Rendite mit Ratingqualität

Von Dr. Oliver Everling | 22.Oktober 2025

Die Wiederaufnahme des Lockerungszyklus der US-Notenbank hat die Aufmerksamkeit vieler Anleger wieder auf den Anleihemarkt gelenkt – und damit auch auf jene Faktoren, die für das Credit Rating von Emittenten und Fondsstrategien von zentraler Bedeutung sind. Während das Zinsniveau in den USA und Europa nach den Höchstständen von 2023 und 2024 wieder gesunken ist, bleibt das Umfeld für Anleiheinvestoren günstig. Philippe Gräub, Head of Global & Absolute Return Fixed Income bei der Schweizer Privatbank Union Bancaire Privée (UBP), schreibt: „Die Kerninflation in den USA und in Europa sind weitgehend unter Kontrolle, und die Zinsen auf beiden Seiten des Atlantiks bewegen sich bereits seit einigen Monaten in einer engen Bandbreite.“

Aus Rating-Perspektive ist entscheidend, wie Fondsmanager in einem solchen Umfeld Kreditrisiken steuern. Der UBP-Experte betont, dass sich attraktive risikogewichtete Erträge im gesamten Spektrum des globalen Anleihemarktes, insbesondere im Kreditbereich, finden lassen. Neben hochverzinslichen Segmenten wie BB-Anleihen, Emerging Markets oder AT1-Anleihen komme es auf die aktive Durationssteuerung und die Diversifikation an. Diese Elemente sind auch aus Sicht von Ratingagenturen zentrale Faktoren für die Beurteilung der Stabilität von Fondsrenditen und ihrer Ausfallwahrscheinlichkeit.

Mit dem Fonds UBAM – Strategic Income demonstriert Gräub, wie eine Strategie, die „in europäische, US-amerikanische sowie Emerging-Markets-Anleihen investiert und gezielt auf Marktbereiche mit überdurchschnittlichem Einkommen setzt“, dennoch ein solides Bonitätsprofil wahren kann. Er unterstreicht: „Wir können auch in AT1- bzw. CoCos sowie in verbriefte Schuldtitel (Collateralised Loan Obligations, CLOs) und bis zu 50% in Hochzinsanleihen investieren, solange das durchschnittliche Rating des Fonds bei mindestens BBB, also Investment Grade, liegt.“ Dieses Ziel eines Investment-Grade-Durchschnittsrating ist für institutionelle Investoren und Ratinganalysten gleichermaßen relevant, da es ein Mindestniveau an Kreditqualität und Stabilität sichert.

Interessant ist dabei, dass der Fonds seit seiner Auflegung eine Performance erzielt, die typisch für den High-Yield-Bereich ist, ohne dessen Bonitätsrisiken vollständig zu übernehmen. Gräub erläutert: „Letztlich ermöglicht die aktive Steuerung des Portfolios über alle Segmente die Erzielung einer Rendite aus dem Hochzinsbereich mit einem deutlich besseren Bonitäts- und Risikoprofil.“ In der Sprache der Ratinganalysten bedeutet das: eine optimierte Spread-Kompensation pro Risikoeinheit.

Das gegenwärtige makroökonomische Umfeld – mit positivem nominalem BIP-Wachstum, kontrollierter Inflation und unterstützenden Zentralbanken – begünstigt laut Gräub Investitionen in einkommensstarke Kreditsegmente. Besonders attraktiv erscheine derzeit der Markt für BB-Anleihen, „weil der Unterschied in der Verschuldung zwischen US-Unternehmen mit BB- und BBB-Rating so gering ist wie selten zuvor“. Diese Beobachtung ist auch für Credit-Rating-Modelle relevant, da sie auf eine Annäherung der fundamentalen Kreditqualität zwischen den oberen High-Yield- und unteren Investment-Grade-Segmenten hinweist.

Der Fonds, der am 2. Dezember 2025 sein dreijähriges Jubiläum feiert, blickt auf eine überdurchschnittliche Entwicklung zurück: Eine Gesamtrendite von 26,6 % seit Auflegung im Vergleich zu 13,4 % des Bloomberg Global Aggregate Index zeigt, dass sich aktives Kreditmanagement und Diversifikation nicht nur auf die Performance, sondern auch auf die Stabilität des Ratings positiv auswirken können. Mit einem Gesamtvermögen von 809 Millionen USD ist der UBAM – Strategic Income Fonds ein Beispiel dafür, wie ein durchdachtes Bonitätsmanagement in einem Umfeld sinkender Zinsen nachhaltige Erträge ermöglichen kann – und zugleich Ratingqualität als integralen Bestandteil des Investmentansatzes versteht.

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Kunstmarkt am Wendepunkt: Wie Art Rating den neuen Aufschwung messbar macht

Von Dr. Oliver Everling | 21.Oktober 2025

Der Kunstmarkt scheint nach einer langen Durststrecke langsam wieder Tritt zu fassen. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 war die Branche in einen anhaltenden Abwärtstrend geraten, der sich bis 2024 fortgesetzt hatte. Erst in diesem Frühjahr sprach WFA-Vorstand Rüdiger K. Weng von einem „sich abzeichnenden Bottoming-out“, also einem Auslaufen der Talfahrt. Nun deuten zahlreiche Frühindikatoren darauf hin, dass sich die Stimmung spürbar aufhellt.

