Russland: Leistungsbilanzüberschuss statt Zusammenbruch
Von Dr. Oliver Everling | 25.August 2022
„Russland weicht einer Kugel aus“, schreibt der Dienst Finimize heute. Ökonomen erwarteten nach all den Sanktionen einen Zusammenbruch Russlands, aber seine hochpreisige Energie hat das verhindert.
Tatsächlich erreichte der Leistungsbilanzüberschuss des Landes – d. h. der Wert der Waren, die es exportiert, abzüglich des Werts der Waren, die es importiert – in den ersten sieben Monaten des Jahres ein Rekordhoch.
Das sind nur gute Nachrichten für die Wirtschaft, weshalb die russische Regierung möglicherweise davon ausgeht, dass die Wirtschaft in diesem Jahr nur um 4 % schrumpfen wird, anstatt der 12 %, die sie vor einigen Monaten prognostiziert hatte.
Siehe auch schon Bloomberg: Russia Current Account Hits Record on Surging Energy Exports.
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Der Ozean als Motor des globalen Klimasystems
Von Dr. Oliver Everling | 24.August 2022
Der Schutz der Ozeane und der Aufbau einer vielseitigen, widerstandsfähigen und umweltverträglichen Meereswirtschaft stehen im Fokus der „Sustainable Blue Economy“. Das FERI Cognitive Finance Institute hat jetzt gemeinsam mit dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und dem FRAUNHOFER Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD die wichtigsten Strategien für eine nachhaltige wirtschaftliche Nutzung der Weltmeere zusammengefasst.
Die Studie mit dem Titel „Sustainable Blue Economy – Transformation, Wert und Potential der marinen Wirtschafts- und Ökosysteme“, stellt aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse vor und beleuchtet potenzielle Investitionsfelder sowie innovative Technologien, die die Schifffahrt, die marine Infrastruktur, die Gewinnung erneuerbarer Energien aus dem Meer und den Meeres- und Küstenschutz revolutionieren könnten. „Im Kontext einer innovativen ‚Sustainable Blue Economy‘ entwickeln sich derzeit mit großer Dynamik neue Ansätze für eine nachhaltigere und gleichzeitig effizientere Nutzung der natürlichen Meeresressourcen. Professionelle Investoren sollten gezielt die strategischen Chancen wahrnehmen, die mit diesen Veränderungen einhergehen“, sagt Dr. Heinz-Werner Rapp, Gründer und Leiter des FERI Cognitive Finance Institute.
Eine der zentralen Erkenntnisse der heutigen Forschung sei, dass der Ozean eine wesentliche Rolle im globalen Energie- und Kohlenstoffkreislauf spielt. Das marine Ökosystem leiste einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit, die Ozeanströmung steuere den planetarischen Wärmeaustausch und der Ozean absorbiere 90 Prozent der globalen Erwärmung und 30 Prozent aller Treibhausgase. „Der Ozean ist der größte Einflussfaktor und Motor des globalen Klimasystems. Durch die Wechselwirkungen zwischen Luft und Wasser beeinflusst er direkt das Wetter und das Klima in unserer Atmosphäre. Eine ausbalancierte Meeresökologie ist die Grundvoraussetzung für das Leben auf der Erde und Basis für viele ökosystemare Dienstleistungen zum Wohl der Menschheit“, erläutert Prof. Dr. Martin Visbeck, Leiter der Forschungseinheit Physikalische Ozeanographie am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Co-Autor der Studie.
Einen wichtigen Beitrag zur umweltverträglichen Transformation der Hochsee-Schifffahrt und mariner Infrastruktur dürften nach Ansicht von Experten künftig Künstliche Intelligenz, Big Data, Blockchain und komplexe digitale Plattformen leisten. Mögliche Anwendungen seien etwa die Überwachung von Schiffsrouten, die Analyse von Wind- und Wellenstärken oder die Verfolgung von Fischschwärmen. Auch digitalisierte Häfen, wie etwa der zu 100 Prozent elektrisch betriebene Yangshan Deepwater Port in Shanghai, seien Beispiele für attraktive marine Investitionsprojekte der Zukunft. „Die Digitalisierung und der Einsatz digitaler Technologien innerhalb der maritimen Branche bieten enormes Skalierungspotenzial im wirtschaftlichen und ökologischen Sinne“, erklärt dazu Dr. Steffen Knodt, Head of Sustainable Ocean Business, Fraunhofer Institut IGD, und Co-Autor der Studie.
