Nordic High Yield bleibt stabiler Hafen

Von Dr. Oliver Everling | 28.April 2025

Angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen und hoher Volatilität an den globalen Kapitalmärkten präsentiert sich der nordische High Yield-Markt erneut als verlässlicher Stabilitätsanker. Daniel Herdt, Portfoliomanager bei Lazard Asset Management, sieht mehrere strukturelle Merkmale, die dem Segment seine Widerstandsfähigkeit verleihen – und gleichzeitig für attraktive risikoadjustierte Renditen sorgen.

„Trotz hoher Unsicherheit am Markt hat sich Nordic High Yield auch im ersten Quartal 2025 deutlich robuster gezeigt als viele andere risikobehaftete Anlagesegmente“, erklärt Herdt. Das Renditeprofil sei dabei überdurchschnittlich attraktiv geblieben: „Aktuell beobachten wir ein Renditeniveau von rund 10 Prozent – bei sehr niedriger Zinssensitivität und deutlich geringerer Volatilität als in den traditionellen High Yield-Märkten“, so Herdt.

Die auch aktuell geringere Schwankungsbreite sei laut Herdt vor allem auf drei Faktoren zurückzuführen: „Zum einen handelt es sich um einen stark lokal geprägten Markt. Viele Unternehmen sind inländisch aktiv, was sie weniger anfällig für externe Schocks wie geopolitische Eskalationen oder Zollmaßnahmen macht.“ So liege der Exportanteil nordischer Unternehmen in die USA bei nur rund 9 Prozent – im Vergleich zu über 20 Prozent im EU-Durchschnitt.

Diese im internationalen Vergleich geringere Exportabhängigkeit mache den nordischen High Yield-Markt weniger anfällig für protektionistische Maßnahmen oder kurzfristige handelspolitische Volatilität. „Ein Großteil der nordischen Emittenten – häufig Micro Cap- oder Small Cap-Unternehmen – ist des Weiteren stark im heimischen Markt verankert und bietet überwiegend lokal ausgerichtete Dienstleistungen oder Produkte an“, so Herdt. Das reduziere die direkte Betroffenheit durch globale Handelskonflikte nochmals signifikant. Ausgenommen sind hier Sektoren wie Transport, Öl und Gas.

Zweitens dominieren im Segment nordischer Hochzinsanleihen Unternehmen ohne externes Rating. Diese meist kleineren, jungen Emittenten würden sich in einem strukturell ineffizienteren Marktumfeld finanzieren – und böten Investoren dafür eine Renditeprämie von im langfristigen Durchschnitt mehr als 200 Basispunkten gegenüber traditionellen Märkten.

Drittens sei ein Großteil der Papiere variabel verzinst. Dadurch entfalle nahezu vollständig die Zinssensitivität – ein erheblicher Vorteil in einem volatilen Zinsumfeld. Auch die Spreadsensitivität, welche durch die Kennzahl Spread Duration ausgedrückt wird, sei mit durchschnittlich rund 2,4 Jahren vergleichsweise kurz, was die Anfälligkeit gegenüber Spread-Ausweitungen zusätzlich reduziere.

„Trotz schwächelnder Konjunkturdaten in Europa und anhaltender Volatilität bleiben die Ausfallraten im nordischen High Yield-Segment überschaubar – und zeigen erste Zeichen der Entspannung“, betont Herdt. Auch Frühindikatoren wie die sogenannte Distressed Ratio würden Entwarnung signalisieren: Lediglich zwei Prozent der Anleihen würden derzeit mit deutlichen Kursabschlägen unterhalb von 90 Prozent des Nennwerts notieren. „Das ist historisch niedrig – und spricht für die solide Kreditqualität vieler Emittenten“, erklärt der Experte.

Hinzu komme: Viele Unternehmen im Segment hätten sich bereits an ein Umfeld höherer Finanzierungskosten angepasst – durch variable Kupons und regelmäßige Refinanzierungen auf höherem Zinsniveau. „Das erhöht die Transparenz für Investoren und erleichtert die Einschätzung der Kreditqualität“, so Herdt.

Für den weiteren Jahresverlauf sieht Herdt keinen Grund zur Skepsis: „Sollte sich die US-Handelspolitik etwas entspannen, erwarten wir eine stabile Entwicklung, sowohl auf der Renditeseite als auch beim Emissionsverhalten.“ Der Primärmarkt habe sich zuletzt lebhaft gezeigt, das Universum an investierbaren Titeln wachse kontinuierlich. Die Kombination aus steigender Marktbreite, solider Emittentenqualität und attraktivem Carry mache das Segment weiterhin besonders interessant.

Die Mehrrendite im nordischen High Yield-Segment gegenüber traditionellen Unternehmensanleihenmärkten sei weiter intakt: „Die strukturelle Prämie gegenüber traditionellen High Yield-Märkten bleibt bestehen – und in einem Umfeld, das von Unsicherheit und politischen Risiken geprägt ist, bietet Nordic High Yield eine überzeugende Balance aus Ertragspotenzial und Stabilität“, so Herdt abschließend.

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Markt, Volatilität und Kreditmärkte

Von Dr. Oliver Everling | 28.April 2025

Die globale Finanzwelt befindet sich in einer Phase hoher Unsicherheit. Die jüngsten Kommentare von Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF SE, zeichnen ein Bild großer Nervosität an den Märkten, getrieben durch erratische politische Entscheidungen und eine volatile Wirtschaftslage. Diese Faktoren haben nicht nur Auswirkungen auf die Aktienmärkte, sondern könnten auch die Entwicklung von Credit Ratings in den kommenden Monaten erheblich beeinflussen.

