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Wahrsager des Finanzsektors

Von Dr. Oliver Everling | 23.April 2008

Wirtschaftsprüfungsgesellschaften spielten in den letzten Jahren eine oft unrühmliche Rolle bei Unternehmensinsolvenzen. Nach den Skandalen um Enron, einst zu den größten amerikanischen Konzernen gehörend, und WorldCom in den USA, brach die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen zusammen. Als Ergebnis der Verstrickung im Enron-Skandal 2002 stellte die Gesellschaft für die Zeitdauer des Strafverfahrens freiwillig den Betrieb ein und löste sich später auf.

Der Blick braucht nicht erst über den Atlantik zu schweifen, um zahlreiche Beispiele für das Versagen führender Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu finden. So füllen die „Pleiten“ von WP-Gesellschaften auch hierzulande schon ganze Internetauftritte – Websites, die eigens geschaffen wurden, um Fehlurteile von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften anzuprangern. So sind beispielsweise die Listen der Versäumnisse der KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nachzulesen. Hier wird in Erinnerung gerufen, dass die KPMG von der Insolvenz der Philip Holzmann bis zur IKB Deutschen Industriebank immer wieder dabei war.

Auch in den Niederlanden wird die Frage kontrovers diskutiert, welche Rolle Wirtschaftsprüfungsgesellschaften im Rating spielen. So wird gefragt, ob die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften den internationalen Ratingagenturen Standard & Poor’s und Moody’s Konkurrenz machen sollten. Fraglich erscheint, ob Wirtschaftsprüfer hierfür geeignet sind. „Hat er die erforderliche Ausbildung, Erfahrung und vor allem“, unterstreicht Fritz Witt von der URA Rating Agency B.V., „kommt er nicht mit seinen Berufsregeln in die Klemme?“ Hierüber diskutieren nicht nur die Wirtschaftprüfer selber, sondern auch die Ratingagenturen.

Prof. Dr. Jaap Koelewijn, ein renommierter Professor an der Nivra Nyenrode University in den Niederlanden, befasst sich in seiner Kolumne für das „Finanicieel Dagblad“, dem holländischen Equivalent zum deutschen Handelsblatt, mit der Rolle der Wirtschaftsprüfer, aber auch mit anderen Alternativen zu den Ratingagenturen. Ein Beispiel dafür ist das von Willem Okkerse gegründete OK-Rating Institute (www.ok-score.nl). Okkerse erreicht mit seinem Ansatz nach eigenen Darstellungen eine ungewöhnliche Treffgenauigkeit in der Prognose.

„Die wesentliche Frage ist, ob Herr Okkerse mit seinem Modell erfolgreich ist, wenn man willkürliche Aktien wählt. Diese Frage hat er noch nie beantwortet“, kritisiert Koelewijn. Seine Meinung, dass WPs nicht merken, wann ihre Mandanten Konkurs machen könnten, bleibt nach Ansicht von Koelewijn eine Behauptung.

Koelewijn stellt ddie Behauptung von Okkerse heraus, nach der Okkerse auf Grund von Bilanzen von Ahold vorhersagen konnte, dass Betrug stattgefunden habe. Koelewijn ist der Meinung, dass das Wesen von Betrug nun gerade ist, das dies nicht in den Büchern vorkommt. „Etwas, das nicht veröffentlicht wird, kann man auch über die Bilanzanalyse nicht finden.“ Außerdem sei Okkerse erst nach einem Jahr mit seiner Behauptung in die breite Öffentlichkeit gekommen, den Betrug bei Ahold vorhergesagt zu haben. Koelewijn: „Herr Okkerse ist der Wahrsager des holländischen Finanzsektors. Er spielt nicht mit gemäß den allgemeinen Spielregeln und erklärt die WPs für verrückt. Sein Modell ist nicht zu prüfen und es bleibt vollkommen undeutlich, auf Grund welcher Kriterien er seine Vorhersagen macht.“

Die ungewöhnliche Schärfe, mit der die Diskussion um die Ratingagenturen in den Niederlanden ausgetragen wird, belegt die Bedeutung, die den Ratingagenturen beigemessen wird. So ist das Bewusstsein erheblich gestiegen, dass mit der Aufgabenverteilung im Rating wichtige Weichen für die zukünftige Entwicklung gestellt werden. Die Erklärung vom Vorstandsvorsitzenden von Deloitte in Holland, Roger Dassen, dass er ernsthaft prüft, ob Deloitte als internationale Ratingagentur auftreten will, löst viele verschiedene Reaktionen aus.

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