Damit die Transformation zu einer nachhaltigen Meereswirtschaft gelingt, müsse die Sustainable Blue Economy deutlich stärker gefördert werden. Der Fokus müsse dabei künftig stärker auf wirtschaftlichen Aktivitäten liegen, die auf Kreislaufwirtschaft, Kooperation, Widerstandsfähigkeit, Chancen und positiver Interdependenz basieren. Eine Schlüsselrolle spiele dabei die globale Finanzindustrie. Die langfristige Finanzierung großer ozeanbasierter Infrastrukturprojekte sowie massiver struktureller Veränderungen in der Fischerei und in der marinen Logistik erforderten wirtschaftliche Anreize und neue regulatorische Grundlagen für Investoren. Mit den im Jahr 2021 entwickelten Sustainable Blue Economy Finance Principles liege dazu bereits ein globaler Rahmen für Banken, Versicherer und Vermögensverwalter vor.
„Ozeanbasierte Infrastrukturprojekte die sowohl den langfristigen Renditeerwartungen als auch dem Risikoprofil großer institutioneller Investoren entsprechen, etwa im Bereich der alternativen Energieerzeugung, bieten hier besondere Chancen. Die Fremdfinanzierung dieser Infrastrukturprojekte kann durch Blue Bonds abgedeckt werden, die durch ihren transparenten Projektfokus ein strukturiertes und sehr gezieltes Impact Investment ermöglichen“, so Antje Biber, Head of SDG Office, FERI AG.
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Explosion der Mietnebenkosten betrifft Millionen
Von Dr. Oliver Everling | 23.August 2022
Die Solidarität mit der Ukraine ist groß: Manche Mieter lassen aus Protest gegen den russischen Angriffskrieg sogar die Fahne der Ukraine an ihrem Fenster flattern. Die Kosten einer solchen Fahne sind aber wahrscheinlich das geringste Opfer, das diese Mieter für ihre Freundschaft mit der Ukraine jetzt erbringen. Zur Kasse geht es erst später.
Der digitale Mietnebenkostenprüfer Mineko erwartet einen Anstieg der Mietnebenkosten von aktuell durchschnittlich ca. 3.000 Euro pro Wohnung auf über 7.000 Euro noch in diesem Jahr. Gründe für den Anstieg sehen die Experten des 2014 gegründeten Unternehmens in den gestiegenen Energiepreise, die Inflation und zusätzlichen Umlagen der Vermieter. Die Mineko-Fachleute gehen außerdem von einem 20-fachen Anstieg der zu prüfenden Mitnebenkostenabrechnungen aus. Deshalb will das Unternehemen das Team um 100 Prüferinnen und Prüfer erweitern.
Das Berliner Unternehmen Mineko prüft seit mehr als fünf Jahren Nebenkostenabrechnungen. Mehr als 20 Gesellschafter haben sich an dem Unternehmen beteiligt. In den ersten Jahren liefen mit dem Geschäftsmodell von Mineko zwar Verluste auf, die Mietnebenkostenexplosion könnte dem Berliner Start-up nun aber zum Durchbruch verhelfen.
Warum Mieter ihre Nebenkostenabrechnungen unbedingt prüfen lassen sollten, beantwortet das Unternehmen so: Interne Daten des Unternehmens zeigen, dass 81 Prozent der Abrechnungen fehlerhaft sind. Für Mieter kann jeder gefundene Fehler bares Geld bedeuten, da sie in diesen Fällen Rückzahlungsansprüche gegenüber den Vermietenden geltend machen können.