Nach Ansicht von Professor Viebig bleibt die Unsicherheit trotz gelegentlicher Entspannungssignale hoch. Die Wirtschaftspolitik der US-Administration, insbesondere die handelspolitischen Maßnahmen und der Umgang mit der US-Notenbank, haben das Vertrauen der Anleger nachhaltig beschädigt. Selbst wenn Präsident Trump versöhnlichere Töne anschlägt und von einer möglichen Reduktion der Zölle spricht, bleibt die politische und wirtschaftliche Lage angespannt. Auch die Haushaltsstreitigkeiten im US-Kongress und die wachsende Staatsverschuldung bergen zusätzliche Risiken für die Stabilität der Finanzmärkte.

In einem solchen Umfeld dürften die Credit Rating Agenturen wie Moody’s, S&P und Fitch besonders wachsam agieren. Die Kombination aus politischer Unsicherheit, konjunktureller Abschwächung – wie sie auch durch die Abwärtskorrekturen des Internationalen Währungsfonds bestätigt wird – und einer erhöhten Volatilität an den Märkten könnte in den kommenden Monaten vermehrt zu Herabstufungen von Ratings führen, insbesondere bei Staaten und Unternehmen mit bereits angespanntem finanziellen Profil.

Gerade Staaten mit hoher Verschuldung – wie die USA selbst – könnten unter Beobachtung geraten. Zwar wäre eine Herabstufung der US-Kreditwürdigkeit ein gravierender Schritt mit weitreichenden Konsequenzen für die globalen Finanzmärkte, doch politische Instabilität und steigende Defizite erhöhen langfristig den Druck. Auch Unternehmen, deren Geschäftsmodelle stark von internationalem Handel abhängig sind oder die unter hohen Zinslasten leiden, könnten künftig häufiger negative Ratinganpassungen erfahren.

Professor Viebigs Analyse der historischen Marktbewegungen bietet jedoch auch eine Perspektive der Chancen: Phasen extremer Volatilität – wie zuletzt im April 2025, als der VIX-Index auf über 50 stieg – sind historisch betrachtet oftmals Einstiegsgelegenheiten für langfristige Investoren gewesen. Diese Marktdynamik könnte auch Auswirkungen auf die Kreditmärkte haben. Denn wenn Investoren bereit sind, Risiken einzugehen und Aktien in unsicheren Zeiten zu kaufen, könnte sich diese Risikobereitschaft auch in einer höheren Nachfrage nach Unternehmensanleihen niederschlagen – zumindest bei Emittenten mit stabilen Fundamentaldaten.

Zusammenfassend zeigt sich: Die Entwicklung der Credit Ratings wird in den kommenden Monaten maßgeblich von der weiteren politischen und wirtschaftlichen Lage bestimmt werden. Setzen sich die Unsicherheiten fort, sind vermehrte Herabstufungen wahrscheinlich. Eine Stabilisierung der politischen Verhältnisse und eine Erholung der Wirtschaft könnten hingegen die Kreditmärkte beruhigen. Investoren sollten daher nicht nur auf die aktuelle Marktvolatilität achten, sondern auch die längerfristigen fundamentalen Risiken im Blick behalten, die sich in den Credit Ratings niederschlagen werden.

 

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Stimmungsaufhellung in der deutschen Wirtschaft: Positive Signale mit Relevanz für Credit Ratings

Von Dr. Oliver Everling | 24.April 2025

Die jüngste Entwicklung des ifo-Geschäftsklimaindex deutet auf eine leichte Aufhellung der wirtschaftlichen Stimmung in Deutschland hin, was auch relevante Implikationen für die Bewertung von Kreditrisiken mit sich bringt. „Die Stimmung der deutschen Unternehmen hat sich im April überraschend verbessert“, heißt es in dem Bericht von Dr. Johannes Mayr, Chefvolkswirt bei Eyb & Wallwitz. Er sieht das als ein Anzeichen dafür, dass sich unternehmerische Erwartungen trotz anhaltender externer Unsicherheiten stabilisieren. Der Index verzeichnete im April einen Anstieg um 0,2 Punkte auf 86,9 und ist damit den vierten Monat in Folge gestiegen. Diese Dynamik könnte auf eine allmähliche Normalisierung der makroökonomischen Rahmenbedingungen hindeuten, was insbesondere für Kreditratingagenturen von Interesse ist, da sich dadurch das Risikoprofil deutscher Unternehmen verbessern könnte.

Dabei ist bemerkenswert, dass sich die Einschätzung zur aktuellen Geschäftslage deutlich verbessert hat, obwohl die Geschäftserwartungen für die kommenden sechs Monate leicht zurückgingen. Diese Diskrepanz deutet auf eine differenzierte Risikobewertung hin, bei der kurzfristige Risiken nach wie vor bestehen, aber durch positive strukturelle Faktoren relativiert werden. Vor allem in der Binnenwirtschaft wirken derzeit mehrere unterstützende Kräfte: „Die hohe Unsicherheit und der Gegenwind durch die Handelspolitik werden durch positive binnenwirtschaftliche Weichenstellungen kompensiert“, betont Dr. Johannes Mayr. Die koordinierte Ausrichtung von Geld- und Fiskalpolitik – „erstmals seit vielen Jahren wirken Geld- und Fiskalpolitik in Deutschland in die gleiche Richtung“ – stellt dabei eine besonders tragfähige Grundlage für eine Stabilisierung der Investitionstätigkeit und somit auch der Unternehmensbilanzen dar.

Die sektorale Differenzierung zeigt jedoch auch, dass das Kreditrisiko nicht homogen verteilt ist. Während in der Industrie und im Handel die Stimmung aufgrund internationaler Belastungsfaktoren wie den „Zollanhebungen in den USA“ eingetrübt ist, profitieren auf das Inland fokussierte Sektoren wie Dienstleistungen und Bauwirtschaft von der positiven Binnenkonjunktur. Für Credit Ratings bedeutet dies, dass insbesondere unternehmen, die stark auf den deutschen oder europäischen Binnenmarkt ausgerichtet sind, momentan als weniger risikobehaftet einzuschätzen sein könnten. Diese Unternehmen profitieren von verbesserten Finanzierungskonditionen, wie der Mayr hervorhebt: „Zinssenkungen der EZB und der Zustrom von ausländischem Kapital“ schaffen ein Umfeld, in dem Kreditaufnahmen günstiger werden und Investitionen zunehmen können.

