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Wappenschmidt schließt Forschungslücke
Von Dr. Oliver Everling | 21.Februar 2009
Auf den ersten Blick scheint das von Christian Wappenschmidt gewählte Thema seiner Doktorarbeit zu weit gewählt zu sein: Eine wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel „Ratinganalyse durch internationale Ratingagenturen“ im Jahre 2009 zu veröffentlichen, wo doch „Credit Rating durch internationale Agenturen“ bereits 1991 vorlag und seitdem hunderte weitere Dissertationen und andere wissenschaftliche Arbeiten zu spezielleren Themen des Ratings publiziert wurden, wäre nur durch ganz grundlegend neue Forschungsergebnisse zu rechtfertigen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber rasch der wissenschaftliche Mehrwert, den Wappenschmidt liefert.
Die Betonung des Titels liegt auf Analyse: Der Begriff „Rating“ kann sowohl das Ergebnis, als auch den Prozess einer Kreditwürdigkeitsuntersuchung bezeichnen. Mit „Ratinganalyse“ betont Wappenschmidt daher seinen Fokus auf die Kriterien und Maßstäbe, nach denen Ratings erteilt werden. Dazu bringt er eine durchaus für die deutschsprachige Literatur originelle Idee ein: Er wertet die Ratingberichte von Moody’s und Standard & Poor’s für 62 Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus und testet diese anhand eigener Hypothesen.
Die Art der Auswertung ist unter dem Aspekt des dafür notwendigen Zeitaufwands praktisch erst in den letzten zwei Jahrzehnten möglich geworden, da heute die Ratingbegründungen der führenden Agenturen durchweg elektronisch veröffentlicht werden und daher genaue Erhebungen zum Beispiel bezüglich des Umfangs der Urteilsbegründungen erlauben. Wappenschmidt arbeitet klar nachvollziehbar mit einem Codebuch der Inhaltsanalyse, um damit Standardformulierungen der Ratingagenturen zu kodieren und zuzuordnen.
So gelingt es Wappenschmidt, Licht in die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Ratingbegründungen von Moody’s und Standard & Poor’s zu werfen. Besteht ein Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße oder der Ratingklasse und Ausführlichkeit der Ratingbegründung? Stellen die Ratingagenturen mehr auf Cashflow als auf den Gewinn ab? Gibt es Kennzahlen, die stets berücksichtigt werden? Wappenschmidts Arbeit liefert empirische Evidenz zu diesen und weiteren Bestimmungsfaktoren des Ratings.
Wappenschmidt belässt es aber nicht bei der Auswertung der offiziellen Ratingbegründungen, sondern holt auch die Stellungnahmen der betroffenen Unternehmen ein. Nicht ganz überraschend glauben viele Adressen, noch ein besseres Rating verdient zu haben, und nur im Ausnahmefall wird „so ehrlich“ geantwortet, eigentlich nach eigener Einschätzung zu gut bei den Ratinganalysten davongekommen zu sein. Hier ähnelt sein Befund den Befragungsergebnissen, die Ende der 1990er Jahre von Joseph Cantwell bei Emittenten weltweit erhoben wurden.
Mit seinen empirischen Ergebnissen schließt Wappenschmidt eine Forschungslücke auf der Basis der bisher noch relativ geringen Anzahl der Emittenten aus dem Industriesektor des deutschsprachigen Raumes, die über Ratings international anerkannter Ratingagenturen verfügen. Zugleich lässt die Arbeit unschwer erkennen, wo weiterer Aufklärungsbedarf besteht für weitere Forschungen, da von Unternehmensseite nur Meinungsäußerungen vorlagen und die Ratingagenturen nicht auch den Blick auf vertrauliche Daten erlauben konnten.
Die Dissertation von Wappenschmidt erschien im Peter Lang Internationaler Verlag der Wissenschaften, wo sie in Reihe der Betriebswirtschaftlichen Studien Rechnungs- und Finanzwesen, Organisation und Institution, herausgegeben von Wolfgang Ballwieser, Christoph Kuhner und Dieter Ordelheide, aufgenommen wurde (www.peterlang.de, ISBN 978-3-631-58004-2).
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