ESG und Kapitalkosten im M&A-Prozess

Von Dr. Oliver Everling | 30.Dezember 2024

Unser neues Buch im Verlag Springer Nature: ESG als Treiber von M&A – Unternehmenskäufe und -zusammenschlüsse erfolgreich managen.

Die Integration von ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) und ihre Auswirkungen auf die Kapitalkosten sind zentrale Themen in der aktuellen Unternehmensbewertung und -finanzierung. Ulf Füllgraf und Benjamin Badel untersuchen in ihrem Beitrag die Einflüsse von ESG-Faktoren auf die Kapitalkosten und den Unternehmenswert im Kontext von M&A-Transaktionen. Sie stellen fest, dass seit der Verabschiedung der UN-Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens ökologische und soziale Faktoren zunehmend in Investitionsentscheidungen einbezogen werden. Während einige Experten argumentieren, dass ESG vorrangig über die Cashflows wirkt, sehen andere die Kapitalkosten als primären Einflusskanal.

Empirische Studien liefern bisher gemischte Ergebnisse bezüglich des Einflusses von ESG auf Kapitalkosten und Unternehmenswert, wobei die Ergebnisse in Europa tendenziell signifikante ESG-Einflüsse bei den Cost of Equity – insbesondere für die „E“-Komponente – zeigen. Die CO2-Intensität hat bereits seit einigen Jahren Einfluss auf die Performance und das Risiko europäischer Aktien. Die Umsetzung der Vereinbarungen des Pariser Abkommens und die daraus resultierenden politischen Initiativen in der EU, wie u.a. der Green Deal und die EU-Taxonomie, beeinflussen Unternehmen in vielen Bereichen, wie z.B. Produkte und Prozesse, Lieferanten- und Kundenbeziehungen sowie erweiterte Berichtspflichten. Füllgraf und Badel betonen, dass sich daraus einerseits die empirischen Ergebnisse erklären lassen und sich andererseits die Notwendigkeit ergibt, ESG-Faktoren in die finanzielle Bewertung – auch bei M&A-Prozessen – zu integrieren.

Ein zentraler Punkt der Regulierung ist die doppelte Wesentlichkeit (Double Materiality), die sowohl finanzielle als auch nicht-finanzielle Aspekte berücksichtigt. Dieses Konzept erfordert von Unternehmen, sowohl die finanziellen Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf ihre Geschäftstätigkeiten als auch ihre Auswirkungen des Unternehmens auf die Gesellschaft und Umwelt zu berichten. Nachhaltigkeitsaspekte müssen aber in die finanziellen Faktoren einfließen, um Investitionsentscheidungen, Unternehmenswerte und Risikomanagement zu beeinflussen.

Füllgraf und Badel gehen auf verschiedene Modelle und Methoden zur Bestimmung der Kapitalkosten ein, u.a. das Capital Asset Pricing Models (CAPM), Arbitrage Pricing Theorie (APT) und die daraus entstandenen Faktormodelle (z.B. Fama/French). Die beiden letztgenannten sind aus der Kritik am CAPM und dessen schwacher Performance in der Realität entstanden.
Dennoch verwenden viele Unternehmen hauptsächlich das CAPM für die Berechnung von Kapitalkosten.

Die Kapitalmarkttheorie unterscheidet zwischen systematischen und spezifischen Risiken. Während systematische Risiken nicht diversifizierbar sind und alle Unternehmen im Querschnitt betreffen, können spezifische Risiken diversifiziert werden. ESG-Risiken werden bisher i.W. als spezifische Risiken eingeordnet, weil empirisch bisher nicht nachgewiesen werden konnte, dass sie global betrachtet Einfluss auf nahezu alle Unternehmen haben. In dem Sinne müssen die o.g. Modelle möglicherweise um eine Nachhaltigkeits- oder Klimakomponente erweitert werden, sofern in Zukunft systematische Effekte in der Breite – und nicht nur in Europa – nachweisbar sind.

Füllgraf und Badel zeigen auf, dass die Einbeziehung von ESG-Kriterien in den M&A-Prozess nicht nur zur Risikominimierung beiträgt, sondern auch erhebliche Wertsteigerungspotenziale eröffnet. Investoren sind – nicht nur für börsennotierte Unternehmen – zunehmend bereit, höhere Preise für Zielinvestments zu zahlen, die starke ESG-Performances aufweisen. Dies verändert und erweitert die Anforderungen an Due Diligence-Prozesse und die Bewertung von Zielunternehmen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Integration von ESG-Kriterien in den M&A-Prozess und die damit verbundene Analyse von Auswirkungen auf Kapitalkosten und Cash-Flows mitentscheidende Faktoren für den langfristigen Erfolg und die Nachhaltigkeit von Unternehmensübernahmen sind. Unternehmen und Investoren sollten diese Faktoren berücksichtigen, um fundierte und zukunftsorientierte Entscheidungen zu treffen.

Ulf Füllgraf, seit 2010 in der Geschäftsführung der Alpha Centauri Investment Management GmbH, Hamburg, tätig und in der Funktion u.a. für die Bereiche Research, Portfolio- und Risikomanagement verantwortlich. Frühere Stationen waren u.a. Head Portfoliomanagement bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Luzern, Gründer und Leiter des Multi Asset-Bereiches sowie Head of Tactical Asset Allocation bei der Deka Investment in Frankfurt. Alpha Centauri ist auf alternative Risikoprämien- und Faktorstrategien sowie Aktienstrategien mit Klimahintergrund spezialisiert.

Benjamin Badel, seit 2010 bei Alpha Centauri Investment Management GmbH, Hamburg und seit 2019 dort in der Geschäftsführung, u.a. für Research, Portfoliokonstruktion und IT verantwortlich. Schwerpunkte der Arbeit liegen auf den Bereichen Strategie- und Indexentwicklung, Risikomonitoring und Datenmanagement.