Die daraus resultierende Verbesserung der konjunkturellen Fundamentaldaten wirkt sich mittelbar auf das Default-Risiko und damit auf die Wahrscheinlichkeit von Ratinganhebungen aus – vor allem bei Emittenten, deren Geschäftsmodell stark von inländischer Nachfrage abhängt. Gleichzeitig müssen Ratinganalysten jedoch auch die weiterhin bestehende Belastung durch außenwirtschaftliche Risiken, insbesondere durch protektionistische Maßnahmen in den USA und die aggressive Preissetzung chinesischer Unternehmen, im Auge behalten. Für die Risikobewertung ergibt sich daraus ein gespaltenes Bild: stabile bis verbesserte Aussichten für binnenwirtschaftlich verankerte Unternehmen, jedoch erhöhte Unsicherheiten für exportorientierte Branchen.

Letztlich ist die Entwicklung des ifo-Geschäftsklimaindex ein Frühindikator, der zwar auf eine mögliche konjunkturelle Stabilisierung hinweist, dessen Aussagen aber stets kontextualisiert betrachtet werden müssen. Für die Einschätzung von Credit Ratings bleibt damit entscheidend, wie nachhaltig die beobachteten positiven Impulse sind und inwieweit sich diese in verbesserten Unternehmenskennzahlen widerspiegeln. Das aktuelle Stimmungsbild rechtfertigt zumindest eine vorsichtige Neubewertung der Risikoprämien für deutsche Emittenten – insbesondere im nicht-exportorientierten Sektor.

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EWIV im Kontext moderner Rechtsformratings

Von Bernd Liebholz | 8.April 2025

Die Wahl der richtigen Rechtsform ist für Unternehmen weit mehr als eine Formalität. Sie hat entscheidenden Einfluss auf steuerliche Belastungen, Haftungsfragen, Finanzierungschancen und letztlich auf die Wettbewerbsfähigkeit. In der heutigen Wirtschaftspraxis wird diese Entscheidung zunehmend durch systematische Analysen wie Rechtsformratings unterstützt, die juristische und betriebswirtschaftliche Kriterien in eine objektivierbare Bewertung überführen. Solche Ratings gewinnen insbesondere bei Kreditinstituten, Investoren und im Rahmen von Förderentscheidungen an Bedeutung. Dabei wird jedoch bis heute eine Rechtsform weitgehend vernachlässigt: die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV).

Die EWIV ist ein eigenständiges Konstrukt des europäischen Gesellschaftsrechts, das im deutschen Wirtschaftsalltag nach wie vor ein Schattendasein führt. Dabei ist sie genau für jene Herausforderungen konzipiert worden, die moderne Unternehmen im Kontext von Digitalisierung, Fachkräftemangel, Internationalisierung und Liquiditätsdruck bewältigen müssen. Im Lichte der gängigen Bewertungskriterien von Rechtsformratings offenbart sich ein erstaunliches Bild: Die EWIV kann in zentralen Kategorien wie steuerliche Transparenz, Flexibilität, Risikosteuerung und kurzfristige Liquiditätswirkung überdurchschnittlich abschneiden.

Ein wesentliches Bewertungskriterium moderner Rechtsformvergleiche ist die steuerliche Effizienz. Hier punktet die EWIV durch ihre klare Ausrichtung: Sie ist nicht auf Gewinnerzielung ausgelegt und unterliegt daher nicht der Körperschaft- oder Gewerbesteuer. Stattdessen werden Einnahmen und Ausgaben unmittelbar den Mitgliedern zugerechnet und dort versteuert. Diese steuerliche Transparenz, die auch von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs mehrfach bestätigt wurde, verschafft insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen spürbare Vorteile.

Der Unterschied zur GmbH oder anderen Kapitalgesellschaften liegt auf der Hand: Während dort Erträge der Körperschaft- und Gewerbesteuer unterliegen und erst nach Steuern zur Verfügung stehen, können Mitglieder einer EWIV ihre Beiträge als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben geltend machen. In der Praxis bedeutet das: Unternehmen können ihren steuerpflichtigen Gewinn im laufenden Jahr reduzieren und gleichzeitig liquide Mittel im Unternehmen belassen, die sonst durch Steuerabführungen gebunden wären.

Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten ist die kurzfristige Sicherung von Liquidität ein zentrales Anliegen vieler Unternehmen. Die EWIV bietet hier ein in der Praxis oft unterschätztes Instrumentarium. Die sofortige steuerliche Absetzbarkeit von Beiträgen an die EWIV führt dazu, dass Unternehmen nicht auf längerfristige Abschreibungszeiträume angewiesen sind, um Investitionen steuerlich geltend zu machen.

Ein Rechenbeispiel verdeutlicht diesen Effekt: Ein Unternehmer investiert 5 500 Euro in seine EWIV. Dieser Betrag wird im selben Jahr als Betriebsausgabe erfasst. Bei einem unterstellten Steuersatz von 35 Prozent ergibt sich eine Steuerersparnis von 1 925 Euro. Die tatsächliche Belastung für das Unternehmen liegt damit bei lediglich 3 575 Euro. Im Vergleich dazu würde eine gleichwertige Investition in Anlagevermögen – etwa in eine neue Büroeinrichtung – über 13 Jahre abgeschrieben. Die steuerliche Entlastung im laufenden Jahr wäre minimal, die Liquiditätsbelastung dagegen erheblich.

