Dient Donald Trump unbewusst den Schwellenländern?
Von Dr. Oliver Everling | 17.Juli 2025
Die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen von Donald Trump, insbesondere während seiner Amtszeit als US-Präsident, hatten vielfach globale Auswirkungen. Dabei stellt sich die interessante Frage: Könnte es sein, dass Trump – ungeachtet seiner „America First“-Strategie – unbewusst den Schwellenländern dient?
Ein zentraler Aspekt dieser Debatte ist die Entwicklung des US-Dollars. Nach Einschätzung von Carlos de Sousa, Emerging Markets Portfolio Manager bei Vontobel, hat der anhaltende Rückgang des US-Dollars erhebliche positive Auswirkungen auf Schwellenländeranlagen. De Sousa führt aus:
„Die breit angelegte Abschwächung des US-Dollars, die durch sinkende Wachstumsdifferenzen, strukturelle Haushaltsdefizite, anhaltenden Inflationsdruck sowie einen zunehmenden Vertrauensverlust in wichtige US-Institutionen ausgelöst wurde, hat signifikante Auswirkungen auf Schwellenländeranlagen.“
Diese Entwicklung wurde zumindest teilweise durch Trumps Politik mitgeprägt – etwa durch expansive Fiskalmaßnahmen, den Handelskonflikt mit China sowie institutionelle Spannungen innerhalb der US-Demokratie. All dies trägt zur Schwächung des Vertrauens in die US-Wirtschaft bei – und damit zur Schwächung der US-Währung.
Für Schwellenländer kann dies geradezu ein Geschenk sein. De Sousa betont:
„Ein anhaltender Rückgang des Dollars würde unserer Ansicht nach die Stimmung gegenüber Schwellenländern deutlich verbessern, insbesondere gegenüber Anleihen in lokaler Währung. Diese würden aufwerten, da die Bewertung von Anleihen in Schwellenländerwährungen im Zusammenhang mit dem schwächer werdenden US-Dollar ansteigt.“
Zusätzlich könnten Trumps protektionistische Maßnahmen wie Strafzölle paradoxerweise dämpfende Effekte auf die Inflation außerhalb der USA haben:
„Während der Zollschock für die USA inflationär ist, dürfte er sich auf den Rest der Welt disinflationär auswirken (vorausgesetzt, die meisten Länder sehen von Vergeltungsmaßnahmen ab). Der geringere Verbrauch von Importgütern in den USA – bedingt durch die höheren Preise – wird wahrscheinlich zu einem Überangebot an langlebigen Gütern in der übrigen Welt führen.“
Dieses Überangebot kann zu sinkenden Preisen und einem stabileren wirtschaftlichen Umfeld in Schwellenländern führen. Das macht diese Märkte wiederum attraktiver für Investoren, wie De Sousa erläutert:
„Für institutionelle Investoren spricht vieles für ein Engagement in Schwellenländerwährungen: Positive Realzinsen, günstige makroökonomische Trends und ein potenziell anhaltender Abwertungsdruck auf den US-Dollar schaffen ein attraktives Umfeld für lokale EM-Rentenmärkte.“
Fazit: Auch wenn Donald Trumps wirtschaftspolitisches Handeln in erster Linie auf die Stärkung der US-Wirtschaft abzielte, könnte es unbeabsichtigt positive Nebeneffekte für Schwellenländer entfalten. Eine schwächere US-Währung, inflationsbedingte Verschiebungen im Welthandel und die Suche nach attraktiveren Anlagemöglichkeiten könnten genau jene Märkte stärken, die Trump in seiner nationalistischen Rhetorik oft vernachlässigte. Damit bleibt die Frage im Raum stehen: Dient Donald Trump – wenn auch unbeabsichtigt – als Katalysator für den Aufstieg der Schwellenländer?
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Schroders Capital semi-liquider Private-Equity-ELTIF
Von Dr. Oliver Everling | 16.Juli 2025
Schroders Capital, die Private-Markets-Sparte des britischen Vermögensverwalters Schroders mit einem verwalteten Vermögen von 99,3 Milliarden US-Dollar, bringt einen neuen European Long-Term Investment Fund (ELTIF) auf den Markt. Der „Schroders Semi-Liquid Global Private Equity ELTIF“ richtet sich explizit auch an Privatanleger und vereint die Expertise institutioneller Investments mit einem flexiblen Fondsdesign, das regelmäßige Einzahlungen sowie vierteljährliche Rücknahmen erlaubt. Der Fonds nutzt den neuen ELTIF-2.0-Rahmen, der seit Anfang 2024 gilt und es erlaubt, Private-Markets-Anlagen einer breiteren Anlegerbasis zugänglich zu machen. Georg Wunderlin, CEO von Schroders Capital, unterstreicht diese Entwicklung: „Es gibt ein stark steigendes Interesse an Privatmarkt-Investments bei Privatanlegern in Deutschland, die in der Vergangenheit jedoch keine oder nur sehr begrenzte Anlagemöglichkeiten in diesem Bereich vorfanden. Das ändert sich nun glücklicherweise.“
Der neue Fonds investiert vor allem in Buyouts von kleinen und mittelgroßen Unternehmen in Europa und Nordamerika und wird sich stark auf Co-Investments sowie GP-geführte Sekundärtransaktionen stützen – eine Strategie, die laut Anbieter kosteneffizient und wachstumsorientiert ist. Mit dem Launch des ELTIF knüpft Schroders Capital an den Erfolg seines bestehenden „Schroders Capital Semi-Liquid Global Private Equity Fund“ an, der seit seiner Auflegung im Jahr 2019 eine annualisierte Rendite von 14,3 Prozent erzielt hat und mittlerweile ein Volumen von über 2,4 Milliarden US-Dollar verwaltet. Benjamin Alt, Head of Global Private Equity Portfolios bei Schroders Capital, betont das Potenzial von Private-Equity-Investments gerade im Small- und Mid-Market-Bereich: „Private Equity hat in der Vergangenheit sowohl unter guten als auch herausfordernden Marktbedingungen hohe Renditen erzielt. Unsere Analysen zeigen, dass Private-Equity-Anlagen im Small- und Mid-Market-Segment im Allgemeinen die Aktienmärkte übertroffen haben. Die Outperformance verdoppelte sich sogar in schwachen Börsenphasen.“
