sollen, wird auch hier auf ein Umfeld mit breiteren Spreads gewartet, bevor wieder in Banken investiert wird.
Die aktuellen Herausforderungen und Chancen auf dem Primärmarkt werden beleuchtet, wobei festgestellt wird, dass die Märkte für mehr Emissionen offen sind. Muzinich & Co ermutigt Unternehmen, die 2025 beginnende Fälligkeitsmauer im High Yield-Markt rechtzeitig anzugehen, anstatt den Markt zu timen.
Die attraktiven Bewertungen erscheinen für das Unternehmen noch nicht erreicht, und es wird darauf hingewiesen, dass ein Wiedereinstieg in den Markt in Betracht gezogen wird, wenn die Spreads bei etwa 500 Basispunkten liegen. Aktuell sind die Spreads etwa 70 Basispunkte von diesem Punkt entfernt, um bei High Yield-Anleihen aufzustocken, und etwa 30-40 Basispunkte für die Aufstockung von Investment Grade-Anleihen.
Insgesamt zeigt die Marktanalyse von Michael McEachern eine vorsichtige und abwägende Positionierung im Hinblick auf die Herausforderungen und Unsicherheiten im aktuellen Kreditzyklus, wobei das Unternehmen auf hochwertige Anlagen setzt und auf attraktivere Bewertungen in den Märkten wartet, um zukünftige Chancen zu nutzen.
Themen: Anleiherating | Kommentare deaktiviert für Marktzyklus in der Marktanalyse
Risiko geldpolitischer Fehlentscheidungen steigt
Von Dr. Oliver Everling | 20.Juli 2023
In China ist das Wirtschaftswachstum mit etwa 5 % relativ niedrig, in den USA liegt es unter 2 %, und in Europa beginnt sich eine Kontraktion abzuzeichnen. Einen Rückgang des globalen Konjunkturwachstums unter die Schwelle von 2 % – also ein klassisches Rezessionsszenario – hält der Chefanlagestratege von ODDO BHF Asset Management für möglich. „So weit ist es noch nicht, aber die Fortschreibung der aktuellen Entwicklung verheißt mit einem Wachstum von unter 3 % im dritten Quartal nichts Gutes“, schreibt Laurent Denize, Co-CIO von ODDO BHF, in seinem jüngsten monatlichen Marktkommentar. In der Vergangenheit lösten vor allem steigende Arbeitslosenzahlen eine Abschwächung der Wirtschaftstätigkeit aus. Auch wenn in Deutschland parallel zur Kontraktion der Wirtschaft auch die Arbeitslosenquote um 0,7 % gestiegen sei, zeige sich diese Entwicklung in den Industrieländern noch nicht. Aber in China dürfte der Eintritt von Millionen junger Menschen des Abschlussjahrgangs 2023 in den Arbeitsmarkt die mit 20,4 % bereits hohe Arbeitslosigkeit bei jungen Arbeitnehmern noch verschärfen und könnte den von der Regierung gepriesenen „Sozialpakt“ gefährden, so Denize.
Sollte sich die Weltwirtschaft am Beginn einer klassischen Rezession befinden, wären aus Sicht von Laurent Denize die folgenden Entwicklungen zu erwarten: Preisrückgang bei Erdöl und Metallen, trendlose Phase bei Hochzinsanleihen, Underperformance der zyklischen Sektoren und ein globaler Abwärtstrend der Aktienindizes. Abgesehen von der Entwicklung der Aktienindizes deuteten die anderen bereits auf eine Rezession. Eine Erklärung für den globalen Anstieg der Aktienindizes sieht er in der spektakulären Performance der „Glorreichen 7“: Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Nvidia, Meta und Tesla. „Die Outperformance der sieben Tech-Riesen könnte zwar noch eine Weile anhalten, aber selbst der Technologiesektor ist nicht immun gegen eine Rezession und erst recht nicht gegen steigende Zinsen“, so Denize. Darüber hinaus habe die Nasdaq eine Neugewichtung angekündigt, um die Konzentration der MegaCaps im Nasdaq100 zu verringern. „Es wird interessant sein zu beobachten, wie sich die Kurse dieser Aktien bis zur Neugewichtung am 24. Juli entwickeln und ob andere Indexanbieter diesem Beispiel folgen werden“, so der Chefanlagestratege.
Angesichts der restriktiveren Kreditbedingungen und ihren negativen wirtschaftlichen Auswirkungen in den Industrieländern (Europa und USA) empfiehlt ODDO BHF AM eine leichte Untergewichtung von Aktien. Ein Konjunkturabschwung werde wahrscheinlicher, daher biete sich eine Umschichtung aus überbewerteten Aktien in Value-Titel, die relativ solide Fundamentaldaten und Wachstumsaussichten aufweisen, an. Auf Sektorebene dürfte der Luxussektor seine „privilegierte Position“ behalten und weitgehend vor Margendruck gefeit sein. Angesichts der attraktiven Bewertungen und in Erwartung eines beschleunigten Wachstums gewichtet ODDO BHF Schwellenländer und insbesondere China höher. „Bisher kommen die Signale für eine Verlangsamung der globalen Konjunktur hauptsächlich aus China und zeigen sich an überdurchschnittlichen Preisrückgängen bei Metallen und Industrierohstoffen. In den kommenden Monaten wird die Schwächung jedoch nicht mehr von China ausgehen, sondern von den Industrieländern“, so Denize. Er rechnet damit, dass die chinesische Regierung mit starken Unterstützungsmaßnahmen eingreift, um die von ihr ausgegebene Wachstumsuntergrenze von 5 % zu erreichen.
