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Scope Ratings Schleusen der Geldschöpfung
Von Dr. Oliver Everling | 13.April 2021
Das Verschwinden und Wiederauftauchen des „Scope Advisory Boards“ und der nun ungewisse Verbleib eines seiner Mitglieder warf die Frage auf, warum die lokale Ratingagentur in Berlin sich als einzige Agentur in der Europäischen Union einen großen Apparat aus Gremien leistet: „Honorary Board“, „Board of Trustees“, „Advisory Board“, „Supervisory Board“, „Executive Board“, „Management Board“, „Rating Committee“ bis hin zu „Ambassadors“ usw. Obwohl in der eigentlichen „Ratingagentur“ nur wenige Dutzend Analysten tätig sind, nämlich in der weisungsgebundenen Scope Ratings GmbH, nimmt eine Vielzahl von Personen Interessen wahr.
Bezüglich der Motive so vieler Männer stellt sich die Frage, warum sich die Herren (bei Scope sind es ausschließlich Männer) aus den „Boards“ real oder durch das zu Beginn des Jahres 2019 eingeführte „virtuelle Optionsprogramm“ an der Scope SE & Co. KGaA in einem sich über viele Jahre erneuernden Mehrschichtenmodell beteiligen, obwohl die Unternehmensgruppe – nach Insolvenz der vorausgegangenen Ratingagentur Fondscope AG – seit fast zwei Jahrzehnten nur Millionenverluste zu verzeichnen hat. Selbst übernommene Gesellschaften, die vor ihrer Übernahme teils noch Gewinne auswiesen, werden nach Integration in die „Scope Group“ ins Minus gedreht und mit Verlusten weitergeführt.
Der Schlüssel liegt in folgendem: Die jährliche Verlustsituaton sowohl in der – als zentralem Vehikel fungierenden – Scope Ratings GmbH, als auch bei der Muttergesellschaft, der Scope SE & Co. KGaA, macht die Unternehmensgruppe praktisch immun gegen Klagen von geschädigten Anlegern. Es lohnt sich für Geschädigte nicht, gegen eine praktisch mittellose Unternehmensgruppe vorzugehen, die auf steten Mittelzufluss angewiesen ist. Gewinne werden außerhalb des Unternehmens erzielt.
Obwohl seit einem Jahrzehnt schon Prozesse laufen, können Anleger meist nur durch gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich einen Teil ihrer Ersparnisse zurück erlangen. Geschädigte Sparer müssen sich bei der Scope Ratings GmbH immer wieder auf lange Wege machen, um sich schließlich im Prozessvergleich auf Kompromisse mit der Berliner Ratingagentur einlassen zu müssen.
Der Greensill Skandal bringt nicht nur Sparer in Verlegenheit, die – auf Beratung und qualifiziertes Research angewiesen – zum Beispiel einst dem sehr guten Scope Rating für die Anleihen des „Traumschiffs“ MS Deutschland vertrauten. Jetzt sind auch viele deutsche Kommunen dran, die nicht durch die Einlagensicherung entschädigt werden. Zahlreiche Stadtkämmerer stützten sich in ihrer Anlageentscheidung auf das noch gut ein halbes Jahr vor der Insolvenz der Greensill Bank von Scope aufrecht erhaltene Rating A- für die Greensill Bank – einem Rating gleichauf mit dem der besten deutschen Großbanken.
Nach der EU-Verordnung über Ratingagenturen dürfen nur solche Unternehmen „Credit Ratings“ verbreiten, die zuvor von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA dazu autorisiert worden sind. Beispielsweise war die „Scope Ratings GmbH“ im Fall des Skandals um die Greensill Bank die einzige Agentur, die mit ihrem publizierten Rating zur Geldanlage bei dieser Bank dadurch ermutigte, dass sie ein sehr geringes Ausfallrisiko avisierte. Es gab sonst kein veröffentlichtes Rating.