Auch Alexander Prawitz, Country Head für Deutschland, Österreich, CEE und Mittelmeerregion bei Schroders, sieht im neuen ELTIF-Fonds einen wichtigen Schritt zur Demokratisierung des Zugangs zu Private Markets: „Mit der flexiblen Struktur unseres neuen ELTIF-Fonds tragen wir zur weiteren Demokratisierung von Private-Markets-Anlagen in Deutschland und Europa bei.“ Besonders hebt er hervor, dass der Fonds direkt in ein bereits bestehendes institutionelles Portfolio investiert: „Ein besonderes Merkmal des Fonds liegt in seiner Struktur: Der ELTIF wird direkt in ein bereits seit drei Jahren bestehendes institutionelles Portfolio investieren. Das Fondsvolumen liegt bereits bei 60 Mio. € und umfasst bereits mehr als zehn Private-Equity-Investitionen. Klarer Vorteil für die Anleger: Eine Aufbauphase („ramp up“) entfällt, wodurch von Tag 1 eine höhere Wertentwicklung erzielt werden kann.“
Die Mindestanlagesumme beträgt 10.000 Euro, und der Fonds erfüllt die Kriterien von Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordnung (SFDR), womit auch das Thema nachhaltiges Investieren adressiert wird. In Großbritannien hat Schroders Capital bereits eine führende Marktstellung bei semi-liquiden und Evergreen-Strukturen im Private-Markets-Bereich erreicht – eine Erfahrung, die nun auch dem europäischen Privatkundensegment zugutekommen soll.
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Chinas KI-Aufsteiger fordern Nvidia heraus – Zweifel an langfristiger Dominanz des Marktführers
Von Dr. Oliver Everling | 16.Juli 2025
Der Hype um künstliche Intelligenz (KI) hält weiter an, doch stellt sich zunehmend die Frage, ob der derzeitige Branchenprimus Nvidia seine dominante Stellung langfristig behaupten kann. Saliou Willi Amman, Senior Portfolio Manager der apoBank, äußert hierzu Zweifel und verweist auf die zunehmende Konkurrenz aus China. „Nvidia ist aktuell mehr als doppelt so viel wert wie alle 40 DAX-Unternehmen zusammen, was die gegenwärtige Dominanz westlicher Akteure im KI-Markt unterstreicht“, so Amman. Doch diese Dominanz sei keineswegs in Stein gemeißelt. „Angesichts des rasanten technologischen Tempos bei chinesischen Wettbewerbern wie Moonshot AI und DeepSeek stellt sich die drängende Frage, wie lange diese enorme Bewertung noch gerechtfertigt ist.“
Chinesische Anbieter holen mit großen Schritten auf und setzen dabei auf effiziente und schlank trainierte Modelle, die nicht nur technologisch mithalten können, sondern auch bei den Nutzern breite Akzeptanz finden. „Moonshot AI und DeepSeek holen nicht nur auf, sie etablieren bereits eigene Standards“, sagt Amman. Besonders hervor hebt er das Modell „Kimi K2“ von Moonshot AI: „Das Modell Kimi K2 von Moonshot AI liegt in zentralen Benchmarks auf Augenhöhe mit führenden US-Anbietern.“ Ein solches Modell, das „monatlich Millionen von Nutzern erreicht und gleichzeitig in Leistungstests überzeugt“, sei weit mehr als ein Achtungserfolg – „es ist ein klares Signal für einen strukturellen Wandel in der globalen KI-Industrie.“ Auch DeepSeek trage zur Neuausrichtung bei: „DeepSeek beweist mit seinem R1-Modell, dass China nicht länger nur Konsument, sondern ein aktiver Treiber der KI-Entwicklung ist.“
Die KI-Landschaft sei laut Amman noch jung und verändere sich praktisch täglich. Neue Anbieter könnten sich in rasanter Geschwindigkeit etablieren und damit auch die etablierten Marktführer unter Druck setzen. „Ihre Ansätze treffen den Nerv vieler Nutzer und setzen die aufwendigen, zentralisierten Strategien der US-Riesen zunehmend unter Druck.“ Wer glaube, dass die Zukunft der KI ausschließlich im Westen geschrieben werde, verkenne die Dynamik chinesischer Innovationskraft: „Wer glaubt, die Zukunft der künstlichen Intelligenz werde ausschließlich im Westen geschrieben, ignoriert die Dynamik, mit der sich Unternehmen wie DeepSeek oder Moonshot AI sowohl technologisch als auch wirtschaftlich am Markt positionieren.“
Vor diesem Hintergrund rät Amman zu einem differenzierten Anlageansatz. „Anleger müssen bedenken, dass der Branchenprimus Nvidia seine führende Marktposition und die hohe Bewertung auf Dauer nicht behaupten kann.“ Die apoBank setzt daher auf ein breiteres Engagement im KI-Sektor: „Wir setzen nicht alles auf einzelne Spitzenreiter wie Nvidia. Stattdessen investieren wir gezielt entlang der gesamten KI-Wertschöpfungskette. Dieser Ansatz ermöglicht es uns, unser Anlagevermögen in einem Umfeld zu diversifizieren, in dem viele Technologiewerte bereits sehr ambitioniert bewertet sind.“
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Europäische Aktien im Aufwind: Chancen trotz Unsicherheiten
Von Dr. Oliver Everling | 15.Juli 2025
Die Perspektiven für europäische Aktien haben sich laut Marktbeobachtern in den vergangenen Monaten deutlich aufgehellt. Besonders Peter Rieth, Fondsmanager des defensiven Mischfonds ODDO BHF Polaris Moderate, sieht in der aktuellen Marktlage trotz bestehender Risiken vor allem Chancen. „Trotz der aktuellen Handelskonflikte sollte man die langfristigen Chancen nicht aus dem Blick verlieren“, schreibt Rieth in einem aktuellen Marktkommentar. Die rückläufigen Inflationsraten in Europa seien dabei ein entscheidender Faktor, da sie den geldpolitischen Entscheidungsträgern Spielraum für weitere Lockerungen bieten könnten. „Dies könnte Anlageklassen wie Aktien wieder stärker unterstützen“, so Rieth weiter. Vor diesem Hintergrund beobachtet er ein spürbar gestiegenes Momentum für europäische Aktien: „Das Interesse von Investoren an europäischen Aktien ist so hoch wie selten in den vergangenen zwei Jahrzehnten.“ Besonders die Abwertung des US-Dollars trage zu einer geografischen Umschichtung bei, hinzu kämen Impulse durch höhere Verteidigungsausgaben in Europa sowie das deutsche Infrastrukturprogramm, die laut Rieth für zusätzliche Kursphantasie sorgen.
