Deutschlands teuerstes Jahr seit 2009
Von Dr. Oliver Everling | 27.Juli 2021
Deutschland hält beim Kreditsversicherer Coface die Note A3 seit dem Ausbruch der globalen Corona-Pandemie. „Es ist die bisher schlechteste Note,“ kommentiert Coface-Volkswirtin Christiane von Berg, „die Deutschland in den vergangenen 20 Jahren zugewiesen bekam.“ Die Länderrisikoeinschätzung spiegelt die Wahrscheinlichkeit von erhöhten Zahlungsausfällen in einem Land in den nächsten sechs Monaten wider.
Im Vergleich zu den letzten vier Monaten des Jahres 2020 ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in den ersten vier Monaten des Jahres 2021 teils kräftig gestiegen (+15%), stellen die Analysten in Mainz fest. Im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres liegen die Insolvenzen noch immer 17% niedriger.
Aussagekräftig sei allerdings weniger die Anzahl der Insolvenzen, sondern vielmehr der Schaden, der dadurch verursacht wird. Das Statistische Bundesamt meldet einen Umfang der Forderungen aus Insolvenzen von fast 20 Mrd. Euro in den ersten vier Monaten des Jahres. „Das sind 88% mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres und das letzte Jahr war mit 44 Mrd. Euro schon das teuerste Jahr seit 2009. Kurzum: Es sind weiterhin wenig Insolvenzen, aber dafür große“, sagt Christiane von Berg.
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Staatliche Eingriffe – keine Kaufempfehlungen
Von Dr. Oliver Everling | 26.Juli 2021
Um ein Gegenargument gleich vorwegzunehmen: Die im folgenden beschriebenen Vorgänge sind nicht ganz vergleichbar, Äpfel darf man nicht mit Birnen verwechseln. Aber es gibt eine Ebene, auf der doch ein Vergleich möglich ist: Äpfel und Birnen gehören gleichermaßen zu den Balgäpfeln. Apfelfrüchte sind nach der Pflanzenmorphologie durch Achsengewebe umgebene Balg- oder Sammelbalgfrüchte, also Scheinfrüchte. Beispiele sind der namensgebende Apfel, die Birne, die Quitte und die Mispel, aber auch die Vogelbeere und anderes Kernobst.
Hier die „Äpfel“: „Die Europäische Zentralbank (EZB) als oberste Bankenaufseherin hat am vergangenen Freitag, den 23. Juli, den Weg für weitere Ausschüttungen durch die Aufhebung der bisherigen Ausschüttungsbeschränkungen geebnet. Diese waren während der Hochphase der Coronapandemie 2020 im Gegenzug zu weitreichenden Unterstützungsmaßnahmen wie regulatorischen Ausnahmen bei der Leverage-Quote und großzügigen Liquiditätshilfen, wie die TLTRO-III-Refinanzierungsprogramme proklamiert worden“, schreibt die DZ BANK in ihrem Research mit dem Titel „Endlich Geld von Banken: Ausschüttungsverbot endet“.
Damalige Zielsetzung war die Unterbindung des Abfließens von Eigenkapital aus den Banken. Die Finanzkraft der Banken sollte vor der damals unklaren Entwicklung der Kreditqualität nicht geschwächt werden. „Nachdem es nun geringere Unsicherheit über notleidende Kredite gibt und diese bisher, auch nach dem Auslaufen staatlicher Unterstützungsprogramme, nicht merklich angestiegen sind,“ berichtet die DZ BANK weiter, „hat die EZB den Entfall aller Ausschüttungsbeschränkungen angekündigt und ist damit anderen Bankenaufsehern wie der Federal Reserve in den USA und der Bank of England in Großbritannien gefolgt. Ab dem 4. Quartal dürfen Banken daher wieder vollumfänglich Ausschüttungen vornehmen, müssen diese aber individuell durch die EZB als oberste Bankenaufsicht genehmigen lassen.“
Die Aktien einer Bank, die keine Gewinne ausschütten darf, unterscheiden sich kaum von denen einer gemeinnützigen AG, die ebenfalls keine Dividende zahlt. Wer die Zahlung von Dividenden staatlich verbietet, nimmt Aktionären eine wesentliche Motivation zum Erwerb der Aktien.
