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Unternehmen unter neuem ESG-Radar
Von Dr. Oliver Everling | 17.Mai 2022
Zahlreiche Anbieter sind auf das Thema „Nachhaltigkeit“ gesprungen. Als im März 1991 ein erstes Seminar zum Thema „Ethisches Rating“ stattfand, hätte wohl keiner der Teilnehmer gewagt zu hoffen, wie viele Menschen sich heute mit dem Rating von Unternehmen nach ethischen, ökologischen und sozialen Aspekten befassen. Inzwischen werden von vielen Agenturen spezifische ESG-Scores und Nachhaltigkeitsratings berechnet respektive vergeben.
Als Basis für die Berechnung dienen dabei meist Rohdaten, die von den Unternehmen selbst zu verschiedenen Themenkreisen (z.B. CO2 Emissionen) bereitgestellt werden. „Unglücklicherweise sind die berechneten Scorewerte der vielen Anbieter am Markt nur sehr schwach korreliert,“ stellt dazu die Schweizer Gesellschaft I-CV Independent Credit View AG fest, „was auf den grossen Interpretationsspielraum, respektive die inhärente Subjektivität im Bewertungsprozess zurückzuführen ist. So spielen die Wertvorstellungen der einzelnen Anbieter in der Auswahl der relevanten Faktoren aber auch deren Gewichtung eine entscheidende Rolle.“
Zudem sind die berechneten ESG-Scores und Ratings fast ausschliesslich auf vergangenheitsbasiertes Zahlenmaterial abgestützt und hinken somit dem Markt weit hinterher, so lautet die Kritik. Zukunftsgerichtete Lösungen, die die erwartete Entwicklung des Unternehmens berücksichtigt sowie verstärkt auf das Engagement des Managements abstützt, sind nicht verfügbar.
„Beflügelt durch eine Vielzahl von Anbietern und regulatorischen Druck, hat inzwischen ein regelrechter Herdentrieb eingesetzt“, stellen die Analysten von I-CV fest. „Um sich keine Blösse zu geben, entscheiden sich immer mehr Investoren für teure Verlegenheitslösungen einiger grosser Anbieter, ohne tatsächlich zu verstehen, wie die Werte zustande kommen und wie diese die Anlageentscheide beeinflussen werden. Damit wird eine Differenzierung verunmöglicht und die Investoren werden oft unbewusst in dieselben marktfremden Verhaltensmuster gedrängt.“
Eine sinnvolle und stringente Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in den Anlageprozess stellt Vermögenverwalter, Pensionskassen und Versicherungen somit vor große Herausforderungen.
Die Independent Credit View AG (I-CV) hat zusammen mit Kunden ein Tool entwickelt, welches spezifisch auf die Bedürfnisse professioneller Investoren eingeht. „Ziel dabei war es,“ heißt es zur Vortellung des neuen Tools, „einen Herdentrieb, wie man ihn bei Credit Ratings seit Jahrzehnten kennt (forced selling: Zwangsverkauf bei Downgrade der grossen Agenturen), zu verhindern und anstelle einer Verlegenheitslösung ein effizientes, Anlageklassen-übergreifendes und massgeschneidertes System zur zukunftsgerichteten Evaluation und Klassifizierung von ESG-Risiken anzubieten.“
Anhand eines geführten Prozesses können die relevanten ESG-Risiken systematisch und konsistent überprüft und hinterfragt werden. Dabei sollen sich umfassende Rohdaten durch den I-CV ESG Radar auswerten lassen. Getreu dem Motto „the view behind the rating“ will I-CV somit eine Lösung bieten, mit welcher ESG-Scores nicht unbesehen übernommen, sondern kritisch beurteilt und hinterfragt werden.
Portfolio- und Risikomanager sind zu befähigen, im Datendschungel die Übersicht zu behalten und eine praxisnahe Unterstützung zu bieten, um die für den Anlageentscheid wesentlichen und prägenden Faktoren zu identifizieren. Ein individueller Wertekompass als Startpunkt soll dafür sorgen, welche ESG-Komponenten wie stark gewichtet und wie die Scores berechnet werden sollen.
„Der Investor entscheidet somit bewusst anhand seiner Wertvorstellungen,“ argumentiert I-CV, „wo er die Schwerpunkte setzen möchte, und berechnet so seinen persönlichen ESG-Score, welcher der Anlagestrategie entspricht. Falls gewünscht, kann je nach Strategie ein unterschiedlicher Wertekompass hinterlegt werden.“
Dieser Ansatz hebt sich zwar deutlich von den verfügbaren Lösungen ab, bei welchen der Investor die Wertvorstellungen des jeweiligen Anbieters unbewusst übernimmt und die Anlageentscheide wesentlich bestimmen lässt. Wie beim Credit Rating will aber die Fondsmanagerin oder der Fondsmanager gerade diese Arbeit der Gewichtung von Kriterien und Faktoren an kompetentere Analysten delegieren und die Verantwortung dafür nicht selbst übernehmen, da die Kernkompetenz auf anderem Gebiet liegt, wie beispielsweise Makrodaten oder technischer Analyse.
Der Benutzer hat mit dem ESG Radar die Wahl zwischen einem Best-in-Class Ansatz (Vergleich der Unternehmen innerhalb einer Peergruppe) oder einem Overall Ansatz. Das Tool erleichtert die Integration in den Anlageprozess von Vermögenverwaltern, Pensionskassen oder Versicherungen, da eine Vielzahl an Ausschlusskriterien granular erfasst und so das investierbare Universum individuell in Anlehnung an den Wertekompass bestimmt werden kann.
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