Der ODDO BHF Polaris Moderate feiert unterdessen sein 20-jähriges Bestehen. Am 15. Juli 2005 aufgelegt, verwaltet der Fonds heute rund 1,5 Milliarden Euro. Seit 2007 steht Peter Rieth an der Spitze des Fondsmanagements mit dem Ziel, Verluste zu begrenzen und langfristig bessere Ergebnisse zu erzielen als mit einem reinen Anleihenportfolio. Bis zu 40 Prozent des Fondsvermögens können in Aktien investiert werden, der übrige Teil ist überwiegend in Anleihen mit guter Bonität angelegt. Als zusätzliche Diversifikation dient Gold – insbesondere in Krisenzeiten habe sich das als vorteilhaft erwiesen.
Bei der Aktienauswahl konzentriert sich Rieth auf Qualitätsunternehmen, die auch in unsicheren Marktphasen stabile Cashflows generieren. „Ganz besonders interessieren wir uns für Unternehmen, die von langfristigen Wachstumstrends wie KI oder Infrastruktur-Investitionen profitieren“, erläutert Rieth. Obwohl der Fonds global investiert ist, lag in der Vergangenheit ein deutlicher Schwerpunkt auf US-Unternehmen, die laut Rieth durch Wachstum und attraktive Cashflow-Renditen überzeugen. Aktuell liegt der Anteil europäischer Aktien jedoch mit 13,5 Prozent leicht über dem der US-Aktien. Mit Unternehmen wie Axa, Saint-Gobain, Siemens und Schneider Electric finden sich vier europäische Titel unter den größten Positionen im Portfolio. Dennoch bleiben US-Titel wie Amphenol, Visa, Broadcom oder Microsoft weiterhin prominent vertreten. „Viele der Aktientitel in unserem Portfolio profitieren von intakten Wachstumstrends und haben in der Vergangenheit durch eine solide Gewinnentwicklung überzeugt. Das ist der Schlüssel für den langfristigen Anlageerfolg“, so Rieth.
Auch auf der Anleiheseite bleibt Rieth vorsichtig optimistisch. Insbesondere Investment-Grade-Unternehmensanleihen sieht er weiterhin als stabilisierenden Faktor im Portfolio. „Die Renditen von Unternehmensanleihen bieten weiterhin einen angemessenen Puffer zur Abfederung einer möglichen Ausweitung der Kreditspreads“, so seine Einschätzung. Damit bleibt der Fonds seinem Ziel treu: risikoarmes, aber dennoch wachstumsorientiertes Investieren über Marktzyklen hinweg.
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Rückgang der Kapitalmarktaktivität in Europa bremst das Neugeschäft der Ratingagenturen
Von Dr. Oliver Everling | 9.Juli 2025
Im ersten Halbjahr 2025 wurden laut Daten von LSEG Deals Intelligence in Europa schätzungsweise 13,4 Milliarden US-Dollar an Investmentbanking-Provisionen generiert. Das entspricht einem Rückgang von 11 % gegenüber dem Vorjahr, liegt aber über den Werten aus den ersten sechs Monaten der Jahre 2023 und 2022. Die Provisionen aus der Platzierung von Anleihen (Debt Capital Markets) beliefen sich auf 5,8 Milliarden US-Dollar – ein Rückgang von 5 % gegenüber dem bisherigen Rekordjahr 2024. Die Erträge aus dem Aktiengeschäft (Equity Capital Markets) sanken um 23 % auf ein Zwei-Jahres-Tief von 1,1 Milliarden US-Dollar. Auch das syndizierte Kreditgeschäft brachte rückläufige Provisionen ein: Mit 2,9 Milliarden US-Dollar wurde der niedrigste Stand seit drei Jahren erreicht. Provisionen aus abgeschlossenen M&A-Transaktionen beliefen sich laut LSEG auf 3,6 Milliarden US-Dollar – ein Minus von 10 % gegenüber dem Vorjahr und der niedrigste Halbjahreswert seit 2013. Europas Anteil an den weltweiten Investmentbanking-Provisionen lag bei 22 % und damit so niedrig wie zuletzt vor drei Jahren. Innerhalb Europas wurden 21 % der Provisionen im Vereinigten Königreich erwirtschaftet, gefolgt von Frankreich (15 %) und Deutschland (11 %). Spitzenreiter war Goldman Sachs mit einem Provisionsvolumen von 1,0 Milliarden US-Dollar, was einem Marktanteil von 7,6 % entspricht.