Die EWIV wirkt somit wie ein steuerlicher Puffermechanismus. Sie erlaubt es, kurzfristig finanzielle Spielräume zu schaffen, ohne auf operative Investitionen verzichten zu müssen. Gerade Unternehmen, die zum Jahresende ihren Gewinn steuern möchten oder fürs Folgejahr zusätzliche Mittel benötigen, profitieren von diesem System erheblich.

Ein weiterer Aspekt, der in die Bewertung von Rechtsformen einfließt, ist die rechtliche Stabilität und die Komplexität der Verwaltung. Auch hier zeigt sich die EWIV erstaunlich schlank. Sie erfordert kein Stammkapital und ist mit minimalem organisatorischen Aufwand zu führen. Der rechtliche Rahmen ist durch die EU-Verordnung 2137/85 klar definiert, wird in Deutschland durch das EWIV-Ausführungsgesetz konkretisiert und durch zahlreiche finanzgerichtliche Urteile gestützt.

Zudem ist die EWIV eine Struktur, die zwar rechtsfähig ist, aber nicht in Wettbewerb zu klassischen Gesellschaften tritt. Sie darf keine marktbezogenen Leistungen für Dritte erbringen, sondern wirkt ausschließlich im Interesse ihrer Mitglieder. Genau hierin liegt auch ihr Potenzial im Bereich der Risikosteuerung: Durch die Trennung operativer Risiken und strategischer Steuerung innerhalb der EWIV lassen sich Haftungspotenziale klarer zuordnen und kontrollieren.

Im Kontext eines professionellen Rechtsformratings, wie es beispielsweise von Ratingagenturen oder Banken durchgeführt wird, zählen nicht nur formale Kriterien, sondern auch Aspekte wie Anpassungsfähigkeit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Resilienz. Die EWIV erweist sich in diesen Disziplinen als besonders wandlungsfähig. Sie erlaubt es Unternehmen, ihre Struktur dynamisch an neue Herausforderungen anzupassen, ohne dabei die Rechtsform selbst verändern zu müssen.

Gleichzeitig wird die EWIV in klassischen Bonitätsbewertungen noch immer wenig berücksichtigt – nicht aus sachlichen, sondern aus kenntnisbedingten Gründen. Dieses Informationsdefizit führt dazu, dass die EWIV im Ratingsegment unterrepräsentiert ist, obwohl sie bei objektiver Betrachtung hervorragend abschneidet. Es liegt an der Praxis, dieses Potenzial sichtbar zu machen und in die Bewertungsmechanismen zu integrieren.

Die EWIV ist kein exotisches Nischenmodell, sondern ein durchdachtes und praktikables Instrument des europäischen Gesellschaftsrechts, das in Zeiten hoher wirtschaftlicher Dynamik neue Antworten bietet. Ihre steuerlichen Vorteile, ihre Auswirkungen auf die Liquidität, ihre einfache Verwaltung und ihre rechtliche Klarheit machen sie zu einer echten Alternative für unternehmerisch denkende Entscheider.

In einem Umfeld, in dem Ratingmechanismen zunehmend darüber entscheiden, ob und zu welchen Bedingungen Unternehmen Zugang zu Kapital, Partnerschaften oder Fördermitteln erhalten, ist es geboten, auch weniger bekannte Strukturen wie die EWIV in den Blick zu nehmen. Ihre Einordnung in moderne Rechtsformratings ist nicht nur sachlich gerechtfertigt, sondern wirtschaftlich geboten. Unternehmen, die auf die EWIV setzen, investieren nicht nur in eine Rechtsform – sie investieren in strukturelle Handlungsfreiheit, steuerliche Entlastung und nachhaltige Liquiditätsplanung.

Experten-Vita: Bernd Liebholz

Bernd Liebholz gilt als einer von Deutschlands Experten für die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigungen (EWIV). Mit über 30 Jahren Erfahrung in der Unternehmensberatung, einer tiefgreifenden informationstechnischen und betriebswirtschaftlichen Expertise sowie einem europaweiten Netzwerk ist er gefragter Ansprechpartner für Unternehmer, Berater und Institutionen, die die Vorteile der Gesellschaftsform EWIV nutzen möchten. Als Gründer des EWIV-Expertenrats, langjähriger Geschäftsführer einer EWIV und Gründungshelfer vieler Kunden EWIV vereint er Praxiswissen mit strategischem Weitblick. In seinen Publikationen, Vorträgen und als Gastautor teilt er sein Know-how zur rechtssicheren, effizienten und zukunftsfähigen Unternehmenskooperation über Ländergrenzen hinweg.

Website: https://www.connexxtion.com/

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US-Zölle: Mehr Sicherheit für Rating-Analysten trotz wirtschaftlicher Risiken

Von Dr. Oliver Everling | 4.April 2025

Die aktuellen wirtschaftspolitischen Entwicklungen aus den USA bieten Analysten im Ratingbereich eine gesteigerte Sicherheit hinsichtlich der Annahmen und Rahmenbedingungen der Zukunft. Die RATING EVIDENCE GmbH betrachtet insbesondere die jüngsten Ankündigungen der US-Regierung als richtungsweisend für eine klarere Einschätzung der makroökonomischen Effekte auf verschiedene Sektoren und Unternehmensratings.

Die kürzlich erlassenen Zollerhöhungen und die damit verbundenen wirtschaftlichen Auswirkungen verdeutlichen den regulatorischen Kurs der US-Administration. In diesem Zusammenhang schreibt Paul Diggle, Chief Economist bei Aberdeen, in seinem Marktkommentar: „Es besteht ein erhebliches Risiko, dass die Ankündigungen der vergangenen Tage – so drastisch sie auch waren – nicht das „Höchstmaß“ der Zölle darstellen. Wir gehen weiterhin davon aus, dass zusätzliche sektorbezogene Zölle folgen werden, insbesondere auf Halbleiter, Kupfer, Bauholz und pharmazeutische Produkte.“ Dies schafft eine analytische Grundlage für die Modellierung möglicher künftiger Belastungen einzelner Branchen.

