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Versicherungspleiten trotz oder wegen Bankenrettung
Von Dr. Oliver Everling | 5.März 2009
Selbst wenn die Banken durch den Staat gerettet werden, müssen es womöglich die Lebensversicherer mit der eigenen Insolvenz bezahlen, meint der Münchner Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala. Zumindest aber drohe die Reduzierung der Überschüsse, und damit eine geringere Altersversorgung für Privatversicherte. In den Portfolios der Versicherer befinden sich nämlich auch hochriskante Ausleihungen an Banken, die bei den Versicherern bisher noch als „sichere festverzinsliche Papiere“ gewertet werden.
Auch der größte Rückversicherer hat das Problem im Kern erkannt: Fehlendes Risikomanagement, mangelhafte Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Risiko zu Rendite, und neue Bilanzierungsregeln als Einladung zur Intransparenz. Der Spekulation auf immer steigende Aktienkurse durch Versicherer folgte 2002 die Bilanzregel der „stillen Lasten“ – damit wurden die Verluste fast unsichtbar gemacht – und man konnte Gewinne ausschütten, die man gar nicht hatte. Die politische Antwort 2008 auf neue Verluste aus „strukturierten Papieren“ in den Finanzhäusern war die faktische Abschaffung der Insolvenz bei Überschuldung. Solche Vernebelung aber untergräbt nach Dr. Fiala das Vertrauen der Anleger und Kreditgeber.
Erst wenn die Kapitalanlagen mehr als 25 % über ihrem tatsächlichen Wert in der Bilanz stehen, will die Finanzaufsicht diese Wertansätze dort erst einmal auf Nachhaltigkeit prüfen. Was aber dieser tatsächliche Wert sein mag, orientiert sich mit Zustimmung des Wirtschaftsprüfers künftig nicht mehr am Börsenwert, sondern kann bis zu mehr als das dreifache betragen. Im „Special zur Finanzkrise“ weist der „map-Report“ auf die geringe Quote bei amerikanischen Schrotthypotheken und Aktien in den Finanzanlagen der Lebensversicherer hin: „Besorgnis ist unbegründet“.
Indes befindet sich das Risiko in nachrangigen Darlehen der Versicherer an Banken, welche im Vergleich zum denkbaren Totalausfallrisiko eine minimal höhere Verzinsung bieten. Strukturierte Schuldscheindarlehen und Nachranginvestments wurden gerne von Lebensversicherern gekauft, die mit diesen „sicheren festverzinslichen Papieren“ die erforderliche Rendite erwirtschaf-ten wollten, um neben dem Garantiezins auch noch eine Überschussbeteiligung zahlen zu können.
Auch der hohe Konzentrationsgrad in Schuldscheindarlehen und Namensschuldverschreibungen deutscher Banken stellt für den Versicherungsanalysten der Société Générale in Frankfurt Zielke ein erhebliches Investitionsrisiko dar. Die „Beinaheinsolvenz“ der HRE habe gezeigt, dass die deutsche Einlagensicherung keine Garantie darstellt. Schuldscheine, die weitere rund 25 Prozent der Kapitalanlagen der Versicherer ausmachen, seien nach Zielke nicht als gesicherte Papiere anzusehen. Diese Anleihen setzten die Versicherer in ihrer Bilanz mit 100 Prozent an, weil wegen der impliziten Staatsgarantie kein Ausfallrisiko zu sehen sei und sie vor Endfälligkeit nicht liquidiert werden müssten – die bereits erheblichen stillen Lasten bei diesen Papieren müssten die Versicherer damit nicht interessieren.
Speziell die Nachranganleihen sind nach Feststellungen von Dr. Fiala im Mittel nur noch 20 Cent je Euro Nennwert und teilweise weniger wert, was die Versicherer aber nicht so bilanzieren müssten, solange die Zinsen gezahlt werden und die Papiere bis zum Ende gehalten werden können und dann am Ende von den Banken auch „vermutlich“ eingelöst werden. Das ist aber nicht einmal von den vorrangig zu bedienenden ebenfalls weitgehend ungesicherten sonstigen Bankschuldverschreibungen sicher. Diese auf Hoffnung basierende Bilanzierung begründen die Versicherer ganz legal damit, dass es (bisher) keinen Run der Versicherungskunden auf ihr Geld gibt und die Leistungen an Kunden – statt aus dem Verkauf von Papieren – ohne ernsthaftes Liquiditätsproblem aus der laufenden Beitragseinnahme gezahlt werden können, und dass außerdem die Banken gerettet werden.