Das Kreditrisiko gebe weiterhin Anlass zur Vorsicht, insbesondere bei stark verschuldeten Unternehmen, denn ein Risiko in Bezug auf finanzielle Stabilität führt zu restriktiveren Kreditkonditionen. „Den überschuldeten Immobiliensektor sehen wir weiterhin mit großem Vorbehalt. Nur Anleihen mit kurzer Duration bieten ein attraktives Risiko-Rendite-Verhältnis mit angemessenem Carry.“ Denize zufolge sollte ein möglicher Rückgang der Liquidität am Markt genau im Blick behalten werden, da die Notenbanken ihre Bilanzen verkürzen und die für die kommenden Monate erwarteten Emissionen des US-Schatzamtes absorbiert werden müssen. ODDO BHF präferiert deutsche und US-Anleihen mit Laufzeiten von 5–7 Jahren und erhöht nach Gewinnmitnahmen die Untergewichtung bei Anleihen aus Peripherieländern. „Das Risiko geldpolitischer Fehlentscheidungen ist gestiegen. Finanzsystem und Wirtschaft sind fragil“, so Denize. Darüber hinaus werde es für die Notenbanken vor dem Hintergrund einer beschleunigten Transmission der Geldpolitik zunehmend schwerer, Preis- und Finanzmarktstabilität auszutarieren.
Themen: Ratings | Kommentare deaktiviert für Risiko geldpolitischer Fehlentscheidungen steigt
Jetzt Investment Grade oder High Yield?
Von Dr. Oliver Everling | 18.Juli 2023
Um im Rentenbereich eine auskömmliche Rendite zu erwirtschaften, sind Anleger nicht länger gezwungen, die Risikoleiter hochzuklettern. Selbst der Investment-Grade-Bereich eröffnet mittlerweile wieder attraktive Anlagemöglichkeiten. Doch wie sollten Anleger beim Aufbau ihrer Fixed-Income-Quote vorgehen? Desiree Sauer, Investment-Strategin bei Lazard Asset Management, und Michael Weidner, Leiter des europäischen Rentenmanagements, nennen vier Punkte, die Anleger bedenken sollten.
„Die Realrenditen sind auf Grundlage der aktuellen Inflationsraten zwar noch niedrig oder (leicht) negativ. Nimmt man jedoch die erwarteten Inflationszahlen als Grundlage, dann ändert sich das Bild. Dann notieren beispielsweise viele 10-jährige Staatsanleihen bereits über oder nahe der Null, da der Markt von sinkenden Inflationszahlen ausgeht“, erklärt Desiree Sauer. „Das heißt, auf der Grundlage der Inflationserwartungen sind diese Papiere wieder attraktiv. Wir sehen gerade bei Qualitätsanleihen aktuell gute Einstiegsniveaus.“
Duration: Kurz oder lang? „In der Vergangenheit sind Anleger dafür entschädigt worden, dass sie die mit langfristigen Anleihen verbundene zusätzliche Unsicherheit (Zinsänderungsrisiko) auf sich nahmen“, sagt Weidner. Seit geraumer Zeit sei dies jedoch nicht mehr der Fall: Die Laufzeitenprämie, sprich die Renditekompensation für das Halten länger laufender Anleihen, sei negativ. „Deshalb präferieren wir aktuell Anleihen mit kurzer Duration“, so Weidner. „Die Reduzierung der Zinssensitivität durch einen Fokus auf Anleihen mit kurzer Duration ist ein einfacher Weg, die Ertragskraft trotz hoher Volatilität und weiter steigender Zinsen aufgrund hartnäckiger Inflation hoch zu halten.“
Bonität: Investment Grade oder High Yield? Qualitätsanleihen (Investment-Grade-Anleihen privater und öffentlicher Aussteller aus OECD-Ländern) seien historisch die Basis einer ausgewogenen Vermögensallokation gewesen, sagt Weidner. Sie hätten die solide Basis eines Portfolios gebildet, da sie einen stabilen Anlageertrag in vordefinierter Höhe (Einstandsrendite) mit begrenzter Volatilität und vollständiger Liquidität geboten hätten. Angesichts niedriger bzw. negativer Leitzinsen und aggressiver Zentralbankkäufe in den vergangenen Jahren hätten Qualitätsanleihen diese Rolle jedoch zwischenzeitlich nicht mehr erfüllen können. „Nun hat sich die Situation allerdings wieder normalisiert. Attraktive Renditen sind auch im Investment-Grade-Segment wieder möglich“, betont Weidner.
Aber nicht nur die guten Renditeniveaus sprechen aus Sicht des Experten für Anleihen hoher Qualität, sondern auch das aktuelle wirtschaftliche Umfeld. „Steigende Zinsen stellen eine Herausforderung für Anleihe-Emittenten im Allgemeinen dar“, so Weidner. „Besonders betroffen sind High-Yield-Emittenten, die stark unter Druck geraten können, denn die höheren Finanzierungskosten reduzieren die Erträge. Besonders in der Eurozone könnte es daher das eine oder andere Unternehmen nach Jahren künstlich niedriger Zinsen schwer haben, sich zu refinanzieren, so dass das Ausfallrisiko der eher bonitätsschwächeren Euro-Emittenten steigt.“ Weidner und seine Kollegen präferieren deshalb derzeit (mit regionalen Ausnahmen wie nordische High-Yield-Anleihen) bonitätsstarke Emittenten.
Benchmark: Ja oder nein? „Der Einsatz von Benchmarks bei Renteninvestments hat den Vorteil, dass die geläufigen Indizes eine breite Abdeckung in Bezug auf Regionen, Währungen und Segmenten bieten“, sagt Investmentstrategin Sauer. Allerdings sei der globale Anleihemarkt wesentlich größer als das, was in den Indizes vertreten sei, denn „benchmarkfähige“ Emissionen müssten ein Mindestvolumen aufweisen, um berücksichtigt zu werden. Aus Sicht der Expertin ist ein weiterer Nachteil, dass die Gewichtung der einzelnen Komponenten in einem Index gemäß der Marktkapitalisierung erfolge. Dadurch bestehe das Risiko einer wachsenden Gewichtung hoch verschuldeter Emittenten, da der Marktwert dieser Emissionen zunehmend steige. Gleichzeitig nehme auch die Gewichtung von Emissionen, deren Verzinsung gefallen und damit deren Kurs gestiegen ist, zu. Und schließlich entstehe während einer Rentenhausse eine quasi automatische Durationsverlängerung, denn je niedriger die Rendite, desto höher die Duration.