Im Bereich Fusionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitions) belief sich das Transaktionsvolumen mit europäischer Beteiligung im ersten Halbjahr 2025 auf 586,9 Milliarden US-Dollar – ein Anstieg um 18 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum, wie LSEG ermittelte. Dennoch sank die Anzahl der Deals um 9 % und erreichte den niedrigsten Stand seit dem ersten Halbjahr 2020. Das Volumen der Transaktionen mit einem europäischen Zielunternehmen lag bei 340,6 Milliarden US-Dollar, was einem Rückgang von 4 % entspricht – während die globale M&A-Aktivität um 33 % zulegte. Entsprechend sank der europäische Anteil an weltweiten Übernahmen von 24 % im Vorjahr auf 17 % in 2025. Im Sektorvergleich dominierte die Finanzbranche mit 26 % Anteil am Zielvolumen, gefolgt von Technologieunternehmen, die die meisten Transaktionen verzeichneten. Ausländische Übernahmen durch Nicht-Europäer gingen um 14 % auf 112,3 Milliarden US-Dollar zurück, während inländische Transaktionen leicht auf 228,4 Milliarden US-Dollar stiegen. Europäische Übernahmen im Ausland stiegen um 2 % auf 116,6 Milliarden US-Dollar – ein Vierjahreshoch. Die größte Einzeltransaktion war laut LSEG die Abspaltung des Nordamerika-Geschäfts von Holcim im Volumen von 33,7 Milliarden US-Dollar – künftig unter dem Namen Amrize.
Im Bereich Aktienemissionen sank das Volumen europäischer Equity- und equity-ähnlicher Transaktionen laut LSEG im ersten Halbjahr 2025 auf 60,0 Milliarden US-Dollar – ein Rückgang um 19 % gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Transaktionen fiel um 16 %. Folgeemissionen machten 81 % des Markts aus, IPOs 10 % und Wandelanleihen 9 %. Insgesamt wurden 46 Börsengänge europäischer Unternehmen verzeichnet, 15 weniger als im Vorjahr. Die erzielten Emissionserlöse lagen mit 6,2 Milliarden US-Dollar um 61 % unter dem Vorjahreswert. Den größten IPO tätigte die Asker Healthcare Group aus Schweden, die im März in Stockholm eine Milliarde US-Dollar einnahm. Das Volumen aus Folgeemissionen sank um 12 % auf 48,5 Milliarden US-Dollar, während Wandelanleihen um 59 % auf 5,3 Milliarden US-Dollar zulegten. Die aktivsten Emittentenländer waren laut LSEG das Vereinigte Königreich (21 %), gefolgt von der Schweiz (15 %) und Italien (12 %). Goldman Sachs führte die Rangliste der Konsortialführer im europäischen Aktienmarkt an, vor JP Morgan.
Im Anleihemarkt verzeichneten die europäischen Debt Capital Markets im ersten Halbjahr 2025 ein Gesamtvolumen von 1,63 Billionen US-Dollar – ein leichter Rückgang um 1 %, aber laut LSEG der dritthöchste jemals gemessene Halbjahreswert seit Beginn der Datenerhebung im Jahr 1980. Weltweit stieg das Volumen der Anleiheemissionen auf 6,36 Billionen US-Dollar – ein Zuwachs von 13 % und ein Allzeithoch. Insgesamt kamen in Europa 2.353 neue Anleihen auf den Markt – 15 % weniger als im Vorjahr. Deutschland war mit einem Anteil von 17 % das aktivste Emissionsland, gefolgt vom Vereinigten Königreich (16 %) und Frankreich (13 %). 82 % des Emissionsvolumens entfielen auf Finanzinstitute sowie staatliche Emittenten, gefolgt von Energie- und Industrieunternehmen. BNP Paribas belegte den ersten Platz im europäischen Anleihemarkt laut LSEG mit einem Marktanteil von 6,2 %, gefolgt von JP Morgan (5,7 %) und Barclays (5,6 %).
Die aktuellen Zahlen zur Entwicklung des Investmentbankings in Europa im ersten Halbjahr 2025, wie sie von LSEG Deals Intelligence veröffentlicht wurden, haben auch für Ratingagenturen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Zwar stehen diese nicht im Mittelpunkt der Datenlage, doch lässt sich aus der rückläufigen Kapitalmarktaktivität und den sinkenden Provisionseinnahmen eine Reihe von Implikationen für das Geschäft mit Kreditratings ableiten. Insbesondere die um 15 % gesunkene Anzahl an Anleiheemissionen in Europa bedeutet konkret, dass Ratingagenturen im ersten Halbjahr deutlich weniger Erstmandate für die Bewertung neuer Schuldverschreibungen erhalten haben dürften. Zwar blieb das gesamte Emissionsvolumen auf hohem Niveau, aber das Geschäft mit Neu-Ratings hängt stark von der Anzahl und Vielfalt der Transaktionen ab – nicht nur vom Gesamtwert. Je weniger Emissionen, desto weniger Ratingprozesse, insbesondere bei kleinen oder mittelgroßen Emittenten, die in der Regel stärker auf externe Ratings angewiesen sind.