Zudem wird in der Executive Order deutlich gemacht, dass die aktuelle US-Zollpolitik flexibel gestaltet ist. So heißt es weiter: „Tatsächlich wurden diese Produkte in der Executive Order erwähnt, wobei ausdrücklich festgelegt wurde, dass die reziproke Zollpolitik nicht für sie gilt. Dies lässt offen, dass spezifische Zollsätze in Kürze folgen könnten. Gleichzeitig deutet dies darauf hin, dass sektorbezogene und reziproke Zölle nicht kumulativ wirken.“ Die RATING EVIDENCE GmbH bewertet diese Klarstellung als einen entscheidenden Faktor, der Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung sowie deren Auswirkungen auf Ratings erleichtert.

Auch die Möglichkeit einer weiteren Erhöhung der Zölle in Abhängigkeit von Gegenmaßnahmen der Handelspartner sorgt für eine gewisse Vorhersehbarkeit. Hierzu schreibt Diggle: „Zudem räumt die Executive Order dem Präsidenten das Recht ein, Zollsätze im Falle von Gegenmaßnahmen seitens der Handelspartner anzupassen, sodass für einige Länder die Zölle noch weiter steigen könnten.“ Dies ermöglicht Analysten eine fundiertere Einschätzung möglicher Szenarien und deren Folgen.

Besondere Beachtung findet die Einschätzung zur wirtschaftlichen Endwirkung der Maßnahmen, insbesondere hinsichtlich Inflation und Wachstum. So wird prognostiziert: „Die Nettoauswirkungen auf die US-Wirtschaft werden mit hoher Wahrscheinlichkeit stagflationär sein, auch wenn das Ausmaß des Preisanstiegs und der Wachstumsdämpfung schwer quantifizierbar bleibt.“ Diese Erkenntnisse helfen Analysten, relevante Risikofaktoren systematischer in die Ratingbewertungen einfließen zu lassen.

Zusätzlich zeigt sich, dass die Fed durch die Zollerhöhungen vor schwierige Entscheidungen gestellt wird: „Die Fed steht vor einer schwierigen Abwägung. Die Entscheidungsträger haben in der Vergangenheit betont, dass Zölle nur einen „vorübergehenden“ Einfluss auf die US-Inflation haben. Angesichts des jüngsten starken Anstiegs der Inflationserwartungen könnte es für die Fed jedoch schwierig sein, diesen Effekt einfach zu ignorieren.“ Diese Dynamik schafft einen besser abgrenzbaren Rahmen für mittelfristige Zins- und Konjunkturprognosen, was letztlich zu einer höheren Präzision in den Annahmen für Ratings beiträgt.

Insgesamt sind die jüngsten US-Entwicklungen als bedeutenden Faktor zur Verbesserung der analytischen Sicherheit im Rating zu bewerten. Die klare strategische Ausrichtung der US-Wirtschaftspolitik, gepaart mit der größeren Berechenbarkeit der Auswirkungen, schafft eine stabilere Grundlage für belastbare Zukunftsannahmen. In diesem Umfeld können Ratingmodelle präzisere Risikoeinschätzungen liefern, wodurch Investoren und Unternehmen von erhöhter Planungssicherheit profitieren.

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Doppelte Auszeichnung für den S4A Pure Equity Germany: Lipper Fund Award Germany 2025

Von Dr. Oliver Everling | 4.April 2025

Der Deutschlandfonds S4A Pure Equity Germany (ISIN: DE000A1W8960) des unabhängigen Frankfurter Vermögensverwalters Source For Alpha wurde gleich zweifach mit dem Lipper Fund Award Germany 2025 in der Kategorie „Aktienfonds Deutschland“ ausgezeichnet. Lipper würdigt damit die starke 5- und 10-Jahres-Performance des in 2013 aufgelegten Aktienfonds. Seit Auflage des Fonds am 19.12.2013 outperformte er nicht nur vergleichbare Fonds, sondern auch seine Benchmark, den DAX 40 Net Total Return, um 19,9 %. Den Nebenwerteindex MDAX ließ er sogar um 79,1 % hinter sich. Das Risiko, gemessen an der Volatilität der täglichen Renditen, war mit 18,5% p.a. überdies niedriger als das Risiko der Benchmark von 18,7 % p.a. (Stand per 31.03.2025).

Lipper zeichnet seit mehr als 30 Jahren in mehr als 17 Ländern Fonds und Fondsverwaltungsgesellschaften aus, die sich im Vergleich zu ihren Mitbewerbern durch eine konstant starke risikobereinigte Performance abheben. Schon in 2023 konnte Source For Alpha mit seinem S4A US Long-Fonds (ISIN: DE000A1H6HH3) in der Kategorie „Aktienfonds USA“ über 3 und 5 Jahre überzeugen, sowie auch 2019 der S4A Pure Equity Germany schon einmal den Lipper Fund Award Germany als bester Deutschland-Fonds über 3 Jahre gewann.