Für Mieter mit einer Rechtsschutzversicherung und dem Baustein „Wohnen“ geht die Prüfung der Abrechnung ohne Risiko einher, da Mineko mit einer Vielzahl von Versicherern kooperiert, die die Kosten der Prüfung übernehmen. Für Selbstzahler kann sich der Dienst ebenfalls lohnen, da die Rückerstattungsbeträge durchschnittlich bei 221 Euro liegen. Die Abrechnung für 2022 wird den Mieter bis zum 31.12.2023 zugestellt. Die Prüffrist läuft dann bis zum Ende des Jahres 2024, sogar wenn die Nachzahlung bereits geleistet wurde.
„Die erwartete Verdoppelung der Mietnebenkosten wird viele Haushalte stark unter Druck setzen. Gerade deshalb ist es wichtig zu wissen, dass Mieter in über 80 Prozent der Fälle Rückzahlungsansprüche aufgrund von Fehlern geltend machen können. Das steigende Preisniveau wird Verbraucher:innen dazu verleiten, mehr auf ihr Geld zu achten, weshalb wir von einem 20-fachen Anstieg des Abrechnungsaufkommens ausgehen und unser Team von Prüfer:innen jetzt präventiv ausbauen,“ erklärt Chris Möller, Gründer und Geschäftsführer von Mineko.
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Widerspruch zum momentanen Zwischenhoch
Von Dr. Oliver Everling | 22.August 2022
Ein leichtes Nachlassen der Inflationsdynamik und Gewinnprognosen über den Erwartungen haben in den vergangenen Wochen für kräftigen Aufwind an den Aktienmärkten gesorgt. Nachdem die Börsen Mitte Juni ihr bisheriges Jahrestief erreicht hatten, hat sich die Stimmung unter den Anlegern damit wieder etwas aufgehellt.
„Übertriebene Euphorie ist dennoch nicht angebracht“, warnt indes Dr. Eduard Baitinger, seit 2015 Head of Asset Allocation in der FERI Gruppe. „Bei den aktuellen Kursgewinnen handelt es sich um eine temporäre Erholung innerhalb eines übergeordneten Abwärtstrends. Denn das Fundament, auf dem die momentane Erholung beruht, ist weiterhin äußerst fragil.“
Auch wenn die US-Wirtschaft zuletzt einige Entspannungssignale gesendet habe, sieht er bei den Unternehmensgewinnen den kritischen Faktor. „Der Lohndruck durch den Aufschwung am Arbeitsmarkt und höhere Einkaufspreise bedeuten steigende Kosten für die US-Unternehmen. Da die hohe Inflation wiederum zu negativen Reallöhnen führt, erscheint eine vollständige Weitergabe dieser Kosten an die Verbraucher ausgeschlossen. Hinzu kommt die starke Aufwertung des Dollars. US-Exportgüter werden dadurch teurer. Dies könnten vor allem die großen US-Aktiengesellschaften zu spüren bekommen, die einen wesentlichen Teil ihrer Gewinne im Ausland erwirtschaften. Schon jetzt zeichnet sich bei den Gewinnschätzungen, die auf täglicher Basis aktualisiert werden, eine rückläufige Ertragsdynamik ab. Steigt der Druck auf die Margen weiter, sind Einschnitte bei den Gewinnen unausweichlich.“
Ein weiterer Faktor, der im klaren Widerspruch zum momentanen Zwischenhoch an den Aktienmärkten steht, seien die erneut steigenden Zinsen. „Noch wird dieser Zusammenhang größtenteils ignoriert. Führende Notenbanker der Fed haben zuletzt mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass die Leitzinsen – gerade im Hinblick auf 2023 – deutlich stärker ansteigen könnten als gegenwärtig erwartet. Anleger sollten den Aktienkursen daher nicht hinterherlaufen, sondern abwarten, bis der künftige Zinserhöhungspfad klarer zu erkennen ist. Sollten die Märkte in den kommenden Monaten von größeren Zinsschritten überrascht werden, sind erneute Korrekturen an den globalen Börsen wahrscheinlich. Dann wäre ein guter Zeitpunkt für Nachkäufe gekommen.“
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„Keine Immobilien kaufen“ ist keine Option
Von Dr. Oliver Everling | 18.August 2022
Trotz der bereits deutlich gestiegenen Zinsen halten 50 Prozent der europäischen Immobilien-Investoren nach wie vor an ihrer Investmentstrategie fest. Das hat eine aktuelle Umfrage von Union Investment unter 150 Immobilienunternehmen und institutionellen Immobilien-Investoren in Deutschland, Frankreich und Großbritannien ergeben. 39 Prozent der Befragten wollen in den kommenden zwölf Monaten weniger in Immobilien investieren. Überhaupt keine Immobilien mehr zu kaufen, ist aber nur für 3 Prozent der Umfrage-Teilnehmer eine Option.