Darüber hinaus ist auch das rückläufige M\&A-Geschäft in Teilen relevant für Ratingagenturen. Zwar ist das Transaktionsvolumen bei europäischen Beteiligungen laut LSEG um 18 % gestiegen, doch die Zahl der Deals fiel um 9 % und damit auf ein Fünfjahrestief. Für Ratingagenturen sind größere M\&A-Transaktionen meist mit einem erhöhten Analyseaufwand verbunden, da diese die Kapitalstruktur und das Risiko vieler Unternehmen verändern. Weniger Deals bedeuten somit tendenziell auch weniger Bedarf an Sonderanalysen, Kreditupdates und Re-Ratings – alles Leistungen, die oft zusätzlich beauftragt werden und Honorarpotenzial bieten. Zudem könnten sinkende M\&A-Aktivitäten das Cross-Selling von Services, etwa ESG-Ratings oder strukturierte Finanzanalysen, ebenfalls belasten.
Im Bereich der Aktienmärkte zeigt sich ein ähnliches Bild: Mit einem Rückgang des Emissionsvolumens um 19 % und einem Einbruch bei IPOs um 61 % im Vergleich zum Vorjahr bleibt ein wesentlicher Wachstumsbereich für Ratingagenturen unter den Erwartungen. Während Aktienemissionen seltener direkt geratet werden, führen Börsengänge in der Regel zu einem erhöhten Bedarf an Kapitalmarktfähigkeitsprüfungen und bonitätsbezogenen Einschätzungen – etwa im Rahmen von Pre-IPO-Ratings oder Corporate Assessments, wie sie von einigen Agenturen angeboten werden. Eine geringere Zahl an Börsengängen reduziert somit potenziell auch hier das Geschäft.
Für die großen internationalen Ratingagenturen bedeutet diese Marktlage unter dem Strich, dass das klassische, volumengetriebene Geschäft mit Emissionsratings in Europa derzeit unter Druck steht. Der starke Anstieg der globalen Anleihemärkte um 13 % und Rekordwerte in den USA oder Asien könnten dies teilweise kompensieren, doch in Europa wird die Auftragslage 2025 bislang eher von Stagnation und Rückgängen geprägt. Damit wächst auch der relative Stellenwert von wiederkehrenden Einnahmen aus Surveillance-Ratings und von wachstumsstarken Segmenten wie ESG-Ratings oder strukturierten Finanzprodukten. Die von LSEG dokumentierte Marktentwicklung verweist somit indirekt auf die Notwendigkeit für Ratingagenturen, ihre Geschäftsmodelle weiter zu diversifizieren – und ihre Präsenz dort auszubauen, wo die Kapitalmärkte aktuell wachsen.
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Impulse für die europäischen Aktienmärkte erwartet
Von Dr. Oliver Everling | 7.Juli 2025
Trotz anhaltender konjunktureller Schwäche zeigt sich der deutsche Aktienmarkt derzeit in bemerkenswerter Verfassung. „Im internationalen Wettbewerb um den attraktivsten Aktienmarkt liegt der deutsche in diesem Jahr weit vorne“, stellt Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF SE, in seinem aktuellen CIO View fest. Allein im ersten Halbjahr 2025 legte der DAX um 19,4 Prozent zu – in zwölf Monaten ergibt das ein Plus von rund 30 Prozent. Damit schlägt der deutsche Leitindex sowohl den amerikanischen S&P 500, der um gut 5 Prozent stieg, als auch den Euro Stoxx 50 mit einem Zuwachs von gut 8 Prozent. Dass deutsche Aktien dennoch besser abschneiden als ihre internationalen Pendants, obwohl das Wachstum der Wirtschaft quasi stagniert, erscheint auf den ersten Blick paradox. „Selbst die Bundesregierung erwartet für 2025 bestenfalls einen Stillstand beim Bruttoinlandsprodukt von 0,0 Prozent“, so Viebig. Er weist allerdings darauf hin, dass viele börsennotierte Unternehmen ihre Erlöse zunehmend außerhalb Deutschlands erzielen und somit unabhängiger vom heimischen Konjunkturklima agieren können.
Ein Hoffnungsträger ist das Infrastruktur- und Rüstungsprogramm der Bundesregierung. Dieses könne „allmählich konkretere Formen“ annehmen und damit Impulse für die heimische Wirtschaft liefern. In diesem Zusammenhang sei auch die Zusage der europäischen NATO-Mitglieder an US-Präsident Donald Trump erwähnenswert, die Verteidigungsausgaben auf 5 Prozent des BIP zu erhöhen – mit Ausnahme Spaniens. Viebig sieht in diesen politischen Entwicklungen, gepaart mit angekündigten Strukturreformen und Entbürokratisierungsschritten, einen möglichen Wendepunkt für die wirtschaftliche Stimmung im Land: „Wir rechnen mit einem Stimmungsumschwung in der Wirtschaft, der letztlich allen Unternehmen zugutekommen und der sich auch im Gewinnwachstum der börsennotierten Unternehmen zeigen sollte.“ Die Märkte spiegeln diese Zuversicht bereits wider: Für 2026 wird ein Gewinnwachstum je Aktie der DAX-Unternehmen von rund 15 Prozent erwartet.