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Giga: Potential bei KI-Rechenzentren

Von Dr. Oliver Everling | 17.Dezember 2024

Der weltweite Markt für KI-Rechenzentren könnte innerhalb von fünf Jahren einen Umfang von 50-60 GW erreichen. McKinsey prognostiziert, dass die Nachfrage nach Rechenzentren allein in den USA bis 2030 eine Größenordnung von 80 GW und in Europa von 35 GW erreichen könnte. „Bei Kosten von insgesamt 50 Mio. USD pro MW könnte das Marktpotenzial für KI-Rechenzentren insgesamt 2,5 bis 3,0 Billionen USD betragen“, schreibt Guillaume Chieusse, Portfoliomanager für europäische Aktien bei ODDO BHF AM, in einem aktuellen Marktkommentar.

Kapazitäten für KI-Training notwendig
„Rechenzentren (RZ) bilden das Herzstück der globalen Konnektivität und das Fundament der technologischen Revolution“, erläutert Chieusse. Sie umfassen die für IT-Systeme erforderliche physische Infrastruktur. KI-Rechenzentren eignen sich für Aufgaben wie KI-Training und KI-Inferenz. Da das Training bis zu einem gewissen Grad latenzunabhängig sei, können für KI-Training genutzte Rechenzentren auch in ländlicheren, weniger erschlossenen Gebieten angesiedelt werden, wo Land und Strom reichlich zur Verfügung stehen. Ein herkömmliches Rechenzentrum benötigt 5-10 KW pro Rack, ein KI-Rechenzentrum 60 KW oder mehr.

Der Vormarsch von Digitalisierungs- und KI-Technologien heizt die Nachfrage nach Rechenzentren weltweit an. In den vergangenen Jahren zählte Nachhaltigkeit noch zu den fünf wichtigsten Aspekten beim Bau von Rechenzentren. Mittlerweile spielt dies für die Unternehmen nur noch eine untergeordnete Rolle. Die RZ-Branche muss jedoch dekarbonisiert werden und ihre Emissionen im Zeitraum von 2030 bis 2040 auf netto Null reduzieren. „Dies eröffnet Chancen für Länder mit reichlich kohlenstoffarmer Energie und niedrigeren Temperaturen“, erklärt der Portfoliomanager für europäische Aktien des ODDO BHF AM. „Sie sind strategisch interessant, da dort weniger Strom für die Kühlung benötigt wird.“

„Der RZ-Boom sei auch ein Wachstumsmotor für verschiedene andere Branchen.“, schreibt Guillaume Chieusse. Erstens wird Flüssigkeitskühlung immer beliebter mit einer Wachstumsrate von 46% im Vergleich zur Luftkühlung. Die Flüssigkeitskühlung habe sich als energieeffizienter als die Luftkühlung erwiesen. „Es wird erwartet, dass die Investitionsausgaben im Bereich der Kühlung bis 2028 jährlich um durchschnittlich etwa 18 % steigen werden“, erklärt der Portfoliomanager von ODDO BHF AM. Zweitens sei der Energieverbrauch von Rechenzentren jährlich um ca. 17 % gestiegen. McKinsey prognostiziert in Europa ein weiteres jährliches Wachstum von ca. 13 %.

Von Wachstumsdynamik profitieren
„Als Investor im europäischen Small-Cap-Bereich möchten wir von der Wachstumsdynamik der Rechenzentren profitieren und sind auf mehreren Ebenen entlang der RZ-Wertschöpfungskette positioniert“, schreibt Chieusse. Hill& Smith, ein führendes britisches Infrastrukturunternehmen mit Niederlassungen in Großbritannien und den USA, ist gut aufgestellt, um von der wachsenden Nachfrage nach Rechenzentren zu profitieren.

Keines der vorstehend genannten Unternehmen stellt eine Anlageempfehlung dar, darauf weisen die Analysten hin.

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Rating-Analyse zum Ipsos Cost of Living Monitor 2024

Von Dr. Oliver Everling | 16.Dezember 2024

Der Ipsos Cost of Living Monitor gilt als globales Stimmungsbarometer in 32 Ländern und erfasst die Wahrnehmungen der Menschen in einer sich verändernden Wirtschaftslage. Die Ergebnisse der siebten Auflage liefern aufschlussreiche Einblicke in die weltweite und deutsche Stimmungslage im Hinblick auf Inflation, Preisentwicklung, finanzielle Situation und Steuerpolitik.

1. Inflation – sinkende Raten, anhaltender Pessimismus: Obwohl die Inflation in vielen Ländern nachweislich gesunken ist, wird dies von den Menschen nicht so wahrgenommen. In Deutschland gehen 64 % der Befragten davon aus, dass die Inflation und die Preise in den kommenden 12 Monaten weiter steigen werden — ein Anstieg von 11 Prozentpunkten seit April 2024. Weltweit sind es 65 % der Befragten, die mit höheren Preisen rechnen (plus 7 Prozentpunkte).

Mittelfristig zeigt sich ein vorsichtiger Optimismus. 40 % der Deutschen glauben, dass sich die Inflation nach 2025 wieder normalisieren wird. Dennoch gehen 27 % davon aus, dass dies nie der Fall sein wird.