„Um diese Nachteile zu vermeiden, können Anleger bewusst Indizes wählen, die nicht nach Marktkapitalisierung, sondern auf Grundlage anderer fundamentaler Faktoren gewichten“, erläutert Sauer. „Das kann zum Beispiel eine Gewichtung nach Bruttoinlandsprodukt sein.“ Eine weitere Möglichkeit bestehe darin, zwar eine marktkapitalisierungsgewichtete Benchmark zu wählen, dem Portfoliomanager aber große Freiheiten und Spielräume in Form eines hohen Tracking Errors und Investments außerhalb des Index einzuräumen. So könne der Manager zum Beispiel eine wesentlich geringere Duration als die Benchmark fahren.
„Anleger können sich aber auch für den Verzicht auf eine Benchmark entscheiden, indem sie einen Total-Return-Ansatz wählen“, sagt Sauer. „Hier gewährt der Anleger dem Manager zwar die größtmögliche Freiheit, hat aber dennoch die Chance, Einfluss auszuüben.“ So könne der Anleger beispielsweise Maximalgewichtungen in Bezug auf Länder, Sektoren, Bonität oder Emittenten vorgeben.
Währungsabsicherung: Mit oder ohne? Eine andere zentrale Entscheidung bei Rentenanlagen sei der Umgang mit Fremdwährungen. „Die Volatilität der Anleihekomponenten (Preis und Kupon) kann gering sein im Vergleich zu den Währungsfluktuationen“, erklärt Weidner. „Währungsgesicherte und währungsungesicherte Indizes können sich je nach Marktzyklus stark unterscheiden. Eine Vermögensallokation in verschiedenen Zielwährungen bietet zweifelsfrei Anlagechancen und verbessert in der Regel das Risikoprofil eines breiten Anlageportfolios.“ Verschiedene Währungsräume und damit verbunden verschiedene Zinsregime und geldpolitische Zyklen würden für einen zusätzlichen Diversifikationseffekt sorgen.
Allerdings könne sich eine offene Währungsquote für den Anleger nachteilig auswirken. Sollten Anleger daher nicht über ein eigenes Währungs-Overlay verfügen und Währungen nicht als bewusste Diversifikationsentscheidung ansehen, dann empfiehlt sich aus Sicht des Anleiheexperten eine Währungsabsicherung. „Letztlich ist für den Anlageerfolg wichtig, die Ausgangswährung im Blick zu halten und Chancen sowie Risiken stets aus Sicht eines Euro-Anlegers zu betrachten. Auch attraktivste Anlagechancen in Fremdwährung sind faktisch substanzlos, wenn die Kosten der Währungssicherung vernachlässigt oder ausgeblendet werden“, so Weidner. Aktives Management sei auch hier der Schlüssel zum Erfolg.
Anleiheexperte Weidner resümiert: „Angesichts des aktuellen makroökonomischen Umfelds bietet es sich aus unserer Sicht an, ein Portfolio aufzubauen, welches sich auf Anleihen hoher Qualität und mit einer kurzen Duration fokussiert. Auch ein Total-Return-Ansatz erscheint uns vorteilhaft.“
Themen: Anleiherating | Kommentare deaktiviert für Jetzt Investment Grade oder High Yield?
Nachhaltigere und nahrhaftere Ernährung im Rating
Von Dr. Oliver Everling | 13.Juli 2023
„Um unser Nahrungsmittelsystem umzugestalten,“ schreibt Pjotr Tjallema, Sustainability Researcher bei Triodos Investment Management (IM), „bedarf es einer Reihe von Maßnahmen, die über die Lebensmittelwertschöpfungskette hinausgehen. Wir brauchen einen Ansatz, der alle wichtigen Akteure, einschließlich Investoren und Regierungen, miteinbezieht, aber auch das Nahrungsmittelumfeld, d. h. alle kontextuellen Faktoren berücksichtigt, die die Wahl der Verbraucher beeinflussen.“ Im Folgenden finden sich weitere Erkenntnisse aus seinen Recherchen.
Die Konzentration auf nur eine dieser Lösungen greift jedoch zu kurz und kann zu Rebound-Effekten führen. Stattdessen braucht das Nahrungsmittelsystem eine umfassende Umstellung vom Erzeuger zum Verbraucher. Änderungen der Ernährungsgewohnheiten, der Preissysteme, des Lebensmittelumfelds und der landwirtschaftlichen Praktiken sind allesamt bedeutende Elemente dieses Wandels.
Unser Nahrungsmittelsystem leidet unter dem übermäßigen Konsum und der Überproduktion von ungesunden und nicht nachhaltigen Lebensmitteln, die eng mit der zunehmenden Einkommensungleichheit zusammenhängen. Etwa 820 Millionen Menschen sind nach wie vor unterernährt, etwa 2 Milliarden Menschen leiden an Mikronährstoffmangel und über 2 Milliarden Erwachsene an Übergewicht. Gleichzeitig ist das Lebensmittelsystem für etwa 30 % der Treibhausgasemissionen und 70 % des Süßwasserverbrauchs verantwortlich, und die Umwandlung von Natur in landwirtschaftliche Nutzflächen ist die Hauptursache für den Verlust der biologischen Vielfalt.
Studien deuten darauf hin, dass eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten vielleicht die wichtigste Maßnahme ist. Eine Änderung unserer kollektiven Ernährungsgewohnheiten kann erhebliche Vorteile für die Gesundheit und die Nachhaltigkeit bringen, da das Verbraucherverhalten die Einnahmen der Akteure der Wertschöpfungskette beeinflusst. Diese Akteure werden auf nachhaltige Alternativen umsteigen, wenn es dafür nachweislich einen Markt gibt.