Doch Viebig hofft, dass sich das staatliche Ausgabenprogramm nicht allein auf die überfällige Sanierung der Verkehrsinfrastruktur konzentrieren wird. Er fordert: „Auch Bildung, Erziehung und Forschung“ sollten davon profitieren. Deutschland verfüge über weltweit anerkannte Forschungseinrichtungen, deren Ergebnisse jedoch oft zu selten in marktfähige Geschäftsmodelle überführt würden. Gelinge es, diesen Wissenstransfer zu verbessern, könnte die Bundesrepublik ihre Stärken in Bereichen wie Medizintechnik, Biotechnologie, Chemie oder Ingenieurswesen besser zur Geltung bringen. Zudem könnten „durch das veränderte politische Klima in den USA weitere Spitzenforschung nach Deutschland“ kommen. Für Viebig ist klar: „Mit einem vergleichsweise geringen Einsatz öffentlicher Mittel sollte im Wissenstransfer von der Forschung in die Anwendung große Wirkung möglich sein.“
Im Portfolio von ODDO BHF spiegeln sich diese Überzeugungen bereits wider. Besonders in Europa setzen die Portfoliomanager auf Industrieunternehmen – nicht nur unter den großen Standardwerten, sondern vor allem auch bei Mid Caps. Viele dieser mittelgroßen Unternehmen gelten als „hidden champions“, also als hochspezialisierte Weltmarktführer. „Gerade der deutsche Aktienmarkt bietet attraktiv bewertete Unternehmen, die in einer kleinen Nische hochspezialisierte Produkte herstellen und die nur sie allein in bester Qualität herstellen können“, so Viebig. Ihre starke Marktstellung schütze sie besser vor Preiskampf und politischen Risiken. In unsicheren Zeiten zahle sich ein Geschäftsmodell aus, „das Konkurrenten nur unter erheblichen Mühen und hohem Kapitaleinsatz angreifen können“. Dennoch rät der CIO zur Vorsicht bei kurzfristigen Erwartungen: „Allerdings ist jetzt unserer Überzeugung nach nicht der Augenblick, um kurzfristig auf überdurchschnittlich hohe Kursgewinne an den Aktienmärkten zu spekulieren.“ Vielmehr sollten sich Anleger strategisch positionieren – mit Titeln, „die von Kursschwankungen weniger getroffen werden sollten“.
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KI im Kundenservice: Vom Zweifler zum Überzeugten – die DKB zeigt, wie es geht
Von Dr. Oliver Everling | 2.Juli 2025
Tobias May, Vice President Digital Products im Retailbanking der Deutschen Kreditbank AG (DKB), war einst selbst einer der größten Skeptiker. „Ich war der größte Gegner der Einführung eines ChatBots. Meine Meinung hat sich komplett geändert“, eröffnete er seinen Vortrag auf der Handelsblatt-Jahrestagung „Zukunft Retail Banking 2025“. Was folgte, war ein ebenso praxisnaher wie differenzierter Erfahrungsbericht über Chancen, Risiken und reale Hürden bei der Implementierung von KI im Kundenservice.
Die DKB sah sich mit einer strategischen Notwendigkeit konfrontiert: Wie können Effizienz und Kundenzufriedenheit gleichzeitig verbessert werden – bei fünf Millionen Kunden, rund um die Uhr und unter hohen Erwartungen an Verlässlichkeit und Sicherheit? Der KI-gestützte ChatBot sollte genau hier ansetzen, indem er Standardanfragen sofort beantwortet, Wartezeiten reduziert und Servicezeiten unabhängig vom Callcenter macht. Doch der Weg zur erfolgreichen Einführung war steinig.
May identifizierte drei große Hürden. Die erste liegt im „mentalen Modell“ der Kund\:innen: Viele verbinden ChatBots noch immer mit gescheiterten Versuchen aus der Vergangenheit – unpersönlich, starr, frustrierend. Besonders der Versuch, ChatBots zu „vermenschlichen“, sei nicht nur gescheitert, sondern habe Vertrauen zerstört. Die DKB setzt deshalb auf Transparenz und Augenhöhe: Die KI wird als digitale Assistenz präsentiert – nicht als Ersatz für menschliche Beratung, sondern als erste Anlaufstelle für einfache Anliegen.
Die zweite Hürde: technologische Flexibilität. „Wenn ein System abtaucht, muss ein anderes sofort übernehmen können“, betont May. Deshalb setzt die DKB auf ein hybrides System, in dem Antworten eines LLM (Large Language Model) durch ein zweites Modell kontrolliert und abschließend mit den individuellen Daten des Kunden angereichert werden. Nur so sei sichergestellt, dass die Antwort nicht nur plausibel, sondern auch kontextuell korrekt sei.
Hürde Nummer drei: Unvermeidbare Imperfektion. Auch der fortschrittlichste KI-gestützte Bot kann halluzinieren – also Antworten geben, die auf den ersten Blick richtig wirken, aber nicht in den Trainingsdaten verankert sind. Die DKB begegnet diesem Risiko mit klar definierten Einsatzgrenzen, ständiger Nachjustierung und einer Rückfallstruktur, die den Übergang zu menschlichem Service jederzeit möglich macht.
Tobias May macht keinen Hehl daraus, dass die Einführung des KI-ChatBots ein radikaler Wandel war – technisch, organisatorisch und kulturell. Doch die Bilanz ist positiv: Die Akzeptanz steigt, die Kundenreaktionen sind überwiegend konstruktiv und die Effizienzgewinne im Servicebereich sind bereits messbar. KI ist für die DKB kein Hype mehr – sondern Teil einer nachhaltigen Servicearchitektur, die den Menschen nicht ersetzt, sondern ihm hilft, schneller und besser ans Ziel zu kommen.
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KI-Berater im Einsatz: Wie Xaver den Omnikanalvertrieb revolutionieren will
Von Dr. Oliver Everling | 2.Juli 2025
Effizient, personalisiert, skalierbar – unter diesem Dreiklang präsentierte Max Bachem, CEO und Mitgründer des FinTechs Xaver, auf der Handelsblatt Jahrestagung „Zukunft Retail Banking 2025“ seine Vision eines KI-basierten Omnikanalvertriebs. Sein Vortrag war nicht nur theoretisch, sondern wurde zum Live-Erlebnis: Gemeinsam mit einem täuschend echt wirkenden KI-Avatar führte Bachem einen Dialog, der das Potenzial intelligenter virtueller Vertriebsmitarbeiter anschaulich demonstrierte – sogar mehrsprachig.