2. Ursachen für die Preissteigerungen: Die Befragten sehen verschiedene Faktoren als Treiber der Preissteigerungen. In Deutschland erwarten die Menschen in den kommenden sechs Monaten vor allem Preiserhöhungen bei Lebensmitteln (74 %), Energie (66 %) und Benzin (60 %). Als Hauptursachen für die Preissteigerungen nennen 64 % der Deutschen die Politik der Bundesregierung. Ebenso viele (64 %) sehen den Krieg in der Ukraine als Grund für die Preisentwicklungen, wobei der Einfluss dieser Ursache als rückläufig wahrgenommen wird. Weitere Faktoren sind die Lage der Weltwirtschaft (61 %) sowie die Zuwanderung (55 %), deren Einfluss laut Umfrage als zunehmend wahrgenommen wird.

3. Finanzielle Situation der deutschen Bevölkerung: Die Ergebnisse zeichnen ein gemischtes Bild der finanziellen Situation der Deutschen. Mehr als ein Drittel (36 %) der Deutschen fühlt sich heute schlechter gestellt als vor der Corona-Pandemie. Dies entspricht dem weltweiten Durchschnitt (37 %), wobei in Italien (51 %) und der Türkei (58 %) die negative Einschätzung besonders ausgeprägt ist.

Trotz der pessimistischen Rückblicke sieht sich knapp die Hälfte der Deutschen (49 %) finanziell gut aufgestellt, wohingegen 49 % angeben, „gerade so“ über die Runden zu kommen oder ihre Situation als schwierig empfinden.

Der Blick in die Zukunft fällt ähnlich geteilt aus: 48 % der Deutschen erwarten, dass ihr Lebensstandard im kommenden Jahr stabil bleibt. Ein Viertel (27 %) rechnet mit einer Verschlechterung, während 23 % hoffen, dass ihr verfügbares Einkommen 2025 steigt. Im Gegensatz dazu geht ein Drittel (34 %) von einem sinkenden Einkommen aus.

4. Steuerpolitik – Wunsch nach Steuersenkungen: Ein weiteres wichtiges Thema der Umfrage ist die Steuerpolitik. Mehr als die Hälfte der Deutschen (57 %) rechnet mit steigenden Steuern im Jahr 2025. 37 % der Deutschen befürworten Steuersenkungen, selbst wenn dies mit Kürzungen bei öffentlichen Dienstleistungen (z. B. Bildung und Gesundheit) verbunden ist. Dies steht im Kontrast zu anderen europäischen Ländern wie Schweden (40 %), Irland (36 %) oder Großbritannien (35 %), in denen die Bereitschaft, höhere Steuern für öffentliche Investitionen zu akzeptieren, deutlich größer ist. In Deutschland wären nur 19 % der Befragten dazu bereit.

5. Internationale Perspektive: Der Ipsos Cost of Living Monitor bietet auch einen internationalen Vergleich der Stimmungslage. Die Studie zeigt, dass die finanzielle Zufriedenheit in anderen G7-Ländern wie Frankreich, Großbritannien und Italien sogar noch negativer ausfällt als in Deutschland. Im globalen Durchschnitt empfinden 37 % der Befragten ihre finanzielle Situation als schlechter im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit. Besonders kritisch ist die Lage in der Türkei (58 %) und Italien (51 %).

Gleichzeitig offenbart die Umfrage eine weltweite Tendenz zu Steuerreformen. Der Wunsch nach Steuersenkungen ist global verbreitet, während die Bereitschaft, höhere Steuern für das Gemeinwohl zu akzeptieren, in Deutschland geringer ist als in anderen europäischen Ländern.

Methodik: Die Ergebnisse basieren auf der Ipsos Global Advisor-Studie „The Ipsos Cost of Living Monitor“. Zwischen dem 25. Oktober und dem 8. November 2024 wurden 22.720 Personen aus 32 Ländern über das Ipsos Online Panel System befragt. In Deutschland umfasste die Stichprobe etwa 1.000 Personen im Alter von 16 bis 74 Jahren. Die Ergebnisse der Umfrage sind repräsentativ für die erwachsene Bevölkerung in 17 der 32 untersuchten Länder.

Fazit: Die Ergebnisse des Ipsos Cost of Living Monitors 2024 verdeutlichen eine Mischung aus Unsicherheit, Pessimismus und Pragmatismus in Deutschland und weltweit. Trotz sinkender Inflationsraten sind die Befürchtungen hinsichtlich weiter steigender Preise tief in den Köpfen der Bevölkerung verankert. Die Unzufriedenheit mit der eigenen finanziellen Situation bleibt hoch, während die Erwartungen an die Steuerpolitik zeigen, dass viele Menschen individuelle finanzielle Entlastung der Stärkung des Gemeinwohls vorziehen. Diese Befunde spiegeln die Herausforderungen wider, mit denen Regierungen weltweit konfrontiert sind, wenn es darum geht, das Vertrauen der Bevölkerung in die wirtschaftliche Entwicklung wiederherzustellen.

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„Alles lässt sich ändern“ – Die FDP, die deutsche Autoindustrie und der Kampf um die Zukunft der Elektromobilität

Von Dr. Oliver Everling | 10.Dezember 2024

Die deutsche Automobilindustrie steht am Scheideweg. Während die FDP mit ihrem Wahlkampfmotto „Alles lässt sich ändern“ Veränderungswillen signalisiert, zeigt die Realität der Automobilbranche, wie dringlich und tiefgreifend dieser Wandel tatsächlich sein muss. Die Lage ist ernst: Der Anteil deutscher Hersteller an den weltweiten Pkw-Zulassungen ist innerhalb von nur fünf Jahren von 21,4 % auf unter 18 % gefallen. Der globale Automobilmarkt wächst nur moderat, doch die Produktion deutscher Automobilunternehmen sinkt deutlich – ein Weckruf, den man nicht länger ignorieren kann. Über die Fakten berichtet Axel D. Angermann. Er analysiert als Chef-Volkswirt der FERI Gruppe die konjunkturellen, geldpolitischen und strukturellen Entwicklungen aller für die Asset Allocation wesentlichen Märkte.

