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Wachstumsfinanzierung in Europa

Von Dr. Oliver Everling | 27.September 2013

„In den südlichen Ländern haben wir extrem hohe Arbeitslosenquoten, aber die Konjunktur zeigt Lichtblicke“, sagt Dr. Dieter Glüder von der TSI. Glüder spricht auf dem TSI Kongress 2013 in Berlin. Die Bruttoanlageinvestitionen sind nach einer Erholungsphase aber wieder schrumpfend. „Die Euro-Kapitalmärkte haben sich ein gut Stück beruhigt, die Targetsalden laufen rein, aber die Kreditvergabe schrumpft noch – die Geldmenge M3 wächst kaum“, analysiert Glüder.

Die Kreditvergabe an nichtfinanzielle Unternehme spiegele, dass letztlich keine Investitionen durchgeführt werden. „Die Kapitalquoten in den Unternehmen sind sehr hoch, aber wir sehen, dass in Deutschland keine Investitionen durchgeführt werden“, beklagt Glüder.

Dr. Markus Kerber vom BDI vermisst die Equity Story der Eurozone. Das Geschäftsmodell Deutschlands sei klar, vom Exportweltmeister bewege sich hin zu den Direktinvestitonen im Ausland. „Je mehr wir uns in Amerika und Asien bewegen, desto besser ist es für uns, aber im Moment funktioniert die deutsche Story nur für Deutschland und nicht für die anderen Länder in der Eurozone.“ Niemand wolle im Süden investieren, weil nicht klar sei, ob die Länder im Euro bleiben. Die Konvergenz bekomme man so nicht hin. Solange die Strukturreformen nicht greifen, werde das Grundproblem des fehlenden Vertrauens in die südlichen Länder nicht  gelöst.

Die zentrale Rolle der Investitionen dürfe nicht unterschätzt werden, mahnt Kerber. Keynesianisch gedacht müsste jetzt wieder öffentlich investiert werden. Es werde stattdessen über Steuererhöhungen diskutiert. Die Überschüsse sollten zur Investition verwendet werden. „Wir haben überhaupt keine Phantasie für mehr öffentliche Investitionen.“

Hans-Jörg Mast von Claas illustriert die internationale Präsenz seines Konzerns. Frank Fiedler von Volkswagen Financial Services betont, dass Deutschland mit seinem Geschäftsmodell an Europa hänge. Die Kapazitäten für die Automobilindustrie stehen in Europa, aber die Märkte seien weggefallen. „Wenn wir in Europa investieren, müssen wir in Märkte investieren. Man müsse sich daher fragen, ob man Europa ernst meine und wie man das refinanziere.“ Es helfe nichts, sich auf Deutschland zu beschränken. „Wir leben von Europa und von anderen Märkten. Also muss man sich auch so aufstellen.“ Die Regulatorik würgt den Markt ab, den man braucht, um aus der gegenwärtigen Situation herauszukommen.

„Die Zinsen sind exorbitant niedrig und sollten eigentlich Wachstum finanzieren“, ruft Glüder in Erinnerung. Daraus würden auch Herausforderungen für die Aufsicht erwachsen. Philipp Waldstein Wartenberg pflichtet Glüder bei, dass das Niedrigzinsniveau eine zentrale Problematik darstellt. Durch die Niedrigzinsen sei zwar zunächst ein Vermögenszuwachs durch den Barwerteffekt erzielt worden. „Das Thema wird uns sehr lange verfolgen. Der Ausstieg kommt nur graduell.“

Waldstein Wartenberg denkt über die Veränderungen des Anlageverhaltens nach. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in eine strukturelle Blase eintreten.“ Wenn Versicherungen in Credits anlegen würden, stehe auf der Passivseite dem nichts gegenüber. „In den Versicherungen gibt es keine Passivseite. Wir sind nicht die bessere Bank.“ Waldstein Wartenberg sieht Kompetenzen bei abgegrenzten Projektrisiken, technischen Fragen und Beurteilungen, hier könnten sich Versicherer einbringen.

Frank Fiedler kommentiert den Einfluss der Bankenunion: „Das ist der Versuch, Ruhe und Sicherheit hinzubringen. Es geht mehr um befreundete Nachbarstaaten als um uns. Wer aber was entscheidet, ist noch nicht klar. Es sind so viele Punkte noch unklar, dass sich daraus Unsicherheiten ergeben. Wir haben zu viele Bälle in der Luft, daher wird es nicht automatisch ruhiger. Ich glaube nicht, dass das der große Wurf ist und danach läuft alles wieder.“

Hans-Jörg Mast benennt die Anlagen bei Banken als neuen Risikosektor. Banken sind als Gegenparteien zu bewerten. „Wenn die nächste Kreditkrise weitgehend ohne den Staat gelöst wird, müssen wir akzeptieren, dass die Unternehmen die Banken als Gegenparteien genau anschauen.“ Mast macht klar, dass die Fragen nach der Lösung einer Kreditkrise und der Bewertung von Banken unmittelbar zusammenhängen.