Xaver versteht sich als Anbieter einer vollständig KI-nativen Omnikanal-Vertriebsplattform für Vorsorge- und Investmentprodukte. Ziel ist es, Finanzinstitute in die Lage zu versetzen, ihre Vertriebsprozesse radikal effizienter und gleichzeitig deutlich kundenorientierter zu gestalten. Laut Bachem sind 65 Prozent Zeitersparnis im Vertrieb und eine Verzehnfachung der Vertriebskapazitäten realistisch. Die Idee: KI-Mitarbeiter übernehmen große Teile des Beratungsgesprächs – von der Erstansprache über die Bedarfserhebung bis zur Empfehlung passender Produkte. Der Kunde kann dabei sogar den Avatar eines ihm bekannten Mitarbeiters sehen, was die Vertrauensbildung erleichtern soll.
Im Zentrum des Konzepts steht eine klare Trennung von Aufgaben: Während der KI-Berater rechtskonform, erklärbar und in Echtzeit agiert, bleibt die Tür zur persönlichen Beratung immer offen. 70 bis 80 Prozent der Kunden wollen irgendwann mit einem menschlichen Berater sprechen – doch dieser Termin ist dann durch die KI-gestützte Vorarbeit bereits bestens vorbereitet. Bachem bezifferte die durchschnittliche Verkürzung solcher Gespräche auf bis zu 50 Prozent bei gleichzeitig höherer Konversionsrate.
Ein weiterer zentraler Aspekt ist die integrierte Compliance. Die Xaver-Plattform setzt auf einen Mix aus Large Language Models und erklärbarer KI, eingebettet in branchenspezifische Regelwerke. So können nicht nur konkrete Produktempfehlungen, sondern auch vollständige Portfolioanalysen und Konstruktionen rechtskonform abgebildet werden – mit extrem niedriger Latenz in der Sprachinteraktion. Die Lösung ist „compliance-by-design“ aufgebaut und adressiert regulatorische Anforderungen von Anfang an.
Xaver positioniert sich damit nicht nur als Technologieanbieter, sondern als Enabler neuer Geschäftsmodelle im Finanzvertrieb. Die White-Label-Lösungen des Unternehmens ermöglichen es Banken, innerhalb weniger Wochen marktfähige digitale Angebote zu schaffen – inklusive Backend für Asset Management, MCP-ready. Durch die Kombination aus Vertriebsplattform und Produktkompetenz wird ein End-to-End-Ansatz geboten, der auch Embedded Finance Anwendungen denkbar macht.
Max Bachem hat mit Xaver ein Angebot vorgestellt, das Digitalisierung und persönliche Nähe nicht als Gegensatz, sondern als Symbiose denkt. Die KI ist hier kein Ersatz für den Menschen, sondern ein intelligenter Partner im Vertrieb – und vielleicht bald ein vertrautes Gesicht in der digitalen Filiale.
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TikTok als Talentschmiede – Social Media als Recruitingkanal der Zukunft?
Von Dr. Oliver Everling | 2.Juli 2025
Die Sparkasse Dortmund wagt sich auf neues Terrain – und das mit beachtlichem Erfolg. In seinem Vortrag auf der Handelsblatt Jahrestagung „Zukunft Retail Banking 2025“ berichtete Sebastian Junker, Privatkundenvorstand der Sparkasse Dortmund, über die Nutzung von TikTok als Instrument zur Ansprache junger Talente. Auch wenn TikTok nicht die inhaltlich stärkste Reichweite biete, sei die Plattform aus strategischer Sicht ein relevanter Baustein im Employer Branding geworden.
Junker schilderte offen, dass die Resonanz auf TikTok „online gut, offline durchwachsen“ sei. Dennoch überwiegen für ihn die Chancen: Sichtbarkeit, Interaktion in Echtzeit und die Möglichkeit, Markenbindung dort aufzubauen, wo sich die Generation Z informiert und austauscht. Mit über 537.000 Videoaufrufen, mehr als 5.100 Profilaufrufen und über 6.600 Likes allein im letzten Monat zeigen die Zahlen, dass das Experiment Früchte trägt. Dabei setzt die Sparkasse auf ein multiprofessionelles Team: Die Unternehmenskommunikation koordiniert, eine externe Agentur unterstützt, ein Social-Media-Manager steuert – und die Inhalte stammen zum großen Teil direkt von den Auszubildenden der Sparkasse selbst, die als Content Creators aktiv sind.
Gerade dieser authentische Zugang ist entscheidend, um auf TikTok nicht als verstaubte Institution, sondern als attraktive Arbeitgeberin aufzutreten. Die Herausforderung liegt laut Junker in der Balance zwischen Authentizität und Professionalität – eine Gratwanderung, die auch durch den Umgang mit wechselnden Trends und die Begrenztheit der internen Ressourcen zusätzlich erschwert wird. Doch wer diese Dynamik strategisch klug nutzt, kann Vertrauen in die Marke Sparkasse aufbauen und gleichzeitig Bewerbungen auslösen.