„Seit dem Ende der Sommerpause zeigen verschiedene Frühindikatoren im europäischen Kunstmarkt erstmals seit 2022 wieder nach oben“, so Weng. Auktionen wie jene des Hauses Kornfeld in Bern erzielten Ergebnisse über den Prognosen, während auch Messen wie die „Frieze“ in London ein deutlich gestiegenes Interesse verzeichneten. Selbst kleinere Auktionshäuser meldeten im Herbst überraschend starke Resultate. All dies sind Signale, die auch für das Art Rating von besonderem Interesse sind, denn es bewertet nicht nur einzelne Werke, sondern vor allem die Marktstabilität und das Vertrauen in Kunst als Anlageklasse.

Weng beschreibt den Aufwärtstrend detailliert: „Bei unserem Tochterunternehmen in der Schweiz hat sich die Anzahl der Anfragen zum Kauf von Kunstwerken gegenüber dem Vorjahr merklich vergrößert, wie auch der Traffic auf der Webseite sich seit der Sommerpause gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um mehr als 30 % erhöht hat. Das zieht erfahrungsgemäß sukzessive auch höhere Umsätze nach sich.“ Ein solches Marktverhalten ist für Art-Rating-Systeme ein klarer Hinweis auf ein sich verbesserndes Investitionsklima – denn Ratingmodelle erfassen genau solche Frühindikatoren, um die Attraktivität von Kunst als Vermögenswert zu bewerten.

Auch makroökonomische Faktoren spielen eine Rolle. Der Luxusgüterkonzern LVMH überraschte im Oktober mit einem kräftigen Wachstumsschub, was laut Weng eine Signalwirkung für den Kunstmarkt entfaltet: „Der Kunstmarkt gilt als Teil des Luxusgütermarktes, verhält sich in seinen Trends aber volatiler als dieser.“ Hier zeigt sich die Relevanz von Art Ratings, die helfen, diese Volatilität einzuordnen und die relative Stabilität einzelner Marktsegmente oder Künstlerpositionen messbar zu machen.

Weng bleibt trotz der positiven Entwicklung vorsichtig optimistisch: „Momentan zeigen fast alle Frühindikatoren, die ich beobachte, nach oben. (…) Ich glaube allerdings nicht an eine so dynamische Erholung wie wir sie im Jahr 2009 nach dem Ende der Finanzkrise gesehen haben.“ Gerade diese Einschätzung verdeutlicht den Nutzen von Kunstratings, die auf objektive Daten und historische Vergleichswerte zurückgreifen, um überzogene Erwartungen zu dämpfen und realistische Perspektiven aufzuzeigen.

Mit der geplanten Verstärkung der WFA und neuen Investitionen in Unternehmensbeteiligungen bereitet sich das Unternehmen auf ein neues Marktumfeld vor. Sollte sich die Nachfrage weiter beleben, würde die WFA „mit ihrem umfangreichen Lagerbestand von einer anziehenden Nachfrage besonders stark profitieren“, so Weng. Für Art Rating bedeutet das: ein wachsender Markt mit höherem Handelsvolumen liefert auch mehr Bewertungsdaten und Vergleichswerte, wodurch Ratings an Aussagekraft gewinnen.

Die Rückkäufe eigener Aktien und die geplante Dividendenerhöhung sind ebenfalls Ausdruck eines neu erwachten Vertrauens. Art Rating kann solche Signale aufgreifen und in die Bewertung des Marktvertrauens einfließen lassen – ein Faktor, der über den reinen Kunstwert hinausgeht. Der Kunstmarkt steht damit an einem möglichen Wendepunkt, an dem die Verbindung von Daten, Marktstimmung und künstlerischem Wert – wie sie das Art Rating ermöglicht – zu einem entscheidenden Instrument für Sammler, Investoren und Institutionen werden könnte.

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Schumpeter und die Theorie des Ratings – warum Wandel das bessere Fundament für Stabilität ist

Von Dr. Oliver Everling | 20.Oktober 2025

Der diesjährige Wirtschaftsnobelpreis ist auch ein Anlass, über die theoretischen Grundlagen von Credit Ratings nachzudenken. So wie Philippe Aghion, Peter Howitt und Joel Mokyr Schumpeters Idee der schöpferischen Zerstörung in die Gegenwart übertragen, basieren auch Ratings und die Arbeit von Ratingagenturen auf theoretischen Modellen, die wirtschaftliche Dynamik erfassen und bewerten sollen. Ein Credit Rating ist nie bloß eine Zahl, sondern Ausdruck einer Theorie über Risiko, Marktprozesse und Anpassungsfähigkeit. In stabilen Zeiten können Modelle, die von Gleichgewicht, Prognostizierbarkeit und Kontinuität ausgehen, nützlich sein. Doch Schumpeter hätte wohl davor gewarnt, Stabilität mit Sicherheit zu verwechseln. Denn Märkte sind nicht im Gleichgewicht, sondern im Wandel – und Kreditrisiken entstehen nicht im Stillstand, sondern in der Bewegung.