Nun die „Birnen“: Anfang Juli warnte das Research der DZ BANK schon vor der „regulatorischen Welle“ in der Volksrepublik China, die seit der Absage des Börsengangs von Ant Financial den Internet-Sektor unter Druck setzt: „Spätestens nach dem Debakel rund um den Börsengang des Fahrdienstleisters DiDi ist die Stimmung der internationalen Anleger am Boden“, schreiben die Analysten nun mit ähnlichem Wortlaut in verschiedenen Research-Publikationen der DZ BANK. „Nun hat der chinesische Staat eine noch gravierendere Maßnahme beschlossen, die den Sektor u.E. aktuell uninvestierbar machen.“
Gemeint ist ein neues Gesetz, das tief in den chinesischen Bildungssektor eingreift und privatwirtschaftlich geführte Unternehmen dazu zwingt, sich künftig als Non-Profit Organisationen zu registrieren. „Als die Maßnahmen bekannt wurden, fielen die ADRs von zahlreichen Anbietern im Bereich Online- und Offline-Bildung (wie z.B. TAL Education und
New Oriental Education) um 70%. Die Maßnahme ist eine Enteignung/Verstaatlichung durch die Hintertür und dient zur Senkung der Ausgaben von jüngeren Familien, als Teil eines Maßnahmenpakets zur Ankurbelung des Bevölkerungswachstums, zu dem auch die neue 3-Kind-Politik gehört.“
Die Analysten legen die Gründe für die Maßnahmen der chinesischen Regierung dar. „Subventioniert wird das Ganze auf Kosten ausländischer Investoren, deren Investment nun nahezu wertlos geworden ist. Ob die Unternehmen sich selbst abwickeln müssen und Eigentümer von ADRs zumindest noch die verbleibende Nettoliquidität ausgezahlt bekommen, ist unklar. Diese Diskussion stellt dann aber u.E. insgesamt auch die ADR-Struktur infrage. Wie üblich, gibt es auch dieses Mal keine Möglichkeit für Unternehmen, sich gegen das Gesetzesvorhaben zu wehren. Viele von
ihnen haben sich per ad-Hoc Mitteilung bereiterklärt, den neuen Regeln zu folgen.“
Die Analysten der DZ BANK lassen nun ihre Griffel fallen: „Es ist uns nach diesem Vorfall nicht mehr länger möglich, chinesische Internetwerte zum ‚Kauf‘ zu empfehlen. Die Visibilität ist u.E. nicht mehr gegeben, es kann jederzeit zu noch schärferen Regeln kommen, die materiell in das Geschäftsmodell, der von uns gecoverten Unternehmen eingreifen. Diese Unsicherheit zwingt uns dazu, einen temporären Bewertungsabschlag vorzunehmen, bis wir regulatorische Klarheit haben.“
Was haben die europäische Ausschüttungssperre von Banken mit chinesischen Nachhilfeunternehmen zu tun? Es verhält sich wie mit den Äpfeln und den Birnen. Die Gemeinsamkeit liegt auf einer übergeordneten Ebene, nämlich dem ungeordneten und unverhersehbaren Eingreifen des Staates. Hier wie dort ist das größte Risiko für Anleger der Staat, der oft wenig vorausschauend die Aktienmärkte bewegt und damit das Investieren weniger attraktiv macht.
Risiko muss stets entgolten werden, Anleger wollen für das Eingehen solcher Risiken entschädigt werden oder ziehen sich ganz zurück – mit der Folge, dass so dringend benötigtes Wagniskapital ausbleibt. In Ost und West müssen die Musterknaben erst noch geboren werden, die ein gutes Beispiel für die Regulierung börsennotierter Unternehmen geben könnten.
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Moody’s warnt Hausbesitzer
Von Dr. Oliver Everling | 23.Juli 2021
Am 14. und 15. Juli 2021 haben verheerende Überschwemmungen den Süden der deutschen Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz heimgesucht und dabei tragische Verluste an Menschenleben und schwere Schäden an Wohn- und Gewerbeimmobilien sowie der allgemeinen Infrastruktur verursacht. Das Ereignis wird nach einer vorläufigen Schätzung des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV) versicherte Schäden zwischen 4 und 5 Milliarden Euro verursachen.
„Wir erwarten,“ kommentieren dazu Moody’s Analysten, „dass sich die Schaden-Kosten-Quote (Schaden und Kosten in Prozent der Prämien, eine wichtige Kennzahl für den versicherungstechnischen Gewinn) 2021 von 90 % im Jahr 2021 auf 96 bis 99 % verschlechtern wird.“
Auch deutsche Hausbesitzer leiden unter einer Versicherungs-„Schutzlücke“, da viele Hausratversicherungen regenbedingte Überschwemmungen nicht abdecken. „Das Ereignis wird weithin als Folge des Klimawandels angesehen, der die Häufigkeit und Schwere extremer Wetterereignisse erhöht. Die deutsche Schaden- und Unfallversicherung hat bereits Mühe, mit der Wohngebäudeversicherung Gewinne zu erzielen, und könnte es schwierig finden, Hausbesitzer ohne signifikante Preiserhöhungen vor Klimarisiken zu schützen“, warnt Moody’s.
Teile von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz verzeichneten am 14. und 15. Juli bis zu 150 Liter Niederschlag pro Quadratmeter, etwa das Doppelte des langjährigen Monatsdurchschnitts, wodurch Flüsse und Bäche in besiedelte Gebiete überfluten. Auch im Süden Bayerns kam es am 17. und 18. Juli zu starken Regenfällen und Überschwemmungen, wenngleich die Schäden dort geringer ausfielen.
Moody’s: German floods will hit P&C insurers‘ profit, highlighting climate change risk.
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Probleme bei Investments trotz Boom bei Wohnimmobilien
Von Dr. Oliver Everling | 23.Juli 2021
Seit Jahren versäumt es das Bundesfinanzministerium, die Rahmenbedingungen für Investments in Wohnimmobilien zu verbessern. Im Gegenteil, es entsteht nicht genügend Wohnraum und zugleich müssen Immobilieninvestoren mit herben Verlusten rechnen.
„Wohnimmobilienmärkte boomen und trotzdem nehmen die Probleme bei Investments zu“, schreibt Finanzanalyst Stefan Loipfinger in seinen neuesten „Investmentcheck-News KW 29/2021″.