Besonders alarmierend ist die Entwicklung in China, dem wichtigsten Absatzmarkt für deutsche Hersteller. Noch vor wenigen Jahren galten deutsche Marken wie Mercedes-Benz, BMW und Audi als Statussymbole, die Reichtum und Erfolg demonstrierten. Heute hat sich das Bild gewandelt: Elektrofahrzeuge chinesischer Anbieter dominieren den Markt. Während der Absatz von Verbrennerfahrzeugen in den ersten drei Quartalen um 15 % einbrach, wuchsen die Verkäufe von reinen Elektroautos um 21 % und die von Plug-in-Hybriden sogar um fast 100 %. Das Problem der deutschen Hersteller ist offensichtlich: Sie haben das falsche Produktportfolio. Der Markt fordert Elektroautos, deutsche Konzerne liefern Verbrenner. Selbst im Hybrid-Segment hinken deutsche Marken hinterher, da die in China geforderten elektrischen Mindestreichweiten von deutschen Herstellern oft nicht erreicht werden.

Dieser Rückstand ist das Ergebnis strategischer Fehlentscheidungen und unzureichender politischer Unterstützung. Die deutsche Automobilindustrie hat zu lange auf den Verbrennungsmotor gesetzt und den Umstieg auf die Elektromobilität verschlafen. Das Problem liegt aber nicht nur bei den Herstellern. Auch die Politik hat durch unstetige Rahmenbedingungen dazu beigetragen. Ein Beispiel dafür ist das abrupte Ende der Kaufanreize für Elektroautos, das die Nachfrage vorübergehend einbrechen ließ. Besonders bei Volkswagen wird deutlich, wie politisches Kalkül wirtschaftliche Notwendigkeiten überlagert hat. Über Jahre haben hohe Kostenstrukturen den Konzern belastet, während der Transformationsprozess nur schleppend voranging.

Ein wesentlicher Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Elektromobilitätsmarkt ist die Batteriezellproduktion. Batteriezellen machen etwa 30 % der Wertschöpfung in einem Elektrofahrzeug aus. Wer langfristig wettbewerbsfähig bleiben will, muss diese Technologie selbst beherrschen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die deutsche Industrie diesen Bereich unterschätzt hat. Anstatt mit Mut und Investitionsbereitschaft in diese Schlüsseltechnologie zu gehen, wurden viele Projekte angesichts schleppender Absätze radikal gekürzt. Selbst große Akteure wie Northvolt sehen sich dadurch mit massiven Problemen konfrontiert. Das Ergebnis: Unter den zehn weltweit größten Herstellern von Batteriezellen findet sich kein einziges europäisches Unternehmen. Die Gefahr ist offensichtlich – deutsche und europäische Autobauer drohen langfristig die Kontrolle über die Wertschöpfungskette zu verlieren.

Eine Möglichkeit, diesen Trend umzukehren, könnte die Entwicklung der Feststoffbatterie bieten. Diese Technologie steckt zwar noch in den Kinderschuhen, hat aber das Potenzial, die Spielregeln auf dem Markt neu zu definieren. Deutsche Hersteller hätten die Chance, hier von Anfang an dabei zu sein und sich eine technologische Vorreiterrolle zu sichern. Doch auch das erfordert strategischen Weitblick und Investitionen, die kurzfristig zulasten der Gewinne gehen könnten. Gleichzeitig ist die Politik gefragt, die Unternehmen mit verlässlichen Rahmenbedingungen zu unterstützen. Dazu gehören koordinierte Anstrengungen beim Aufbau der Infrastruktur sowie Kaufanreize, um den Absatz neuer Technologien zu fördern.

Die Entwicklung in der Automobilindustrie ist ein Paradebeispiel für die Herausforderungen der deutschen Industriepolitik. Das Motto der FDP – „Alles lässt sich ändern“ – verdeutlicht die grundsätzliche Bereitschaft zum Wandel. Doch ob dieser Wandel gelingt, hängt nicht nur von der Politik ab, sondern auch von der Weitsicht und Entschlossenheit der Unternehmensführungen. Ohne eine enge Verzahnung von Industrie und Staat droht Deutschland den Anschluss zu verlieren. Ein konstruktives Zusammenwirken könnte hingegen Impulse für eine moderne, strategische Industriepolitik liefern – und der deutschen Autoindustrie eine neue Chance im globalen Wettbewerb eröffnen.

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Rendite-Plus mit skandinavischen Hochzinsanleihen?

Von Dr. Oliver Everling | 5.Dezember 2024

Wer die Chance auf ein Rendite-Plus nicht verpassen möchte, sollte Anleihen aus dem Norden Europas in Erwägung ziehen. Dieser Ansicht ist Daniel Herdt, Portfoliomanager/Analyst bei Lazard Asset Management.

Nordische Hochzinsanleihen seien nach wie vor die Benchmark, wenn es um High Income-Strategien gehe. „In Europa sind die Vorteile von skandinavischen Hochzinsanleihen beim Aufbau eines Anleiheportfolios gut belegt“, argumentiert der Experte. „In Europa hat sich der Markt für High Yield-Unternehmensanleihen in den letzten zehn Jahren deutlich besser entwickelt als der Investment Grade-Markt. Diese Outperformance wurde trotz Phasen hoher Volatilität erzielt, wie zum Beispiel während der Corona-Krise oder des Zinserhöhungszyklus 2022.“ Damals habe die Ausweitung der Spreads zu einem deutlichen Rückgang der Bewertungen von Hochzinsanleihen geführt. Diese Ausverkäufe wären jedoch innerhalb von ein oder zwei Jahren wieder ausgeglichen worden, da der Carry die Kursrückgänge der Anleihen überkompensiert habe.