„Die langjährige Ära der extrem niedrigen Zinsen endete abrupt zu Beginn des zweiten Quartals. Diese Entwicklung geht auch an den Immobilienmärkten nicht spurlos vorbei. In der Gemengelage aus steigenden Zinsen und rückläufiger Nachfrage müssten theoretisch die Preise von Immobilien deutlich sinken. Das aber war zumindest bis Mitte 2022 auf breiter Front nicht der Fall. Noch sind die europäischen Immobilien-Investoren offenbar in der Preisfindungsphase“, so Olaf Janßen, Leiter Immobilien-Research bei Union Investment.
Die Unsicherheit über die künftige Entwicklung von Zinsen, Energiekosten und Wirtschaft drückt auf die Stimmung der europäischen Immobilien-Investoren. Der von Union Investment in Deutschland, Frankreich und Großbritannien ermittelte Immobilien-Investitionsklimaindex ist in allen drei Ländern gesunken. Am stärksten hat sich die Stimmung in Frankreich verschlechtert: Das Barometer sank im ersten Halbjahr 2022 um 8,8 auf 60,3 Punkte. In Deutschland liegt der Index aktuell bei 59,7 Punkten, ein Minus von 4,3 Punkten. Und in Großbritannien rutschte das Barometer um 3,2 auf 65,6 Punkte.
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Fehlende Blaupausen für bessere Systeme
Von Dr. Oliver Everling | 9.August 2022
Für Menschen in autokratisch regierten Staaten kann die Europäische Union (EU) kein Vorbild sein, wie auch die politischen Verhältnisse in den USA kaum eine Blaupause dafür sein können, in welche Richtung die Autokratien der Welt umgebaut werden sollten. In Europa leben Menschen mit unterschiedlichen Rechten, die ihnen von Geburt an verliehen sind – dies liegt im Wesen von Monarchien, die die politische Sonderstellung und erblichen Privilegien bestimmter Familien festschreiben.
Kaum einer würde in der Volksrepublik China daher auf die Idee kommen, unter den 56 Völkern des bevölkerungsreichsten Staates der Welt wieder Königshäuser ins Leben zu rufen, um dem „Vorbild“ Europas zu folgen. Daher ist der Gedanke absurd, dass Europa mit seinen 12 Monarchien als Modell fungieren könnte. Ebenso wünscht sich in Peking oder Moskau keiner einen Sturm wie auf das Kapitol in Washington.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs öffneten sich für deutsche Unternehmen nicht nur riesige neue Absatzmärkte. „Darüber hinaus konnten sie die lohnintensive Produktion in osteuropäische Länder auslagern,“ schreibt Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL, „dort günstige Rohstoffe einkaufen und in den Westen transportieren. Der Krieg in der Ukraine hat die steigenden Inflationsraten mit explodierenden Rohstoff- und Energiepreisen seit Februar mit befeuert, was einen weiteren Trend der letzten Dekade beendet hat: die immer tiefer sinkenden Zinsen.“
Von allen Regimewechseln sieht Carsten Mumm die deutsche Volkswirtschaft erheblich betroffen, auch weil das Erfolgsmodell der exportorientierten Industrie mit einem Schwerpunkt auf hochwertige Fahrzeuge, Anlagen, Maschinen und Chemieprodukte seit Jahrzehnten nahezu reibungslos funktionierte: „Dem Erfolg dieser Strategie steht heute das Versäumnis im Weg, rechtzeitig die Weichen für die Zukunft zu stellen. Die Schwächen werden heute nicht nur aufgrund der Abhängigkeiten von einzelnen Rohstofflieferanten und den, bis zum globalen Lockdown, maximal effizienten globalen Lieferketten offensichtlich. Nun droht der Wegfall weiterer wichtiger Absatzmärkte, wenn sich die geopolitische Lage zwischen China und Taiwan weiter zuspitzt und auch die chinesischen Handelsbeziehungen sanktioniert werden müssen. Unübersehbar ist zudem, dass nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa den Anschluss an die Entwicklung der Internet-Technologie verloren hat.“