„So hat es diese Woche Exporo mit einem neuen Insolvenzantrag für das Wohnduo Rhein-Main erwischt. Die AnlegerInnen könnten mit einem blauen Auge davon kommen,“ führt er weiter aus, „da von ihren Geldern 75 Prozent noch nicht einmal an den Projektentwickler ausbezahlt wurden. Diese liegen seit über einem Jahr auf dem Treuhandkonto rum. Hoffen wir, dass der Insolvenzverwalter darauf keinen Zugriff bekommt.“
Weniger Glück haben Anlegerinnen und Anleger bei dem Funding Pankstraße 61, so seine Vermutung: „Beim Amtsgericht Charlottenburg liegt zum Emittenten Immoneo GmbH ein Insolvenzantrag. Betroffen sind drei Plattformen von CrowdDesk. Sie sammelten vor eineinhalb Jahren die gesuchten 400.000 Euro.“
„Ich könnte jetzt noch weiter machen mit Fundings,“ heißt es in seinem Newsletter, „bei denen die Rückzahlungen nicht plangemäß erfolgten. Im Forum Investmentcheck.Community entwickeln sich zunehmend Diskussionen zu einzelnen Fällen. Selbst Power-Investoren mit unzähligen Einzelinvestments scheinen enttäuscht von der Entwicklung und ziehen sich zurück.“
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Chancen für Zykliker kommen wieder
Von Dr. Oliver Everling | 20.Juli 2021
Trotz der relativen Schwäche zyklischer Aktien sieht Dr. Eduard Baitinger berechtigte Hoffnungen auf eine Trendwende für dieses Segment im Jahresverlauf. Dr. Eduard Baitinger ist seit 2015 Head of Asset Allocation in der FERI Gruppe. Er verantwortet den Bereich quantitative Asset Allocation der FERI Trust, wo er auch zahlreiche Forschungsprojekte steuert und koordiniert. In enger Abstimmung mit dem FERI-Vorstand und Chief Investment Officer, Dr. Heinz-Werner Rapp, vertritt er ferner die Anlagestrategie der FERI-Gruppe und deren Kommunikation an Mandanten und Kunden der FERI.
„Zum einen ist die Durchimpfungsquote der Bevölkerung – vor allem in den Industriestaaten – deutlich höher als vor der Corona-Welle im Herbst 2020″, argumentiert Eduard Baitinger. „Zum anderen könnte die globale Konjunktur noch für positive Überraschungen sorgen. So zeichnet sich ab, dass China die geldpolitischen Zügel in der zweiten Jahreshälfte wieder lockern könnte.“
Für die Weltwirtschaft wäre die geldpolitische Lockerung in China ein positives Signal. „Zudem erholt sich der US-Arbeitsmarkt in großen Schritten,“ zeigt Eduard Baitinger, „was auf einen deutlichen Zuwachs an neuen Jobs im Spätsommer hoffen lässt. In diesem Fall würde das neue Impulse für den konjunktursensitiven Bereich des Aktienmarktes mit sich bringen. Professionelle Anleger sollten vor diesem Hintergrund den zyklischen Aktienanteil in ihren Portfolios schwächer gewichten und auf bessere Zeitpunkte für den Einstieg warten.“
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Geld im Sog der Negativzinsen
Von Dr. Oliver Everling | 18.Juli 2021
Wer zum neuen Buch des Verfassungs- und Steuerrechtlers Paul Kirchhof mit dem Titel „Geld im Sog der Negativzinsen“ aus dem Verlag C.H.Beck greift, darf sich auf eine anspruchsvolle, aber auch unterhaltsame Lektüre freuen. Wer Freude an juristischer Dialektik hat, kommt auf seine Kosten. Mustergültig zerlegt Paul Kirchhof in seinem Buch jede denkbare Rechtsgrundlage, auf die sich die Praxis des Negativzinses der Europäischen Zentralbank (EZB) gründen könnte. „Der Negativzins ist kein Versicherungsentgelt, sondern eine vereinbarte, weitergegebene öffentlich-rechtlich veranlasste Last, die das Sparen als Ertragsquelle versanden lassen soll und nach Vorgaben der EZB überbracht wird“, so Paul Kirchhof.
Das Buch hält allein schon mit 652 Quellenangaben für 220 Seiten „Nettotext“ wissenschaftlichem Anspruch stand, ist aber kein juristisches Werk, das sich nur den Rechtswissenschaftlern erschließen würde. Vielmehr bemüht sich der Autor, die komplexen Zusammenhänge auch jedem Leser mit mäßiger juristischer Vorbildung zu erklären. Das Buch füllt die Europäsiche Verfassung am konkreten Beispiel der Geldpolitik mit Leben und ist somit auch über das engere Thema des Negativzinses hinaus interessant, da es ein Verständnis des Verfassungskonzeptes der Europäischen Union vermittelt.