Innerhalb Europas gilt Herdts Augenmerk Skandinavien. Der Experte fasst die Vorteile der Anlageklasse zusammen: „Nordische Hochzinsanleihen weisen aufgrund des sehr geringen Zinsrisikos, der kürzeren Spread-Duration und der hohen Kupons eine deutlich geringere Volatilität auf als andere Hochzinsmärkte. In Verbindung mit hohen Gesamtrenditen führt dies zu einer außergewöhnlich hohen Sharpe Ratio.“ Trotz eines leichten Rückgangs der Spreads seit ihrem jüngsten Höchststand im Jahr 2022 böten europäische Hochzinsanleihen bis zur Fälligkeit zwar noch immer Renditen von durchschnittlich 6,0 Prozent, Nordic High Yield-Anleihen sogar von 9,0 Prozent (Stand: 30. November 2024).

Die skandinavischen Rentenmärkte hätten im letzten Jahrzehnt einen strukturellen Wandel erlebt: „Diese Region hat sich weltweit als eine der nachhaltigsten und am weitesten entwickelten etabliert“, sagt Herdt. Für den Norden sprächen eine niedrige Staatsverschuldung, eine proaktive Steuerpolitik und ein umfassendes Wohlfahrtssystem. All dies habe die Stabilität und das Wirtschaftswachstum der Region sowie die Widerstandsfähigkeit und Innovationsfreude der dort ansässigen Unternehmen gestärkt.

Auch für die Diversifizierung des Portfolios seien nordische Hochzinsanleihen eine gute Wahl: Trotz ihres regionalen Schwerpunkts würden nordische Hochzinsanleihen eine geringe Korrelation mit anderen Assetklassen aufweisen und stellten somit eine geeignete Diversifizierung für traditionelle Vermögensallokationen dar. Neben einer breiten sektoralen und geografischen Diversifizierung biete ein Engagement in diesem Markt ein einzigartiges Risikoprofil, das den Diversifikationseffekt insgesamt noch verstärke. „Mit rund 9 Prozent bieten nordische High Yield-Anleihen höhere Renditen bis zur Fälligkeit als andere Hochzinsmärkte“, so Herdt. Der Grund hierfür liege in der einzigartigen Emittentenstruktur. „Im nordischen High Yield-Segment finden wir vor allem kleinere, oft noch nicht am öffentlichen Aktienmarkt gehandelte Emittenten, welche zudem meist über keine Bonitätseinschätzung von externen Ratingagenturen verfügen. Dies alles führt zu einer noch relativ engen Investorenbasis im Vergleich zu den etablierten Unternehmensanleihenmärkten. Entsprechend müssen Emittenten eine strukturell höhere Kreditprämie zahlen bei ansonsten vergleichbarer Kreditqualität“, argumentiert der Experte. Des Weiteren könnten Anleger mit einem Investment in den nordischen High Yield-Markt ihr übergeordnetes Risiko begrenzen, da der Großteil der Anleihen in diesem Markt variabel verzinst sei und somit kein signifikantes Zinsrisiko aufweise. Mit knapp drei Jahren sei die durchschnittliche Laufzeit der Anleihen außerdem deutlich niedriger als in anderen High Yield-Märkten, was sich wiederum in einer deutlich geringeren Sensitivität auf Veränderung der Kreditprämien niederschlage.

Für den Portfoliomanager ist klar: Bei nordischen Hochzinsanleihen werde das eingegangene Risiko noch angemessen vergütet. „Obwohl die Ausfallraten für nordische Hochzinsanleihen mit denen globaler oder europäischer Hochzinsanleihenmärkte vergleichbar sind, bieten sie deutlich höhere Kupons und Renditen. Gleichzeitig sorgen das kaum vorhandene Zinsrisiko und die relativ geringe Spreadsensitivität in Kombination mit der hohen Verzinsung der Anleihen für einen auskömmlichen Risikopuffer“, so Herdt.

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Nahtlos, sicher und intelligent: Wie Technologie das Bezahlen neu definiert

Von Dr. Oliver Everling | 4.Dezember 2024

Im Rahmen der Handelsblatt-Tagung „BankenTech“ erläuterte Pascal Beij, Chief Commercial Officer bei Unzer, wie die Digitalisierung und Unified Commerce das Bezahlen revolutionieren. Besonders anhand des SAP Gardens in München zeigte Beij auf, wie eine nahtlose Integration von Zahlungen in den Handel sowohl die Kundenbindung als auch den Geschäftserfolg steigern kann. Zahlungen entwickeln sich demnach nicht mehr nur als technische Notwendigkeit, sondern als strategisches Instrument zur Schaffung eines durchgängig positiven Kundenerlebnisses.

Beij erklärte, dass Unified Commerce durch die Verbindung von verschiedenen Softwarelösungen und Zahlungssystemen den Händlern ermöglicht, ein integriertes und effizientes System für sowohl Online- als auch Offline-Zahlungen zu nutzen. Dies geschieht durch eine Plattform, die Transaktionsdaten in Echtzeit synchronisiert und eine nahtlose User Experience ermöglicht – sei es beim Einkaufen im stationären Geschäft oder beim Online-Shopping. Kunden können zum Beispiel ihre Einkäufe online reservieren und vor Ort bezahlen, was gerade bei Geschäften mit begrenzten Parkmöglichkeiten von Vorteil ist.