Die Ausfallwahrscheinlichkeit in so kurzer Frist war bei einem Rating A- in Promille zu bemessen. Andere Agenturen hatten kein öffentlich einsehbares Rating für diese Bank. Research-Boutiquen, die die Greensill Bank kritischer sahen und kein Rating A- erteilt hätten, sondern die Greensill Bank sogar im spekulativen Bereich ansiedelten, hätten dieses Rating unter Androhung hoher Geldbußen nicht veröffentlichen dürfen, sondern durften es nach dem Gesetz nur ihren jeweiligen Auftraggebern als „privates Rating“ zur Kenntnis geben.
Unterstützt durch das Rating A- machte die Einwerbung von Finanzmitteln bei der Greensill Bank den legalen Zufluss von Milliarden möglich, deren Verlust nun indirekt von Bankkunden ausgeglichen werden muss, denn die zur Anlegerentschädigung eingesprungene Einlagensicherung holt sich die dafür erforderlichen Mittel von den privaten deutschen Banken. Diese Kosten fließen wiederum in die Kalkulationen der Banken ein und belasten damit indirekt nicht nur Bankaktionäre, sondern auch jeden Sparer dieser Banken.
Die Greensill Bank war durch die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken geschützt. Der Schutz dieser gesetzlichen Einlagensicherung beträgt pro Einleger und Kreditinstitut bis zu 100.000 €. In besonderen Fällen sind bis zu 500.000 € geschützt. Das Institut ist zusätzlich Mitglied im Einlagensicherungsfonds der privaten Banken. Der Schutzumfang der Einlage von Sparern bei der Greensill Bank – inklusive des gesetzlichen Schutzes – beträgt mindestens 750.000 €. Der genaue Schutzumfang errechnet sich aus 15% des haftenden Eigenkapitals des Kreditinstituts. Das Minimum an haftendem Eigenkapital in Deutschland beträgt 5 Millionen €. Somit ist der Mindestschutz 750.000 € pro Einleger und Kreditinstitut. Den exakten Schutzumfang kann jeder Einleger beim Einlagensicherungsfonds abfragen.
Für einlagengesicherte Sparer wurde das Risiko eines geschönten Ratings mithin weitgehend auf die privaten Banken abgewälzt. Etwas anderes gilt für die Kommunen, für die es seit 2017 ein automatisiertes Sicherheitsnetz für kommunale Geldanlagen nicht mehr gibt. Bei den Kommunen trägt das Risiko letztlich der Steuerzahler, der im Falle des Verlustes in seiner Stadt oder in seiner Gemeinde dann eben auf Ausgaben seiner Gebietskörperschaft für Gebäude, Grundstücke, Straßen, Personal, Sozialhilfe und vieles mehr verzichten beziehungsweise durch neue Schulden und Steuererhöhungen anderweitig finanzieren muss.
Mit geschönten Ratings kann auf Dauer keine Ratingagentur existieren. Daher wird auch bei der Scope Ratings GmbH mehr angestrebt. Dazu kommt die Pyramide aus „Honorary Board“, „Board of Trustees“, „Advisory Board“, „Supervisory Board“, „Executive Board“, „Management Board“ bis hin zu „Ambassadors“ ins Spiel. In den über ganz Europa laufenden „road shows“ der Geldeinwerber von Scope zeigt sich nach dem Deckblatt schon auf Seite 2 allein das Bild von Jean-Claude Trichet. Von November 2003 bis Oktober 2011 war er Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB):
Der wichtigste Käufer von Anleihen an den Finanzmärkten ist in Europa die Europäische Zentralbank. Auch wenn diese Käufe nach Urteil des Bundesverfassungsgerichts teilweise verfassungswidrig sind, erfolgen diese Käufe doch nach bestimmten Regeln und nicht ganz willkürlich. Das eigentliche Geschäft für Scope Ratings kommt mit den Bank- und Unternehmensanleihen, die in der Regel nur dann von der Europäischen Zentralbank gekauft werden, wenn sie „investment grade“ beurteilt wurden. Unternehmensanleihen müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um in das Aufkaufprogramm der Europäischen Zentralbank aufgenommen zu werden.