Gerade die Schumpeter-Schule betont, dass Fortschritt aus Innovation, Wettbewerb und der Bereitschaft zur Erneuerung entsteht. Für Ratingagenturen bedeutet das, ihre Modelle kontinuierlich zu hinterfragen. Ein statisches Ratingmodell, das vergangenheitsbezogene Kennzahlen überbewertet und strukturellen Wandel unterschätzt, wird der Realität einer dynamischen Wirtschaft nicht gerecht. Theorien über Innovation und strukturellen Wandel zeigen, dass sich Risiko dort neu formiert, wo Neues entsteht – und dass überkommene Strukturen nicht per se sicherer sind. Ein Unternehmen in einer alternden Branche mit stabilen Cashflows mag kurzfristig verlässlich wirken, doch langfristig kann es ökonomisch gefährdeter sein als ein junges, wachstumsstarkes Unternehmen, das sich an neue Marktbedingungen anpasst.

Die Arbeiten der Nobelpreisträger erinnern auch Ratingagenturen daran, dass sie nicht nur Beobachter, sondern Teilnehmer eines sich wandelnden Systems sind. Ihre Urteile beeinflussen Kapitalflüsse und damit auch, wo Innovation stattfindet. Indem sie Risiken bewerten, setzen sie zugleich Anreize für oder gegen Erneuerung. Wenn sie den Status quo systematisch bevorzugen, können sie ungewollt zum Hemmschuh der schöpferischen Zerstörung werden. Doch wer Schumpeter ernst nimmt, erkennt: Wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilität entsteht nicht durch die Vermeidung von Wandel, sondern durch die Fähigkeit, ihn zu verstehen und zu gestalten.

Theorien sind für Ratings daher keine abstrakten Konstrukte, sondern die Grundlage jedes Urteils. Sie müssen den Geist des Fortschritts in sich tragen – so wie Schumpeters Kapitalismus, der Wohlstand aus Bewegung schöpft. Der Nobelpreis mahnt damit auch die Ratingwelt, Modelle und Methoden immer wieder zu erneuern, um das dynamische Wesen von Risiko und Wachstum zu erfassen. Denn wer den Wandel bewertet, darf nicht im Stillstand verharren.

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Vom Zuschauen zum Mitgestalten: Virtuelle Realität als Sinnbild des Wandels von der Attention zur Action Economy

Von Dr. Oliver Everling | 19.Oktober 2025

Kaum ein technologisches Feld verkörpert den gegenwärtigen ökonomischen und kulturellen Paradigmenwechsel so eindrucksvoll wie die virtuelle Realität. Während die Attention Economy durch passive Rezeption geprägt war – durch das Schauen, Liken und Konsumieren von Inhalten –, steht die virtuelle Realität für eine neue Form der Beteiligung: den Übergang vom Zuschauer zum Akteur. In immersiven Welten ist der Mensch nicht länger bloßer Empfänger von Eindrücken, sondern Mitschöpfer seiner eigenen Erfahrung.

Diese Verschiebung markiert den Kern dessen, was Aoshi Chen als Beginn der Action Economy bezeichnet. In seinem Denken wird Technologie nicht mehr als Mittel zur Aufmerksamkeitserzeugung verstanden, sondern als Werkzeug der Handlungsbefähigung. Virtuelle Realität (VR) und erweiterte Realität (AR) schaffen Umgebungen, in denen Erfahrung, Erkenntnis und Aktion verschmelzen. Sie bieten nicht nur Unterhaltung, sondern ermöglichen Lernen, Gestalten, Experimentieren – kurz: eine neue Qualität des Wirkens.

Während in der Attention Economy die Blickrichtung des Menschen kontrolliert und gelenkt wurde, erweitert die Action Economy das Handlungsspektrum. In der virtuellen Realität ist Aufmerksamkeit kein Ziel, sondern Ausgangspunkt: Sie wird zur Ressource, die durch Interaktion aktiviert wird. Das Individuum ist nicht länger ein Punkt im Datenstrom, sondern ein aktiver Teil eines Erlebnissystems. Jede Bewegung, jede Entscheidung und jede kreative Geste verändert die Welt, in der man sich befindet – und damit auch das eigene Verhältnis zur Realität.

In dieser aktiven Form der Teilhabe liegt der symbolische Kern des Paradigmenwechsels von Quantität zu Qualität. Es geht nicht mehr darum, wie viele Menschen zuschauen, sondern wie tief sie sich einlassen; nicht darum, wie groß die Reichweite ist, sondern wie intensiv die Erfahrung wirkt. Virtuelle Realität wird damit zum Spiegel einer neuen Ökonomie, die auf Engagement, Wirkung und Sinn ausgerichtet ist.

Gerade im Kontext von Bildung, Kultur und Wirtschaft wird VR zu einem Experimentierfeld für die Prinzipien der Action Economy. Unternehmen entwickeln immersive Trainingsumgebungen, in denen Mitarbeiter nicht konsumieren, sondern handeln und reflektieren. Künstler schaffen partizipative Räume, in denen das Publikum Teil des kreativen Prozesses wird. Selbst Markenkommunikation wandelt sich – weg von der Botschaft, hin zur gemeinsamen Erfahrung.

Diese Entwicklung hat auch strukturelle Folgen für die Art, wie Wert gemessen wird. In der Logik der Attention Economy war Wert gleichbedeutend mit Reichweite; in der Action Economy entsteht er durch Beteiligung und Wirkung. Virtuelle Welten zeigen exemplarisch, wie Wertschöpfung durch Interaktion entsteht: durch das Tun, nicht durch das Zuschauen.

