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Zentralbanken entdecken die Demografie
Von Dr. Oliver Everling | 27.Oktober 2016
in den vergangenen Jahren haben Forscher der US-Notenbank und der Bank of England die Rolle der Demographie bei der Entwicklung des Gleichgewichtszinses untersucht. Offenbar wirkt die demographische Entwicklung in den entwickelten Ökonomien dämpfend auf den Gleichgewichtzins, der in der Fachliteratur gerne als r* bezeichnet wird. Zu diesem Schluss kommt Gavyn Davies, einer der Gründer und Chairman von Fulcrum Asset Management.
In vom großen makroökonomischen Gesamtbild abgeleiteten Multi-Asset-Strategien verwaltet das in London ansässige Unternehmen Fulcrum Asset Management derzeit nach eigenen Angaben rund 5 Milliarden Dollar, die vornehmlich von institutionellen Investoren stammen. Vor der Gründung von Fulcrum Asset Management war Gavyn Davies 15 Jahre lang Chefvolkswirt von Goldman Sachs.
„Drei unterschiedliche Effekte haben nach den Ergebnissen der Forscher den Gleichgewichtszins r* seit 1980 um insgesamt 1 bis 1,5 Prozent gedrückt“, schreibt Davies. Die drei Effekte sind nach Davies: ein langsameres Wachstum des Arbeitskräfteangebotes, die alternde Bevölkerung und die wachsende Lebenserwartung. Diese drei Faktoren werden wohl noch eine ganze Weile anhalten.
Gavyn Davies bemerkt nun, dass die amerikanische Federal Reserve diesen demographischen Faktoren eine verstärkte Aufmerksamkeit entgegenzubringen scheint. Das ist seiner Meinung nach eine wichtige Beobachtung. Denn damit scheint die amerikanische Notenbank auch mit einer niedrigeren Wahrscheinlichkeit zu rechnen, dass der von ihr so genannte zeitweilige „Gegenwind“ in der Wirtschaft rasch wieder verschwinden wird.
Vor kurzem sei die Federal Reserve noch davon ausgegangen, dass dieser „Gegenwind“ bald wieder nachlassen würde. Nach Ansicht von Gavyn Davies verringert die in der Notenbank gestiegene Bedeutung des demographischen Einflusses auf den Gleichgewichtszins die Gefahr, dass es in den kommenden Jahren zu überraschend übertriebenen Kurswechseln in den geldpolitischen Rahmenbedingungen kommt.
Es fehlt nicht an Versuchen, das gegenwärtige Niedrigzinsniveau mit Faktoren zu erklären, die außerhalb kurzfristiger, politischer Willkür liegen, wie etwa mit dem demografischen Wandel. Im Kern wird argumentiert, dass die alternde Bevölkerung mehr gespart habe und dieses „überschüssige“ Kapital einer immer geringeren Anzahl arbeitender Menschen zur Verfügung gestellt werde.
Davies geht nicht auf die ungeheure Kapitalabsorption durch Staaten ein, die inzwischen als Emittenten alle Kapitalmärkte der Welt weit vor allen Emittenten aus der Industrie dominieren. Die explosionsartig gestiegene öffentliche Verschuldung wirkt der Zinssenkung eigentlich entgegen und führt zu einem „crowding out“ privaten Kapitals. Anstelle von Investitionen, die „sich einfach nur rechnen“, tritt öffentliche Verschuldung ohne investiven Charakter, da primär Sozialtransfers geleistet werden.
Die Geldflutung der Märkte hat möglicherweise schon längst eine – statistisch nicht von den Ämtern erfasste – Hyperinflation bei allen Kapitalgütern ausgelöst, die jede Investition teuer macht und mithin die Renditeerwartungen und damit auch die weitere Investitionsbereitschaft des privaten Sektors absenkt.
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