« Nominierungen für die Feri EuroRating Awards 2010 | Home | Optimierte Beratungskonzepte zum Risiko »
Psychografische Kundensegmentierung und Risikoeinstellung
Von Dr. Oliver Everling | 5.November 2009
Dr. Joachim Böhler von Union Investment erläutert im Expertenforum „Risikoprofiling“ die psychografische Kundensegmentierung und Beurteilung der Risikoeinstellung. Psychografische Kundentypologien seien in der Beratungspraxis hilfreich. Sie ergänzen die klassische betriebswirtschaftliche ABC-Segmentierung: „Wo liegt Kundenpotenzial?, Wie erschließe ich Kundenpotenzial?“ Das sind die beiden Leitfragen, die einerseits zur ABC-Segmentierung, andererseits zur psychografischen Segmentierung führen.
Böhler ist Autor im Buch von Oliver Everling und Monika Müller (Herausgeber): „Risikoprofiling von Anlegern – Kundenprofile treffend analysieren und in der Beratung nutzen“ (Bank-Verlag Medien GmbH, Köln, http://www.bank-verlag.de/, 1. Auflage 2009, 534 Seiten, Art.-Nr. 22.443-0900, ISBN 978-3-86556-222-7). Das Expertenforum „Risikoprofiling von Anlegern“ wurde unter der Leitung von Monika Müller von FCM Finanz Coaching organisiert (http://www.monika-mueller.de/).
Typ 1 (Der Vorsichtige) sei durch geringe Affinität zu Finanzdienstleistungen, Vorbehalte gegen moderne Vertriebsformen, Sicherheitsorientierung und Besitz nur weniger Finanzprodukte gekennzeichnet. Schlüsselfaktor für den Vertrieb sei bei diesem Typ die soziale Kompetenz in der Beratung, da es für diesen Typ letztlich auf ein persönliches Vertrauensverhältnis zum Berater, gestützt durch Vertrauen in die Reputation der Bank, ankomme. Repräsentative Befragungen zeigen, dass etwa 60 % der Bevölkerung als „vorsichtig“ charakterisiert werden können.
Typ 2 (Der Aufgeschlossene) habe eine pragmatische Neugier in Finanzfragen, sei durch einen emotionalen Umgang mit Finanzthemen und dadurch charakterisiert, dass den Berater als „informierten Partner“ sieht, mit dem er gemeinsam maßgeschneiderte Lösungen erarbeiten möchte. Er schätzt konkrete, unkomplizierte Empfehlungen, Schlüsselfaktor in der Beratung bei „Vorsichtigen“ sei ebenfalls die soziale Kompetenz. 32 % können als „aufgeschlossene“ Kunden betrachtet werden.
Typ 3 (Der Souveräne) setzt sich gern mit Finanzthemen auseinander, nutzt SB, Internet und Telefon als Informations- und Transaktionskanäle, ist relativ erfahren und informiert, vergleicht Konditionen und neigt zur Illoyalität. Auch für den „Souveränen“ ist die soziale Kompetenz ein Schlüsselfaktor, mehr aber noch die fachliche Kompetenz (im Vergleich zu den beiden anderen Anlegertypen). Es handele sich hier um einen „harten“ Kern, der rund 8 % der Bevölkerung ausmache.
Erfahrene Anlageberater formulieren spontan Hypothesen, wenn sie mit der Finanztypologie konfrontiert werden: „Der souveräne Anleger, das ist doch fast immer der A-Kunde“, „Der Vorsichtige scheut jedes Risiko, der souveräne Anleger ist grundsätzlich risikofreudig, und der Aufgeschlossene liegt so in der Mitte“; „Super, da brauche ich ja in Zukunft keine Risiko-Klassifizierung mehr vorzunehmen, wenn ich weiß, welcher Typ mein Kunde ist“. Leider seien diese Hypothesen unzutreffend – die Risikoeinstellung privater Anleger korreliere nur wenig mit soziodemografischen Merkmalen, und eine eindeutige Zuordnung eines Finanztyps zu einer Risikoeinstellung sei nicht möglich, zeigt Böhler auf. Bei jedem Typ gebe es (fast) jede Risikoeinstellung wenn auch in unterschiedlicher Verteilung. Beim Vorsichtigen seien keine hochspekulativen Anlagen zu platzieren.
Explizite Risikomessung sei daher unverzichtbar und unersetzlich, zeigt Böhler auf. Psychografische Finanztypologien können Hinweise auf die grundsätzliche Risikomentalität des Kunden geben. Für die adäquate Bestimmung individuell geeigneter Finanzprodukte ist eine robuste, in der Beratungspraxis handhabbare Typologie aber nicht geeignet: Die Risikoeinstellung korrespondiert nicht 1:1 mit einer grundsätzlichen Einstellung zu Finanzdienstleistungen. Daher müssen zur Risikoklassifikation separate, robuste, aussagefähige und einfache Risikoanalyseinstrumente entwickelt werden.
Themen: Risikoprofiling | Kommentare deaktiviert für Psychografische Kundensegmentierung und Risikoeinstellung
Kommentare geschlossen.