Ob die Kunden es auf Dauer akzeptieren, dass ihr echtes frisches Beitrags-Geld gleich an andere ausgezahlt wird und sie dafür Anteile an inzwischen nahezu wertlosen Papieren erhalten, hält der auch Kunden beratende Versicherungsmathematiker Peter A. Schramm für fraglich – er erwartet einen weiteren Anstieg der Kündigungen und Rückkäufe wegen der Finanzkrise. Nun zeichnet sich ab, dass zwar die Banken allgemein gerettet werden, aber die Vorstandsgehälter und Dividenden gekürzt bzw. ausgesetzt werden und – zur Überraschung der Versicherer – auch die Nachranganlagen zunächst einmal nicht mehr mit Zinsen und Tilgungen bedient – und womöglich auch am Ende gar nicht eingelöst werden.
Bei der BayernLB z.B. hat sich bereits Brüssel eingemischt und genehmigt zwar die Staatshilfen, aber nur unter der Voraussetzung eines Ausschüttungsverbots für Nachrangdarlehen. Auch die irische DePfa – Tochter der HRE – will die Nachrangdarlehen nicht mehr bedienen. Gerade die Rettung der Banken führt mithin dazu, dass die Nachrangdarlehen (die ja fast nur von institutionellen Anlegern wie Versicherern gezeichnet wurden) womöglich nicht nur nahezu unverkäuflich, sondern auch ganz real ziemlich wertlos werden. Wenn aber ihre Tilgung nicht mehr anzunehmen ist, müssen sie auch gleich abgeschrieben werden, darauf weist Dr. Fiala hin.
Als Reaktion der Versicherungswirtschaft drohte diese den Banken und indirekt auch dem Staat, die Refinanzierungsmöglichkeiten einzuschränken, wenn die Zins- und Tilgungszahlungen auf ihre Nachrangdarlehen nicht bedient werden. Außerdem würde die Altersvorsorge der Versicherungsnehmer vermindert werden, die der Staat gerade erst mit Milliarden Steuersubventionen auf eine vermehrte Kapitaldeckung umstellen will.
Obwohl – oder gerade weil – die Banken gerettet werden, sind speziell die nachrangigen Darlehen der Versicherer an Banken damit keinesfalls sicher und es fallen die Zins- und Tilgungszahlungen auf Nachrangdarlehen aus. Nach Ansicht des Versicherungsmathematikers Schramm wird sich wohl damit abfinden müssen, dass auch die Versicherten sich mit geringerer Altersversorgung an der Bankenrettung beteiligen werden. Schlimmer noch könne es außerdem noch einen Run auf Versicherer geben, der durch das daraus folgende Liquiditätsproblem letztlich doch noch den Verkauf der betreffenden wertgeminderten Papiere erzwingt.
Schramm weist darauf hin, dass die Aktuare der DAV derzeit einen konkreten Hin-weis erarbeiten, wie in einem solchen Fall z. B. eines Runs auf Versicherer in einer Finanzkrise die Rückkaufswerte zusätzlich gekürzt werden können. Gesetzlich ist dies nach § 169 (6) VVG – und ohnehin auch schon gemäß der für Altverträge geltenden Regelung über den Zeitwert – möglich. Der Wert von Lebensversicherungen als Kreditsicherheit wird dadurch aber nach Ansicht von Dr. Fiala zusehends fraglicher.
Das Überleben der Versicherer selbst sieht Aktuar Schramm derzeit nicht wirklich gefährdet – die künftigen Überschussbeteiligung, Ablaufleistungen und Gewinnrenten der Versicherten schon. Doch dank der Aktuare kann bei einem Run die Belastung zumindest auch durch Abschläge auf den Rückkaufswert auf die Kündiger verlagert werden und muss nicht nur von den vertragstreuen Kunden getragen werden.
Dr. Fiala weist darauf hin, dass solche Entwicklungen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung selbst zur Kündbarkeit an und für sich vertraglich unkündbarer Verträge führen können, wie z. B. selbst von bereits laufenden Altersrenten. Dies könne das Liquiditätsproblem der Versicherer ebenso verschärfen wie ein Ausstieg des starken Zweitmarktes, wenn dessen Refinanzierungszins steigt und die Überschüsse auf die Lebensversicherungsanlagen zurückgehen – was diesen zu massenhafter Kündigung und Rückkauf der Verträge zwingen könnte.
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