Unified Commerce bezeichnet eine Geschäftsstrategie, bei der alle Vertriebskanäle und Touchpoints eines Unternehmens über eine zentrale, integrierte Plattform miteinander verbunden werden. Im Gegensatz zu früheren Modellen wie Single Channel, Multichannel oder Omnichannel geht Unified Commerce noch einen Schritt weiter, indem es nicht nur mehrere Kanäle miteinander vereint, sondern auch eine vollständige, nahtlose Customer Journey über alle Kanäle hinweg bietet, wobei alle Daten und Interaktionen in Echtzeit synchronisiert sind.

Im Single Channel-Modell konzentriert sich das Unternehmen auf einen einzigen Vertriebskanal, z.B. ein Geschäftslokal oder einen Online-Shop. Das Multichannel-Modell bietet mehrere Vertriebskanäle (z.B. Online-Shop, Einzelhandel, Callcenter), jedoch sind diese Kanäle in der Regel unabhängig voneinander, ohne echte Integration. Omnichannel verbessert dieses Modell, indem es verschiedene Kanäle miteinander verbindet, sodass Kunden nahtlos zwischen ihnen wechseln können, beispielsweise indem sie online einkaufen und die Ware im Geschäft abholen.

Unified Commerce geht noch weiter, indem es eine vollständige Integration sämtlicher Geschäftsprozesse und Kundendaten in Echtzeit ermöglicht. Dies bedeutet, dass die Kundenerfahrung über alle Berührungspunkte hinweg konsistent und personalisiert ist, und dass sämtliche Informationen – von Beständen über Transaktionen bis hin zu Kundenprofilen – zentral erfasst und ausgetauscht werden. Ziel ist es, eine ganzheitliche und individuelle Kundenerfahrung zu bieten, unabhängig davon, über welchen Kanal die Interaktion stattfindet.

Dieser Ansatz hat insbesondere durch die Digitalisierung und den zunehmenden Wunsch nach nahtlosen, personalisierten Einkaufserlebnissen an Bedeutung gewonnen. Unternehmen, die Unified Commerce implementieren, können somit nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch die Kundenbindung und das Einkaufserlebnis erheblich verbessern.

Das Unzer-Ökosystem, das in der SAP Arena zum Einsatz kommt, kombiniert verschiedene Zahlungsinstrumente und Kassensysteme und ermöglicht es Händlern, auf die Bedürfnisse ihrer Kunden maßgeschneiderte Lösungen zu bieten. Besonders hervorzuheben ist, dass 60 % der Kunden bevorzugen, im Geschäft zu kaufen, aber die Ware nach Hause liefern zu lassen, was durch Unified Commerce vereinfacht wird. Ebenso bietet der Ansatz für Händler vielfältige Vorteile, wie die Möglichkeit zur Kundenbindung, Akquise und sogar als Überlebensstrategie in einem wettbewerbsintensiven Markt.

Beij hob hervor, dass Unternehmen von der Echtzeit-Datenanalyse und der Vernetzung aller Vertriebskanäle profitieren können. Beispiele wie DB, Fleurop und Zalando, die das Unzer-Ökosystem bereits nutzen, belegen die Wirksamkeit dieses Modells. So bietet Unified Commerce nicht nur eine verbesserte Customer Journey, sondern auch strategische Möglichkeiten für Unternehmen, die die Anforderungen des digitalen Marktes von heute verstehen und umsetzen möchten.

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Die digitale Zukunft gestalten: Das Potenzial von Web3 durch innovative Infrastruktur und regulatorische Anpassung freisetzen

Von Dr. Oliver Everling | 4.Dezember 2024

Auf der Handelsblatt-Tagung „BankenTech“ sprach Julia Martens, Chief of Staff beim Krypto-Verwahrer Finoa, über die Chancen und Herausforderungen von Web3 für den Finanzsektor: „Shaping the Digital Future: Unlocking Web3 Potential Through Innovative Infrastructure and Regulatory Alignment“. Sie skizzierte die Evolution des Internets von Web1, das hauptsächlich statische Inhalte bot, über Web2 mit seinen interaktiven Plattformen, hin zu Web3, einer dezentralen, blockchain-basierten Infrastruktur. Martens betonte, dass Web3 enormes Potenzial für die Finanzmärkte habe, sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch in Bezug auf Sicherheit und Nutzungsvielfalt.

Das wirtschaftliche Potenzial von Web3 liege insbesondere in der Einführung von Kryptowährungen und der Tokenisierung realer Vermögenswerte (Real World Assets, RWA). Kryptowährungen hätten sich mittlerweile als eigene Anlageklasse etabliert, während tokenisierte Vermögenswerte neue Möglichkeiten in den Bereichen Kreditvergabe, dezentraler Handel (DEX-Trading) und On-Chain-Finanzierung eröffnen. Martens hob hervor, dass dezentrale Finanzanwendungen (DeFi) durch den direkten Zugang zu globalen Märkten rund um die Uhr neue Dimensionen für Handel und Settlement schaffen könnten. Dies biete Banken und Investoren immense Möglichkeiten, vorausgesetzt, technologische Barrieren und regulatorische Herausforderungen würden überwunden.

Eine zentrale Rolle spiele die sogenannte „On-Chain-Partizipation“, bei der Akteure durch Governance-Mechanismen, Token-Ansprüche und Liquiditätsbereitstellung (LPing) aktiv Einfluss nehmen könnten. Martens erklärte, dass Prime-Brokerage-Dienste im Web3-Bereich durch ihre breite Abdeckung von Vermögenswerten und den kontinuierlichen Zugang zu Handel und Abwicklung neue Standards setzen könnten. Allerdings seien technologische Reife, Marktumfeld und Risikobereitschaft entscheidende Faktoren für die breitere Adaption dieser Technologien.