Angesichts der vielfältigen Zeitenwenden und Krisenherden sei eine wirtschaftliche, politische und möglicherweise auch gesellschaftliche Erneuerung zwingend notwendig: „Anstatt immer weiter kurzfristig auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren, brauchen wir ein klar umrissenes Zielbild und die Wegbeschreibung zu einer modernen und wettbewerbsfähigen Volkswirtschaft, die auf demokratischen und marktwirtschaftlichen Grundsätzen basiert. Ein solches Modell hätte im internationalen Systemwettbewerb mit der zunehmenden Anzahl an Autokratien zudem eine klare Signalfunktion.“
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Chinas „Dynamic Zero-Covid“-Strategie mit Abwärtsrisiken
Von Dr. Oliver Everling | 5.August 2022
Die anhaltende politische Unterstützung und ein sich verbesserndes makroökonomisches Umfeld dürfte der Union Bancaire Privée (UBP) zufolge nach einem sehr schwachen zweiten Quartal eine allmähliche Erholung bei chinesischen Aktien bewirken. „Auf dem Parteikongress im Juli bestätigte die chinesische Führung, dass sich das Wirtschaftswachstum im zweiten Halbjahr 2022 auf etwa 5 Prozent erholen sollte und wollte damit Stabilität signalisieren, während das offizielle Wachstumsziel von 5,5 Prozent für 2022 aufgrund des Rückgangs des BIPs um 2,6 Prozent im zweiten Quartal fallengelassen wurde“, schreibt Carlos Casanova, Senior Economist für Asien bei UBP, in einem aktuellen Marktkommentar. „Wir gehen unverändert von einem geringeren Wachstum von 3,7 Prozent in diesem Jahr aus.“
Die Erholung basiere insbesondere auf Umkehrungseffekte beim Konsum und dem verarbeitenden Gewerbe im Juni, die sich nach der Wiederöffnung der Corona-bedingten Lockdowns im April und Mai einstellte. „Ein Großteil dieser Erholung ist auf einen Nachholbedarf bei den Exportaufträgen zurückzuführen. Doch da die Rezessionswahrscheinlichkeit in der Eurozone und in den USA steigt, wird das außenwirtschaftliche Umfeld in den kommenden Monaten weniger günstig ausfallen“, so Casanova. Der Asien-Experte geht daher davon aus, dass die Konjunkturdaten im Juli zu ihrem Trend zurückkehren werden und von da an nicht mehr exponentiell steigen.
Der Einbruch im Wohnungsbausektor sorge für eine Verlangsamung der Erholung im zweiten Halbjahr und erfordere eine sorgfältige politische Koordinierung. „Wir gehen davon aus, dass die politischen Entscheidungsträger in Zukunft auf gezielte Maßnahmen zurückgreifen werden, um die Risiken zu mindern. Eine generelle Änderung der Geldpolitik ist jedoch nicht zu erwarten. Sie sollte akkommodierend bleiben, ohne den Markt mit Liquidität zu überschwemmen“, ist Casanova überzeugt. Die Fiskalpolitik Chinas werde ab dem vierten Quartal für zusätzliche Impulse sorgen.