„Der gegenwärtige Ruf nach immer mehr kreditfinanzierten Rettungsschirmen sprengt dieses Verfassungskonzept“, schreibt Paul Kirchhof. „Eine kreditfinanzierte Hilfe bei pandemiebedingten Notlagen ist rechtlich vorgesehen und sachlich richtig, wenn sie mit einem gegenwärtig spürbaren, disziplinierten Rückzahlungsplan verbunden ist. Doch wenn die Kreditfinanzierung zu einem Prinzip europäischer Geldpolitik zu werden droht, unterliegt die Union einem grundlegenden Missverständnis. Der Staat erbringt dann Leistungen, die nicht von den betroffenen Bürgern finanziert werden. Der finanzverfassungsrechtliche Grundsatz, dass der Staat dem Bürger nur geben kann, was er ihm vorher steuerlich genommen hat, ist außer Kraft gesetzt. Die zukünftige Rückzahlungs- und Zinszahlungsschuld trifft andere als die gegenwärtig durch die Kreditsumme Begünstigten. Die Kreditlasten bleiben, wenn die Kreditsumme längst ausgegeben ist. Unbeteiligte sollen für etwas einstehen, das sie nicht zu verantworten haben.“
Ob diese, von Paul Kirchhof beschworenen Prinzipien noch von jungen Politikern verstanden werden, ist fraglich. Die Pandemie hat im Kleinen vorgemacht, was für den Klimaschutz im Großen noch ausgerollt werden kann: Wenn die für den Klimaschutz zu treffenden Maßnahmen mit der „Rettung der Welt“ gleichgesetzt werden, wird keiner dieser Politiker mehr nach dem finanzverfassungsrechtlichen Grundatz fragen, auf den sich Paul Kirchhof beruft. Eine demokratisch gewählte Retterin der Welt dürfte wohl im Dienst dieser „höheren“ Aufgabe jede verfassungsrechtliche Diskussion bagatellisieren wollen.
Paul Kirchhof erweist sich als Anwalt des Rechts und diskutiert die Zielsetzungen der EZB: „In der abstrakten Zielsetzung einer Inflations- oder Wachstumsrate bleibt der Wille des Geldeigentümers unbeachtet. Er soll sein Verhalten den Vorgaben der EZB unterwerfen, obwohl er zur freien Verfügung und Nutzung seines Geldeigentums berechtigt ist und seine Freiheit auch in ökonomischer Vernunft ausübt.“ Der Wertverlust treffe den Einzelnen nicht in der Abhängigkeit von der allgemeinen Geldentwicklung, sondern individuell und ohne Aussicht auf Werterholung durch hoheitlichen Eingriff. „Der Negativzins dient als Instrument, um die Sparguthaben einer Sonderentwicklung zusätzlicher Instabilität zu unterwerfen. Der Sparer verliert mehr an Investitions- und Konsumkraft als die Allgemeinheit der Geldeigentümer.“
Für die private wie für die öffentliche Hand wirke dieser Zins nicht mehr als Schuldenbremse, sondern als Schuldenanreiz, so Paul Kirchhof: „Negative Zinsen bieten insbesondere Staaten den Vorteil, sich in einem Darlehensvertrag ohne Zinslast und einer zahlungslosen Tilgungschance neu zu verschulden.“ Wohl schon immer hielten sich Herrscher mit Versprechungen – darunter auch Schulden – an der Macht, mit der Folge, diese möglicherweise nicht einhalten – bzw. begleichen – zu können. „Während aber bis zum 18. Jahrhundert die Folgen eines solchen Bankrotts die Herrscher persönlich trafen oder sich auf einen Staat beschränkten, schädigt die moderne Verkettung von Volkswirtschaften und die Vergemeinschaftung von Märkten und Währungen sowie der Gläubiger von Staatsanleihen auch Staaten, die für die Überschuldung nicht verantwortlich sind“, warnt Paul Kirchhof.
Er geht auf frühere Versuche in der Bundesrepublik Deutschland ein, gesamtwirtschaftlich Einfluss zu nehmen. „Die Reform der Finanzverfassung 1967/ 1969 stellt die Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern in den Dienst einer staatlich steuernden Finanzpolitik“, schreibt Paul Kirchhof mit Blick auf das Stabilitätsgesetz, dass die Ausrichtung des Staatshaushalts an den „Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ im Grundgesetz verankerte. Die Begrenzung der jährlichen Kreditsumme durch die jährliche Investitionssumme kennt durch dieses Gesetz eine Ausnahme, nämlich die zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts.
„Diese verfassungsrechtliche Ermächtigung, durch neue Kredite eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abzuwehren, war verfassungspolitisch ein Dammbruch. Aus der Ausnahme wurde die Regel.“ Die gesunde Regel des Junktims von Kredit- und Investitionssumme wurde durch die Willkürentscheidung darüber abgelöst, wann und in welchem Umfang stabilitätspolitische Maßnahmen erforderlich wären.
Die zu beklagenden wirtschafts-, finanz- und später geldpolitischen Fehlentwicklungen sind also nicht erst heute durch die große Koalition zu verantworten, denn schon damals wurde das ordnungspolitische Fundament, auf dem sich das „Wirtschaftswunder“ Deutschlands gründete, von einer großen Koalition aus SPD und CDU/CSU zerrüttet – das Kabinett Kiesinger war die vom 1. Dezember 1966 bis zum 21. Oktober 1969 amtierende deutsche Bundesregierung in der erst fünften Legislaturperiode des noch jungen deutschen Bundesstaates. Sie war die erste große Koalition auf Bundesebene in der Bundesrepublik und offenbar – damals wie heute – eine große Koalition der Selbstüberschätzung eigener volkswirtschaftlicher Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten.
Auf die Frage, ob schon theoretisch die Vorstellung einer Volkswirtschaft im „Gleichgewicht“ vielleicht absurd ist, geht Paul Kirchhof nicht ein. Ein solches „Gleichgewicht“ einer Volkswirtschaft wurde eigentlich schon damals nur auf den Kreidetafeln in den Hörsälen von Professoren erreicht, wie auch die „perfekte Planung“ zentralverwaltungswirtschaftlicher Systeme wie in der DDR den wichtigsten Aspekt, nämlich vom Menschen unkontrollierbare Komplexität und Veränderung in der Zeit, ignorierte.