Doch wie sollte unsere „neue“ Ernährung aussehen? Die EAT-Lancet-Kommission empfiehlt die Planetary-Health-Ernährung, die auf einem begrenzten Verzehr von tierischen Produkten und mehr Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen basiert. Dazu gehört auch der Verzehr von mehr pflanzlichen Proteinen, z. B. aus Linsen, da diese einen geringen ökologischen Fußabdruck hinterlassen und mit einem geringeren Risiko für koronare Herzkrankheiten in Verbindung gebracht werden. Die Ernährungsumstellung ist ein guter Ausgangspunkt, hat jedoch auch eine Kehrseite, weshalb wir auch andere Lösungen brauchen. Forscher der Universität Wageningen weisen darauf hin, dass der ökologische Nutzen von Ernährungsumstellungen durch Rebound-Effekte zunichte gemacht werden könnte. Verbraucher, die weniger Geld für Lebensmittel ausgeben, verlagern beispielsweise ihr verfügbares Einkommen auf andere Güter mit hohen Umweltauswirkungen. Diese Rebound-Effekte machen deutlich, dass ein umfassender Ansatz erforderlich ist, der Ernährungsumstellungen mit anderen Maßnahmen zur Sicherung der Nachhaltigkeit verbindet, beispielsweise durch Preismechanismen.
In einer kürzlich in der Zeitschrift „Nature Food“ veröffentlichten Studie wurden die weltweiten Kosten verschiedener Ernährungsweisen für die Umwelt und die menschliche Gesundheit berechnet, und es wurde geschätzt, dass 70 % dieser Kosten auf den Verzehr von Lebensmitteln tierischen Ursprungs (ASF) zurückgeführt werden können. Es ist wichtig, dass politische Entscheidungsträger, Einzelhändler und Produzenten in verständliche Etiketten oder Preissysteme investieren, die diese Kosten auch auf Produktebene ausweisen. Mit solchen Informationen können Verbraucher, Erzeuger und andere Akteure der Wertschöpfungskette andere Entscheidungen treffen. Es ist notwendig, mehr Transparenz zu schaffen und sich auf die Methoden und Daten zu einigen, die für die Berechnung der „wahren Preise“ erforderlich sind: den Kostenwert eines Produkts zuzüglich der ökologischen und sozialen Kosten.
Ein Symbol für Preiswahrheit und Transparenz ist die Banane. Als Grundnahrungsmittel für Millionen von Menschen hat die Banane eine relativ unkomplizierte Lieferkette. Die Banane war eine der ersten Früchte, die Fairtrade- und Rainforest-Alliance-Zertifizierungen erhielten. Auch wenn die Gütesiegel hilfreich sind, würden nachhaltige Bananen sehr von gleichen Bedingungen bei der Preisgestaltung durch Steuern und Subventionen profitieren. Die Informationen liegen vor: Die ökologischen und sozialen Kosten einer Kiste Bananen (18 kg) wurden 2017 auf 6,70 USD geschätzt. Dennoch sollten wir uns umfassender damit befassen, was die Verbraucher in die Lage versetzen kann, gesündere und nachhaltigere Entscheidungen zu treffen.
Lokale Lebensmittelsysteme können einige der negativen Auswirkungen des Lebensmittelsystems abmildern. Kürzere und direktere Lebensmittelketten können den Landwirten mehr Transparenz und eine bessere Verhandlungsposition gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel verschaffen. Dennoch kann nur etwa ein Drittel der Weltbevölkerung ihren Nährstoffbedarf ausschließlich durch den Verzehr lokaler Lebensmittel decken. Darüber hinaus können lokale Lebensmittel die Umwelt stärker belasten, da die Produktion an anderen Orten effizienter sein könnte. Der Übergang zu stärker lokal ausgerichteten Lebensmittelsystemen ist ein Teil der Lösung, doch sollten die Vorteile je nach Produkt gegen die Kosten abgewogen werden. Dennoch kann die Stärkung der Verbindungen zwischen Verbrauchern und Erzeugern die Verbraucher in die Lage versetzen, gesündere und umweltfreundlichere Entscheidungen zu treffen. Solche Verbindungen können auch durch Online-Lebensmittelplattformen oder dadurch gefördert werden, dass die Verbraucher mehr über die Herkunft von Lebensmitteln, einschließlich ihrer Saisonalität, erfahren.
Die Landwirte allein können den notwendigen Wandel hin zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen nicht vorantreiben, obwohl auch ihre Praktiken geändert werden müssen, um zu Lösungen beizutragen. Die Landwirtschaft trägt wesentlich zum Klimawandel und zum Verlust der biologischen Vielfalt bei, insbesondere durch die Umwandlung von Natur in landwirtschaftliche Flächen und die Verschmutzung durch Agrochemikalien. Praktiken, die die Natur einbeziehen, bieten potenzielle Lösungen. So können beispielsweise Lebensmittelwälder mit Obst- und Nussbäumen Kohlenstoff binden, Stickstoff binden, die Artenvielfalt fördern und hohe Erträge sichern. Obwohl dieser Ansatz von Natur aus komplex ist, könnte er für die Ökosysteme und den Lebensunterhalt der Landbevölkerung ein Gewinn sein. In solche Landschaften können auch Nutztiere integriert werden. Doch ohne eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten und der realen Preise dürfte eine Ausweitung der Märkte für nachhaltige und gesunde Produkte kaum machbar sein.
Themen: Nachhaltigkeitsrating | Kommentare deaktiviert für Nachhaltigere und nahrhaftere Ernährung im Rating
Investoren planen Allokationen in den drei wichtigsten EM-Anleihesektoren
Von Dr. Oliver Everling | 11.Juli 2023
Fünfundsiebzig Prozent der institutionellen Anleger sind optimistisch, was die Aussichten von Schwellenländeranleihen angeht, und werden ihr Engagement in den nächsten zwei Jahren wahrscheinlich ausbauen. Das ist eines der Ergebnisse einer weltweiten Umfrage von Vontobel unter institutionellen Investoren.
Die Vontobel-Umfrage untersucht die Überlegungen und Prioritäten von über 200 institutionellen Anlegern in Europa, Nordamerika und im asiatisch-pazifischen Raum in Bezug auf ihre aktuellen und küntig geplanten Anleihenallokationen. Insgesamt wird die Renditesteigerung (57 Prozent) von den befragten Anlegern als oberste Priorität für festverzinsliche Portfolios genannt. Die Vontobel-Umfrage identifiziert Inflation und Geldpolitik als die Themen, die die makroökonomischen Überlegungen der Vermögensbesitzer dominieren.
