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Zinsen, Immobilien, Geopolitik: Das Jahr der Entscheidungen

Von Dr. Oliver Everling | 4.September 2024

Unter diesem Motto steht der Handelsblatt Banken-Gipfel 2024 in Frankfurt am Main, und die Themen könnten kaum brisanter sein. In einer Zeit globaler Unsicherheiten und wirtschaftlicher Herausforderungen fordert Christian Sewing, CEO der Deutschen Bank, Klartext. Dabei geht es nicht nur um die dringend nötigen Reformen, sondern um einen breiten gesellschaftlichen Konsens für Wachstum und wirtschaftliche Stabilität.

„Mit Reformen alleine ist es nicht getan“, betont Sewing. Es brauche Anreize, damit die Menschen bereit sind, „insgesamt mehr und härter zu arbeiten.“ Der derzeitige Standpunkt sei schlichtweg nicht wettbewerbsfähig. In einem Land, in dem die durchschnittliche Wochenarbeitszeit bei nur 28 Stunden liegt und der Renteneintritt bereits mit 63 Jahren erfolgt, sieht Sewing dringenden Handlungsbedarf. „Die Wochen- und Lebensarbeitszeit müsse erhöht werden,“ fordert er und spricht damit ein Thema an, das viele in Deutschland lieber meiden.

Doch auch die Banken selbst stehen unter Druck. Trotz ihrer gegenwärtigen Robustheit und Profitabilität dürften sie sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Sewing sieht die Banken in einem tiefgreifenden Transformationsprozess: „In wichtigen Bereichen werden die Banken zu Plattformsystemen“, sagt er. Technologie sei der Schlüssel zum Erfolg in einer zunehmend digitalisierten und vernetzten Welt. Die Volatilität der Märkte werde die Banken weiter begleiten, daher sei erstklassige Beratung entscheidend, um sich gegen Risiken wie Marktunsicherheit und Cyberkriminalität abzusichern.

Interessanterweise verändert sich auch das Firmenkundengeschäft: Weniger, aber tiefere Bankbeziehungen sind der neue Trend. Kunden setzen auf eine kleinere Anzahl von Finanzpartnern, erwarten aber eine intensivere und spezialisiertere Beratung. Nachhaltigkeit, ein Trend, der in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erhielt, sei laut Sewing „etwas aus dem Fokus gerückt“, aber nachhaltige Anlagen würden mittlerweile wieder an Bedeutung gewinnen.

Angesichts hoher öffentlicher Verschuldung und der Dringlichkeit, wichtige Zukunftstrends zu finanzieren, weist Sewing auf die Notwendigkeit einer stärkeren Kapitalmarktunion hin. „Die hohe öffentliche Verschuldung zwinge dazu, wichtige Zukunftstrends nicht nur mit öffentlichen Mitteln zu finanzieren“, betont er. Eine tiefere Integration der europäischen Kapitalmärkte sei unerlässlich, um die Aufgaben der kommenden Jahre zu bewältigen und Europas wirtschaftliche Unabhängigkeit zu stärken.

Eine besondere Warnung spricht der CEO der Deutschen Bank aus: Deutschland droht in eine gefährliche Abhängigkeit von ausländischen Anbietern zu geraten, wenn es versäumt, eigene Akteure zu fördern und zu stärken. Die geopolitischen Spannungen und die wachsende Bedeutung der technologischen Souveränität machen dies zu einem besonders kritischen Punkt.

Das Jahr 2024 markiert somit eine Zeit der Entscheidungen – für Banken, Unternehmen, Politik und die Gesellschaft insgesamt. Es wird darauf ankommen, wie flexibel und entschlossen Deutschland und Europa auf die Herausforderungen der Zeit reagieren. Die Richtung, die jetzt eingeschlagen wird, wird maßgeblich die wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunft prägen.

Christian Sewings Appell, mutig zu handeln und Reformen entschlossen anzugehen, spiegelt die Dringlichkeit wider, die viele in der Finanzwelt spüren. Denn nur durch gezielte Maßnahmen und eine klare Vision kann Deutschland seinen Platz als führender Wirtschaftsstandort behaupten.

Themen: Bankenrating, Länderrating | Kommentare deaktiviert für Zinsen, Immobilien, Geopolitik: Das Jahr der Entscheidungen

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