Wirtschaften ist nichts statisches, sondern ist stets dynamisch. Dennoch suggerierte das Stabilitätsgesetz ein Viereck aus Geldwertstabilität, hohen Beschäftigungsstand, ausgeglichener Außenhandelsbilanz und stetigem, angemessenem Wirtschaftswachstum als Maßstab der Stabilität. „Nach diesem Maßstab wird der freie Bürger zum Gegenstand staatlicher Steuerung“, resümiert Paul Kirchhof.
„Die Kreditsumme wird ausgegeben, die Schulden bleiben”, schreibt er und kritisiert, dass die Staaten oft auch bei guter Konjunktur ihre Kredite nicht tilgen: „Der Staat verfügt im Rahmen seiner traditionellen Aufgaben nicht über hinreichende Wirtschaftserfahrung, Gestaltungsinstrumente und Zukunftseinschätzungen, um stetig und verlässlich die gesamtwirtschaftlichen Bedürfnisse voraussehen und mit seiner Haushaltswirtschaft gediegen beeinflussen zu können.“
„Das Konzept einer haushaltspolitischen Konjunktursteuerung ist gescheitert“, stellt Paul Kirchhof ernüchternd fest. „Die staatliche Verschuldungspolitik in der Bundesrepublik hat seit der Finanz- und Haushaltsreform 1967/69 nicht antizyklisch gehandelt, sondern die Staatsschulden vermehrt. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat dementsprechend durch die Föderalismusreform 2009 eine materielle Grenze für die Kreditaufnahme von Bund und Ländern eingeführt.“
Die Unabhängigkeit des ESZB sieht Paul Kirchhof der Unabhängigkeit des Richters nachgebildet. Das Gesetz schirme den Richter gegen äußere Einflüsse ab, damit er sich unbefangen seinem Auftrag, dem Gesetz zur Wirkung zu verhelfen, widmen könne. „Die EZB unterscheidet sich vom Richter dadurch, dass der Richter Recht zu sprechen, die EZB den Geldwert in der Preisstabilität zu gewährleisten hat. Die Entscheidungen zum Geldwert sind nicht rechtlich vorgezeichnet, begründen auch nicht eine Ordnung der rechtlichen Verbindlichkeiten, sondern lenken einen Markt. Diese teilhabende, beeinflussende, eher Marktmacht als Hoheitsgewalt ausübende Steuerung ist dem in der Institution der EZB angelegten Sachverstand vorbehalten. Deren währungspolitische Entscheidungen sind nicht justitiabel.“
Paul Kirchhof zeichnet nach, wie sich die EZB von den ihr gesetzten Zielen entfernte. „Die Rede ist nicht mehr von einem Stabilitätsziel, sondern von einem Inflationsziel, obwohl eine Inflation der Alarm- und Warntatbestand, nicht der Regeltatbestand ist.“ Die rechtliche Grundlage dafür müsste allenfalls noch geschaffen werden. „Die finanzpolitische Entwicklung der Europäischen Union … sucht die Union selbst als eine eigenständige Finanzmacht zu etablieren, die selbst Kredite aufnehmen und an Mitgliedstaaten weitergeben soll. Würde die Finanzhilfe zwischen Staaten durch eine Hilfe der Union fast ohne Öffentlichkeit in den Mitgliedstaaten auf Dauer ersetzt, wäre der Weg zur förmlichen Vertragsänderung unausweichlich.“
Das Buch von Paul Kirchhof ähnelt mehr dem Gutachten eines Anwalts oder der Urteilsbegründung eines Richters, weil es in erster Linie auf das Gesetz und historische Fakten Bezug nimmt, die rechtswissenschaftlich eigentlich unstritig sind – oder sein sollten. Daher geht Paul Kirchhof kaum darauf ein, wie sich der absolutistische Anspruch heutiger Klimaaktivisten auf die Rechtsposition der Bürgerinnen und Bürger auswirken wird.
Künftige Führer werden möglicheweise nicht – wie einst – erst ein Ermächtigungsgesetz benötigen, um ihre „zwingend notwendigen“ Sofortmaßnahmen zum Schutze der Menschheit durchzusetzen, sondern werden sich einfach auf Ausnahmen berufen, die ja auch von Paul Kirchhof nicht ausgeschlossen werden. Im Dienst der Rettung der Welt erblasst jedes Grundrecht des Einzelnen. Was gilt schon das Privateigentum, wenn die Welt unterzugehen droht? Umgeben von Claqueuren und einer Korona aus der Wissenschaft lässt sich nicht nur für Corona-Maßnahmen, sondern auch für Maßnahmen gegen den Klimawandel und deren Finanzierung in beliebigem Ausmaß argumentieren. Unter diesen Bedingungen haben es die Verfassungsideen aus dem 19. Jahrhundert heute schwer. Da die Menschheit keine Versuchsplaneten zur Verfügung hat, um in Testlabors alternative Klimaszenarien durchzuspielen, herrscht nicht der Beweis, sondern der mehrheitliche Glaube, auf den es möglichen neuen Machthabern ankommen wird. Juristen der alten Schule haben da keinen Platz.