Die Prioritäten unterscheiden sich jedoch geringfügig zwischen den Regionen: So erachten die Anleger im asiatisch-pazifischen Raum Renditesteigerung und die Sicherung von Liquidität als gleichermaßen wichtig (beide 55 Prozent). Im Gegensatz dazu steht die Sicherung der Liquidität für nordamerikanische und europäische Asset Owner deutlich weniger im Fokus (49 Prozent).
Auch die Übereinstimmung mit ESG-Investitionszielen wird in allen Regionen als wichtige Überlegung hervorgehoben (41 Prozent). Bemerkenswert ist, dass diese von nordamerikanischen Anlegern als relativ höhere Priorität (51 Prozent) genannt werden, was möglicherweise auf ein wachsendes Bewusstsein und eine zunehmende Akzeptanz der Bedeutung von ESG hinweist.
Die Befragten in allen Regionen nennen auch Diversifizierung (30 Prozent) und Kapitalerhalt (21 Prozent) als wichtige Überlegungen.
Der Umfrage zufolge investieren die meisten Anleger in Schwellenländeranleihen im Rahmen einer diversifizierten Anleihenallokation (61 Prozent). Die Mehrheit ist in Unternehmensanleihen aus Schwellenländern engagiert (52 Prozent), wobei diese beiden Allokationen im Vergleich zum Vorjahr geringfügig niedriger sind.
Knapp die Hälfte (44 Prozent) der Befragten ist in Schwellenländer-Staatsanleihen in Hartwährung engagiert, wobei die Allokation im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen ist (von 39 Prozent). Aufgrund der anhaltenden Underperformance haben die Anleger dagegen ihr Engagement in Schwellenländer-Staatsanleihen in lokaler Währung reduziert: Nur noch 23 Prozent der Befragten sind in diesem Bereich des Marktes engagiert, gegenüber 47 Prozent im Jahr 2022.
„Anleger müssen sich jetzt positionieren oder sie riskieren, einen attraktiven Einstiegspunkt zu verpassen, das gilt insbesondere bei Lokalwährungen, die in den zurückliegenden Jahren aufgrund schlechter Performance an Beliebtheit verloren und jetzt aber wieder vielversprechender aussehen“, sagt Simon Lue-Fong, Leiter der Vontobel Fixed Income Boutique. „Die Verwaltung von Allokationen in den verschiedenen Segmenten der Schwellenländeranleihen kann schwierig sein, was die Attraktivität von Mischansätzen erhöht, die Vorteile in Bezug auf die Positionierung und günstigen Zugang zu werthaltigsten Chancen bieten können.“
Die Bestände an gemischten Strategien beginnen zu wachsen.Etwa 16 Prozent der Institutionellen wählen diesen Ansatz für ihre EM-Fixed-Income-Allokation, und das, nachdem diese Strategien noch vergangenes Jahr nahezu keine Rolle spielten. Vielleicht werden sich die Anleger der Vorteile dieses Ansatzes stärker bewusst. Diese zunehmende Beliebtheit spiegelt sich auch in den Ergebnissen der Vontobel-Umfrage wider: Über 70 Prozent der Anleger planen, ihre Allokation in solchen Anlagen in den nächsten 24 Monaten zu erhöhen. Darin spiegeln sich die potenziellen Vorteile von gemischten Strategien, wie eine besserer Diversifikation und ein höheres Risikomanagementpotenzial, verbesserter Renditen und Erträge sowie eine flexiblere Positionierung auf der Renditekurve, wider.
Derzeit halten nur 23 Prozent der Befragten (gegenüber 47 Prozent im letzten Jahr) EM-Staatsanleihen in Lokalwährung, was sie zu der am wenigsten beliebten EM-Anleihenkategorie macht. Ein großer Teil der institutionellen Anleger (38 Prozent) plant jedoch eine Erhöhung ihres Engagements. 71 Prozent die Umfrageteilnehmer, die dies in Erwägung ziehen, führt das Wertsteigerungspotenzial als Hauptgrund für ihre Entscheidung an.
Simon Lue-Fong sagt: „Anleger neigen dazu, sich an dasjenige Segment der Schwellenländeranleihen zu halten, das sie kennen und besitzen. Unsere Analyse zeigt, dass nur sehr wenige Anleger das gesamte Spektrum an Schwellenländeranleihen abdecken, während sich viele auf ein oder maximal zwei Segmente des Universums beschränken. Wir sind der Meinung, dass es sinnvoll ist, diese Horizonte zu erweitern. Angesichts der potenziellen Wertentwicklung, die wir für Lokalwährungen sehen, sollten mehr Anleger dieses Segment aktiv in Betracht ziehen. Die Anleger in unserer Studie nennen das Wertsteigerungspotenzial als Hauptgrund für eine Erhöhung des Engagements in Lokalwährungsanleihen. Deshalb könnte die Allokation eher taktischer als struktureller Natur sein – dabei aber profitabel.“
Themen: Anleiherating | Kommentare deaktiviert für Investoren planen Allokationen in den drei wichtigsten EM-Anleihesektoren
Geringe Digitalisierungstiefe der Immobilienwirtschaft
Von Dr. Oliver Everling | 6.Juli 2023
Dr. Florian Stadlbauer von shape.re kritisiert in seinem Workshop auf dem Kongress p5.immo die geringe Digitalisierungstiefe der Immobilienwirtschaft. „Wir sind mitten in der nächsten fundamentalen Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft“, sagt Florian Stadlbauer, und vergleicht den aktuellen fundamentalen Wandel mit dem vom Agrarstaat und Manufakturwesen, von Maßanfertigung und Einzelprodution zur industrialisierten Gesellschaft.