Werner Steinmüller von der Deutschen Bank wirft ein, dass die Aufteilung der Risiken unter Unternehmen keine Lösung sei. „Nicht alle Eier in einen Korb legen“ sei das Grundprinzip, das es zu beachten gelte. Auch der Mittelständler solle sich nicht nur von einer Bank abhängig machen. Selbst im Zahlungsverkehr müsse der Kunde besser darauf achten, wie er seine Bankenstruktur formiere. Per Dekret das Geld einzuziehen, wie es in Zypern geschehen sei, sei die schärfste Form, Bankkunden zu beteiligen.

Mit Sorge sieht Steinmüller auf den von der EU anstehenden Bankentest, bei dem 135 systemrelevante Banken in Europa getestet werden. „Bei jedem Test kommt irgendetwas heraus. Meist nicht zum Vorteil“, so seine Sorge. Für viele Banken sei es offen, wie das Eigenkapital dann gestärkt werden könne.

Walstein Wartenberg tritt dem Mark-to-market entgegen, das müsse mit Augenmaß geschehen. „Das beste Fleisch hat man nach der BSE-Krise bekommen und der österreiche Wein ist nach dem Glykolskal zu Spitzenwerten aufgestiegen“, sagt Waldstein Wartenberg und deutet an, dass irgendwann auch der Zeitpunkt gekommen sein könnte, dass die Banken in Europa wieder auf soliden Füßen stehen.

Steinmüller hört seit etwa drei Monaten eine verstärkte Diskussion über die Leverage Ratio. Der Gedanke sei vom Prinzip eigentlich nicht schelcht, aber man müsse sich die Definitionen anschauen. Bietungsgarantien, Performancegarantien, Akkreditive usw. würden mit der Leverage Ratio nun über den Strich gezogen. „Nun also 100 % über dem Strich. Eigenhandel und Derivate können und wollen wir reduzieren. Aber welche sind die Kredite, die vom Risiko extrem niedrig sind? Jeder muss damit rechnen, dass eine Verknappung der Instrumente zu höheren Preisen führen wird und weitere Risiken bringt.“

Kerber sieht eine völlige Vergalloppierung in der Politik der Bankenregulierung. Die Banken haben dadurch ein hohes Selbstbeschäftigungspotential erhalten. Nun habe man aber eine Regulierung geschaffen, die auf der Passivseite Veränderungen bringe. „Ich schätze, wir werden mehr Bankenübernahmen haben. Wieder also eine Dekade, in der Banken sich mit sich selbst beschäftigen. Das Oberziel der Bankenregulierung ist völlig verloren gegangen.“ Für die Realwirtschaft komme durch die Bankenregulierung nicht viel heraus. „Bankenregulierung muss auf den originären Zweck zurückgeführt werden. Die Leverage Ratio wird auch der Unterschiedlichkeit der Märkte in Europa nicht gerecht.“

Fiedler betont, dass die Leverage Ratio ja noch zusätzlich komme. Es werde kaum beachtet, dass es nun zu widersprüchlichen Regelungen komme. Die Verschuldungsquote mit der Konsequenz der Verbriefung komme als Retourkutsche wieder. „Wir müssen erklären, was die Wirkung ist. Die Durchleitungswirkung bei den Banken ist nicht die Realwirtschaft.“ Fiedler fordert, dass mehr nach den Konsequenzen der Bankenregulierung in der Realwirtschaft gefragt werde.

Mast stimmt dem zu, dass zu wenig über die Konsequenzen nachgedacht wird. Um Barnier habe man Textbuchvorstellungen darüber, wie die Welt auszusehen hat, kritisiert Mast. Mast kommt auf die Initiative zum Shadow Banking zu sprechen und den Eingriffen, die sich daraus für Commercial Paper ergeben. Mast benennt die Gründe für Corporates, ABS zu machen. „Wenn der Corporate den kurzfristigen Markt ohne Rating nicht erreicht, kommt ABS ins Spiel.“

Themen: Branchenrating, Länderrating, Unternehmensrating | Kommentare deaktiviert für Wachstumsfinanzierung in Europa

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