Kritik aus dem Kundenbereich gab es bislang nicht – wenn überhaupt, dann Rückmeldungen aus dem Inneren der Organisation, in denen sich die traditionelle Sparkassenkultur noch mit der neuen Kommunikationsrealität anfreundet. Der Austausch mit benachbarten Volksbanken zeigt jedoch: Die Branche bewegt sich. TikTok mag nicht der universelle Hebel sein – aber es ist ein Kanal mit Potenzial, wenn er ernst genommen, gut orchestriert und als Teil einer breiteren Social-Media-Strategie gedacht wird.
Der Vortrag von Sebastian Junker macht deutlich: Wer junge Talente erreichen will, muss sich dahin bewegen, wo diese Talente ihre Aufmerksamkeit bündeln. TikTok ist kein Selbstzweck – aber ein Türöffner für Gespräche, Sichtbarkeit und möglicherweise den nächsten Auszubildenden. Recruiting wird zunehmend zur Kommunikationsaufgabe – und diese beginnt nicht erst bei der Stellenanzeige, sondern beim ersten Swipe.
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Vom Taschengeld bis zur Rente: Finanzbildung als lebenslanger Begleiter
Von Dr. Oliver Everling | 2.Juli 2025
Finanzwissen ist keine Frage des Alters – das war der gemeinsame Nenner der Diskussionsrunde „Vom Taschengeld bis zur Rente: Finanzbildung als lebenslanger Begleiter“ auf der Handelsblatt Jahrestagung „Zukunft Retail Banking 2025“. Jan-Erik Burkard (VR Bank RheinAhrEifel), Selina Haupt (moneten) und Dr. Sally Peters (iff – Institut für Finanzdienstleistungen) diskutierten unter der Moderation von Prof. Dr. Christiane Weiland, wie Finanzbildung zielgerichtet, praxisnah und digital für verschiedene Zielgruppen vermittelt werden kann.
Dr. Sally Peters kritisierte gleich zu Beginn die unzureichende Verankerung des Themas im Schulunterricht. Einmalige Projektwochen mit 15 Jahren reichten nicht aus, um junge Menschen auf die finanziellen Herausforderungen des Lebens vorzubereiten. Es gehe nicht nur darum, den Umgang mit Geld zu lernen, sondern auch darum, Informationen einordnen zu können – gerade in einer Welt, in der Finanzentscheidungen zunehmend digital getroffen werden. Für Peters ist klar: Finanzbildung beginnt zwar früh, muss aber als kontinuierlicher Prozess gedacht werden, der bis ins hohe Alter reicht. Besonders vulnerable Gruppen – etwa Menschen mit geringem Einkommen oder in instabilen Lebensverhältnissen – bräuchten gezielte Angebote, die ihre Lebensrealität berücksichtigen.
Jan-Erik Burkard berichtete aus der Praxis einer Genossenschaftsbank. In seinem Geschäftsgebiet habe die VR Bank RheinAhrEifel mit rund 40 Schulen Kooperationsverträge geschlossen, die auch Bildungsvorträge umfassen. Dafür erhält die Bank keine Bezahlung – es ist Teil ihres genossenschaftlichen Selbstverständnisses. Burkard betonte, dass man aktiv auf die Schulen zugehe, um junge Menschen frühzeitig mit Finanzthemen in Kontakt zu bringen. Neben klassischen Themen wie Kontoeröffnung oder Budgetplanung gehe es auch um das Genossenschaftswesen selbst – als Wertefundament, das Verantwortung, Solidarität und Mitbestimmung vermittelt. Für Burkard ist die Verbindung von regionaler Identität, Kommunikation und Bildung ein zentrales Element seiner Arbeit.
Selina Haupt, Mitgründerin des FinTechs moneten, stellte die Bedeutung digitaler, interaktiver und zielgruppenspezifischer Ansätze in den Mittelpunkt. Für sie beginnt effektive Finanzbildung bei der Vermittlung grundlegender Konzepte, etwa Sparen, Investieren oder Konsumverzicht. Doch es gehe um mehr: lebenslanges Lernen, angepasst an Lebensphasen wie Berufseinstieg, Familiengründung oder Ruhestand. Ihr Unternehmen verfolgt einen Journey-basierten Ansatz, der Nutzerinnen und Nutzer dort abholt, wo sie stehen – mit verständlicher Sprache, personalisierten Lernpfaden und konkreten Handlungsempfehlungen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Schließung finanzieller Gender Gaps. Finanzwissen solle nicht belehren, sondern befähigen und Selbstvertrauen schaffen.
Alle drei Diskutierenden waren sich einig: Finanzbildung muss niederschwellig, alltagsnah und kanalübergreifend erfolgen. Dabei kommt digitalen Tools eine zentrale Rolle zu. Interaktive Lernplattformen, Banking-Apps mit integrierten Bildungsmodulen oder spielerische Formate wie Gamification können helfen, Wissen nachhaltig zu verankern. Wichtig sei, dass Banken nicht nur informieren, sondern den Bezug zur eigenen Produktwelt herstellen – ohne in platte Werbung abzurutschen. Wenn etwa eine Bank in der App erklärt, was ein ETF ist, und zugleich einen passenden Sparplan anbietet, sei das im besten Fall eine sinnvolle Verbindung von Bildung und Produkt.
Die Diskussion zeigte deutlich: Finanzbildung endet nicht mit der Volljährigkeit – sie ist ein lebenslanger Prozess, der sich an der Biografie und den Bedürfnissen der Menschen orientieren muss. Von der ersten Spardose über das erste Gehalt bis hin zur Altersvorsorge – wer Finanzbildung ernst nimmt, begleitet seine Kundinnen und Kunden über Jahrzehnte. Und leistet damit einen Beitrag, der weit über die Bilanz hinausgeht.
Themen: Bankenrating | Kommentare deaktiviert für Vom Taschengeld bis zur Rente: Finanzbildung als lebenslanger Begleiter