Seine vier Thesen:
(1) Innerhalb der Immobilienbranche existiert mitunter ein geringes Verständnis darüber, was digitale, nachhaltige Transformation bedeutet und wie sie anzugehen ist. „Der Einsatz von Technologie erfolgt nicht zur Kostensenkung und ist kein Pflaster, dass auf ein Problem (z.B. Nachhaltigkeitsreporting) geklebt wird.“
(2) „Keine Hausaufgaben auf der Insel.“ Immobilienunternehmen verfolgen häufig keine holistische Digitalisierungs- bzw. Transformationsstrategie und kein holistisches Vorgehen. Am Beispiel von Brockhaus erläuterte Florian Stadlbauer, wie die Automatisierung und die Digitalisierung nicht zum Überleben der gedruckten Buchausgabe beitrug.
(3) „Keiner braucht (digitale) Zwillinge, oder?“, fragt Florian Schadlbauer, und fügt hinzu: „(Prop-) Techs haben hervorragende Produkte. Sie vermarkten jedoch häufig Technologie und keine Lösungen für Kunden.“
(4) „Die Einsteiger“ in die Digitalisierung haben es gar nicht so schwer. Es bedarf nur weniger Lösungen auf drei Ebenen für die technische Basis der Digitalen Transformation in der Immobilienbranche, glaubt Florian Stadlbauer.
Florian Stadlbauer macht klar, dass Unternehmen mit einer Nachhaltigkeitsstrategie kein Differenzierungsmerkmal haben. Hype-Technologien haben insbesondere Potential in der Immobilienwirtschaft, wenn die Voraussetzungen geschaffen sind.
Themen: Immobilienrating, Technologierating | Kommentare deaktiviert für Geringe Digitalisierungstiefe der Immobilienwirtschaft
Wirtschaftspolitik ohne funktionierenden Kompass
Von Dr. Oliver Everling | 3.Juli 2023
Anhaltende Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft, hohe Inflation, drohende und tatsächliche Abwanderung von Unternehmen, ein deutliches Abrutschen Deutschlands in internationalen Wettbewerbsfähigkeits-Rankings und ein heftiger Streit um ein Gebäudeenergiegesetz – die Liste von Axel D. Angermann analysiert, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe aus Bad Homburg, ist lang: In Deutschland häufen sich die negativen Nachrichten, und es wird immer deutlicher, dass es dabei nicht nur um Einzelfragen geht.
Axel Angermann vergleicht die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands seit Ausbruch der Corona-Pandemie im ersten Quartal 2020 mit der vorherigen Wachstumsdynamik, so dass das Ausmaß der Probleme deutlich wird: „Der in drei Jahren aufgelaufene Verlust an gesamtwirtschaftlicher Wertschöpfung beläuft sich ohne Berücksichtigung der Inflation auf mehr als 500 Milliarden Euro. Bei einer Staatsquote von etwa 50 Prozent hätten also Konsumenten und Unternehmen und der Staat jeweils ungefähr 250 Milliarden Euro zusätzlich verwenden können. Die Relevanz wird deutlich, vergleicht man diese Zahl etwa mit den 5 Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung, um die es im aktuellen Streit zwischen dem Finanzminister und der Familienministerin geht.“
Dass sich politische Vorhaben im Umfeld einer starken Wirtschaft leichter verwirklichen lassen, ist wahrlich keine neue Erkenntnis, scheint aber zunehmend in Vergessenheit zu geraten, warnt Axel Angermann: „Die Pandemie und die daraus resultierenden Wohlstandsverluste mögen weitgehend unvermeidlich gewesen sein. Die nun schon seit drei Jahren andauernde Wachstumsschwäche, deren Ende gar nicht abzusehen ist, ist es nicht. Der Verweis auf einen vermeintlichen oder tatsächlichen Stillstand unter vorhergehenden Regierungen führt ebenso wenig weiter wie der auf die Komplexität der Krisen. Die Wirtschaftspolitik wäre stattdessen gut beraten, die strukturellen Ursachen der Wachstumsschwäche zu identifizieren und zu beheben. Dies würde auch die Erfolgsaussichten aller anderen politischen Vorhaben von der Kindergrundsicherung über größere Verteidigungsanstrengungen bis hin zur Meisterung des Klimaschutzes und der Erreichung der Klimaziele deutlich erleichtern.“
Der in den vergangenen Jahrzehnten erzielte Wohlstand beruhte maßgeblich auf der erfolgreichen Entwicklung von Unternehmen in einem marktwirtschaftlichen Umfeld. „Jetzt muss es darum gehen,“ fordert Axel Angermann „diesen Rahmen wieder zu stärken. Das bedeutet: Abbau bürokratischer Hemmnisse statt der Etablierung immer neuer Vorschriften. Die kleinteilige Vorgabe konkreter Lösungen schafft kein innovationsfreundliches Umfeld. Die steuerliche Belastung unternehmerischen Handelns sollte auf das notwendige Maß beschränkt sein. In strategischen Fragestellungen wie der Vermeidung zu großer Abhängigkeiten von China muss der Staat für Klarheit sorgen und nicht einzelne Projekte mit irrwitzigen Summen subventionieren.“
Die strukturellen Umbrüche innerhalb der „alten“ Industrie in Deutschland sollten zum Anlass genommen werden, die Rahmenbedingungen für innovative Zukunftsfelder wie Klimaschutz oder Digitalisierung offener zu gestalten. Nur dann hat Deutschland im internationalen Vergleich noch die Chance, wieder auf eine erfolgversprechende Spur zurückzukehren, Wachstum zu generieren und damit die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen.
Themen: Ratings | Kommentare deaktiviert für Wirtschaftspolitik ohne funktionierenden Kompass
Moody’s mit generativer KI von Microsoft
Von Dr. Oliver Everling | 29.Juni 2023
Moody’s Corporation und Microsoft entwickeln verbesserte Risiko-, Daten-, Analyse-, Forschungs- und Kollaborationslösungen auf Basis generativer KI. Moody’s gelingt damit eine strategische Partnerschaft für Lösungen der nächsten Generation, die auf Microsoft Azure OpenAI Service, Microsoft Fabric und Microsoft Teams sowie proprietären Daten von Moody’s basieren.