Ein ganz anderer Aspekt des Buches ergibt sich daraus, dass Paul Kirchhof stets de lege lata argumentiert. Das Wort „Kryptowährung“ kommt im Buch nicht vor, obwohl Millionen insbesondere junger Menschen quasi „mit den Füßen“ darüber schon abgestimmt haben, wie sie den Euro sehen – nämlich als ein Instrument des staatlich erzwungenen Zahlungsverkehrs und zur Erfüllung von Verbindlichkeiten unter dem Regime eines staatlichen Zwangsgeldmonopols. Eigentum erlebt der Wallet-Inhaber mit seinen Keys.
Im Buch von Paul Kirchhof dominiert die juristische Betrachtungsweise: „Modellfall dieses Eigentums ist das Grundeigentum, dass der Mensch als den Ort seiner Privatheit gegen andere abschirmt. Diese Persönlichkeitsbindung lockert sich deutlich beim Geldeigentum. Dieses Eigentum wird nicht persönlich besessen, bewirtschaftet und gepflegt, sondern ist ein Geldwert, den der Eigentümer als abstrakte Ertragsquelle nutzt und zum Tausch gegen andere Güter einsetzt. Geldeigentum ist flüchtig, dem Eigentümer nicht auf Dauer zugeordnet, sondern jederzeit eintauschbar. Es erfüllt seinen Zweck in den sich ständig bewegenden Rechtsbeziehungen des Menschen, ist weniger auf Bestand denn auf Änderung angelegt. Der Wert des Geldeigentums ist vom Staat, den Wirtschaftssubjekten, der Begegnung mit anderen Währungen, dem Verhalten und den Erwartungen der Geldeigentümer abhängig. Das Geldeigentum ist eine Wert- und Einlösungsgarantie einer Zentralbank, eine Schuldverschreibung, eine verfestigte Rechtsposition an einem höchst abstrakten, in Zahlen definierbaren, aber nicht greifbaren Vermögenswert.“
Der Gesetzgeber hat dem Geld unter allen Gütern und Dienstleistungen einen Sonderstatus eingeräumt. Aus wirtschaftlicher Sicht ist Geld aber eine Leistung wie jede andere, die bestimmten Zwecken dient. Die Erwartung, dass Geld automatisch auch positive Zinsen bringen müsse, wurde vom Gesetzgeber selbst geweckt; das ist ja such Teil der Argumentation von Paul Kirchhof gegen die Negativzinsen, für die er keine Rechtsgrundlage in geltenden Gesetzen finden kann. Es wäre aber auch ein Europa denkbar, in der der Euro lediglich dem Zahlungsverkehr mit dem Staat dienen würde, also beispielsweise der Einsatz des Euros sich für die meisten Bürgerinnen und Bürger auf die Zahlung von Steuern beschränken würde, und das staatliche Zwangsgeldmonopol zugunsten freier Wahl der Zahlungsmittel aufgegeben wäre.
Eine inzwischen schon unübersehbare Zahl von Kryptowähruengen, Kryptobörsen und Apps für Wallets usw. zeugen von dem Bedürfnis nach neuen Formen des Geldes, das sich ökonomisch ja nur aus seinen Funktionen definiert, die eben nicht nur vom Euro, sondern auch durch eine Blockchain wahrgenommen werden könnten. Nur weil diesen Kryptowährungen das staatliche Zwangsgeldmonopol mit aller gesetzlicher Härte gegenüber steht, sind sie in eine Welt aus Schneeballsystemen und Zockerbuden verdrängt.
In den Ohren eines Ökonomen klingen auch solche Sätze von Paul Kirchhof uneindeutig: „Doch alle diese Erscheinungsformen in der Geldwirtschaft sind darauf angelegt, letztlich in einem individuell zugeordneten Geldbestand (Konto, Sparbuch, Anleihe, Beteiligung) zu münden.“ Forderungstitel und Beteiligungstitel gleichermaßen als „Geldbestand“ – was ist da ein „Geldbestand“? Wenn Geld sich ökonomisch allein durch seine Funktion definiert, passt der Ausdruck „Bestand“ nicht gut. Geld gibt es immer nur als Forderungstitel, insbesondere gegen eine Bank – oder eben auch gegen eine Zentralbank. Paul Kirchhofs Umgang mit dem Wort „Geldbestand“ erinnert an die Zeit der Geldwechsler, als Geld noch aus Silber, Gold oder sonstiges, gemünztes Edelmetall bestand.
Als 1992 der Euro in Maastricht beschlossen wurde, gab es das Internet und die heutige Mobiltelefonie noch nicht. Damals war es unvorstellbar, dass jeder auf einem Smartphone das Zahlungsmittel seiner Wahl speichern und im Zahlungsverkehr in die jeweils vom Vertragspartner gewünschte Währung online und real-time zum aktuellen Marktkurs einmal tauschen könnte. In Frankfurt am Main verließen in den 1990er Jahren wöchentlich noch Lastwagen mit Francs, Escudos und Pesetas die Stadt, um diese in die Heimatländer zu bringen. Die Einführung einer einheitlichen Währung hatte aus damaliger Sicht nicht nur politische, sondern auch viele praktische Vorteile.
