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Verpuffte Sanktionen – Boom bei Chinas Halbleiterbranche
Von Dr. Oliver Everling | 21.November 2023
„Seit 2019 übt die US-Regierung Druck auf weltweit führende Halbleiterunternehmen aus, um zu verhindern, dass China hochmoderne Halbleitertechnologie und -ausrüstung erwirbt“, schreibt Yanxiu Gu, Produktspezialistin für chinesische Aktien bei ODDO BHF Asset Management in einem aktuellen Marktkommentar. Für Huawei sei das jedoch der Anstoß die Chip-Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen. Das niederländische Unternehmen ASML könne seine EUV-Lithographiesysteme nicht mehr nach China verkaufen. So kann China, Experten zufolge, keine High-End-Chips mit 7nm oder kleiner mehr herstellen. In dem neuen 5G-Smartphone des chinesischen Technologiekonzerns (Mate 60 Serie) ist der in China hergestellte High-End-Chip Kirin 9000S verbaut. Experten der Beratungsfirme TechInsights zufolge wurde dafür die 7nm-Prozessortechnologie des modernsten chinesischen Herstellers SMIC eingesetzt.
In China hat das die Begeisterung für und das Vertrauen in die heimische Innovationskraft gestärkt. Huawei kann so seinem Hauptkonkurrenten Apple in China immer mehr Marktanteile abnehmen. Huawei war bis zu den Sanktionen der USA die Nummer 1 in China und der zweitgrößte Smartphone-Hersteller der Welt. Die Markteinführung der neuesten Smartphones dürfte Huawei wieder zum größten Smartphone-Hersteller Chinas machen. Die Produktspezialistin für chinesische Aktien von ODDO BHF fasst zusammen: „In der ersten Oktoberwoche überholte Huawei gemessen an Smartphone-Verkäufen Apple, Honor und Xiaomi und wurde zur gefragtesten Marke.“
Mit 1000 bis 3000 verbauten Chips ähneln Elektroautos riesigen PCs und Smartphones. „Als Huawei Anfang des Jahres in den Markt eingestiegen ist, war nicht klar, inwiefern Huawei einen Wettbewerbsvorteil Huaweis gegenüber etablierten Marken wie BYD, Tesla oder Li Auto haben würde“, erinnert sich Yanxiu Gu. „Der Durchbruch Huaweis mit dem Kirin 9000S hat jedoch das Vertrauen der Verbraucher in die Produkte des Unternehmens deutlich gestärkt.“ Beispielsweise sei Huaweis neuer Elektro-Geländewagen M7 direkt zu einem ernsthaften Konkurrenten für andere chinesische Marken geworden. In 25 Tagen gingen bei Huawei mehr als 50.000 Bestellungen für Elektroautos ein. Das übertraf selbst die eigenen Erwartungen von 8.000 Bestellungen pro Monat vor.
Der Expertin von ODDO BHF AM zufolge verzeichneten seit der Markteinführung der Mate 60-Serie auch inländische Zulieferer Kursgewinne. Es wird erwartet, dass sie vom Nachfrageschub im Markt für Smartphones und Elektroautos profitieren werden. Ein Beispiel ist das Unternehmen OFIUM, das Huawei Kameramodule liefert und früher für Apple fertigte. Der Aktienkurs verdoppelte sich innerhalb von 6 Tagen nach der Markteinführung des Huawei Mate 60. Auch die Seres Group, die am Bau von Huaweis Elektroautos beteiligt sind, und der Chip-Hersteller SMIC verzeichneten seit Markteinführung des Smartphones bis Anfang November einen höheren Anstieg ihrer Aktienkurse als der chinesische Halbleitermarkt insgesamt.
Die chinesische Regierung ist bereit unbegrenzt viel in die Forschung der Halbleiterindustrie zu investieren seit die US-Sanktionen die modernsten Lithographieanlagen beinhalten. Davor war die Bereitschaft in Innovation zu investieren bei chinesischen Unternehmen gering, waren sie doch vergleichsweise günstig zu kaufen. Das wird heute kritisch gesehen, die Haltung sei naiv gewesen. Yanxiu Gu von ODDO BHF Asset Management fügt hinzu: „Chinesische Unternehmen schrecken geringere Gewinnmargen oder sogar Gewinneinbußen nicht ab, solange sie weiterhin auf die finanzielle und regulatorische Unterstützung der chinesischen Regierung zählen können.“ Laut Reuters plant diese einen zusätzlichen Fonds mit einem Volumen von 300 Milliarden Yuan (41 Milliarden US-Dollar), um der Halbleiterindustrie neues Leben einzuhauchen.
Der 7nm-Chip Kirin 9000S ist ein Meilenstein im Kampf Chinas gegen die US-Sanktionen so Yianxiu Gu. Die Kapitalstärke Chinas, die vorhandenen Fachkräfte und die enorme Binnennachfrage böten eine gute Grundlage, anstehende Herausforderungen zu meistern. Schließlich sei China der größte Halbleitermarkt der Welt und die riesige Binnennachfrage ermögliche etwa bei Elektroautos und Photovoltaik, von Skalenvorteilen zu profitieren. Derweil ist mit weiteren Sanktionen der USA zu rechnen. Aufgrund der Sanktionen erlangen einheimische Unternehmen mehr Marktanteile. Das zeigt sich auch bei Unternehmen wie Huawei, Alibaba und Baidu, die sich gezwungen sehen, auf inländische Anbieter zurückzugreifen. Bei fast der Hälfte aller Ausschreibungen chinesischer Foundries für Maschinenausrüstungen bekamen inländische Anbieter den Zuschlag.
Ähnlich wie Taiwan seit 50 Jahren den Chiphersteller TSMC fördert, wird auch China lokale Unternehmen massiv unterstützen, heißt es aus ODDO BHF Asset Management. Durch die US-Beschränkungen für Technologieexporte müssen nachgelagerte Technologieunternehmen wie Huawei kostenintensive Innovationssprünge unternehmen. Vorgelagerte Branchen und Ausrüster aus China werdenn jedoch eindeutig als Profiteure gesehen. Der Kurs des Herstellers von Ätzanlagen für integrierte Schaltkreise AMEC ist seit Jahresbeginn um 63% gestiegen (Stand: 18. Oktober 2023. Die Produkte werden weltweit anführende Unternehmen verkauft. „Der Technologiewettlauf zwischen China und den USA wird so schnell nicht enden. Anleger jedoch könnten sich gute Chancen entgehen lassen, wenn sie sich von diesen Aktien abwenden“, resümiert die Spezialistin für chinesische Aktien.
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