Moody’s und Microsoft gaben heute eine neue strategische Partnerschaft bekannt, um Daten-, Analyse-, Forschungs-, Kollaborations- und Risikolösungen der nächsten Generation bereitzustellen. Das Angebot zielt auf Finanzdienstleister und „globale Wissensarbeiter“. Aufbauend auf einer Kombination aus den robusten Daten- und Analysefunktionen von Moody’s und der Leistungsfähigkeit und Größe des Microsoft Azure OpenAI Service schafft die Partnerschaft innovative Angebote, die Einblicke in Unternehmensinformationen und Risikobewertung verbessern, unterstützt durch Microsoft AI und verankert durch Moody’s proprietäre Daten, Analysen und Forschung.
Microsoft und Moody’s entwickeln gemeinsam neue Produkte und Dienste für Forschung und Risikobewertung, die auf dem Azure OpenAI Service für ein verbessertes Daten- und Risikomanagement basieren.
„Moody’s CoPilot“, ein internes Copilot-Tool, wird jetzt bei Moody’s 14.000 Mitarbeitern weltweit eingesetzt und wird Moody’s proprietäre Daten, Analysen und Forschung mit den neuesten großen Sprachmodellen (LLMs) und der erstklassigen generativen KI-Technologie von Microsoft kombinieren, um die Mitarbeiterproduktivität in einer sicheren digitalen Sandbox zu steigern.
Moody’s führt Microsoft Teams ein, um seinen Wissensarbeitern und Kunden eine neue Plattform bereitzustellen, die die Zusammenarbeit, Produktivität und Kommunikation verbessert und gleichzeitig die höchsten Compliance-Standards einhält.
Für den internen Gebrauch und Co-Innovationen nutzt Microsoft die breite Palette an Lösungen von Moody’s, darunter die Moody’s Orbis-Datenbank – eine der weltweit leistungsstärksten Datenbanken für Unternehmen – mit Anwendungen, die Referenzdaten von Drittanbietern, Risikobewertung von Gegenparteien und Lieferkettenmanagement umfassen.
Microsoft und Moody’s werden bei der Möglichkeit zusammenarbeiten, ihren gemeinsamen Kunden Daten über Microsoft Fabric bereitzustellen, eine neue Analyseplattform für die End-to-End-Datenverwaltung.
Moody’s verpflichtet sich, die Cloud-Plattform Azure von Microsoft zu nutzen, um sein wachsendes Angebot generativer KI-Funktionen und cloudbasierter Anwendungen voranzutreiben.
Rob Fauber, Präsident und CEO der Moody’s Corporation, sagte: „Generative KI bietet eine einmalige Chance, die Art und Weise zu verbessern, wie Unternehmen in der sich ständig weiterentwickelnden Welt exponentieller Risiken navigieren. Durch die Kombination der hochmodernen KI-Funktionen von Microsoft mit unseren proprietären Daten, Forschungsergebnissen und Analysen ist Moody’s in der Lage, die nächste Generation der Risikoanalyse anzuführen und unseren Kunden dabei zu helfen, bessere Entscheidungen zu treffen, indem wir tiefere, integriertere und unübertroffene Risikoperspektiven erschließen. Wir haben unsere 14.000 Mitarbeiter weltweit aktiviert, um beispiellose Experimente durchzuführen und neue Innovationen in unserer Produkt- und Lösungspalette voranzutreiben. Wir freuen uns, mit Microsoft zusammenzuarbeiten, um den Standard dafür zu setzen, wie generative KI neue Fortschritte in unserer Branche vorantreiben wird.“
Ein neues Copilot-Tool für Kunden, „Moody’s Research Assistant“, wird das volle Potenzial der Ressourcen und Lösungen von Moody’s erschließen, um Kunden eine vielfältige Sicht auf Risiken zu bieten. Basierend auf dem Microsoft Azure OpenAI Service und verfügbar über mehrere Kanäle, einschließlich Microsoft Teams, kann Moody’s Research Assistant schnell komplexe Informationen aus mehreren Datenquellen zusammenstellen und zusammenfassen, und das alles in einer sicheren Umgebung, die private und geschützte Informationen schützt. Zu den vielen erwarteten Einsatzmöglichkeiten gehört die Möglichkeit, individuelle, detaillierte Analysen eines Unternehmens oder Sektors zu erstellen, indem Daten aus mehreren Dimensionen – wie Firmendaten, Kreditindikatoren, Wirtschaftsprognosen sowie Risiko- und Reputationsprofilen – nahtlos kombiniert werden, um schnelle, kontextbezogene und informative Antworten zu geben – basierend auf der Integration umfangreicher Large Language Models und branchenführender Daten, Analysen und Forschung von Moody’s.
Bill Borden, Corporate Vice President für weltweite Finanzdienstleistungen bei Microsoft, sagte: „Unsere Partnerschaft wird erstklassige Erkenntnisse von Moody’s mit den Fähigkeiten, dem Vertrauen und der Breite der Microsoft Cloud – einschließlich Azure OpenAI Service, Fabric und Teams – zusammenbringen, um die nächste Generation zu ermöglichen. Gen-Lösungen, die leistungsstarke Business Intelligence freisetzen und Produktivität und Zusammenarbeit verändern. Wir freuen uns auf die neuen Möglichkeiten und den Mehrwert, der für Mitarbeiter und Unternehmen in den Bereichen Banken, Kapitalmärkte und Versicherungen sowie in anderen Branchen wie Fertigung, Telekommunikation, Transport und Versorgung erbracht wird.“
Darüber hinaus wird Moody’s durch die Partnerschaft Microsoft Teams nutzen, um eine neue Zusammenarbeit, mehr Produktivität und eine Kommunikationsplattform für seine Wissensarbeiter und Kunden zu schaffen. Durch die Integration der Copilot-Tools von Moody’s werden Teams manuelle Arbeitsabläufe automatisieren und rationalisieren, einen effizienteren Zugriff auf Daten und Inhalte ermöglichen sowie Informationen aus mehreren Datensätzen synthetisieren und zusammenfassen, was zu besseren Erkenntnissen, verbesserter Produktivität und Compliance sowie verbesserter Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit führt.