Potenzielle Abwärtsrisiken sieht der Asien-Experte nach wie vor bei Chinas „Dynamic Zero-Covid“-Strategie. Vor diesem Hintergrund sollten Anleger auf qualitativ hochwertige Unternehmen in Sektoren setzen, die von den politischen Prioritäten des 14. Fünfjahresplans profitieren. Bei Unternehmensanleihen sei jedoch nach wie vor Vorsicht geboten. „Im Hochzinsbereich bleiben wir zurückhaltend. Potenzielle Spillover-Risiken für qualitativ hochwertigere Namen und AT1-Anleihen chinesischer Banken sollten nicht unterschätzt werden.“ Außerdem werde das (geld-)politische Gefälle gegenüber den USA auch im zweiten Halbjahr 2022 groß bleiben.
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Aufforstung gegen unvermeidbare CO2-Emissionen
Von Dr. Oliver Everling | 2.August 2022
Das Hamburger Technologie-Startup CarbonStack will es Unternehmen ermöglichen, unvermeidbare CO2-Emissionen mit regionalen Aufforstungsprojekten zu kompensieren. Transparenz soll dadurch erreicht werden, dass alle Wälder mit hochauflösenden Satellitenbildern überwacht und die Kompensationsmengen auf einer energiesparenden Blockchain dokumentiert werden – Greenwashing soll damit ausgeschlossen sein. Nun erhielt das Startup eine Seed-Finanzierung in Höhe von 500.000 Euro.
„Der Klimawandel schreitet rasend schnell voran. Ohne ein stark erhöhtes Volumen an Kompensation müssten wir in sieben Jahren alle Treibhausgasemissionen vermieden haben, um das 1,5°C-Ziel zu erreichen. Das werden wir nicht schaffen. Unser Ziel ist es, diese Kompensation so messbar und transparent wie möglich zu gestalten“, erklärt Julian Kakarott, Geschäftsführer und Gründer von CarbonStack. Dafür entwickelt das Startup regionale Aufforstungsprojekte für Unternehmen, die ihre unvermeidbaren CO2-Emissionen kompensieren möchten. So wurden allein diesen Frühling durch CarbonStack über 45.000 Bäume in Deutschland gepflanzt.
Der Fokus liegt hierbei auf Waldflächen, die schon heute stark unter dem Klimawandel leiden. Es laufen daher weitere große Projekte im Harz und in Nordrhein-Westfalen an. Doch das ist erst der Anfang: Mithilfe der Seed-Finanzierung in Höhe von 500.000 Euro durch den Business Angel Per Liljenqvist wird das vierköpfige Gründerteam nun die bestehenden Technologien in den Bereichen Blockchain, Remote Sensing – die Überwachung der Erdoberfläche per Satellit – und Umweltmodellierung für eine präzise Prognose der CO2-Bindung weiterentwickeln. „Wir freuen uns sehr über das Vertrauen in unsere Vision. Durch die Investition in unsere Technologie können wir Kompensationsmöglichkeiten schneller skalieren, genauer dokumentieren und neue Kunden gewinnen“, so Kakarott. Genau für diese Technologie erhielt CarbonStack kürzlich zusätzlich die InnoRampUp Förderung der IFB Hamburg. Diese fördert besonders innovative, technologiebasierte Geschäftsmodelle aus der Hansestadt.
„Der Markt für Kompensationsprojekte boomt. Doch in Zeiten von Greenwashing ist uns Transparenz besonders wichtig und das zeichnet uns aus“, so Kakarott. Über Blockchain-Technologie macht CarbonStack die CO2-Kompensation von Unternehmen fälschungssicher und dokumentiert Herkunft und Wirkung transparent für alle Beteiligten. Dafür arbeitet das Gründerteam eng mit der Algorand Foundation zusammen, um ein Register für CO2-Kompensationen aus Deutschland aufzubauen. Algorand ist eine Blockchain-Technologie, die schnelle Transaktionen mit einem sehr geringen Energieaufwand ermöglicht. Zudem werden die verbleibenden Emissionen kompensiert. Laut Kakarott war es CarbonStack wichtig, mit einem CO2-neutralen Technologie-Partner zusammenzuarbeiten.