Virtuelle Realität ist somit nicht nur eine technologische Innovation, sondern ein kulturelles Symbol. Sie steht für eine Wirtschaft, in der der Mensch wieder in den Mittelpunkt rückt – nicht als Konsument, sondern als Mitgestalter. In ihr verdichtet sich die Vision einer neuen, qualitativen Ökonomie, in der Erleben, Handeln und Sinn eine Einheit bilden. Wo die Attention Economy die Welt zur Bühne machte, verwandelt die Action Economy sie in einen Werkraum – einen Raum, in dem Zukunft nicht beobachtet, sondern gestaltet wird.

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Von der Attention Economy zur Action Economy: Wie ein neues Wirtschaftsverständnis ESG und Nachhaltigkeitsratings transformiert

Von Dr. Oliver Everling | 19.Oktober 2025

Der Begriff Attention Economy entstand in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus der Einsicht, dass in einer Welt des Informationsüberflusses menschliche Aufmerksamkeit zur knappsten und damit wertvollsten Ressource geworden ist. Bereits der Ökonom und Psychologe Herbert A. Simon erkannte in den 1970er-Jahren, dass „eine Fülle an Information zu einem Mangel an Aufmerksamkeit führt“. Mit dem Aufstieg digitaler Medien, sozialer Netzwerke und algorithmischer Plattformen wurde diese Beobachtung zu einem zentralen Prinzip der modernen Wirtschaft. Unternehmen konkurrierten nicht mehr nur um Marktanteile, sondern um Zeit, Klicks und Sichtbarkeit.

In den 2000er- und 2010er-Jahren erreichte die Attention Economy ihren Höhepunkt. Erfolg wurde an Reichweite, Interaktionsraten und viraler Präsenz gemessen – Indikatoren, die zwar kurzfristige Aufmerksamkeit generierten, aber wenig über langfristigen Wert, Wirkung oder Verantwortung aussagten. Die Ökonomie der Aufmerksamkeit förderte Oberflächlichkeit: Quantität dominierte über Qualität, Geschwindigkeit über Substanz, Wirkung über Nachhaltigkeit.

Diese Entwicklung führte in den letzten Jahren zunehmend zu einem Vertrauensverlust. Konsumenten, Investoren und Regierungen begannen zu erkennen, dass Aufmerksamkeit allein kein Indikator für echten gesellschaftlichen oder ökologischen Fortschritt ist. In dieser Phase des Umdenkens setzt Aoshi Chen mit seinem Konzept der Action Economy an. Gemeinsam mit Dr. Everling formulierte er 2025 das Action Economy Manifest, in dem es heißt: „Die Attention Economy fragte: Wer schaut zu? Die Action Economy fragt: Wer macht mit?“ Wert entsteht nicht mehr aus Sichtbarkeit, sondern aus Handeln, Beteiligung und Wirkung.

Dieses neue Paradigma hat weitreichende Folgen für die Beurteilung von Unternehmen, insbesondere im Bereich von ESG- und Nachhaltigkeitsratings. Während klassische Ratings auf quantitativen Finanzkennzahlen beruhen, und ESG-Systeme häufig auf Offenlegung und Berichterstattung fokussieren, fordert die Action Economy ein Umdenken hin zu aktiver Wirkungsmessung. Es genügt nicht länger, Strategien oder Versprechen zu kommunizieren – entscheidend ist, was tatsächlich umgesetzt wird, wie messbar Veränderungen herbeigeführt werden und welche Resonanz entsteht.

In diesem Sinne steht die Action Economy für eine qualitative Vertiefung der ESG-Logik. Sie verbindet ökologische Verantwortung, soziale Teilhabe und ethische Governance mit der Fähigkeit zur konkreten Umsetzung. Unternehmen werden nicht mehr nur danach bewertet, was sie sagen oder wohin sie investieren, sondern wie sie handeln – ob sie Mitarbeiter, Kunden und Partner aktiv in Transformationsprozesse einbinden und ob ihre Initiativen reale, überprüfbare Wirkung entfalten.

Die zukünftige Entwicklung von ESG- und Nachhaltigkeitsratings wird daher von einem rein berichtsbasierten Ansatz zu einem aktionsbasierten Bewertungsmodell übergehen. Neue Kennzahlen könnten die Beteiligung an Kooperationsprojekten, die Skalierung sozialer Innovationen oder die nachweisbare Reduktion von Emissionen und Ressourcenverbrauch abbilden. In der Logik der Action Economy wird Glaubwürdigkeit zur Funktion von Handlungskompetenz: Wer nachhaltig handelt, verdient Vertrauen – und damit Kreditwürdigkeit im umfassenden Sinne.

So markiert der Übergang von der Attention Economy zur Action Economy nicht nur einen kulturellen und technologischen Wandel, sondern auch eine Neuausrichtung ökonomischer Bewertungssysteme. Wo früher Aufmerksamkeit als Währung galt, wird künftig Wirkung zum Maßstab. Die Unternehmen, die in dieser neuen Epoche bestehen, werden jene sein, die nicht bloß gesehen, sondern wirksam werden – durch Taten, die sowohl wirtschaftlichen als auch gesellschaftlichen und ökologischen Mehrwert schaffen.