Microsoft und Moody’s werden bei der Möglichkeit zusammenarbeiten, ihren gemeinsamen Kunden Daten über Microsoft Fabric, einer neuen End-to-End-Datenanalyseplattform, bereitzustellen. Microsoft Fabric umfasst Technologien wie Azure Synapse Analytics, Azure Data Factory und Power BI in einem einzigen einheitlichen Produkt und bietet Dateningenieuren die Möglichkeit, Daten aus mehreren Quellen einfach zu verbinden und zu kuratieren, wodurch eine Ausbreitung vermieden und die Daten im gesamten Unternehmen besser verwaltet werden können.
Themen: Ratings | Kommentare deaktiviert für Moody’s mit generativer KI von Microsoft
Nachlassender Preisdruck in Sicht
Von Dr. Oliver Everling | 29.Juni 2023
Sowohl der ifo-Geschäftsklimaindex als auch die S&P Global-Einkaufsmanagerindizes zeichneten zuletzt das Bild einer sich weiter abschwächenden Konjunkturdynamik, sieht Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL. Besonders in der Industrie brachen nach Angaben des ifo-Instituts die Geschäftserwartungen für die kommenden Monate ein, denn angesichts der globalen Industrierezession reduziert sich der Auftragseingang immer weiter und die Exporterwartungen der meisten Branchen gaben nach. Darunter leidet in Deutschland aufgrund einer sinkenden Nachfrage auch das Segment der Logistik- und Transportdienstleistungen.
„Noch positiv sind die Perspektiven für andere, konsumnahe Dienstleistungssegmente. So fielen“, führt Mumm weiter aus, „zwar die Einkaufsmanagerindizes sowohl in der Eurozone als auch in den USA leicht, befinden sich aber noch immer im expansiven Bereich oberhalb der Marke von 50 Punkten. Getragen wird der private Konsum vor allem von einer anhaltend sehr guten Beschäftigungslage. So berichten US-Dienstleistungsunternehmen weiterhin von Schwierigkeiten, frei gewordene Stellen zu ersetzen. Das KfW-ifo-Fachkräftebarometer zeigt für Deutschland entsprechend, dass die gesamtwirtschaftliche Konjunkturabkühlung im zweiten Quartal zwar für einen nachlassenden Fachkräftemangel gesorgt hat, noch immer berichten aber 40 Prozent der befragten Unternehmen, dass ein Mangel an Arbeitskräften deren Geschäftstätigkeit behindert. Mit rund 50 Prozent ist dieser Wert im Dienstleistungsbereich besonders ausgeprägt.“
Ausgehend von der schwachen Nachfrage im Industriesektor zeichnet sich aber auch ein nachlassender Preisdruck ab. Einerseits sinken die Einkaufs- und Produzentenpreise im Zuge fallender Energie- und Rohstoffpreise sowie funktionierender globaler Lieferketten. Andererseits sorgen fehlende Auftragseingänge erstmals seit der Wiederbelebung der Wirtschaft nach dem Corona-Einbruch für sinkende Verkaufspreise in der Industrie. Bei Dienstleistungen stiegen die Verkaufspreise zumindest weniger stark, während der wichtigste Kostenfaktor in dieser Branche, die Löhne, tendenziell weiter anstiegen. Damit bleibt ein in den kommenden Monaten zunehmender Margendruck wahrscheinlich, der zu verstärkten Gewinnrevisionen und kurzfristigen Rücksetzern an den Aktienmärkten sorgen dürfte.
Auch wenn mit zunehmendem Margendruck einer der wichtigsten Inflationstreiber der letzten Monate künftig relativiert wird, bleiben die meisten großen Notenbanken vorerst bei ihrem restriktiven geldpolitischen Kurs. Entsprechend äußerten sich in dieser Woche Vertreter der EZB, der US-Notenbank Fed und der Bank of England auf dem internationalen Notenbanken-Forum der EZB im portugiesischen Sintra. EZB-Präsidentin Lagarde verdeutlichte, dass als Kerninflationstreiber nunmehr die Entwicklung der Lohnstückkosten angesehen wird, denn höhere Löhne bei einer anhaltend hohen Beschäftigung – Unternehmen wollen Belegschaften angesichts des allgegenwärtigen Fachkräftemangels halten – und nachgebender Nachfrage lassen diese künftig ansteigen. Damit sind aus Sicht der Notenbanken weitere Leitzinsanhebungen sowie ein längeres Ausharren auf erhöhten Zinsniveaus notwendig, um die Inflationserwartungen auf dem angestrebten Niveau von 2 Prozent zu verankern.
Die deutlich gedämpften wirtschaftlichen Aussichten für die kommenden Monate sprechen allerdings dafür, dass die Inflationsraten bis zum Ende des Jahres eher stärker als von den Notenbanken erwartet nachgeben könnten. Daher könnte mit Blick auf den Jahreswechsel die Diskussion um mögliche Zinssenkungen im Laufe des ersten Halbjahres 2024 wiederaufkommen. Vor diesem Hintergrund rechnen wir im kommenden Halbjahr mit seitwärts tendierenden Renditen deutschen und US-Staatsanleihen bei längeren Laufzeiten. An den Aktienmärkten besteht nach einer Phase verstärkter Schwankungen in den Sommermonaten die Chance auf eine Stabilisierung der Kurse ab dem Herbst. Damit ist auch das Erreichen neuer Allzeithöchststände bei deutschen und europäischen Aktienindizes möglich, zumal ab 2024 mit einer wirtschaftlichen Stabilisierung zu rechne ist. Für den Wechselkurs des Euro im Vergleich zum US-Dollar rechnen wir mit einer Seitwärtsbewegung nahe der aktuellen Niveaus, denn wir gehen vorerst nicht von stark unterschiedlichen Zinspfaden in den USA und der Eurozone aus.
Themen: Ratings | Kommentare deaktiviert für Nachlassender Preisdruck in Sicht