Für die Europäische Zentralbank kam es bisher nicht in Frage, sich bei ihren Ankäufen von Anleihen allein auf das Rating der lokalen Agentur in Berlin zu stützen, auch wenn diese bereits als Ratingagentur nach der EU-Verordnung über Ratingagenturen durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA registriert wurde. Um Anleihen an die Europäische Zentralbank zu verkaufen, ist das Rating einer durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA anerkannten Ratingagentur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung.
Die konsolidierte Bilanz des Eurosystems, das die Aktiva und Passiva der nationalen Zentralbanken des Euroraums umfasst, hält nach Berechnung der FERI ab 2021 schon rund 45 % aller Staatsschulden in ihrer billionenschweren Bilanz, darüber hinaus noch hunderte Milliarden an Bank- und Unternehmensschulden. Welche Anleihen die Europäische Zentralbank kauft, wurde in den „Leitlinien vom 20. September 2011 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems“ festgelegt und vom damaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank, nämlich Jean-Claude Trichet, unterschrieben, der nun für Scope Ratings wirbt. Diese von Jean-Claude Trichet in Kraft gesetzten Regeln sind heute der Schlüssel für den Erfolg von Scope Ratings, auch wenn die Ratings dieser Agentur sonst bei professionellen Anlegern kaum Beachtung finden.
Am 24. Mai 2011 war die später von Scope übernommene PSR Rating GmbH zwar schon von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht als Ratingagentur anerkannt, aber noch nicht von Scope übernommen worden. Das erfolgte rückwirkend zum Monatsbeginn im Januar 2012. Seitdem ist es der in Scope Credit Rating GmbH umbenannten, dann in Scope Ratings AG umgewandelten und schließlich wieder in die Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung zurückgeführten Scope Ratings GmbH nicht gelungen, die Anerkennung durch die Europäische Zentralbank zu erlangen, da die Ratinghistorie von Scope Ratings weit hinter der von vier anerkannten Agenturen zurückbleibt, die auf Basis der Leitlinien schon längst akzeptiert werden konnten.
Um das zu ändern, gingen am 20. September 2020 diejenigen bei Scope mit an Bord, die ursprünglich das System eingefädelt haben und nun partizipieren – mit zeitlichem Abstand, der die Zusammenhänge unauffällig macht. Jetzt soll Scope Ratings als „die“ europäische Ratingagentur die EZB-Anerkennung als privilegierte „external credit assessment institution“ (ECAI) erhalten. Das bedeutet im Klartext, dass ein Emittent mit dem Kauf eines „guten“ Scope Ratings sicherstellen soll, dass die Europäische Zentralbank diese Finanztitel einer Bank abkaufen und dadurch Geld schöpfen kann.
Professionelle Investoren weltweit nehmen von Scope Ratings bisher kaum Notiz. Die Ratingagentur ist in den wichtigsten Finanzmärkten der Welt – gleich ob in den USA, in Japan oder gar in China – praktisch unbekannt. Daher dienen die vielen Herrenrunden in der Pyramide von Scope dazu, den Druck auf das System der Europäischen Zentralbanken zu verstärken, der Ratingagentur das Privileg zu gewähren, die für den Aufkauf von Anleihen maßgebliche Schleusenfunktion der Ratings wahrnehmen zu dürfen. Es genügt, den Geldschöpfungsprozess der Europäischen Zentralbank abgreifen zu können.
Der Geldschöpfungsprozess soll mit Hilfe von Scope Ratings wie folgt ablaufen: Die Europäische Zentralbank erkennt Scope Ratings an. Emittenten beantragen Ratings von Scope Ratings für einen durch das System der Europäischen Zentralbanken aufkaufbaren Finanztitel. Dafür zahlen Emittenten an Scope Ratings jeweils fünf- bis sechsstellige Ratinggebühren für den Antrag sowie anschließend über die Jahre der Laufzeit.