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Von Quantity zu Quality, von Attention zu Action

Von Dr. Oliver Everling | 19.Oktober 2025

Die Transformation von der Quantity Economy zur Quality Economy ist eng mit dem Wandel von der Attention Economy zur Action Economy verbunden. Beide Bewegungen markieren einen Paradigmenwechsel – weg von der bloßen Anhäufung von Gütern oder Klicks hin zu einer Ökonomie der Wirkung, der Beteiligung und des Sinns. In der Quantity Economy zählte, wie viel produziert, konsumiert und gemessen werden konnte; Effizienz und Skalierung waren die Triebkräfte. Die Quality Economy dagegen richtet sich auf Tiefe, Nachhaltigkeit und Resonanz. Qualität wird nicht mehr allein durch äußere Kennzahlen bestimmt, sondern durch den erlebten Wert und die Wirkung im Kontext von Gemeinschaft, Umwelt und Kultur.

Aoshi Chen beschreibt diesen Übergang als eine Bewegung, die über das bloße Konsumieren hinausführt. In seiner Arbeit Blickfang (2025) erkennt er in der Gestaltungskraft der Natur ein Vorbild für menschliche Kreativität und Organisation. Er sieht in natürlichen Prozessen wie der Bildung von Kristallen oder den Prinzipien von Yin und Yang ein Modell für ausgewogene Dynamik – ein Gleichgewicht aus Wandel und Struktur, aus Entfaltung und Begrenzung. Diese Denkweise überträgt er auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Systeme: Wachstum soll nicht mehr durch Quantität entstehen, sondern durch lebendige, qualitative Entwicklung.

In diesem Zusammenhang steht Chens Begriff der Action Economy. Gemeinsam mit Dr. Everling formuliert er, dass die Zeit der reinen Aufmerksamkeit vorüber ist. „Die Attention Economy fragte: Wer schaut zu? Die Action Economy fragt: Wer macht mit?“ (Chen & Everling, 2025). Hier entsteht Wert nicht aus Sichtbarkeit, sondern aus Handlung, Beteiligung und Wirkung. Während die Attention Economy darauf beruhte, menschliche Aufmerksamkeit als knappes Gut zu monetarisieren, verlagert die Action Economy den Fokus auf die Energie, die entsteht, wenn Menschen gemeinsam etwas tun, gestalten und umsetzen.

Damit ist die Action Economy das operative Pendant zur Quality Economy. Beide fordern eine Neuausrichtung der Wertschöpfung: Qualität entsteht nicht passiv durch Konsum, sondern aktiv durch Mitgestaltung. Chens „Action Economy Manifest“ bringt dies auf den Punkt: „Nicht die Aufmerksamkeit zählt, sondern die Wirkung. Nicht das Zuschauen, sondern das Mitwirken.“ Diese Haltung transformiert ökonomische Beziehungen in ko-kreative Prozesse, in denen Technologie, Kultur und Natur in Resonanz treten.

So wie die Quality Economy das Streben nach Sinn über das Streben nach Menge stellt, ersetzt die Action Economy das Spektakel der Sichtbarkeit durch das Erleben der Wirksamkeit. In beiden Fällen geht es um eine Rückbindung an natürliche Prinzipien des Wachstums: Inspiration führt zu Initiative, Initiative zu Handlung, Handlung zu Austausch – und daraus entsteht nachhaltiger Wert. Chens Werk zeigt, dass diese neue Epoche nicht durch Beschleunigung, sondern durch Bewusstheit geprägt sein wird – durch eine Ökonomie, die nicht nur zählt, was messbar ist, sondern wertschätzt, was wirkt.

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Der schöne Schein der Ordnung – warum die ESG-Rating-Regulierung auf wackeligen Beinen steht

Von Dr. Oliver Everling | 16.Oktober 2025

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) hat einen Zeitplan zur Einführung und Umsetzung der neuen Verordnung für ESG-Ratinganbieter veröffentlicht, der die wichtigsten Schritte von 2024 bis 2028 beschreibt. Am 27. November 2024 erfolgt zunächst die Veröffentlichung der Verordnung im Amtsblatt der Europäischen Union. Kurz darauf, am 17. Dezember 2024, tritt die Verordnung offiziell in Kraft. Damit beginnt die Übergangsphase, in der die ESMA die notwendigen technischen Standards und Ausführungsbestimmungen vorbereitet. Bis zum 2. Oktober 2025 muss die ESMA die Entwürfe für diese technischen Regulierungsstandards (RTS) vorlegen, um die praktische Umsetzung der Verordnung vorzubereiten.

Am 2. Juli 2026 wird die Verordnung dann anwendbar, das heißt, die ESG-Ratinganbieter müssen ab diesem Zeitpunkt die neuen Regeln einhalten. Innerhalb eines Monats, bis zum 2. August 2026, müssen die Anbieter die ESMA darüber informieren, ob sie beabsichtigen, weiterhin im europäischen Markt tätig zu sein. Für größere Anbieter endet am 2. November 2026 die Frist zur Einreichung ihres Zulassungsantrags bei der ESMA. Am selben Tag gilt für kleinere Anbieter die Frist, ihre Absicht zur weiteren Tätigkeit in der EU mitzuteilen. Damit markiert das Jahr 2026 den zentralen Abschnitt, in dem die Registrierung und Genehmigung der ESG-Ratinganbieter umgesetzt wird.

