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Von Alibaba als „Amazon Chinas“ zu Amazon als „Alibaba der USA“
Von Dr. Oliver Everling | 19.Dezember 2020
„Innovative Marktführer können sich in Schwellenländern hervortun“, schreibt ein kluger Investor in seinem „Weihnachtsbrief“, der hier zwar zitiert werden darf, aber anonym bleiben will, da sein Brief nur an seine „Investoren und zur Kontakterhaltung an einige wenige andere Bekannte/Freunde“ gehe: „Wenn es um Innovation geht, scheinen die großen US-Technologieunternehmen die meiste Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dies könnte sich jedoch auf China und andere Schwellenländer verlagern.“
Sein Brief erreicht nun schon seit Jahrzehnten seine Investoren sowie einen kleinen Kreis aus Bekannten und Freunden. Seine Website gibt sich keine Mühe mit Design, vielleicht nach dem Vorbild von https://www.berkshirehathaway.com/. Er habe gelernt, dass Bescheidenheit, Diskretion und Zurückhaltung für seine Arbeit nützlich sind. „Demgemäß dürfen Sie die Informationen gerne verwenden, aber zitieren Sie mich bitte nicht. Und ein Vergleich mit Warren ist zwar schmeichelhaft, aber schon allein von der Größenordnung nicht richtig; er beschäftigt immerhin 25 Mitarbeiter“, scherzt unser Kontakt mit Blick auf seinen eigenen Mitarbeiterstab.
Wer das Privileg hatte, so viele Jahre seinen Weihnachtsbrief lesen zu dürfen, wird sich an viele seiner Prognosen erinnern, die später teils freudige, teils bittere Realität wurden. Liegt es an seiner strengen Logik? Darüber und über seinen Track-record kann an anderer Stelle nachgedacht werden, hier sei es erlaubt, einen kleinen Teil seiner Prognosen 2021 zu zitieren:
„Wir werden erleben,“ sieht er voraus, „wie sich Unternehmen aus Schwellenländern von Nachahmern zu wahren Innovatoren entwickeln. Früher bezeichneten wir Unternehmen wie Alibaba als ‚Amazon Chinas‘ oder Baidu als das ‚Google Chinas‘, aber diese Unternehmen haben tatsächlich ihre Technologie entwickelt und lokalisiert und gleichzeitig ihr Wachstum auf andere Weise als in den USA beschleunigt.“
„Erfolgreiche Neueinsteiger werden möglicherweise schneller wachsen als etabliertere Unternehmen,“ so seine Mathematik, „wahrscheinlich lange bevor sie sich außerhalb ihrer lokalen Märkte einen Namen machen. Pinduoduo, ein E-Commerce-Unternehmen in China, das noch keine 10 Jahre existiert, aber bereits eine Marktkapitalisierung von mehr als 100 Mrd. US-Dollar aufweist, ist dafür ein Beispiel. Ebenso hat die 150 Mrd. US-Dollar schwere Multi-Service-Plattform Meituan über 450 Millionen aktive Nutzer. Solche Unternehmen werden branchenübergreifend wie Pilze aus dem Boden schießen.“
Der Weihnachtsbrief zeugt von Optimismus: „Die Prognose für die Behandlung von Krebs sieht gut aus: Die Heilung von Krebs ist vielleicht näher, als man denkt. Durchbrüche in der Gentherapie und neue Anwendungen von künstlicher Intelligenz beschleunigen die Medikamentenentwicklung. Möglicherweise werden einige Krebsarten bis 2030 durch Zelltherapie funktionell geheilt werden können. Neue, zuverlässige Tests werden eine sehr frühe Erkennung und Lokalisierung der Krebsentstehung ermöglichen. Nach 2030 könnte Krebs als eine der Haupttodesursachen durch Früherkennung weitgehend ausgemerzt werden.“
Die nächste Welle der pharmazeutischen Innovation könnte von einer ganz unerwarteten Stelle kommen: „Wahrscheinlich werden bis 2030 viele globale ‚Blockbuster-Präparate‘ aus China kommen. Das Land hat die größte Population von Krebspatienten auf der Welt, und jeder zweite von ihnen nimmt an einer klinischen Studie teil, gegenüber einem von 20 in den USA. Ich gehe davon aus, dass China innerhalb von fünf bis zehn Jahren mit der Produktion neuer Medikamente beginnen wird, bei einem Zehntel der Kosten in den USA.“
Die Rivalität zwischen den USA und China könnte die Geopolitik bestimmen: „Vor einer gefühlten Ewigkeit, in der Zeit vor COVID-19, bestimmte der Handelskonflikt zwischen den USA und China die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, aber die frostigen Beziehungen zwischen den beiden Supermächten werden auch mit dem neuen US-Präsidenten eines der wichtigsten Anlagethemen bleiben.“
Es gehe nicht nur um Geopolitik. Dieser Konflikt werde sich auch direkt auf die Unternehmen auswirken, da sie gezwungen sind, Partei zu ergreifen und vielleicht ihre Arbeitsweise auf beiden Seiten anzupassen. Unser Ratgeber erinnert daran, dass die USA Durchführungsverordnungen zum Verbot der beliebten Apps TikTok und WeChat erlassen wollten, wenn die US-Segmente nicht von ihren chinesischen Muttergesellschaften verkauft werden.
„Zwar empfiehlt sich diejenigen Akteure zu meiden, die ins Kreuzfeuer geraten könnten, aber großartige Anlagemöglichkeiten sind trotzdem im Überfluss vorhanden. Rein am Binnenmarkt tätige chinesische Internetfirmen, wie zum Beispiel Alibaba und Baidu,“ resümiert der Kapitalmarktexperte, „werden von einem Handelskrieg nicht in Mitleidenschaft gezogen. Und es gibt branchenübergreifend innovative Startups, die von großartigen Unternehmern gegründet wurden.“
Themen: Aktienrating, Länderrating | Kommentare deaktiviert für Von Alibaba als „Amazon Chinas“ zu Amazon als „Alibaba der USA“
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