Vorstand und Fondsmanager Dr. Christian Funke kommentiert die Auszeichnung so: „Die doppelte Auszeichnung unseres S4A Pure Equity Germany mit dem renommierten Lipper Fund Award über fünf und zehn Jahre ist ein eindrucksvoller Beleg für die Leistungsfähigkeit unseres Investmentansatzes. Unser regelbasierter, auf empirischer Kapitalmarktforschung beruhender Investmentprozess hat sich über ein Jahrzehnt hinweg als robust erwiesen und gezeigt, dass wertorientiertes, antizyklisches Investieren signifikante und nachhaltige Mehrwerte für Anleger generieren kann. Dass nach unserem US-Long-Fonds nun auch unser Deutschland-Fonds diese angesehene Ehrung gleich doppelt erhält, bestätigt die Qualität unserer systematischen Anlagestrategien, die langfristig überdurchschnittliche risikoadjustierte Renditen erzielen.“

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AI und ESG-getriebenes M&A

Von Dr. Oliver Everling | 1.April 2025

Die Rolle der künstlichen Intelligenz (AI) im Bereich von Mergers & Acquisitions (M&A) wächst rasant, insbesondere bei grenzüberschreitenden Transaktionen. Wie in der aktuellen Ausgabe von CBA’s M&A NEWS (Issue #119, April 2025) betont wird, sind AI-gestützte Tools heute unverzichtbar, um Käufer für Cross-Border-M&A-Deals zu identifizieren und zu matchen. Diese Technologien nutzen Big Data, prädiktive Analysen und Automatisierung, um Prozesse effizienter und präziser zu gestalten.

Das Magazin hebt acht führende AI-gestützte Plattformen hervor, die sich in verschiedenen Marktsegmenten bewährt haben: Axial für den unteren Mittelstand, Datasite für größere M&A-Deals, DealRoom zur Prozessoptimierung, Navatar für Investmentbanken und Private-Equity-Firmen, Intralinks für komplexe, grenzüberschreitende Transaktionen, PitchBook für datengetriebene Käuferanalysen, SourceScrub für proprietäre Dealflows und Midaxo für die ganzheitliche M&A-Steuerung. Zusätzlich werden AI-basierte Tools für Due Diligence, Finanzanalyse, Compliance und Post-Merger-Integration genannt. So ermöglichen Technologien wie Kira Systems, Luminance und Celonis eine tiefere, automatisierte Analyse von Verträgen, Risiken und Synergien.

Die zunehmende Bedeutung von AI in M&A-Prozessen steht in enger Verbindung mit ESG-getriebenen Transaktionen. In dem kürzlich erschienenen Buch “ESG als Treiber von M&A”, herausgegeben von Niggemann, et al. (2024), befasst sich Dr. Oliver Everling mit der Frage, wie AI und Spatial Computing zur Komplexitätsreduktion bei ESG-getriebenen M&A-Deals beitragen können. In seinem Beitrag “Komplexitätsreduktion bei ESG-getriebenen M&A durch AI und Spatial Computing” analysiert er, wie digitale Technologien helfen, Nachhaltigkeitskriterien effizient in Transaktionsprozesse zu integrieren. Gerade in einem Umfeld, in dem ESG-Faktoren nicht nur regulatorische Herausforderungen, sondern auch strategische Chancen darstellen, wird AI zu einem entscheidenden Faktor.

Die von CBA’s M&A NEWS hervorgehobenen AI-gestützten Plattformen spielen dabei eine zentrale Rolle, da sie eine datenbasierte Entscheidungsfindung ermöglichen, nachhaltige Investitionsmöglichkeiten identifizieren und Synergien effizient bewerten können. Everlings Forschung bei der RATING EVIDENCE GmbH zeigt, dass der Einsatz von AI und Spatial Computing nicht nur die Analysegeschwindigkeit erhöht, sondern auch die Transparenz und Nachvollziehbarkeit von ESG-Kriterien verbessert – ein entscheidender Vorteil in einer zunehmend komplexen M&A-Landschaft.

Aufgrund des großen Interesses an dem Buch von Niggemann, et al. (2024) wird am 20. Mai 2025 in Köln eine Buchvorstellung stattfinden. Sechs Autorinnen und Autoren sowie Autorenteams werden ihre Beiträge durch kurze Vorträge vorstellen, darüber hinaus sind sechs Breakout Sessions geplant, in denen weitere Autorinnen und Autoren mit den Teilnehmern der Veranstaltung diskutieren werden. Rund 50 Anmeldungen liegen bereits vor, bis zu 100 Teilnehmer können bewirtet werden.

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Triodos IMpact Inside mit Karim Chatti: Der Kampf ums Klima

Von Dr. Oliver Everling | 27.März 2025

Die Kriegsrhetorik von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag hat sich in den letzten Jahren drastisch verändert. Eine Partei, die einst als pazifistisch galt, spricht heute mit einer Sprache, die militärische Bedrohungsszenarien heraufbeschwört und einen enormen politischen Fokus auf Verteidigung und Aufrüstung legt. Dies geschieht in einem politischen Klima, in dem Bedrohungen als absolut dargestellt werden und der Krieg als alternativlos erscheint. Diese Art der Rhetorik hat tiefgreifende Folgen für politische Prioritäten und gesellschaftliche Diskurse.

„Kriegsrhetorik macht abstrakte Ängste ganz konkret, sät Zwietracht und rechtfertigt fast jede staatliche Ausgabe. Wer Krieg sagt, bekommt ein riesiges Budget“, schreibt Karim Chatti treffend. Er ist Senior Relationship Manager Institutional Clients DACH bei Triodos Investment Management.

Genau diese Mechanismen lassen sich derzeit bei den Grünen beobachten. Wo früher Abrüstung und Diplomatie gefordert wurden, stehen heute Waffenlieferungen, Verteidigungsbereitschaft und strategische Abschreckung im Zentrum. Die Partei argumentiert, dass ein entschlossener militärischer Widerstand gegen Bedrohungen aus dem Osten notwendig sei, um die Demokratie und Freiheit in Europa zu sichern. Dabei wird nicht nur die Notwendigkeit von Waffenlieferungen betont, sondern auch ein neues Selbstverständnis als Wehrhafte in einer unsicheren Welt geformt.