Mit diesem Rating ausgestattet können Geschäftsbanken diese Finanztitel kaufen und zur Refinanzierung an das Notenbanksystem weiterverkaufen. Die Europäische Zentralbank hält die Titel so lange, bis Scope Ratings das Rating unter bestimmte Grenzen, im Regelfall in den Bereich „speculative grade“ herabzustufen droht oder herabgestuft hat. Solche Papiere werden dann an den Finanzmärkten zurück an Banken, Kapitalsammelstellen usw. verkauft. Anschließend werden die Papiere entweder in Fonds gebündelt oder direkt an Sparer oder auch an Kommunen verkauft. Spätestens dann kann Scope Ratings Herabstufungen vornehmen, ohne dass diese für das „Ökosystem“ schädlich wären, denn tritt der Ausfall ein, erleidet keiner der Beteiligten einen Verlust, sondern „nur“ die gutgläubigen Sparer, denen die Papiere als letzte in der Kette verkauft wurden.
Klagen dann aber die geschädigten Sparer gegen Scope Ratings auf Schadensersatz, haben sie ein Unternehmen vor sich, das praktisch über kein Eigenkapital, also kein eigenes Vermögen verfügt. Da auch die Muttergesellschaft, die Scope SE & Co. KGaA, nur Verluste ausweist, hilft auch kein Ergebnisabführungsvertrag, da auch die Scope SE & Co. KGaA so geführt wird, dass sich hier kein Milliardenvermögen anhäuft, das zum Ausgleich von gegebenenfalls angerichteten Milliardenschäden herangezogen werden könnte.
Es nutzt dann Sparern nichts, wenn die Gerichte die Schuld feststellen und Scope Ratings zum Schadensersatz verurteilen. Diese Anleger haben mit ihren Schadensersatzforderungen auf keinen hinter Scope Ratings stehenden Milliardär irgendeinen Durchgriff. Alle Herren von Scope sind durch das Mehr-Schichten-Modell geschützt. Wie schon geschehen, kommt es allenfalls zu kleineren Vergleichen, wenn es – aus Sicht der „Scope Group“ – um Bagatellbeträge geht.
Sollten dennoch z.B. geschädigte Kommunen gemeinsam gegen Scope Ratings klagen und die Gesellschaft in die Insolvenz zwingen, kann das Geschäftsschema mit einer gerade von Scope SE & Co. KGaA erworbenen, anderen Ratingagentur, die ebenfalls über eine Registrierung durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA verfügt, weiter betrieben werden. So wurde im März 2021 beispielsweise die Euler Hermes Rating GmbH in Hamburg gekauft und schon in „Scope Hamburg GmbH“ umbenannt.
Scope Ratings kann aber darauf setzen, dass jede renommierte Anwaltssozietät von solch irrationalem Vorgehen gegen die Ratingagentur eher abraten wird, da kaum eine Befriedigung in Aussicht steht. Ohne Befriedigungsaussicht kann allenfalls ein geräuschloser Vergleich über einen kleinen Teilbetrag erreicht werden.
Die Scope SE & Co. KGaA unterscheidet sich von den Muttergesellschaften der international führenden Ratingagenturen dadurch, dass sie über kein Milliardenvermögen wie die Großen der Branche verfügt. Entsprechend ergibt sich eine andere Anreizsituation und ein anderes moralisches Risiko. Gewinne werden statt innerhalb der Gesellschaften insbesondere für den Initiator des Geschäftsschemas außerhalb erzielt, indem Optionen, Wandlungsrechte und Anteile zu immer höheren Preisen in privaten „road shows“ an einen stets immer weiter gezogenen Kreis von Prominenten, Kapitalmarktakteuren und Kapitalsammelstellen verkauft werden. Es lockt die Aussicht, die Schleusen zur Geldschöpfung zu betätigen.
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