Nach der vollständigen Anwendungsphase beginnt die Überwachung und Auswertung des Marktes. Am 1. Dezember 2027 veröffentlicht die ESMA ihren ersten jährlichen Bericht über die Marktanteile der ESG-Ratinganbieter in der Europäischen Union. Ab dem 1. Januar 2028 müssen zudem Informationen über das European Single Access Point (ESAP) regelmäßig an die ESMA gemeldet werden. Schließlich wird am 1. Dezember 2028 die Europäische Kommission einen Bericht vorlegen, in dem die Wirksamkeit und Umsetzung der ESG-Verordnung bewertet wird.

Der Zeitplan verdeutlicht, dass die Einführung der ESG-Regulierung schrittweise erfolgt: von der rechtlichen Verankerung über die technische Ausgestaltung bis hin zur operativen Umsetzung und anschließenden Evaluierung. Dadurch soll sichergestellt werden, dass ESG-Ratinganbieter in der EU einheitlichen, transparenten und überprüfbaren Regeln unterliegen, die sowohl den Anlegerschutz als auch die Qualität und Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsratings stärken.

Was auf den ersten Blick nach einem klaren und sorgfältig geplanten Fahrplan aussieht, steht in Wirklichkeit auf einem unsicheren Fundament. Die Abfolge von Fristen und Berichtspflichten vermittelt zwar den Eindruck von Ordnung und Zielstrebigkeit, doch dahinter steht die grundsätzliche Frage, ob eine solche Regulierung tatsächlich die gewünschten Wirkungen entfalten kann. Der europäische Gesetzgeber verfolgt mit der ESG-Rating-Verordnung das Ziel, Transparenz, Qualität und Vergleichbarkeit bei Nachhaltigkeitsbewertungen zu erhöhen. Dennoch bleibt fraglich, ob dieser regulatorische Ansatz in der Praxis mehr als eine bürokratische Struktur schaffen wird, die vor allem kleinere Anbieter belastet, ohne die tatsächlichen Marktverhältnisse grundlegend zu verändern.

Ein Blick auf die Regulierung der klassischen Credit Rating Agencies zeigt, dass frühere Reformen ähnliche Ambitionen verfolgten – mit ernüchternden Ergebnissen. Trotz umfangreicher Aufsicht und detaillierter Vorgaben ist es nicht gelungen, die Marktdominanz der großen, vor allem US-amerikanischen Agenturen zu brechen. Diese Akteure behalten bis heute eine zentrale Rolle in der Bewertung von Anleihen und Unternehmen und prägen damit weiterhin maßgeblich die Wahrnehmung von Kreditrisiken auf den globalen Finanzmärkten. Europäische oder kleinere Wettbewerber konnten ihre Position kaum stärken, obwohl die Regulierung eigentlich mehr Vielfalt und Unabhängigkeit fördern sollte.

Es besteht daher die reale Gefahr, dass sich die Geschichte im ESG-Bereich wiederholt. Die formalen Anforderungen könnten dazu führen, dass sich vor allem große, kapitalstarke Anbieter durchsetzen, die die regulatorischen Hürden leichter überwinden. Kleinere, innovative Anbieter, die alternative Bewertungsansätze entwickeln, könnten dagegen verdrängt werden. Anstatt also den europäischen Markt für ESG-Ratings zu diversifizieren und unabhängiger zu machen, könnte die neue Verordnung unbeabsichtigt genau das Gegenteil bewirken – sie könnte bestehende Machtstrukturen zementieren und den Einfluss internationaler Großakteure in einem Bereich stärken, der eigentlich mehr Wettbewerb, Transparenz und Vielfalt versprechen sollte.

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Martini.ai sieht bei Stellantis einen „Credit-Stresstest“ für den US-Markt

Von Dr. Oliver Everling | 16.Oktober 2025

Der Datenanbieter Martini.ai bewertet den jüngsten Schritt von Stellantis, 13 Milliarden US-Dollar in die Ausweitung seiner US-Produktion zu investieren, als Balanceakt zwischen industrieller Stärke und finanzieller Belastung. „Das Vorhaben ist das größte Einzelinvestment in der Unternehmensgeschichte und soll die heimische Produktion um 50 % steigern“, heißt es in der Analyse. Gleichzeitig warnt Martini.ai, dass die Kapitalstruktur zunehmend unter Druck gerät.

Nach Angaben der Plattform liegt das Kreditrating von Stellantis aktuell bei B1, mit einer einjährigen Ausfallwahrscheinlichkeit von 0,08 %. Damit bewege sich der Konzern „auf einem Niveau mit höher eingestuften, aber risikoreicheren Investment-Grade-Peers wie Ford“. Der 5-Jahres-Z-Spread notiere bei rund 160 Basispunkten – mehr als doppelt so hoch wie bei General Motors, das bei etwa 70 Basispunkten gehandelt werde.

„Das Problem liegt in der Kapitalstruktur“, schreibt Martini.ai. Das Unternehmen weise eine Netto-Cash-Position von rund –11,6 Milliarden US-Dollar sowie ein negatives Free-Cash-Flow-Ergebnis von etwa –14 Milliarden US-Dollar zur Jahresmitte 2025 aus. S&P Global und Fitch hätten Stellantis bereits Anfang des Jahres von BBB+ auf BBB herabgestuft – ein Schritt, den Fitch mit „anhaltendem Margendruck und erhöhter Verschuldung“ begründet habe. Um ein Investment-Grade-Profil zu halten, seien laut Fitch „EBIT-Margen über 6 % und nachhaltige Free-Cash-Flow-Margen über 2 % erforderlich“.