Die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger wird nicht erst durch den Negativzins eingeschränkt, sondern schon durch das staatliche Zwangsgeldmonopol, das jeden zur Verwendung dieses Geldes zwingt und nicht erlaubt, in anderen Einheiten „unkontrolliert“ Einlagen entgegenzunehmen und Kredite auszureichen. „Weil das Geld und sein Wert in der Rechtsgemeinschaft gebildet werden, es von fast allen Menschen in nahezu unbegrenzter Höhe begehrt, es durch Banken-, Markt- und Staateninteressen bedrängt wird,“ argumentiert Paul Kirchhof, „schafft das Recht einen besonderen Freiheitsgaranten, der ein stabiles Geldvermögen gewährleistet.“ Alles, was Geld ist, wird „in nahezu unbegrenzter Höhe begehrt“, wie Paul Kirchhof schreibt, nicht aber unbedingt der Euro, wenn es das staatliche Zwangsgeldmonopl nicht gäbe. Daher lässt sich der Argumentation von Paul Kirchhof ein wichtiger Punkt hinzufügen: Schon weil jede Bürgerin und jeder Bürger gezwungen wird, den Euro zur Begleichung von Schulden zu akzeptieren, muss diesem Zwang eine Garantie der Preisstabilität gegenüberstehen.
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Wie Privat- und Unternehmenskunden beim Geld die Kontrolle behalten
Von Dr. Oliver Everling | 14.Juli 2021
Der größte Wunsch vieler Menschen: Sie wollen beim Geld die Kontrolle behalten. Das gelingt, wenn Beraterinnen und Berater mit FinaMetrica – einem psychometrischen Test zum Profiling der finanziellen Risikobereitschaft – arbeiten. Ausgewählte Finanzberaterinnen und Finanzberater helfen Menschen, bewusst gut zu ihnen passende Entscheidungen zu treffen.
FCM Finanz Coaching listet wieder neu ausgewählte Berater, die dieses Verfahren in ihren Beratungsprozess integrieren. Das wissenschaftlich fundierte Assessment von FinaMetrica zum Profiling der finanziellen Risikobereitschaft wird seit mehr als 10 Jahren von Finanzberatern und Finanzcoaches in allen deutschsprachigen Ländern genutzt.
Diese Berater und Coaches sprechen mit Kunden über ihren bestmöglichen Entscheidungsprozess, der insbesondere die finanzielle Risikobereitschaft des Entscheiders berücksichtig, bevor sie mit ihnen über ihr Geld sprechen.
Dabei erleben Kundinnen und Kunden ihre Beratung ganz neu. „Sie sind begeistert wie offen und nachvollziehbar dieser Aspekt von Finanzentscheidungen mit ihnen thematisiert wird. Sie entwickeln ein größeres Gefühl von Entscheidungssicherheit.“, sagt Alexander Sindermann, Betriebswirt mit Schwerpunkt „Finanzberatung für Privat- und Unternehmenskunden“ aus Lindenberg.
FCM hat die Anwendung von FinaMetrica durch Berater und Coaches evaluiert und stellt die so qualifizierten Kolleginnen und Kollegen auf der Website vor.
„Kontrolle bei der Geldanlage bedeutet mehr Vermögen bei weniger Stress. Dazu tragen Berater und Coaches in besonderem Maße mit dieser Dienstleistung bei“, sagt Monika Müller von FCM Finanz Coaching.
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Kein Haken für die Kicker
Von Dr. Oliver Everling | 13.Juli 2021
Die URA Research GmbH wartet wieder einmal mit neuen Erkenntnissen zu Anleihen auf. Nach der Auswertung und Analyse der in 2021 veröffentlichten Finanzberichte wurden die URA-Beurteilungen für 13 Anleihen bestätigt. Bei 2 Anleihen (FC Schalke 04 III und Katjes III) hat sich die Beurteilung verschlechtert. Die 4. Anleihe von Schalke 04 und die 1. Anleihe von Werder Bremen wurden neu in die URA-Beobachtung aufgenommen. Bei Folgeanleihen sinkt zwar wegen des insgesamt gesunkenen Zinsniveaus meistens der Kupon.
„Externe Ratings werden schon länger fast nicht mehr eingeholt“, schreibt Jens Höhl, Geschäftsführer der URA Research GmbH. Als seine Gesellschaft als URA Unternehmens Ratingagentur AG 1997 an den Start ging, sahen die Perspektiven für externe Ratings an den Anleihemärkten in Deutschland noch anders aus. Während sich Wettbewerber inzwischen in Skandale wie dem um die Greensill Bank verwickelten, zog sich die URA jedoch aus diesem Geschäft der Veröffentlichung von Credit Ratings schon vor Jahren zurück und ist seither als Spezialist mit der Firma „URA Research GmbH“ tätig.
„Wegen häufiger Privatplatzierungen werden auch immer weniger Wertpapierprospekte veröffentlicht. Wenigstens verbessern sich in einzelnen Fällen die Anleihebedingungen“, so Jens Höhl weiter, und zumindest gebe es insgesamt keine Verschlechterungen: z.B. Verpflichtung zur Veröffentlichung von Finanzberichten nach einer bestimmten Zeit, teilweise auch verknüpft mit Zins-Step-ups, oder Begrenzung der Finanzschulden bzw. Mindest-Eigenkapitalquote, Einschaltung von Treuhändern, z.B. bei Anleihen nach dem Nordic Bond-Format.
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Sinkende Renditen jetzt auch bei Logistikimmobilien
Von Dr. Oliver Everling | 13.Juli 2021
Eine neue Studie gibt zu denken: In den kommenden fünf Jahren wird mit einem zusätzlichen Logistikflächenbedarf von rund 4 Millionen Quadratmetern in Deutschland und Österreich gerechnet, der allein dem boomenden Online-Handel zugeschrieben wird. Die Mietpreisentwicklung ist pandemiebedingt 2021 wenig dynamisch ausgefallen und hängt stark von der jeweiligen Nutzungsklasse Lager, Logistik und Produktion ab. Gemeinsam mit IndustrialPort hat Catella erneut 25 Logistikregionen in Deutschland und fünf Regionen in Österreich analysiert, welche überdurchschnittliche Chancen für Investoren eröffnen.