Die Frage ist, welche Folgen diese Prioritäten haben. Während Milliarden für Verteidigung und Rüstung bereitgestellt werden, wird der Kampf gegen die Klimakrise immer wieder als zweitrangig behandelt. „Waffen, Mobilisierung, Bereitschaft – das alles klingt heldenhaft. Aber während wir die Bedrohung aus dem Osten mit voller Wucht bekämpfen, vergessen wir, einen anderen, mindestens genauso wichtigen Krieg zu führen. Einen ohne Panzer, aber mit Thermometern: Den Kampf ums Klima.“ Die Grünen haben sich einst als die ökologische Partei schlechthin verstanden. Heute scheinen sie sich jedoch auf einen Kurs begeben zu haben, bei dem militärische Sicherheit über die nachhaltige Transformation gestellt wird.

Diese Entwicklung ist besonders bemerkenswert, weil die Klimakrise nicht nur ein Umweltproblem ist, sondern auch sicherheitspolitische Konsequenzen hat. Dürren, Extremwetter und Ressourcenkonflikte destabilisieren Regionen weltweit. Dennoch bleiben Investitionen in Klimaschutz hinter denen in Rüstung zurück. „Diese verzerrten Prioritäten zeigen schmerzhaft die politische Unfähigkeit,“ so Chatti, „sich für die langfristige Zukunft zu entscheiden: Kurzfristige Gewinne und Lobbyarbeit haben Vorrang, während der unsichtbare Feind des Klimawandels still und leise unsere Zukunft untergräbt.“

Die Grünen versuchen zwar, ihre Klimapolitik mit ihrer neuen Sicherheitsstrategie zu verbinden. Robert Habeck betonte, dass der Ausbau erneuerbarer Energien auch eine Frage der strategischen Autonomie sei. „Wirtschaftsminister Robert Habeck verwies darauf, dass an den deutschen LNG-Terminals bereits über 80 Prozent des Brennstoffs aus den USA kommen. Doch was passiert, wenn Trump die LNG-Exporte nach Europa stilllegt?“ Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, sei es aus Russland oder den USA, bleibt eine Schwachstelle. Doch der politische Fokus liegt weiterhin auf kurzfristigen sicherheitspolitischen Maßnahmen statt auf einer konsequenten nachhaltigen Transformation.

Europa muss sich gegen Bedrohungen verteidigen, aber es darf darüber nicht die langfristigen Herausforderungen vergessen. „Obwohl es für Europa wichtig ist, sich gegen feindliche Angriffe zu verteidigen, sollte der Kampf gegen die Klimaerwärmung nicht in den Hintergrund geraten, da die nachhaltige Umgestaltung unserer Gesellschaft nicht nur dem Klima, sondern auch unserer strategischen Autonomie nutzt.“ Die Grünen stehen vor der Herausforderung, ihren ursprünglichen Markenkern – den Klimaschutz – nicht in einer zunehmend militarisierten Politik zu verlieren. Der Wandel der Kriegsrhetorik mag kurzfristig politische Unterstützung sichern, doch die langfristigen Konsequenzen für Umwelt und Gesellschaft könnten schwerwiegend sein.

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Das Nullsummenspiel in der Aktiv-Passiv-Debatte: Eine spieltheoretische Analyse

Von Dr. Oliver Everling | 24.März 2025

Die Debatte um aktives und passives Investieren wird oft mit der sogenannten Nullsummenspiel-Theorie begründet. Duncan Lamont, Head of Research and Analytics bei Schroders, argumentiert jedoch, dass diese Theorie zu einfach gedacht ist und in der Praxis nicht in ihrer reinen Form funktioniert. Eine spieltheoretische Analyse seines Marktkommentars zeigt, dass der Markt weit komplexer ist und sich durch strategische Interaktionen zwischen unterschiedlichen Akteuren auszeichnet.

In der Spieltheorie beschreibt ein Nullsummenspiel eine Situation, in der der Gewinn eines Spielers genau dem Verlust eines anderen entspricht. In der Finanzwelt bedeutet dies, dass die Outperformance eines aktiven Anlegers immer auf Kosten eines anderen gehen muss. Lamont beschreibt dieses Prinzip folgendermaßen: „Nach der Nullsummenspiel-Theorie müssen die kombinierten Renditen aller aktiven Anleger (vor Gebühren) in einem Markt der Marktrendite entsprechen. Damit ein aktiver Anleger eine Outperformance erzielt, muss ein anderer nämlich unterdurchschnittlich abschneiden.“ Dies klingt zunächst schlüssig, doch er betont, dass die Theorie in der Praxis oft falsch angewandt wird. Ein wesentliches Problem besteht darin, dass alle aktiven und passiven Investoren als homogene Gruppen betrachtet werden.

Ein zentrales Argument gegen die Nullsummenspiel-Hypothese ist, dass sich die Struktur des Marktes verändert hat. Lamont weist auf die zunehmende Verbreitung sogenannter „neo-passiver“ ETFs hin: „Allein in den USA gibt es inzwischen mehr als sechsmal so viele davon wie traditionelle ETFs, und die Zuflüsse in diese Strategien waren von Anfang 2018 bis Ende Juli 2024 um 50 % höher als in traditionellen ETFs.“ Diese ETFs bilden nicht einfach den gesamten Markt ab, sondern treffen gezielte Entscheidungen, etwa durch eine Sektor- oder Stilgewichtung. Spieltheoretisch betrachtet bedeutet dies, dass sie nicht mehr als klassische passive Akteure agieren, sondern aktiv in den Markt eingreifen. Ein Investor, der beispielsweise einen Technologie-ETF kauft, trifft eine bewusste Allokationsentscheidung. Dies bestätigt Lamonts These: „Man sollte keinen Hehl daraus machen: Der Aufstieg neo-passiver Strategien führt zu aktiven Entscheidungen bei der Aktienauswahl, ob bewusst oder unbewusst.“

Ein weiteres spieltheoretisch relevantes Element ist die Dynamik von Markttransaktionen. Ein völlig passiver Investor, der einfach nur den Markt hält, existiert in der Realität kaum. Markteintritte und -austritte, Index-Neugewichtungen oder IPOs erzeugen zwangsläufig Handelsbewegungen. Lamont führt aus: „Alle diese Arten von Transaktionen bieten Möglichkeiten für einen Vermögenstransfer von passiven zu aktiven Anlegern.“ Dies entspricht spieltheoretisch einem dynamischen Spiel mit asymmetrischen Informationsvorteilen. Aktive Investoren können sich im Vorfeld positionieren, während passive Fonds erst reagieren, wenn beispielsweise eine Aktie in einen Index aufgenommen wird. Diese Situation führt dazu, dass passive Anleger oft zu höheren Preisen kaufen müssen, wodurch sich für aktive Investoren Chancen ergeben.