Der auf Martini.ai basierende „Assistant’s Take“ vergleicht Stellantis zudem mit den Konkurrenten Ford und GM. Kurzfristig werde die Investition „neue Schulden erfordern, sofern sie nicht durch höhere Profitabilität oder Vermögensverkäufe ausgeglichen wird“. Das erhöhe das Verschuldungsrisiko in einer Phase „anhaltender Cashflow-Volatilität“. Während GM „die stabilste Finanzlage mit besseren Margen“ habe, bewege sich Ford auf ähnlichem Druckniveau wie Stellantis. Letzterer „hinke bei Liquidität und Nettoverschuldung hinterher“ und nähere sich bei weiter steigender Verschuldung „den Schwellenwerten des spekulativen Bereichs“.

Langfristig sieht Martini.ai jedoch Potenzial: Die Expansion solle „die Wettbewerbsfähigkeit in den USA stärken, mit fünf neuen Elektrofahrzeugmodellen und 19 Produktauffrischungen bis 2029“. Wenn der Plan aufgehe, könne „die Profitabilität zurückkehren und die kurzfristigen Kreditbelastungen durch Skaleneffekte und optimierte Lieferketten kompensiert werden“.

Das Fazit fällt abgewogen aus: „Die Expansion ist zugleich ein Meilenstein der industriellen Erneuerung und ein Kredit-Stresstest“, resümiert Martini.ai. Der Konzern beweise langfristigen Optimismus, doch bleibe „eine wachsame Beobachtung der Kreditkennzahlen unabdingbar“. Sollte sich die Cash-Generierung nicht deutlich verbessern, könne der „Kredittrend von Stellantis bis 2026 in Richtung spekulativer Einstufung driften“.

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China zwischen strukturellem Aufbruch und konjunktureller Herausforderung

Von Dr. Oliver Everling | 14.Oktober 2025

Der jüngste Zollstreit zwischen den USA und China mag kurzfristig die Schlagzeilen dominieren, doch im Hintergrund vollzieht sich ein tiefergreifender Wandel, der auch für Ratingagenturen von hoher Relevanz ist. Während Analysten der großen Agenturen – von Fitch bis Moody’s – die konjunkturelle Abkühlung und geopolitische Risiken im Blick behalten, sehen Fondsmanager wie Martin Lau, Managing Partner bei FSSA Investment Managers, in China vor allem strukturelle Chancen. „Wir sind überzeugt, dass Chinas Aufwärtstrend im Bereich Innovation strukturell bedingt ist“, schreibt Lau in einem aktuellen Marktkommentar.

Für Ratingagenturen ergibt sich daraus die Aufgabe, konjunkturelle Risiken und langfristige Strukturveränderungen klar zu trennen. Seit dem politischen Kurswechsel im Herbst 2024 hat Peking, wie Lau beschreibt, „eine Reihe gezielter Maßnahmen ergriffen: Neben einer expansiveren Geldpolitik wurden ‚Trade-In‘-Programme zur Konsumförderung aufgelegt, der Abbau von Überkapazitäten adressiert und fiskalische Impulse gesetzt.“ Solche Reformschritte wirken stabilisierend, können aber – aus Sicht der Bonitätsbewertung – nur dann zu einer Verbesserung des Kreditprofils führen, wenn sie dauerhaft Wachstum und Finanzstabilität sichern.

Lau betont die Attraktivität chinesischer Bewertungen: „Derzeit gibt es wohl keinen anderen asiatischen Markt, der in Bezug auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis oder die Dividendenrendite attraktiver ist als China.“ Für Ratingagenturen ist dies ein Signal, dass Marktpreise bereits viel Pessimismus eingepreist haben – Bonitätsurteile jedoch stets auf Fundamentaldaten und Schuldentragfähigkeit beruhen müssen, nicht auf temporären Bewertungsniveaus.

Trotz der positiven Entwicklungen bleiben laut Lau Risiken bestehen. „Die Wirtschaftstätigkeit hat sich in diesem Jahr zwar stabilisiert, bleibt aber absolut gesehen nach wie vor schwach“, warnt er. Der angeschlagene Immobiliensektor, aggressive Preiskämpfe im E-Commerce und in der Elektromobilität sowie regulatorische Eingriffe der Regierung prägen ein komplexes Umfeld. Ratinganalysten werden daher prüfen, ob staatliche Steuerung langfristig die Wettbewerbsfähigkeit stärkt – oder neue Abhängigkeiten schafft.