Martens verwies auch auf die zunehmende Verschmelzung von dezentralen Finanzdiensten (DeFi) und traditionellen Finanzinstituten (TradFi), ein hybrides Modell, das als „CeDeFi“ bezeichnet wird. Dieses ermögliche es Finanzunternehmen, von der Flexibilität und Innovation dezentraler Technologien zu profitieren, ohne die regulatorischen und operativen Vorteile zentraler Institutionen aufzugeben. Abschließend betonte sie, dass die Tokenisierung traditioneller Vermögenswerte und die Schaffung globaler Zahlungssysteme die Zukunft der Finanzmärkte nachhaltig prägen könnten, sofern Unternehmen bereit seien, innovative Infrastrukturen zu nutzen und regulatorische Hürden zu überwinden.

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Web3, Digital Assets und Blockchain: Regulierung, Potenziale und Anwendungsfälle

Von Dr. Oliver Everling | 4.Dezember 2024

Auf der Handelsblatt-Tagung „BankenTech“ hielt Tobias Tenner, Head of Digital Finance beim Bankenverband, einen Vortrag über die Entwicklung und Bedeutung von Web3, Digital Assets und Blockchain-Technologien. Er begann mit einem historischen Vergleich zum „Red Flag Act“, einem britischen Gesetz aus dem 19. Jahrhundert, das die Einführung von Autos durch strenge Vorschriften behindern sollte. Damit illustrierte er, wie neue Technologien oft auf Skepsis stoßen, bevor sich ihr Potenzial entfaltet.

Tenner zeichnete die Entwicklung der Blockchain-Technologie und digitaler Assets in mehreren Etappen nach: Von der Bitcoin-Disruption im Jahr 2008 über die Einführung von Ethereum im Jahr 2015 bis hin zur zunehmenden Standardisierung und Interoperabilität in den Jahren 2018 und 2019. Er hob hervor, dass die EU ab 2020/21 mit der Entwicklung einer umfassenden Strategie zur Nutzung dieser Technologien begonnen habe. Dabei teilte er digitale Assets in drei Kategorien ein: Währungen auf Blockchain wie Central Bank Digital Currencies (CBDCs) und tokenisiertes Geschäftsbankgeld, digitalisierte Vermögenswerte wie Wertpapiere und Stablecoins sowie native digitale Vermögenswerte wie NFTs und Kryptowährungen.

Besondere Aufmerksamkeit widmete Tenner den CBDCs. Er erläuterte, dass derzeit 134 Zentralbanken weltweit an eigenen digitalen Währungen arbeiten. Viele dieser Projekte, insbesondere in Asien, seien von geopolitischen Überlegungen geprägt, insbesondere dem Wunsch, die Abhängigkeit vom US-Dollar zu reduzieren. Er betonte, dass Stablecoins längst keine Nischenprodukte mehr seien, sondern zunehmend global an Bedeutung gewinnen.

Tenner warnte eindringlich davor, dass Europa Gefahr laufe, den Anschluss an diese Entwicklungen zu verlieren, wenn regulatorische Hürden nicht rechtzeitig überwunden würden. Die Entwicklung von Web3 und Blockchain-Technologien biete enorme Potenziale, erfordere jedoch eine klare Strategie und proaktive Regulierung, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Abschließend appellierte er an die europäischen Finanzakteure, sich stärker mit diesen Technologien auseinanderzusetzen, um nicht hinter anderen Regionen zurückzufallen.

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DORA: Wie neue Meldepflichten eine bessere Übersicht über Cyberrisiken ermöglichen

Von Dr. Oliver Everling | 4.Dezember 2024

Auf der Handelsblatt-Tagung „BankenTech“ erläuterte Benedikt Queng, Referent bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die weitreichenden Auswirkungen des Digital Operational Resilience Act (DORA) auf den Finanzsektor. Diese EU-Verordnung, die ab dem 17. Januar 2025 in Kraft tritt, soll die digitale Widerstandsfähigkeit von Finanzinstituten stärken, indem sie einheitliche Anforderungen an die Erkennung, Meldung und das Management von IT-bezogenen Risiken und Vorfällen vorschreibt.

Queng betonte, dass Cyberangriffe, insbesondere Ransomware-Attacken, zu den größten Bedrohungen für Finanzinstitute gehören. Die zunehmende Auslagerung von IT-Dienstleistungen an Drittanbieter verschärft diese Risiken durch mögliche Abhängigkeiten und sogenannte **Konzentrationsrisiken** – das Risiko, dass viele kritische Funktionen von wenigen externen Anbietern abhängig sind. Ein Beispiel verdeutlichte Queng anhand eines Vorfalls, bei dem ein Software-Update zahlreiche Flugzeuge am Boden hielt. Solche Szenarien zeigen, wie weitreichend die Folgen von IT-Störungen sein können.

Ein zentraler Aspekt von DORA ist die Einführung harmonisierter Meldepflichten für schwerwiegende Informations- und Kommunikationstechnologie-Vorfälle (IKT-Vorfälle). Aktuell erfolgen solche Meldungen in Deutschland gemäß dem BaFin-Rundschreiben 03/2022 (BA). DORA wird diese Vorgaben jedoch vereinheitlichen und die BaFin zur zentralen Meldestelle machen. Queng erläuterte, dass die BaFin künftig alle Vorfallsmeldungen an relevante Institutionen wie die Deutsche Bundesbank, die Europäische Zentralbank (EZB) oder die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) weiterleiten wird, wodurch eine bessere Koordination und schnellere Reaktion ermöglicht wird.