Ein besonders eindrückliches Beispiel für diese Problematik sind Anleihemärkte. Hier ist die passive Replikation besonders schwierig, da Anleihen regelmäßig neu begeben werden. Lamont nennt konkrete Zahlen: „Einer der größten ETFs auf Hochzinsanleihen blieb in den fünf Jahren bis zum 31. Dezember 2024 um 0,6 % p.a., in den 10 Jahren um 0,9 % p.a. und seit seiner Auflegung im Jahr 2007 um 1,5 % p.a. hinter seiner Benchmark zurück.“ In spieltheoretischer Sprache könnte man sagen, dass passive Strategien in einem iterativen Spiel gegen sich selbst verlieren, weil sie gezwungen sind, ineffizient zu handeln.

Die spieltheoretische Perspektive zeigt also, dass der Markt kein statisches Nullsummenspiel ist, sondern ein dynamisches System mit strategischen Interaktionen. Lamont zieht daraus den Schluss: „Es lässt sich also festhalten, dass es für aktive Strategien eben nicht unmöglich ist, ihre passiven Pendants nach Abzug von Gebühren zu schlagen.“ Das bedeutet nicht, dass jeder aktive Manager zwangsläufig gewinnt. Vielmehr ergibt sich ein differenzierteres Bild, in dem Marktstruktur, Informationsvorsprünge und Handelsmechanismen eine zentrale Rolle spielen. Oder, um Lamonts Fazit aufzugreifen: „Es ist daher an der Zeit, die eigenen Überzeugungen über aktives und passives Management zu überdenken.“

Themen: Aktienrating, ETF-Rating, Fondsrating | Kommentare deaktiviert für Das Nullsummenspiel in der Aktiv-Passiv-Debatte: Eine spieltheoretische Analyse

Steigende Verschuldung: Ein Balanceakt für Deutschland

Von Dr. Oliver Everling | 18.März 2025

Die Finanzpolitik Deutschlands erlebt eine Kehrtwende. Nachdem jahrelang an der Schuldenbremse festgehalten wurde, öffnet sich die Bundesregierung nun für eine expansivere Fiskalpolitik. Dr. Manuel Steinbrink, Ökonom bei der apoBank, begrüßt diesen Kurswechsel: „Die ‚schwäbische Hausfrau‘ hat ausgedient. Endlich steuert die Fiskalpolitik in Berlin um. Wir erleben eine Kehrtwende, die lange überfällig war.“

Tatsächlich sind Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur dringend notwendig. Allerdings bleibt die Frage, wie diese zusätzlichen Schulden langfristig die wirtschaftliche Stabilität Deutschlands beeinflussen. Denn während die Verbindlichkeiten sofort entstehen, sind die erwarteten positiven Effekte erst in der Zukunft sichtbar – und mit Unsicherheiten behaftet.

Steinbrink argumentiert, dass „die Notwendigkeit massiver Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur keinen Spielraum für dogmatische Sparsamkeit“ lasse. Auch die Finanzmärkte zeigen sich bislang optimistisch: „Der DAX hat seit Jahresbeginn kräftig zugelegt, der Euro hat seine Schwächephase beendet.“ Doch während kurzfristige Marktreaktionen positiv ausfallen, bleibt abzuwarten, ob Ratingagenturen ihre derzeit wohlwollende Haltung beibehalten. Eine steigende Verschuldung könnte das Credit Rating Deutschlands unter Druck setzen, falls die erhofften Wirtschaftseffekte ausbleiben oder schwächer ausfallen als prognostiziert.

Ein wesentlicher Faktor hinter den steigenden Aktienkursen ist allerdings nicht nur die Aussicht auf staatliche Investitionen, sondern auch die damit verbundenen Inflations- und Wachstumserwartungen. Eine höhere Kreditaufnahme führt oft zu steigender Inflation, was Unternehmen mit hoher Verschuldung entlastet und reale Schuldenlasten verringert. Zudem profitieren Sachwerte wie Aktien von einem inflationären Umfeld, während Anleihen an Attraktivität verlieren. Dadurch fließt Kapital verstärkt in den Aktienmarkt, was die Kursgewinne weiter antreibt. Die kurzfristige Euphorie an den Börsen darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine anhaltend hohe Inflation auch Risiken birgt – etwa steigende Zinsen, die langfristig die Finanzierbarkeit der neuen Schulden belasten könnten.

Steinbrink warnt zudem davor, sich allein auf die expansive Geldpolitik zu verlassen: „Ohne begleitende Strukturreformen, vor allem am Arbeitsmarkt, droht der Effekt der Geldschwemme zu verpuffen. Die Politik muss jetzt liefern.“ Die Herausforderung für Deutschland liegt also darin, den richtigen Mittelweg zu finden – zwischen notwendigen Investitionen und einer nachhaltigen Finanzpolitik.

Letztlich bleibt die Entwicklung ein Balanceakt zwischen Optimismus und Risiko. „Europa ist zurück auf der Landkarte der Investoren, und Deutschland spielt dabei eine Schlüsselrolle.“ Doch wie stabil diese Rolle bleibt, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen.

Themen: Länderrating | Kommentare deaktiviert für Steigende Verschuldung: Ein Balanceakt für Deutschland

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