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Ratingskala oder Rating-Skala

Von Dr. Oliver Everling | 3.Juni 2008

In den Nachschlagewerken von Duden und Wahrig ist das Wort „Ratingagentur“ ohne Bindestrich zu finden, stellt Stephan Dové fest, Leiter Korrektorat der Neue Zürcher Zeitung (NZZ) und Mitglied des Rats für deutsche Rechtschreibung. Im amtlichen Regelwerk wird in der Einleitung zur Verwendung des Bindestrichs dies erwähnt, zitiert Dové: „Der Bindestrich bietet dem Schreibenden die Möglichkeit, anstelle der sonst bei Zusammensetzungen und Ableitungen üblichen Zusammenschreibung die einzelnen Bestandteile als solche zu kennzeichnen, sie gegeneinander abzusetzen und sie dadurch für den Lesenden hervorzuheben.“

Die Autoren und die Redaktionen haben so auch die Freiheit, ein aus einer fremden Sprache entlehntes Wort, das mit einem deutschen Wort zusammengesetzt wird, als solches zu kennzeichnen, wenn dies noch als fremdes Wort empfunden wird, erläutert Dové die Praxis der NZZ. „Wir haben bis heute nicht festgelegt, dass wir bei Ratingagentur oder beispielsweise auch bei Nettoertrag nur die zusammengeschriebene Form in unserem Blatt schreiben wollen. Aus diesem Grunde kann der Redaktor die Form wählen, die ihm zusagt bzw. die ihm üblich erscheint.“

Beim Begriff „Rating“ haben sich in den letzten Jahren entscheidende Veränderungen ergeben. Schon zur Anfertigung einer Doktorarbeit an der Universität zu Köln am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Besondere der Banken von Prof. Dr. Hans E. Büschgen wurde im Rahmen der Dissertation über „Credit Rating durch internationale Agenturen“ der Frage nach der Rechtschreibung nachgegangen. Die Duden-Redaktion war schon damals, Ende der 1980er Jahre, der Meinung, dass das Wort „Rating“ in der deutschen Sprache so verbreitet sei, dass es wie „Management“ oder „Computer“ zwar wie im Englischen ausgesprochen werde, sonst aber wie ein deutsches Wort gebräuchlich sei. Die Verwendung von Ratings und Ratingskalen reicht in der Soziologie und in der Psychologie z. B. weit in die 1960er Jahre zurück.

Anders als damals haben sich der rechtliche Status von Ratings und die Verbreitung maßgeblich verändert: Aufgrund der Mindestanforderungen an das Risikomanagement der Kreditinstitute sind Banken verpflichtet, jeden Kreditnehmer einem Rating zuzuführen. Auch die Eidgenössische Bankenkommission macht darüber hinaus von Ratings Gebrauch, um danach die Angemessenheit der Eigenmittelausstattung der von ihr beaufsichtigten Kreditinstitute zu beurteilen.

Inzwischen haben Ratings auch im Marketing von Fondsgesellschaften und Versicherungen Einzug gehalten. So wird mit Fondsratings ebenso aktiv geworben wie mit Versicherungsratings. Ebenso sind Zertifikateratings, Nachhaltigkeitsratings usw. zu nennen. In Herausgeberwerken zum Existenzgründerrating, Nachfolgerating, Bankenrating usw. verwenden die Autoren einheitlich die Zusammenschreibweise.

Es gibt kaum noch einen längeren Fachtext in deutscher Sprache, in dem die Binde-Strich-Schreib-Weise für Wortzusammensetzungen mit dem Wort „Rating“ konsequent durchgehalten würde. Meist wird inkonsequent mal von Rating-Analyst, dann aber von Ratingberater usw. gesprochen. Viele Texte würden nur noch von Bindestrichen überhäuft, wenn man nicht Ratingkriterium, Ratingsystem, Ratingansatz, Ratingagentur, Ratingergebnis, Ratingurteil, Ratingsymbol, Ratingdefinition, Ratingbegriff usw. schreiben würde. Da die Gesetzgeber im gesamten deutschsprachigen Raum Ratings zwingend verlangen, ist es höchste Zeit, die Empfindung als „fremdes Wort“ abzuschütteln, um die Akzeptanz zu erhöhen.

„Grundsätzlich neigen wir bei der NZZ bei solchen Zusammensetzungen mehr als andere Zeitungen dazu, den Bindestrich zu verwenden. Das kann auch von Ressort zu Ressort unterschiedlich sein“, sagt Dové. „Während Nettoertrag normalerweise ohne Bindstrich geschrieben wird, will das Ressort Wirtschaft, dass die Art des Ertrags sofort ersichtlich wird: Netto-Ertrag.“

Kürzlich sei auf Wunsch der Redaktion beschlossen worden, dass Zusammensetzungen mit Pop nur noch mit Bindestrich geschrieben werden (Pop-Idol, Pop-Ikone, Pop-Konzert und nicht Popidol, Popikone, Popkonzert, wie Duden und Wahrig in ihren Büchern auflisten). „Und zurzeit wird auch im Zusammenhang mit der Euro 08 ein weiterer Wunsch besprochen, ob wir künftig ebenfalls grundsätzlich Zusammensetzungen mit Fan nur noch mit Bindestrich schreiben wollen. Auch dies wäre entgegen den Wörterlisten von Duden und Wahrig, kann aber durchaus als Lesehilfe angesehen werden: Fan-Gemeinde statt Fangemeinde; Fan-Zone statt Fanzone usw. Die Schreibweise Rating-Agentur ist also ebenso korrekt wie Ratingagentur.“

Dové weiter: „Ich weise immer wieder darauf hin, dass wir in Texten mit der Verwendung von Bindestrichen sorgfältig umgehen sollen. Dass zu diesem Thema die Meinungen auch innerhalb der Redaktion verschieden sind, sei noch erwähnt. Für unser Haus haben wir eine Regelung aufgestellt, die den Schreibenden und den Redigierenden genügend Freiheit erlaubt: Zusammensetzungen mit mehr als drei Wörtern sind zu kuppeln, wenn sie unübersichtlich sind. Zusammensetzungen mit fremdsprachigen Ausdrücken, die noch nicht als eingedeutschte Fremdwörter gelten, erhalten ebenfalls einen Bindestrich: Stagiaire-Abkommen, Collégien-Ausweis, Victory-Zeichen, Handicap-Rennen, Cup-Final.“

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