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Verlustagentur Scope muss weiterhin Gesellschafter aufnehmen

Von Dr. Oliver Everling | 14.Februar 2023

Gutes Geld sollte man schlechtem nicht hinterherwerfen. Ist die Chance, noch an sein Geld zu kommen gering, so sollte man es einfach dabei belassen und nicht noch weiter Geld investieren. Das sind alte Weisheiten von Investoren und Kreditgebern.

Diese Überlegungen müssen bei allen Investoren eine Rolle spielen, die in die seit mehr als zwei Jahrzehnten glücklos nach Kostendeckung strebende Ratingagentur in Berlin investiert und bis heute vergeblich auf Gewinne gewartet haben. Der Status einer “registrierten” und von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) überwachten Ratingagentur garantiert nämlich keineswegs auch die Rentabilität einer Ratingagentur. ESMA könnte die Aufstockung der Eigenkapitalausstattung einer Ratingagentur verlangen, wenn die finanziellen Ressourcen so knapp werden, dass einzelnen, “rettenden” Geldgebern oder günstige Ratings nachfragenden Kunden unverhältnismäßiger Einfluss auf die Agentur zukommen könnte.

Die Scope Group aus Berlin schafft es angesichts sinkender Marktanteile europäischer Ratingagenturen gegenüber den marktdominanten US-Anbietern bisher nicht, die Rentabilitätsschwelle zu erreichen. Wer – wie die Berliner – weiter mit Verlusten arbeitet, muss daher seine Anteilseigner motivieren, frisches Geld nachzulegen, und zwar trotz Ungewissheit, ob es jemals zu einem Rückfluss kommen könnte.

Zu den Anteilseignern von Scope zählen mehrere europäische Finanzinstitute wie B&C Beteiligungsmanagement, Foyer, HDI/Talanx, Signal Iduna, SV SparkassenVersicherung, die Schweizerische Mobiliar sowie Deutschlands RAG-Stiftung. Ankeraktionäre der Scope Group bleiben Florian Schoeller und BMW-Großaktionär Stefan Quandt (AQTON).

Wie begrenzt die Bereitschaft der Altgesellschafter der Scope Group tatsächlich ist, weiter ins Risiko zu gehen, zeigt sich daran, dass nun mit dem Eintritt eines neuen Gesellschafters in den Gesellschafterkreis möglicherweise endgültig vom Ideal einer unabhängigen und auf Neutralität bedachten Ratingagentur Abschied genommen wurde, denn nun kommt eine mächtige Bankengruppe zum Zuge. Interessenkonflikte sind vorprogrammiert, wenn Verkauf von Wertpapieren und ihre Beurteilungen Hand in Hand gehen, also die für den Kauf von Wertpapieren maßgebenden Ratings vom Verkäufer mit gesteuert werden können.

Wie bei der Groupe BPCE, einer der größten Bankengruppen Frankreichs: Denn diese ist in die Reihen der institutionellen Anteilseigner der Scope Group eingetreten und soll die Position des sich trotz eines sehr geringen Marktanteils als “führenden” bezeichnenden, europäischen Anbieters von Kreditratings, ESG-Analysen und Fondsanalysen stärken.

„Eine wirklich europäische Ratingagentur braucht die Akzeptanz und den Rückhalt der wichtigsten europäischen Investoren und Institutionen“, kommentiert Florian Schoeller nun das Ereignis, CEO und Gründer der Scope Group. „Eine der größten Bankengruppen Europas als Anteilseigner bei Scope begrüßen zu dürfen, ist ein Vertrauensbeweis einer weiteren großen Kapitalmarktinstitution und ein Beweis dafür, dass Scope zu einem festen Bestandteil des europäischen Finanzökosystems wird.“

Sylvain Petit, Head of Strategy bei Groupe BPCE: „Groupe BPCE hat sich entschieden, Scope Group, ein europäisches Projekt, zu unterstützen, weil wir davon überzeugt sind, dass Investoren und Regulierungsbehörden von einer größeren Vielfalt an Meinungen und Ratingansätzen profitieren können. Dank ihrer Methoden, die die europäischen sozialen und wirtschaftlichen Realitäten berücksichtigen, verbessert die Scope Group die Fähigkeit, die Aktivitäten der Wirtschaftsakteure in Europa zu bewerten.“

Die Investition der Group BPCE folgt der jüngsten Investition von AXA, einem der weltweit führenden Versicherer. Die gestärkte französische Aktionärsbasis von Scope soll auch die wachsende Bedeutung des französischen Marktes für Scope widerspiegeln. Die Scope Group hat ihre Präsenz in Frankreich in den letzten fünf Jahren verstärkt. Das Pariser Büro unter der Leitung von Marc Lefèvre ist heute der größte Hub außerhalb Deutschlands. Franzosen besetzen Spitzenpositionen bei Scope: Guillaume Jolivet ist Chief Analytical Officer, während Inès de Dinechin den Aufsichtsrat der Scope Group leitet.

Ganz allgemein gilt: Wenn ein Unternehmen dauerhaft Verluste erwirtschaftet und der Wille und die Möglichkeiten der Altgesellschafter erschöpft sind, kommt denjenigen Gesellschaftern, die zuletzt hinzutreten und bereit sind, frisches Kapital zur Deckung laufender Verluste zuzuführen, eine besonders starke Stellung zu, denn sie sind es, die als neue Gesellschafter die Bedingungen setzen können, zu denen sie ihr Geld einzahlen und eine drohende Illiquidität und schließlich Insolvenz vermeiden.

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