Das Start-up setzt außerdem auf Satellitendaten, um jene Flächen in Deutschland zu identifizieren, wo neuer Baumbestand dringend erforderlich wäre. Mit Hilfe der Satellitenbilder lässt sich gleichzeitig der Erfolg der Aufforstung messen. Dafür nutzt CarbonStack Erdbeobachtungssatelliten der neusten Generation, die Bilder aus dem Weltall mit einer Auflösung von 30 Zentimetern pro Bildpunkt auf die Erde schicken und damit praktisch jeden einzelnen Baum sichtbar machen. CarbonStack analysiert die Daten eigenständig mit der hauseigenen KI-Expertise. Bislang hat das Startup Daten von 1,5 Millionen Bäumen in der DACH-Region ausgewertet.
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Welche Daten halten die EZB ab?
Von Dr. Oliver Everling | 1.August 2022
Axel D. Angermann analysiert als Chef-Volkswirt der FERI Gruppe das Verhalten der US-amerikanischen und der europäischen Zentralbanken: „Die Fed, die im vergangenen Jahr die Inflationsentwicklung lange Zeit falsch eingeschätzt hatte, korrigierte ihre Position seit dem Herbst 2021 schrittweise und stellte spätestens seit dem Frühjahr 2022 ihr Handeln vollständig in den Dienst der Inflationsbekämpfung. Negative Veränderungsraten des BIP nahm und nimmt sie billigend in Kauf und vertraut darauf, dass das Fehlen gravierender gesamtwirtschaftlicher Ungleichgewichte das Ausmaß des wirtschaftlichen Abschwungs begrenzt.“
Bis zum Jahresende habe die Fed weitere Zinserhöhungen um insgesamt 75 Basispunkte angekündigt, berichtet Axel D. Angermann, obwohl es aller Voraussicht nach auch im zweiten Halbjahr 2022 bei einer sehr schwachen und möglicherweise sogar negativen Wirtschaftsentwicklung in den USA bleiben werde.
Der Chef-Volkswirt sieht die EZB jetzt gefordert: „Die EZB könnte von der Fed lernen, denn auch im Euroraum sind die Inflationsraten exorbitant hoch, und die EZB ist sogar primär auf das Ziel der Preisniveaustabilität verpflichtet (während die Fed auch immer noch den Arbeitsmarkt im Blick hat). Zwar hat die EZB im Juli (viel zu spät) einen ersten Zinsschritt vorgenommen, ihr weiteres Vorgehen allerdings bewusst offengelassen. Stattdessen will sie von Sitzung zu Sitzung jeweils ‚datenabhängig‘ entscheiden, ob und in welchem Umfang sie die Zinsen anheben wird. Da auch im Euroraum das Wunder eines plötzlichen Inflationsrückgangs nicht eintreten wird, ist gänzlich unklar, welche Daten die EZB davon abhalten sollten, mit weiteren Zinserhöhungen ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Besser wäre es deshalb, nach dem Vorbild der Fed eine klare Linie zu verfolgen und diese so zu kommunizieren, dass sich Unternehmen und Verbraucher darauf einstellen können.“
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Warnung vor Solar- und Windkraftherstellern
Von Dr. Oliver Everling | 1.August 2022
Die Investmentboutique Wagner & Florack warnt davor, nach den Kursverlusten der vergangenen Wochen vermeintlich günstig bewertete Aktien mit Value-Unternehmen zu verwechseln. „Autobauer, Fluggesellschaften und Tourismusunternehmen mit hohem Kapitaleinsatz und schwachen Margen sind auch nach dem Kursrutsch der vergangenen Wochen keine attraktiven Portfoliounternehmen für uns und sie sind nicht günstig“, sagt Dominikus Wagner, Firmengründer und Fondsmanager des Wagner & Florack Unternehmerfonds. Wagner & Florack investiert nach eigenen Grundsätzen1 in Aktien von Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell aufgrund von Preissetzungsmacht, Marken, Patenten und einer sehr guten Bilanzqualität schützen und durch stabile Gewinne den Unternehmenswert langfristig steigern können.
