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Sigmar Gabriel erklärt Moody’s den Euro als Frage von Souveränität und Sicherheit

Von Dr. Oliver Everling | 26.Januar 2021

„Wie das letzte Jahr gezeigt hat, eine globale Pandemie kann alles auf den Kopf stellen“, führt Jens Schmidt-Bürgel ins Interview mit Sigmar Gabriel ein und kommt gleich auf die größten Herausforderungen der neuen Administration in den USA zu sprechen. Sigmar Gabriel ist Keynote-Sprecher auf Moody’s Konferenz „Credit Trends 2021
Germany & Austria edition“.

Sigmar Gabriel sieht Maßnahmen, Amerika zurück in die Welt seiner Partner zu führen. Joe Biden wolle zeigen, dass die Amerikaner in der internationalen Politik zurück sind. Es gab nie Alliierte von China oder Russlands, aber die USA vermochten Allianzen zu schmieden. Joe Biden wisse, dass selbst ein so großes Land wie die USA Partner brauche. Darin sieht Sigmar Gabriel die Chance auch für internationale Organisationen.

Jens Schmidt-Bürgel hinterfragt, obe Joe Biden in der Lage sein werde, das Land wieder zu einen. Die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft habe nicht mit Donald Trump begonnen. Sigmar Gabriel sieht ihn eher als Symptom dieser Spaltung, die schon früher begonnen habe. Auch mit einer Amtszeit von vier Jahren, lässt sich diese Spaltung nicht einfach zurückdrehen. Wenn der Präsident zu sehr von der Innenpolitik absorbiert wird, kann er in der Außenpolitk nicht so auftreten wie früher.

Das Land mit dem „american dream“ habe inzwischen die geringste soziale Mobilität. Um den Lebensweg eines Kindes vorherzusagen, genüge es inzwischen, sich den Lebensweg der Eltern anzuschauen. Der schlimmste Satz von Hillary Clinton sei in ihrem Wahlkampf gewesen, von den „deplorables“ zu sprechen, Darin habe sich eine Verachtung gegenüber Menschen gezeigt, die den Zulauf zu Trump beschleunigte.

Die USA sehen China als den großen Wettbewerber. Die Europäer dagegen sehen Chinesen als die „Frienimies“, Freunde und Gegner zugleich. In allen Parteien der USA werde China dagegen als richtiger strategischer Gegner um die Vorherrschaft in der Welt gesehen. 600 Jahre der Zentrierung auf Europa sei vorbei, Die Machtachsen haben sich verschoben. Barrack Obama habe von der transpazifischen, statt der transaltantischen Nation der USA gesprochen. Die Flugzeugträger der USA seinen aus dem Atlantik abgefahren in den Pazifik.

Nicht Europa, nicht die Europäer füllen das von den USA hinterlassene Machtvakuum im Mittleren Osten oder Nordafrika, sondern autoritäre Regime. Die amerikanische Perspektive habe sich geändert und diese bleibe auch so. Die Europäer schauen auf China anders, da auch die Europäer unfairen Handel kritisieren. Für die USA hatte die Liberalisierung des Handels jedoch den Aufstieg Chinas zur Folge. Im indopazifischen Raum leben die meisten Menschen, wird der größte Teil des Sozialprodukts der Welt erwirtschaftet. Auch deshalb konzentrieren sich die USA auf diesen Raum und weniger auf Europa.

Um die Beziehungen zu den USA auf eine neue Ebene zu bringen, müsse Europa aufhören, die USA für alles verantwortlich zu machen. Sigmar Gabriel deutet an, dass man unter der Trump-Administration leichtes Spiel hatte, die Schuld für alle Missstände den USA zuzuschieben. Viele Probleme Europas hätten aber gar nichts mit den USA zu tun. Europa erfordere mehr Anstrengung. Es könne nicht sein, dass französische Soldaten kämpfen, während deutsche Soldaten neue fotografieren.

Warum machen wir kein großes gemeinsames Projekt zur Wasserstofftechnologie, fragt sich Sigmar Gabriel. Röhrengeschäfte mit Russland wurden immer wieder sanktioniert. Ronald Reagan hatte dagegen die Weitsicht, nicht wegen eines Streitfalls die Beziehungen zu Europa zu belasten. Wie geht man mit dem Iran um? Könnten mit Russland neue Abrüstungsangebote gemacht werden? Hier sollten die Europäer selbst die Initiative ergreifen.

Jens Schmidt-Bürgel fragt nach der mangelnden Präsenz Europas auf der Weltbühne. Sigmar Gabriel bezweifelt, dass in Europa bereits ein Bewusstsein dafür bestehe, was auf Europa zukomme. Ein neuer Bundeskanzler müsse sich erst das Standing erarbeiten. Wie in Frankreich wäre auch der deutsche Bundeskanzler in den nächsten Jahren erst einmal mit sich selbst beschäftigt. Daher warnt Sigmar Gabriel vor der Hoffnung, dass die beiden in Europa führenden Nationen schnell die Verhältnisse ändern würden. Im Rahmen des Möglichen liege das European Recovery Programs, das mehr gemeinsame Politik erfordere. Das sei deutlich mehr als eine europäische Armee, wenn es gelinge, aus dem Euro eine internationale Reservewährung zu machen. Wenn Europa weiterhin am US-Dollar hänge, gebe es keine Souveränität. Ein europäischer Sicherheitsrat könnte einen gemeinsamen Blick auf die Welt werfen. Sigmar Gabriel gibt das Beispiel Libyen, wo europäische Partner verschiedene Teile des Bürgerkrieges unterstützen. Das gemeinsame Handeln sei wichtig. Emmanuel Macron habe sogar vorgeschlagen, die Briten einzubeziehen, obwohl sie nicht Teil der Europäischen Union seien. Mittel- und osteuropäischen Partnern müsse gezeigt werden, dass die Europäer gemeinsam Verantwortung für die Sicherheit dieser Länder übernehmen.

Sigmar Gabriel erinnert an das Abkommen mit dem Iran. Die USA untersagte Geschäfte mit dem Iran, so dass nicht einmal eine kleine Volksbank gewagt hätte, auch nur einen Euro Geschäft mit dem Iran zu machen, weil letztlich alle im US-Dollar refinanziert seien. Sigmar Gabriel glaubt, dass eher in der Fiskalunion Sicherheitspolitik gemacht werden könne. Die Abhängigkeit vom US-Dollar sei das größere Problem als die Gefahr der Verschuldung. Das Modell der Schweiz, ökonomisch erfolgreich, politisch neutral, sei für Europa insgesamt nicht denkbar.

Jens Schmidt-Bürgel spricht den Rückstand in der Digitalisierung an und fragt, ob Europa auf die Herausforderungen vorbereitet sei. Sigmar Gabriel sieht das wirtschaftliche Erfolgsmodell, dass Deutschland die besten Maschinen herstelle, als nicht mehr ausreichend, denn inzwischen komme es auf die Daten an. Das klassische, exportorientierte Modell funktioniere nicht mehr, so dass Deutschland zur bloßen Werkbank verkomme. Die gewachsene Komplexität von Planungsprozessen in Deutschland sein ein Problem. Afrikaner kritisieren, dass in der Zeit, in der Deutsche in Afrika einen Radweg bauen, China für Afrika bereits zwei Flughäfen fertig habe. Wenn die ganze Welt ärmer wird durch die Pandemie, wird der Schaden nicht dadurch aufgeholt, dass der Staat alles irgendwie mache, sondern es komme auf die Privatwirtschaft an. Entsprechend müssten die Rahmenbedingungen gesetzt werden.

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