Während Fondsmanager wie FSSA gezielt auf innovationsstarke Unternehmen setzen – „Tencent, Netease und Cloud Music gehören zu unseren Favoriten“, so Lau –, müssen Ratingagenturen die Tragfähigkeit dieser Geschäftsmodelle unter verschiedenen Marktszenarien bewerten. Kapitaldisziplin und solide Bilanzen gelten dabei als entscheidende Indikatoren für Stabilität. Lau verweist auf einen positiven Trend: „Sowohl staatliche als auch private Unternehmen erhöhen Dividenden und Aktienrückkäufe – ein Effekt der ‚Value-Up‘-Initiativen.“ Diese Entwicklung signalisiert Reife und könnte mittel- bis langfristig auch auf eine Verbesserung der Unternehmensratings hindeuten, sofern sie mit nachhaltigen Cashflows unterlegt ist.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen aus Ratingperspektive die Innovationsbranchen. „Wir sind der Meinung, dass chinesische Technologie nicht mehr als minderwertig gegenüber westlicher Technologie angesehen werden kann“, betont Lau. Unternehmen wie BYD, CATL, Midea Group oder Shenzhen Mindray zeigen, dass China zunehmend eigenständig agiert und seine globale Wettbewerbsposition ausbaut. Für Ratingagenturen stellt dies einen strukturellen Stabilisierungsfaktor dar, der sich in Zukunft stärker in Kreditbewertungen widerspiegeln könnte.

FSSA und Ratingagenturen verfolgen damit unterschiedliche, aber komplementäre Perspektiven: Während FSSA gezielt Chancen sucht und auf langfristiges Gewinnwachstum setzt, liegt der Fokus der Ratingagenturen auf der nachhaltigen Kreditqualität und der Fähigkeit, wirtschaftliche Schocks zu überstehen.

Lau fasst die Lage treffend zusammen: „Wer auf Fundamentaldaten und nachhaltige Geschäftsmodelle setzt, dürfte auch künftig von Chinas Wachstumspotenzial profitieren – sollte jedoch die bestehenden Risiken nicht aus dem Blick verlieren.“ Für Ratingagenturen bedeutet dies, diese Balance objektiv zu messen – zwischen strukturellem Aufbruch und konjunktureller Unsicherheit.

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Geopolitische Spannungen rücken in den Fokus der Ratingagenturen

Von Dr. Oliver Everling | 14.Oktober 2025

Die jüngste Eskalation zwischen China und den USA hat nicht nur die Märkte in Asien erschüttert, sondern auch die Aufmerksamkeit der Analysten internationaler Ratingagenturen auf sich gezogen. Die Experten sind gefordert, die Entwicklungen mit besonderer Sorgfalt zu beobachten und mögliche Konsequenzen für Länderratings, Unternehmensanleihen und Handelsfinanzierungen einzuschätzen.

„In der vergangenen Woche sind die Spannungen zwischen China und den USA erneut eskaliert“, erklärt Elizabeth Kwik, Investment Director of Asian Equities bei Aberdeen Investments. „Das chinesische Handelsministerium kündigte erweiterte Exportbeschränkungen für seltene Erden an, die nun auch ausländische Exporteure und Technologien betreffen, die mit seltenen Erden in Verbindung stehen.“ Die Reaktion aus Washington ließ nicht lange auf sich warten: „Die US-Regierung unter Donald Trump reagierte bereits am nächsten Tag mit der Einführung eines 100-prozentigen Strafzolls auf sämtliche chinesische Waren – zusätzlich zu den bereits bestehenden Zöllen.“

Für Ratingagenturen stellen solche politischen und handelspolitischen Maßnahmen ein zentrales Risiko dar, da sie sowohl auf makroökonomische Kennzahlen als auch auf die Kreditwürdigkeit ganzer Sektoren wirken können. In Zeiten geopolitischer Unsicherheit müssen Analysten nicht nur Kursreaktionen und Marktvolatilität beobachten, sondern auch die Tragfähigkeit von Staatsfinanzen und Unternehmensbilanzen unter Stressbedingungen neu bewerten.

Kwik verweist darauf, dass „die gegenseitigen Maßnahmen vor allem als strategisches Taktieren im Vorfeld des Gipfels zu verstehen sind“. Dennoch bleiben die Unsicherheiten hoch. Die Ratinganalysten sind daher angehalten, diese Entwicklungen kontinuierlich zu verfolgen, um rechtzeitig auf strukturelle Verschiebungen reagieren zu können, die eine Anpassung bestehender Ratings erforderlich machen könnten.

Trotz der geopolitischen Spannungen sieht Kwik auch positive Aspekte: „Trotz der aktuellen Lage bleiben wir langfristig konstruktiv gegenüber chinesischen Aktien eingestellt. Die Festlandmärkte gehören in diesem Jahr zu den stärksten Performern und haben sowohl die USA als auch andere große asiatische Märkte übertroffen.“ Besonders die internen Reformen und die wirtschaftspolitische Reaktionsfähigkeit Pekings könnten laut Kwik dazu beitragen, den externen Druck abzufedern.

Für Ratingagenturen bedeutet dies, dass sie die gegenläufigen Kräfte – geopolitische Risiken auf der einen, strukturelle Stärke der Binnenwirtschaft auf der anderen Seite – differenziert einordnen müssen. Denn „die Bewertungen liegen unter dem Fünfjahresdurchschnitt, die Ersparnisse der Haushalte sind im Verhältnis zur Marktkapitalisierung hoch“, so Kwik. Gerade diese Faktoren könnten das Fundament für stabile Kreditratings trotz kurzfristiger Turbulenzen bilden.

Insgesamt zeigt die jüngste Entwicklung, dass geopolitische Spannungen zunehmend als Ratingfaktor Gewicht gewinnen. Analysten sind gefordert, politische Signale ebenso sorgfältig zu bewerten wie finanzielle Kennzahlen – und flexibel genug zu bleiben, um auf eine sich rapide verändernde Weltordnung zu reagieren.

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