Wenn die Unternehmensqualität fehlt, bleibt Wagner & Florack auch bei sogenannten „Megatrends“ skeptisch. Zwar lassen sich die Entwicklungen, wie beispielsweise der staatlich geförderte Ausbau erneuerbarer Energien und die steigende Nachfrage nach veganen Lebensmitteln gut begründen. Aber das bedeute nicht, dass Unternehmen aus Trend-Branchen damit zwangsläufig als attraktive Beteiligungen für den Wagner & Florack Unternehmensfonds in Betracht gezogen werden. „Viele dieser Firmen haben einen viel zu hohen Kapitaleinsatz, nur geringe Skaleneffekte in einem intensiven Wettbewerbsumfeld sowie chronisch geringe Margen und dadurch eine hohe und wachsende Verschuldung“, erläutert Dominikus Wagner.
Ein typisches Beispiel seien Solar- und Windkrafthersteller, die aufgrund des extrem kapitalintensiven Geschäftsmodells kaum Skaleneffekte aufweisen und im intensiven Wettbewerb keine Preissteigerungen durchsetzen könnten. So lasse sich laut Wagner auch unter idealen Marktbedingungen kaum etwas verdienen. „Mit den höheren Lieferkettenkosten rutschen solche Firmen schnell in die roten Zahlen und die Schulden steigen weiter.“ Das betreffe auch Anbieter von veganen Nahrungsmitteln wie Beyond Meat oder Veganz, die aktuell unter ihrer mangelnden Preissetzungsmacht und fehlenden Skaleneffekten leiden, was sich an den eingebrochenen Aktienkursen ablesen lasse. „Der Kapitalbedarf für junge spezialisierte Marken ist durch die gestiegenen Inputkosten viel höher als ursprünglich kalkuliert und diese Kosten können nicht über große Absatzmengen kompensiert werden. Zwar sind die Kurse deutlich gefallen, ein gutes Langfrist-Investment stellen sie jedoch trotzdem nicht dar,“ resümiert Wagner. Finanzstarke Unternehmen wie Nestlé können dagegen das nachgefragte Vegan-Geschäft über das globale Vertriebsnetz mitfinanzieren und skalieren. Daher kann Nestlé mit seinen Vegan-Marken wie „Garden Gourmet“ ein profitables Wachstum vorweisen. „Es ist ein weitverbreiteter Irrglaube, dass jedes Unternehmen, das einen Wachstumstrend bedient, auch ein gutes Investment ist“, sagt Wagner.
Damit gelten bei Wagner & Florack auch für Trend-Firmen die ökonomischen Grundlagen, die für langfristigen Unternehmenserfolg und die nachgelagerte Kursentwicklung sprechen. „Die Zinsen steigen zwar, aber die realen Renditen bleiben bis auf weiteres angesichts der hohen Inflation tiefrot. Das bedroht das Vermögen vieler Sparer mit Girokonto-, Sparbuch- und Festgeldanlagen. Gerade unter langfristigen Aspekten sind Beteiligungen an soliden und stark wachsenden Firmen der beste Weg, um Vermögen substanziell auch vor der Inflation zu schützen und langfristig zu mehren“, ist Wagner überzeugt.
Auch in Phasen hoher Anlegernervosität schneiden robuste und profitable Qualitätsunternehmen in der Regel besser ab als der breite Aktienmarkt, auch wenn Kursschwankungen sie in Mitleidenschaft ziehen. „Es braucht Zeit und Disziplin. Aber wer sich auf echte Qualität zu angemessenen Bewertungen im Portfolio konzentriert, sollte sich auch in hektischen Börsenzeiten keine Sorgen zu machen brauchen. Unsere Firmen verdienen operativ weiterhin sehr gut und trotzen grosso modo dem hohen Inflationsdruck“, resümiert Wagner.
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