Prof. Dr. Thomas Beyerle, Head of Research, Catella Group, erläutert: „Investoren sind sich der Entwicklung im Logistikimmobilienmarkt bewusst. Dies lässt sich auch beim Blick auf die thematische Logistikkarte für Deutschland und Österreich bestätigen. Logistikimmobilien haben nochmals eine enorme Nachfragesteigerung erfahren, die von einer korrespondierenden Preisrallye und einer anhaltenden Renditekompression begleitet wird.“
Peter Salostowitz von IndustrialPort kommentiert: „Diese Ergebnisse verdeutlichen die zunehmende Notwendigkeit einer genauen Auseinandersetzung mit dem Standort bezüglich aktueller und zukünftiger Nutzung und der daraus resultierenden Mietentwicklung sowie den Möglichkeiten der Anschlussvermietung.“
Sowohl in Deutschland als auch in Österreich ist – infolge der Pandemie – ein Rückgang des absoluten Logistik-Transaktionsvolumens zu verzeichnen, aber in Relation zu anderen Assetklassen ist das Volumen deutlich angestiegen. Die durchschnittliche Spitzenrendite für Logistikimmobilien liegt in Deutschland mit aktuell 4,05 % weitere 80 Basispunkte unter dem Wert aus dem Jahr 2019. In Österreich ist die Rendite mit durchschnittlich 4,96 % ebenfalls deutlich gesunken.
Der teuerste Logistikstandort mit 3,30 % Rendite ist weiterhin Berlin, gefolgt von München mit 3,50 %. Im Vergleich dazu weist die Wiener Region mit aktuell 4,20 % eine höhere Rendite aus. Dennoch ist diese in den letzten 2 Jahren ebenfalls gesunken – um 100 Basispunkte. Mit Fokus auf attraktive Renditechancen bietet in Deutschland lediglich noch Würzburg (5,00 %) eine Rendite jenseits der 4,00 % Marke auf das eingesetzte Kapital. Sie liegt somit nahezu auf einem Niveau mit den Logistikregionen Linz (4,90 %) und Salzburg (5,00 %).
Die durchschnittliche Medianmiete der 25 untersuchten Logistikregionen in Deutschland stieg zum zweiten Quartal auf ca. 5,10 €/m² an. Gegenüber dem Jahr 2019 liegt ein Anstieg von 2,00 % vor.
Das durchschnittliche Spitzenmietniveau liegt in Österreich mit 5,34 €/m² deutlich höher. Auffallend ist jedoch, dass die österreichischen Preisspannen eine deutlich geringere Heterogenität als die deutschen Regionen aufweisen.
Ein Blick auf die Heatmap zeigt auch: Noch immer gibt es erhebliche makroökonomische und demografische Unterschiede zwischen den ost- und westdeutschen Bundesländern, so dass ein recht eindeutiges Bild für die Eignung als attraktiver Logistikstandort entsteht.
Die vollständige Studie finden Sie zum Download hier:
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Bundesfinanzminister kennt sich mit Zinsplattformen nicht aus
Von Dr. Oliver Everling | 9.Juli 2021
Zur Unzeit stellt sich heraus, dass die Bundesregierung über die sogenannten FinTechs, die inzwischen von Millionen Deutschen genutzt werden, kaum einen Überblick hat. Zuständig ist das Bundesministerium der Finanzen, das auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kontrolliert.
Die Nachricht kommt zur Unzeit, da doch der Bundesfinanzminister, Olaf Scholz, als Kandidat der SPD derzeit das Kanzeramt anstrebt. Bisher liegt die SPD in den Umfragen zur Bundestagswahl („Sonntagsfrage“) noch vor den Freien Demokraten. Olaf Scholz entgleitet die Kontrolle über seinen Verantwortungsbereich aber offenbar schon als Bundesminister der Finanzen, was ihn für die noch weiter reichende Verantwortung als Bundeskanzler disqualifiziert.
Nach der Pleite der Greensill Bank prüft das Finanzministerium zum Beispiel, ob Zinsplattformen stärker reguliert werden müssen. Anleger können über die Portale Einlagen bei verschiedenen, auch ausländischen Banken anlegen. So können sie von den etwas höheren Zinsen profitieren, die dort oftmals angeboten werden.
„Einen wirklichen Überblick über die Materie hat die Bundesregierung anscheinend aber nicht“, belegt dazu der Newsletter „Christian Sauter & Frank Schäffler“. Den mangelnden Überblick der Bundesregierung legt die Antwort auf eine Anfrage des FDP-Finanzexperten Frank Schäffler nahe.
So liegen der Bundesregierung „keine gesicherten Zahlen vor“, wie viele Zinsplattformen es in Deutschland eigentlich gibt. Auch gibt es „keine belastbaren Informationen“ wie viele Anleger in Deutschland ihr Geld über solche Fintechs investieren und wie hoch die dortigen Einlagen sind. „Die Bundesregierung tappt bei Zinsplattformen komplett im Dunkeln“, sagt Schäffler der WirtschaftsWoche. „Bevor sie sich um strengere Regeln für Zinsplattformen bemüht, sollte sie erstmal gesicherte Informationen über die Branche sammeln.“
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