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Value Investing
Von Dr. Oliver Everling | 13.November 2017
Jean-Marie Eveillard berichtet in „Value Investing“ über „Mein Weg, meine Erfolge, meine Fehler“ – so lautet auch der Untertitel des neuen Buches im Münchner FinanzBuch Verlag. Der Begriff „Value Investing“ verbindet sich heute so sehr mit Warren Buffett und seinen Partnern, dass auch ein erfolgreicher Investor wie Eveillard nicht daran vorbeikommt, sich eingehende mit Buffett zu befassen.
„Ich wiederum bin kein Warren Buffett. Unsere Fonds Global und Overseas haben keine 40 Jahre lang jedes Jahr 20 % geschafft“, räumt Eveillard ein. „Aber sie haben sich über einen ansehnlich langen Zeitraum gut entwickelt, in starken wie in schwachen Märkten (…) Mit anderen Worten: Die Anleger, die uns treu geblieben sind (die ‚glücklichen Wenigen‘) wurden für ihre Geduld belohnt.“
Wer sich als Anleger einseitig mit Warren Buffett befasst, übersieht die langjährige Erfahrung von erfolgreichen Investoren wie Eveillard und läuft Gefahr, Chancen zu verpassen. Schließlich bekennt sich Warren Buffett dazu, sich auch nur mit einem Bruchteil aller Aktien der Welt zu befassen, mit denen eine überdurchschnittliche Rendite zu erzielen ist.
Das Buch von Eveillard trägt autobiografische Züge, denn er berichtet von seinen wichtigsten Karrierestationen und über die Umstände, unter denen er zu seinen Erkenntnissen gelangte. „Ein Freund von mir sagte damals, die Bilanzierungspraktiken würden die Mentalität eines Landes erkennen lassen. Man sollte nicht verallgemeinern, aber die Deutschen machen sich gern Sorgen um die Zukunft – die ‚German Angst‘. Also zeichneten sich auch deutsche Bilanzen durch extrem hypothetische Risiken aus. Zu Hongkong wiederum wurde mir Anfang der 80er-Jahre gesagt, dieser Markt sei nichts für mich, weil die Chinesen Zocker seien. Trotzdem ist es uns als langfristigen Value-Anlegern an der Hong Kong Stock Exchange gut ergangen (zum Beispiel mit Shaw Brothers).“
Eveillard macht deutlich, vor welche Herausforderungen die planwirtschaftlichen Eingriffe in die Finanzmärkte jede Finanzanalyse gestellt hat. „Heute müsste man angesichts der niedrigen Zinsen theoretisch bereit sein, relativ hohe Vielfache zu bezahlen. Jedoch sind die Zinsen (der wichtigste Preis überhaupt) so niedrig, weil sie von den Regierungen künstlich gedrückt werden. Quantitative Lockerung, wie man sie nennt, ist in meinen Augen eine Scheußlichkeit. Sie hat einen mittelmäßigen Wirtschaftsaufschwung herbeigeführt, den Aktienmarkt künstlich aufgeblasen, ebenso wie den Anleihenmarkt, den Markt für Luxusimmobilien und den Markt für zeitgenössische Kunst, und aller Wahrscheinlichkeit nach wird sie unerwünschte Folgen haben.“
Trotz der Fehler heutiger Niedrigzinspolitik war früher nicht alles besser, auch nicht an den Finanzmärkten: „Zu den Tücken internationaler Geldanlage“ nennt Beispiele aus Kontinentaleuropa: „Bei einem wurden wir Opfer des deutschen Establishments.“ Bis Ende der 1990er-Jahre besaßen seine Fonds ungefähr 10 % des Unternehmens Buderus, gibt Eveillard ein Beispiel, ein weiteres deutsches Unternehmen hatte ebenfalls eine hohe Beteiligung. „Und dann machte der deutsche Riese Bosch, der selbst nicht börsennotiert war, ein Kaufangebot für Buderus – aber zu einem Preis, den wir für 30 % zu niedrig hielten.“
Der Leser erfährt im Buch von Eveillard, wie rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen den Erfolg von Kapitalanlagen beeinflussen. „Institutionelle Anleger bevorzugten zumeist die stimmberechtigten Aktien, weil sie im Index enthalten waren (ein dummer Grund).“
Eveillard skizziert die Bonitätsrisiken von Anleihen. „Am ehesten ist das Überleben gesichert, wenn der Cashflow ausreicht, um die Schulden zu bedienen. Am zweitbesten ist, wenn es – vorübergehend – am Cashflow mangelt, aber der Wert der Aktiva eines Unternehmens weit über seinen Schulden liegt. (…) Am drittbesten und eigentlich am schlechtesten sind Staatsanleihen, bei denen Zahlungsfähigkeit vorhanden ist, nicht aber Zahlungsbereitschaft.“
Aus seiner „schwachen Zeit Ende der 1990er-Jahre“, in der Eveillard für seine Fonds Renditen weit unter denen anderer Fonds verzeichnen musste, teilt Eveillard mit dem Leser seine Gefühlswelt: „Liegt man zurück, leidet man psychisch (bin ich ein Idiot?) und finanziell (weniger oder gar kein Bonus). Im Extremfall kann man sogar seinen Job verlieren.“
Eveillard weist auf den Widerspruch hin, dass heute immer noch diejenigen Theoretiker die Wirtschaftspolitik bestimmen, die zuvor die Finanzkrise nicht kommen sahen. „Nur sehr wenige Personen in Regierungen, Unternehmen und Forschung sahen die Krise kommen. Alle dort (oder fast alle) sind Neokeynesianer, auch wenn ich manchmal nicht sicher bin, ob Keynes selbst, wenn er noch leben würde, heute Neokeynesianer wäre. Die Wahrheit ist jedenfalls, dass Keynes ein brillanter Autor war, der König des verführerischen Paradoxes, aber am Ende doch ein Quacksalber.“
Eveillard ist keine Kassandra, aber er warnt: „Nach einem 25 Jahre (von 1982 bis 2007) währenden Kredit-Boom sind im Privatsektor immer noch deflationäre Kräfte am Werk. Irgend wann werden die Behörden mit ihrer aktuellen Politik zu weit gehen. ‚Wahnsinn bedeutet‘, so sagte Einstein, ‚immer und immer wieder dasselbe zu machen und ein anderes Ergebnis zu erwarten.'“
Das Buch vermittelt dem Leser das Gefühl, ehrliche Einblicke in die Investmentphilosophie eines erfolgreichen Investors zu erhalten, dessen Erfolg und Alter ihn darüber erhaben machen, dem Leser geschönte Geschichten zu präsentieren. Das Buch ist für jeden eine Empfehlung, der sich ganzheitlich mit den Faktoren befassen will, die zu überdurchschnittlichem Anlageerfolg führen.
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