Er führte aus, dass die meisten gemeldeten Vorfälle derzeit Betriebsstörungen sind – etwa 78 Prozent der Vorfälle gehen auf operationelle Fehler zurück. Nur fünf Prozent der gemeldeten Vorfälle sind sicherheitsrelevant, etwa DDoS-Angriffe (Distributed Denial of Service) oder Betrugsversuche durch Phishing. Allerdings bedeutet dies nicht, dass Cyberangriffe selten sind; viele Angriffe werden abgewehrt, bevor sie meldepflichtig werden.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil von DORA ist das Informationsregister, das Finanzinstitute führen müssen. Dieses Register dient sowohl als internes Risikomanagement-Tool als auch zur Informationsbereitstellung für Aufsichtsbehörden. Es soll helfen, Abhängigkeiten von kritischen Drittanbietern (Critical Third-Party Providers, CTPPs) zu identifizieren. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) sowie die EBA werden anhand dieser Informationen entscheiden, welche Drittanbieter einer besonders strengen Überwachung unterliegen.

Ein technisches Rahmenwerk, bestehend aus Regulatory Technical Standards (RTS) und Implementing Technical Standards (ITS), wird die Anforderungen weiter konkretisieren. Die RTS geben detaillierte Vorgaben zur Klassifizierung von Vorfällen, während die ITS die konkreten Anforderungen an die Meldeprozesse definieren.

Queng betonte abschließend, dass die neuen Meldepflichten und der Fokus auf IKT-Risiken nicht nur Herausforderungen, sondern auch Entlastungen mit sich bringen. Durch die zentrale Rolle der BaFin als „Hub“ werden Meldeprozesse effizienter, und Finanzinstitute erhalten klarere Leitlinien im Umgang mit IT-Risiken. Dies wird letztlich dazu beitragen, die Stabilität des Finanzsystems in einer zunehmend digitalen Welt zu sichern.

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Embedded Finance und Open Banking: Neue Regulierung, neue Chancen, neue Player?

Von Dr. Oliver Everling | 4.Dezember 2024

Die Podiumsdiskussion „Embedded Finance und Open Banking: Neue Regulierung, neue Chancen, neue Player?“ im Rahmen der Handelsblatt Tagung „BankenTech“ beleuchtete die tiefgreifenden Veränderungen, die durch neue regulatorische Vorgaben wie PSD3, PSR und FIDA auf Banken und Fintechs zukommen. Moderiert von Prof. Dr. Jürgen Bott von der Hochschule Kaiserslautern, fokussierte sich die Diskussion auf die Frage, wie sich der Markt wandelt und welche Chancen sich daraus für etablierte sowie neue Akteure ergeben.

Marc Bewernik, VP Product bei Qwist, betonte, dass das Hauptproblem nicht in fehlenden technologischen Investitionen der Banken liege, sondern vielmehr in den regulatorischen Anforderungen und einem oft unzureichenden Verständnis für APIs und deren Potenziale. Er erklärte, dass der Kern des Open Banking im Aufbau gesicherter Datenkanäle liege, die es ermöglichen, unterschiedliche Daten nach außen zu transportieren und diese gewinnbringend zu nutzen. Content-Management sei hierbei die Basis für innovative Lösungen. Bewernik sieht den Mehrwert und das Potenzial des Geschäfts darin, Finanzdienstleistungen direkt dorthin zu bringen, wo sie tatsächlich gebraucht werden. Für ihn bedeutet Embedded Finance, dass Banken durch Kooperationen mit Fintechs ihre Kundenschnittstelle nicht zwangsläufig verlieren müssen, sondern sich durch neue Lösungen weiterentwickeln können.

Prof. Dr. Silke Finken von der ISM München hob hervor, dass immer mehr Finanzdienstleistungen außerhalb des traditionellen Bankensektors entstehen. Sie betonte die Bedeutung von Embedded Finance, das zunehmend in die Customer Journey integriert werde. Finken stellte heraus, dass die Kundenschnittstelle eine zentrale strategische Frage darstellt, insbesondere im Dreieck von Banken, Firmenkunden und Privatkunden. In der dynamischen Marktphase, in der sich die Branche derzeit befindet, ergeben sich durch neue Arten der Kooperation zahlreiche Möglichkeiten, Mehrwert zu schaffen. Finken sieht Chancen für Banken, sofern diese Embedded Finance proaktiv und strategisch angehen. Dennoch warnte sie davor, dass Banken Gefahr laufen, durch Fintechs in den Hintergrund gedrängt zu werden, wenn sie ihre Rolle nicht aktiv gestalten.

Hartmut Giesen von der Sutor Bank erinnerte an die Entwicklung der Fintechs in den vergangenen Jahren. Während diese anfangs isoliert von den Banken agierten, hat sich das Bild durch Open Banking und Banking-as-a-Service grundlegend verändert. APIs spielen mittlerweile eine entscheidende Rolle, insbesondere bei der Bereitstellung von Dienstleistungen wie Wertpapierdepots und Dashboards. Giesen hob hervor, dass die Vereinheitlichung der Regulierung in der EU nicht nur hemmend, sondern auch als treibende Kraft wirken kann. Er verwies auf Apple Pay als Beispiel dafür, wie wichtig es für Banken ist, sich technologischen Trends anzupassen. Kunden, insbesondere jüngere Generationen, wählen ihre Bank zunehmend danach aus, ob sie moderne Zahlungsdienste wie Apple Pay unterstützt.

Insgesamt verdeutlichte die Diskussion, dass Embedded Finance und Open Banking den Finanzsektor nachhaltig verändern werden. Banken und Fintechs stehen vor der Herausforderung, neue Kooperationen einzugehen und innovative Lösungen zu entwickeln, um den sich wandelnden Kundenbedürfnissen gerecht zu werden. Die regulatorischen Änderungen schaffen sowohl Hürden als auch Chancen, die es zu nutzen gilt. Entscheidend wird sein, ob und wie Banken ihre strategische Rolle in diesem neuen Ökosystem definieren und gestalten.

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